Protocol of the Session on June 19, 2009

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Baasch [SPD])

Herr Biel, Sie waren ein glühender Verfechter des Science Centers. Sie sind der vierte Wirtschaftsminister, der sich für das Projekt ausgesprochen und der Stadt Kiel eine Förderzusage von 75 % gegeben hat. Diese war zwar rechtlich nicht verbindlich, aber Sie haben gesagt, dass Sie dazu stehen. Ihr Staatssekretär hat im Ausschuss bestätigt, dass das Projekt entscheidungsreif sei. Das Sie Ihre Position nicht im Ausschuss vertreten haben und feige eingeknickt sind, ist enttäuschend und peinlich.

Herr Kollege Hentschel, gestatten Sie meine Zwischenfrage, ob Sie gesehen haben, dass Ihre Zeit abgelaufen ist?

(Heiterkeit bei der CDU)

Herr Präsident! Ich habe zwei Zwischenfrage beantwortet.

Wir haben während dieser Zeit die Zeit angehalten.

Das habe ich nicht beobachtet. Herr Präsident, ich sage meinen Schlusssatz: Herr Biel, zeigen Sie einen geraden Rücken! Lassen Sie sich nicht von Kleingeistern an der Nase herumführen! Überreichen Sie den Förderbescheid! Schluss!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Für die Fraktion der CDU hat Herr Abgeordneter Frank Sauter das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Science Center hat eine bewegte Geschichte. Bereits Anfang des Jahrzehnts entstand die Idee, für die Landeshauptstadt Kiel ein besonderes Leuchtturmprojekt entstehen zu lassen. Es sollte - wie es so schön hieß - eine EdutainmentEinrichtung werden. Das ist eine Wortkonstruktion, die sich im Laufe der Jahre allerdings nicht durchgesetzt hat. Damit sollte gesagt werden, dass mit dem Center einerseits eine Einrichtung der Wissensvermittlung, andererseits aber auch der Unterhaltung entstehen sollte, und zwar mit maritimen Themen. Kollege Hentschel, das war für den Standort Kiel auch absolut folgerichtig und sinnvoll.

Das Science Center fand eine Reihe von Befürwortern. So ziemlich jeder Kieler Abgeordnete unterstützte das Projekt. Auch auf ministerieller Ebene gab und gibt es Sympathien. Am 4. Juni 2009 haben nun der Finanzausschuss und der Wirtschaftsausschuss dem Wirtschaftsminister empfohlen, die Förderung des Maritimen Science Centers nicht weiter zu verfolgen. Ich habe es schon gesagt: Der CDU-Fraktion ist diese Entscheidung nicht leicht

(Karl-Martin Hentschel)

gefallen. Diese Entscheidung war aber notwendig, da die Risiken - insbesondere für die Stadt und für den Steuerzahler - geblieben sind. Sie waren auch unübersehbar. Wir mussten auch zur Kenntnis nehmen, dass der Wettbewerb dieser Art von Standorten im Laufe der Planungszeit schwieriger geworden ist. Er wird auch in Zukunft noch schwieriger werden. Deshalb werden wir dem Antrag der Grünen heute nicht zustimmen.

Ich bin mit dem Großteil meiner Fraktion einer Meinung. Viele zweifeln daran, dass der Betrieb des Maritimen Science Centers - betriebswirtschaftlich argumentiert - wirtschaftlich erfolgen kann, Kollege Hentschel. Die Stadt verspricht jährlich 300.000 Besucher. Auch das Gutachten verspricht uns 300.000 Besucher im Jahr. Ich frage aber: Sind 300.000 Besucher wirklich realistisch? Wenn diese Zahl im ersten Jahr erreicht werden sollte, wird sie dann auch im zweiten und im dritten Jahr erreicht? Was gilt für die Folgejahre? Gelten die Prognosen, die vor der schwersten Wirtschaftskrise, die die Bundesrepublik Deutschland durchstehen muss, erstellt wurden, auch danach? Wird das Konsum- und Freizeitverhalten der Bürger von der Krise unbeeinträchtigt bleiben?

