Protocol of the Session on June 19, 2009

Meine Damen und Herren, ich komme zu dem Ergebnis: Wenn wir alle Kräfte anspannen - das, was ich vorgetragen habe, ist schon sehr viel -, dann kommen wir bis 2020 zu Einsparungen von maximal 400 Millionen €. Das ist die Hälfte dessen, was nötig ist.

Was nicht geht, ist, blauäugig auf mehr Einnahmen zu hoffen, wie Herr Sauter das am Dienstag im Offenen Kanal erzählt hat. Das ist keine realistische Perspektive.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist der Grund, warum wir den Begleitantrag mit folgenden Eckpunkten gestellt haben:

Erstens: Es darf nur ein Wachstum entsprechend der Inflationsrate angenommen werden.

Zweitens. Es dürfen keine globalen Minderausgaben oder ähnliche Dinge eingestellt werden, damit

man sich das gewünschte Ergebnis nicht selber „zurechtschummeln“ kann.

Wir haben die Landesregierung aufgefordert, ein Konzept vorzulegen. Wir wollen wissen, welche Vorstellungen sie hat, damit wir eine Grundlage haben, um im nächsten Jahr endlich einmal Politik machen zu können, mit der sich das Land nicht Jahr für Jahr neu verschulden muss.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt aus meiner Sicht zwei Möglichkeiten: Entweder gibt es ein solches Konzept - dann bin ich der Erste, der dafür eintritt und die Umsetzung fordert -, oder es gibt ein solches Konzept nicht, und Sie stellen fest: Es ist nicht möglich. Das Land ist nicht mehr in der Lage, sich aus eigener Kraft finanziell zu sanieren. - Wenn das der Fall ist, dann bleibt dem Ministerpräsidenten nur der Gang nach Canossa - sprich: zu seinen Kollegen in Bund und Ländern -, und es muss neu verhandelt werden. Alles andere ist Vogel-Strauß-Politik.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schönwetterreden des Ministerpräsidenten bringen dem Land keinen Cent ein, kein Geld, mit dem wir neue Schulbücher kaufen können. Seit zwölf Jahren, die ich hier Landespolitik betreibe, beobachte ich, wie immer neue Schulden aufgetürmt werden. Das Land kommt mir vor wie der -

(Unruhe bei der CDU - Zuruf von der CDU: Sie haben Verantwortung getragen!)

- Immer neue Schulden, in unserer Zeit und in Ihrer Zeit, natürlich. Ich kann Ihnen die Bilanzen zusenden. Seit 1970 gab es unterschiedliche Regierungen. Wir haben in den 70er-Jahren bei 20 % Wachstum der Einnahmen Neuverschuldungen von über 20 % gehabt. Das muss man sich einmal vorstellen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Da redet der Brandstifter vom Löschen!)

- Seien Sie also ganz vorsichtig, wenn Sie Schuldzuweisungen machen. Wir alle waren beteiligt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Heiner Garg [FDP]: Turbokapitalismus!)

Herr Kollege, die Zeit!

(Karl-Martin Hentschel)

Ich komme zum Schluss. - Ich stelle fest: Nichts ist gelöst. Deswegen haben wir diesen Antrag gestellt. Ich beantrage die Überweisung des Gesetzentwurfs zur Verfassungsänderung an den Innenund Rechtsausschuss, mitberatend an den Finanzausschuss. Ich beantrage die Zustimmung zu unserem Entschließungsantrag, damit wir von der Landesregierung die Fakten bekommen, die wir brauchen, um auf einer soliden Grundlage über die Verfassungsänderung beraten zu können.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke Herrn Abgeordneten Hentschel. - Das Wort für die CDU-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Frank Sauter.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist kein Geheimnis: Formal beraten wir heute über den Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. In der Sache geht es aber auch und letztlich darum, dass sich die Regierungsfraktionen auf eine gemeinsame Linie in der Frage der Schuldenbremse verständigen müssen. Nur so kann die Zweidrittelmehrheit erreicht werden, die wir für eine Verfassungsänderung brauchen. Diese gemeinsame Linie haben wir noch nicht gefunden. Die Verhandlungen werden bekanntlich übermorgen fortgesetzt. Darum muss ich mich heute darauf beschränken, die Position der CDU-Fraktion darzulegen, allerdings davon ausgehend, dass diese Position unserer Fraktion für ein von der Koalition gemeinsam getragenes Ergebnis prägend sein wird.

(Beifall bei der CDU)

Anrede! Es wird oft die Frage gestellt, meine Damen und Herren -

(Heiterkeit und Beifall)

Meine Damen und Herren, es ist relativ früh.

(Heiterkeit)

Es wird oft die Frage gestellt: Wie geht das zusammen - einerseits ein strukturelles Defizit, erhöht um zusätzliche Schulden aus den Konjunkturprogrammen, andererseits eine Bremse, die Schulden zukünftig ausschließen soll?

