Wirklich, was für ein Schmierentheater! Wie weit ist die Sozialdemokratie dieses Landes eigentlich gefallen und gesunken, dass sie sich darauf einlässt?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich empfehle allen Beteiligten, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25. August 2005 zur Frage der Auflösung des Deutschen Bundestags aufgrund einer Vertrauensfrage des Bundeskanzlers Gerhard Schröder zu lesen. Auch dem ja neuerdings ausgewiesenen Verfassungsjuristen Dr. Stegner, mit dessen Trixereien wir uns beschäftigt haben - deshalb haben wir es auf Montag verschoben -, empfehle ich diese Entscheidung. Wir wollten jedes Risiko vermeiden, dass die noch eine Möglichkeit haben, durch populäre Verfassungsklagen den Wahltermin möglicherweise zu verhindern.
„Von Verfassungs wegen ist der Bundeskanzler in einer Situation der zweifelhaften Mehrheit im Bundestag weder zum Rücktritt verpflichtet noch zu Maßnahmen, mit denen der politische Dissens in der die Regierung tragenden Mehrheit im Parlament offenbar würde.“
Ob eine Regierung politisch noch handlungsfähig ist, hängt maßgeblich davon ab, welche Ziele sie verfolgt und mit welchen Widerständen sie aus dem parlamentarischen Raum zu rechnen hat. Die Einschätzung der Handlungsfähigkeit hat Prognosecharakter und ist an höchstpersönliche Wahrnehmungen und abwägende Lagebeurteilungen gebunden.
Ich bin mir sicher: Niemand außerhalb dieses Hauses wird daran zweifeln, dass es keine tragfähige politische Mehrheit für diese Regierung in diesem Haus mehr gibt, jedenfalls nicht mehr nach Ihren Redebeiträgen.
Herr Dr. Stegner, ich empfehle Ihnen wirklich - Sie haben noch ein Wochenende Zeit, darüber nachzudenken - das abweichende Votum der Richterin Lübbe-Wolff, das nicht im Ergebnis, sondern in der
„Vertrauensfrage ist, wie die Frage vor dem Traualtar, keine Wissensfrage, auf die ebenso gut wie der Gefragte oder besser ein anderer antworten könnte. Der Bundeskanzler, der die Vertrauensfrage stellt, fragt nicht nach einem Wissen, sondern nach dem Willen des Parlaments und der Abgeordneten, an die die Frage nach Art. 68 GG zu richten ist: nach ihrem Willen, ihn und sein politisches Programm mit ihrem künftigen Abstimmungsverhalten zu unterstützen. Die Vertrauensfrage kann daher nur vom Parlament selbst beantwortet werden.“
Diese Antwort könnten wir am Montag bereits geben, ohne dass Sie Ihr Schmierenstück aufführen müssten. Denn Sie wissen doch selbst, Kollege Neugebauer, wie die Antwort ausfallen wird, wenn die Vertrauensfrage gestellt wird, dass das Parlament erklären wird, es gibt keine Mehrheit zur Stützung dieser Regierung in diesem Parlament mehr so schlicht und einfaches Latein. Dass Sie dafür auch noch bereit sind, ich will es fast nicht sagen, 20.000, 30.000, 40.000 oder 50.000 € zusätzlich auszugeben, damit das Parlament an einem weiteren Tag noch einmal zusammenkommt, ist wirklich ein Stück aus dem Tollhaus.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der „Rheinischen Post“ vom 16. Juli 2009 konnten wir lesen, wie Sozialdemokraten wirklich denken. Ernst Dieter Rossmann - kein Unbekannter in SchleswigHolstein, Sprecher der Linken in der SPD-Bundestagsfraktion - hat Folgendes erklärt:
„Ministerpräsident Peter Harry Carstensen ist ein Spalter des Landes und betreibt die Machtpolitik eines alt gewordenen Gutsherrn.“
„Und das heißt: Sie hat seit Langem darauf hingearbeitet, aus reinem Machtinteresse diese Koalition nicht so gut arbeiten zu lassen, wie sie arbeiten könnte.“
Herr Dr. Stegner, wenn ein führender Repräsentant Ihrer Partei so etwas sagt, dann wollen Sie den Schleswig-Holsteinern ernsthaft erklären, dass die SPD daran festhalten will, dass eine Regierung schlechter arbeitet, als sie arbeiten könnte, nur weil Sie Angst vor dem Wahltermin haben. Das ist doch nicht mehr zu fassen.