Wir alle wissen, dass jedes Projekt, egal ob erfolgreich oder erfolglos, das realisiert worden ist, mit einer positiven Prognose begonnen wurde. Das gilt für die Unterwasserstation Oceanis in Wilhelmshaven, die ihrerseits gerade unterzugehen droht. Das gilt ebenso für das Space Center in Bremen, das die prognostizierten galaktischen Höhen nie erreicht hat, sondern im Grunde unmittelbar nach dem Start sehr unsanft gelandet ist. Mir liegt es fern, irgendwelche Gutachter zu kritisieren. Gerade deshalb aber lege ich Wert auf die Feststellung, dass es nicht die Angelegenheit von Gutachtern ist, sondern von Betreibern und Geldgebern, zu entscheiden, wie ein Risiko zu bewerten ist und ob man bereit ist, ein Risiko auch tatsächlich zu tragen. Das gilt natürlich in besonderem Maße dann, wenn es sich um öffentliche Gelder handelt.

Dies ist im vorliegenden Fall nach Auffassung des Finanzausschusses nicht gegeben. Deshalb war es nur folgerichtig, dem zuständigen Ministerium zu empfehlen, keinen Förderbescheid zu erteilen. Offenbar stehen wir mit unseren Zweifeln auch nicht ganz allein. Immerhin haben die Betreiber bis zuletzt auf einer Ausstiegsklausel bestanden. Ich sage aus der Sicht der Landeshauptstadt ganz offen: Die einzige, die nicht hätten aussteigen können, wäre die Stadt Kiel gewesen. Die Steuerzahler des Landes Schleswig-Holstein hätten bei einem Scheitern

des Projektes auch nicht aussteigen können. Das müssen wir einfach sehen. Hier haben wir eine übergeordnete Verantwortung.

(Beifall bei CDU und SSW sowie des Abge- ordneten Holger Astrup [SPD])

Ich möchte an dieser Stelle erneut bekräftigen: Die Entscheidung gegen das Maritime Science Center ist keine Entscheidung gegen Kiel. Die CDU-Fraktion wünscht sich sehr, dass die Fördergelder in der Stadt bleiben. Wie ich gelesen habe, ist dieser Wunsch aus diesem Haus insgesamt so geäußert worden. Es gibt eine Reihe sehr guter Vorschläge. Einer davon betrifft notwendige Investitionen in das Stadion von Holstein Kiel.

(Zurufe von der SPD)

- Ja, hier gibt es auch einige VfB-Fans. Bundesligafußball muss auch in der Landeshauptstadt ausgetragen werden können. Auch das gehört zum Standort Kiel.

(Beifall bei CDU und FDP)

Herr Kollege, Abpfiff!

Ich beende meine Rede mit der Hoffnung, dass es der Landeshauptstadt gelingen wird, uns noch weitere Projekte zu präsentieren, die wir fördern wollen.

(Beifall bei der CDU und der Abgeordneten Wolfgang Baasch [SPD] und Lars Harms [SSW])

Für die Fraktion der SPD hat Frau Abgeordnete Birgit Herdejürgen das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle eingangs fest: Der Kollege Hentschel hat es nicht so mit der Semantik. Ich habe mich im Rahmen der aktuellen Debatte ziemlich darüber gewundert, welche Rolle zumindest Teile der Opposition dem Parlament zubilligen. Niemand in dieser Runde hat bei der Entscheidung über das Science Center den Wert dieses Projekts für die Region oder mögliche positive Effekte in Zweifel gezogen. Sicherlich kann man bei der Abwägung von Chancen und Risiken zu sehr unterschiedlichen Ergeb

(Frank Sauter)

nissen kommen. Das war auch innerhalb der SPDFraktion so. Dass in unserer Fraktion die regionalen Abgeordneten die positiven Wirkungen in den Mittelpunkt der Diskussion gestellt haben, ist völlig nachvollziehbar. Ich kann den Unmut vor Ort auch nachvollziehen. Es ist ärgerlich und unglücklich, wenn nach langen Planungen und Erwartungen doch eine Absage folgt.