Die Antwort findet sich in einem Begriff aus dem Vokabular der Forstwirtschaft, vielfach über die

Jahre verwendet, auch durch die ökologische Szene: „Nachhaltigkeit“. Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik beschreibt ein seit Jahren aufwachsendes neues politisches Prinzip: das Prinzip der Rücksichtnahme auf kommende Generationen. Dieses Prinzip muss in der Politik zum beherrschenden Maßstab werden und dann auch beherrschender Maßstab bleiben.

Börsenaltmeister André Kostolany sagt uns: „Der ehrliche Schuldner ist einer, der seine Erben enttäuscht, nie jedoch seine Gläubiger.“

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Für unser Land gilt: Unsere Gläubiger können wir zumindest nach heutigem Vorstellungsvermögen gar nicht enttäuschen, selbst wenn wir es wollten; da sind Recht und Gesetz davor. Aber auch unsere Erben, die wir durchaus enttäuschen könnten, dürfen und werden wir nicht enttäuschen.

(Beifall bei der CDU)

Nur wenn wir mit unserem Einkommen auskommen, werden unsere Nachkommen nicht verkommen.

(Beifall bei CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und vereinzelt bei der SPD)

Die Schuldenbremse ist für uns ein Gerechtigkeitsthema, eine Frage gesellschaftlicher Verantwortung. Wir müssen unsere Politik der letzten Jahre, eine Politik der kontinuierlichen Reduzierung der Haushaltsdefizite, die die Wirtschafts- und Finanzkrise unterbrochen hat, im Bund und im Land fortsetzen. Dies ist der Weg. Dies ist der einzige Pfad der haushaltspolitischen Tugend.

Über die rechtliche Umsetzung des Verbots von Neuverschuldung in Schleswig-Holstein hat der Antragsteller bereits Vieles gesagt, was ich aus der Sicht meiner Fraktion nur unterstreichen kann. Es geht darum, in unserer Landesverfassung - analog der Formulierung der Föderalismuskommission II und entsprechend den neuen Regelungen im Grundgesetz - eine Schuldenbremse zu vereinbaren, nach der in sogenannten wirtschaftlichen Normallagen der jeweilige Landeshaushalt ohne neue Schulden aufgestellt werden muss.

Insgesamt ist die Debatte um die Schuldenbremse da haben sie recht, Kollege Hentschel - hier im Haus bisher von vielen Übereinstimmungen zwischen den Fraktionen geprägt. Das ist auch gut so. Dies galt auch für die Überzeugung, dass es ausschließlich Sache des Landes selber sei, sein Budgetrecht auszuüben, und dass eine für unsere Haus

halte wirksame Schuldenbremse nicht im Grundgesetz, sondern in der Landesverfassung zu verankern sei.

Die FDP hat zwischenzeitlich erklärt, einer Grundgesetzklage nur zuzustimmen, wenn vorher eine Schuldenbremse in unserer Landesverfassung steht.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das haben wir immer schon gesagt!)

- Ja, vielleicht immer schon, aber dann noch einmal sehr deutlich, sodass wir das auch wahrgenommen haben, Kollege Kubicki.

Das heißt doch im Klartext: Die FDP will nicht zulassen - so zumindest habe ich es verstanden -, dass hier in Schleswig-Holstein eine politische Situation entsteht, aus der heraus zwar eine Mehrheit für eine Klage gegen das Grundgesetz möglich ist, allerdings keine Mehrheit für eine Schuldenbremse in der eigenen Landesverfassung zustande kommt.

Hierzu kann ich nur feststellen: Der Ausstieg aus der Schuldenfalle hat absoluten Vorrang! Das, was die FDP erklärt hat, ist konsequent und folgerichtig,

(Beifall bei CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weil eine Schuldenbremse für unser Land einfach von existenzieller Bedeutung ist. Deshalb kann ich mich für die CDU-Fraktion dieser Erklärung der FDP nur anschließen!

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und Bei- fall des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Im Übrigen dürfen wir nicht vergessen: An der Verankerung der Schuldenbremse in SchleswigHolstein und an ihrer Einhaltung hängt die Auszahlung der Konsolidierungsmittel in Höhe von 80 Millionen € jährlich. Auf diese Mittel können wir nicht verzichten. Daraus folgt, dass uns allen klar sein muss: Nur wenn wir selbst bereit sind, unsere Hausaufgaben zu machen, haben wir auch das Recht, andere um Hilfe zu bitten.

Diese Konsolidierungsmittel sind Hilfen, die andere uns gewähren und die unser Ministerpräsident erst nach zähem Ringen herausverhandeln konnte. Nichts gibt es für umsonst, auch nicht im Verhältnis zwischen Bund und Ländern und auch nicht im Verhältnis zwischen den Ländern. Diese Hilfen müssen wir uns in der Zukunft erst noch verdienen, meine Damen und Herren, und das wird uns auch gelingen. Davon bin ich überzeugt.