Wenn die Sozialdemokraten dieses Landes - das sage ich ausdrücklich - noch einen Rest Funken an Selbstachtung haben,
- Kollege Neugebauer -, dann stimmen Sie der Auflösung des Parlaments am Montag zu, oder Sie werden erleben, wie schnell Sie von der Bildfläche des politischen Agierens verschwinden werden.
Herr Kollege Dr. Stegner, ich will an dieser Stelle noch mit einer weiteren Schimäre aufräumen, die Sie, wie mir gestern berichtet worden ist, verbreiten: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW haben sich darauf verständigt, dass egal, was passiert, egal, wer in welcher Konstellation mit wem regiert - und es sieht nicht danach aus, dass BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit Ihnen regieren wird, weil niemand mit Ihnen regieren wird -, egal, was passiert.
- ich habe heute gelesen, dass das möglich sein könnte, aber sei es drum -, es wird auch in der nächsten Legislaturperiode einen HSH-Untersuchungsausschuss geben, weil die Menschen, weil das Parlament, weil die Abgeordneten dieses Landtags ein Recht auf Aufklärung haben. Und das Recht werden wir durchsetzen.
(Beifall bei FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und der Abgeordneten In- grid Franzen [SPD] und Thomas Hölck [SPD])
Ich gehe davon aus - lassen Sie mich das feststellen -, dass das Wort „Schmierenkomödiant“ nicht personenadressiert war. - Nun erteile ich für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel das Wort. Gleichzeitig darf ich auf der Tribüne sehr herzlich unsere frühere Kollegin und die ehemalige Oberbürgermeisterin, die mit solchen Koalitionen Erfahrung hat, Angelika Volquartz, begrüßen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schleswig-Holstein steht vor gravierenden Problemen. Wir befinden uns mitten in einer internationalen Finanzkrise, die gerade beginnt, die Wirtschaft in ein tiefes Tal zu reißen. Wir stehen vor einem Einbruch der Einnahmen des Landes, der vermutlich ohnegleichen in der Geschichte ist und die großen Einbrüche von 2002 und 2005, als wir über 4 % Einnahmenrückgänge hatten, noch deutlich übertreffen wird. Wir stehen vor radikalen Weichenstellungen in der Klimapolitik, wenn wir nicht wollen, dass Ende des Jahrhunderts ein Drittel des Landes unter Wasser steht. Und wir stehen vor einer sozialen Krise, denn angesichts der Wirtschaftsentwicklung klafft die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter auseinander. Immer mehr Menschen im Land fragen sich, ob es noch gerecht zugeht, oder ob die reichen Nonnenmachers nicht immer mehr absahnen, während wachsende Arbeitslosenzahlen Menschen in Armut und Verzweiflung treiben.
Angesichts dieser Lage ist der Rosenkrieg, den sich die regierende Koalition in den vergangenen Monaten geliefert hat, unverständlich, unwürdig und unverzeihlich.
Meine Damen und Herren, ich hätte es sehr gut verstanden, wenn es in den letzten Monaten um inhaltliche Konzepte gegangen wäre. Einen solchen Streit
hätte ich verteidigt. Denn Demokratie braucht den Austausch von Argumenten, der oft als Streit denunziert wird. Aber darum ging es nicht. Sie haben hier am Mittwoch - vorgestern - noch einmütig einen Nachtragshaushalt und ein Positionspapier verabschiedet, das Sie beide, beide Seiten der Großen Koalition, in höchsten Tönen als zukunftsweisend gelobt haben.
Es gab offensichtlich keine wesentlichen inhaltlichen Differenzen über diesen Kurs. Dabei war an Ihren Papieren gar nichts zukunftsweisend. Sie haben einen Haushalt verabschiedet, in dem nichts, aber auch gar nichts davon erkennbar war, dass Sie die Weichen in der Politik des Landes neu stellen wollen.
Sie haben ein Papier verabschiedet, dem man kaum noch etwas anderes als Realitätsverlust bescheinigen kann. Aber hat denn einer von Ihnen beiden irgendeine Kritik an diesem Papier geübt? Hat einer von Ihnen weitergehende Sparvorschläge gehabt? Hat einer von Ihnen weitergehende Weichenstellungen und eine andere Politik gefordert? Hat einer von Ihnen öffentlich ein Positionspapier vorgelegt, wie Sie die Probleme des Landes lösen wollen? Ich muss feststellen: In allen Punkten Fehlanzeige.