Wir haben uns aber auch mit der finanziellen Tragfähigkeit und in diesem Zusammenhang mit der Nachhaltigkeit dieses Projektes zu beschäftigen. Daran haben wir erhebliche Zweifel. An vielen Projekten in Schleswig-Holstein hat sich gezeigt, dass eine Förderfähigkeit eben nicht gleichbedeutend ist mit dem gesicherten Erfolg einer Maßnahme. Herr Kollege Hentschel, die Projekte, die Sie hier angeführt haben, sind Projekte, über die der Finanzausschuss nicht im Vorweg beraten und entschieden hat.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Bedauerlicher- weise!)

- Bedauerlicherweise. Die Kritik, die zum Teil im Nachhinein geäußert wurde, gibt - so glaube ich sehr deutlich wieder, dass das eine oder andere Projekt möglicherweise nicht zustande gekommen wäre, wenn die Entscheidung darüber über den Finanzausschuss gelaufen wäre. Wir sind diejenigen, die den Kopf dafür hinhalten müssen. Deshalb haben wir in diesem Fall auch darauf bestanden, dass der Finanzausschuss eingeschaltet wird.

In der Begründung zu dem Antrag führt der Kollege Hentschel aus, alle offenen Fragen der Mitglieder des Finanz- und des Wirtschaftsausschusses seien vom Betreiber und von der Kieler Stadtverwaltung beantwortet worden. Das ist richtig. Wir haben Antworten bekommen. Kritische Punkte wurden aber nicht zur Zufriedenheit geklärt. Wir halten zum Beispiel die Annahmen über die Besucherzahlen nicht für realistisch. Das hat der Kollege Sauter ausführlich dargelegt. Kritische Anmerkungen, die wir im Verlauf des Verfahrens lange Zeit vorher gemacht haben, haben nicht dazu geführt, dass diese in der vertraglichen Gestaltung berücksichtig wurden. Ich nenne in diesem Zusammenhang das Beispiel der Reattraktivierungskosten. Der Betreiber selbst hat in der Anhörung darauf hingewiesen, dass die vorgesehene Regelung nicht der unternehmerischen Logik entspricht.

Also warum ist sie dann so in dem Vertragswerk enthalten? Das bezieht sich beispielsweise auf das Sonderkündigungsrecht. Auch das hat der Kollege Sauter gesagt. Wir kriegen zahlreiche Briefe, in

denen immer darauf hingewiesen wird, dass die Betreibergesellschaft das unternehmerische Risiko für 15 Jahre trägt. Das ist nicht der Fall. Sie kann nach 18 Monaten aussteigen, wenn das Unternehmen rote Zahlen schreibt.

Auch die Fragen zur Konkurrenzsituation wurden nicht zufriedenstellend geklärt. Der Gutachter STADTart sieht zurzeit keine Anzeichen für das Entstehen eines Science Centers in Hamburg. Gleichzeitig wird aber darauf hingewiesen, dass der Besucherrückgang in Kiel umso geringer wird, je unterschiedlicher die Profile sind. Welches Profil hat Hamburg denn, wenn nichts in Aussicht ist? Das ist alles nicht sehr stringent in der Argumentation.

An der Stelle möchte ich noch einmal rekapitulieren, weshalb der Finanzausschuss überhaupt in der Situation war, eine Empfehlung an die Landesregierung abzugeben, schließlich handelt es sich um eine Entscheidung, für die die Exekutive zuständig ist. Die SPD-Landtagsfraktion hat immer Zweifel an der finanziellen Tragfähigkeit des vorgesehenen Konzepts gehabt und hat diese auch offen geäußert. Diese Zweifel hatten auch andere. Genau deshalb hat der Finanzausschuss in Gänze wegen der Besonderheit des Falles Wert darauf gelegt, beteiligt zu werden. Welchen Sinn hätte diese Beteiligung gehabt, wenn die einzige Option darin bestanden hätte, eine zustimmende Empfehlung abzugeben? Ich finde die Argumentationslinie schon sehr merkwürdig. Wir als Fraktion nehmen das Recht in Anspruch, nach Abwägung der unterschiedlichen Aspekte anderer Auffassung als die Regierung zu sein. Das ist auch nicht schlimm. Die Grünen goutieren das nicht. Ich kann damit gut leben.

(Beifall bei SPD, CDU und SSW)

Für die Fraktion der FDP hat Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Wir beschäftigen uns im Landtag seit 2001 immer wieder mit dem Thema Maritimes Science Center in Kiel. Das Maritime Science Center sollte eine Landesförderung von bis zu 18 Millionen € für den Bau erhalten. Der Betrieb sollte durch den privaten Betreiber gewährleistet werden, der für 15 Jahre sämtliche betrieblichen Risiken übernehmen wollte. Unter diesen Annahmen ist dann die Stadt Kiel in erhebliche planerische Vorleistungen

(Birgit Herdejürgen)

gegangen und hat am 9. Januar 2009 die Baugenehmigung für das Science Center erteilt. Am 18. März 2009 schrieb Herr Dr. Biel - damals in seiner Funktion als Hauptgeschäftführer der IHK zu Kiel - an den Finanzausschuss, dass das Projekt durch Verfahrensfragen nicht unnötig in die Länge gezogen werden dürfe, damit schnell die nötigen Förderzusagen erteilt werden könnten. Noch am 15. April 2009 schrieb Herr Dr. Biel in einem Schreiben an die Stadt Kiel - jetzt in seiner Funktion als Wirtschaftsminister des Landes -, dass er die Förderzusage des Landes von bis zu 75 % - ich lege Wert auf die Formulierung „die Förderzusage des Landes von bis zu 75 %“ - der förderfähigen Gesamtkosten erneut bekräftigt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Problem ist für die Stadt Kiel, dass das bereits der dritte Wirtschaftsminister in dieser Legislaturperiode ist, der sich ausdrücklich zum Maritimen Science Center in Kiel bekannt

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und eine Förderung noch am 15. April 2009 schriftlich bekräftigt hat. Die von den Fraktionen von SPD und CDU im Finanzausschuss gefällte Entscheidung, keine Fördermittel bereitzustellen, ist ein herber Schlag für alle Beteiligten.

Liebe Kollegin Herdejürgen, ich will an dieser Stelle ganz klar sagen, damit da keine falschen Töne und kein Missverständnis aufkommen: Ich respektiere die Entscheidung der Kolleginnen und Kollegen im Finanzausschuss, sowohl derjenigen, die sich dafür ausgesprochen haben, als auch derjenigen, die sich dagegen ausgesprochen haben. Was ich aber nicht respektiere, ist, dass dem Wirtschaftsminister ganz offensichtlich der Mut fehlte, in der entscheidenden Sitzung des Finanzausschusses zu erscheinen und eine Stellungnahme abzugeben, wie er sich verhalten will, obwohl die Kollegen Heinold und ich mehrfach darum gebeten haben, dass der Wirtschaftsminister an der Sitzung des Finanzausschusses teilnimmt.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was ich auch nicht respektiere, ist, dass Herr Dr. Biel bis heute die Abgeordneten in den Ausschüssen nicht persönlich - und nicht durch irgendeine Pressemitteilung - wissen ließ, wie er sich in Zukunft dazu verhält. Das respektiere ich nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde auch, dass man so mit der Landeshauptstadt Kiel nicht umgehen kann.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)