Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Garg. - Das Wort für den SSW im Landtag hat nun Herr Abgeordneter Lars Harms.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Fast jeden Montag das Gleiche: neue Meldungen über alkoholbedingte Verkehrsunfälle nach einem Diskobesuch, über Jugendliche, die unter Alkoholeinfluss randalieren oder sogar im Krankenhaus landen. - So weit, so schlecht.
Aus der vom Antragssteller hier angeführten aktuellen Studie wissen wir, dass „viele konsumierende Schüler/innen zwar eher selten Alkohol trinken,
aber wenn sie trinken, dann viel“. Kampagnen wie während der Kieler Woche „Kids ohne Alkohol“ und Polizeikontrollen wie am letzten Wochenende in Hannover zeigen Wirkung. Das Konsumverhalten der Jugendlichen ändert sich kurzfristig tatsächlich, allerdings wirklich nur kurzfristig. Die Jugendlichen trinken dann seltener; aber wenn sie es tun, dann trinken sie viel, meistens zu viel. Die Ausschläge, bis hin zum gesundheitsgefährlichen Komasaufen, werden heftiger. Das liegt nicht zuletzt an Erwachsenen, die ein lukratives Geschäft mit dem Verkauf - auch dem illegalen Verkauf von Alkohol an Jugendliche machen.
Die Zeltfestsaison ist angebrochen, unter ihnen viele sogenannte Flatrate-Partys, die zum Alkohol verführen, oder 50-ct-Partys, wo die Jugendlichen durch Rabatte regelrecht zum schnellen, heftigen Betrinken getrieben werden, weil nämlich der Preis fürs Glas Bier oder für den Cocktail bis 23 Uhr auf 50 ct gehalten wird und danach steigt. So treibt man Jugendliche geradezu in den Vollrausch. Das ist nicht in Ordnung. Im Übrigen handeln große Diskotheken genauso. Ich glaube, diese Geschäftspolitik ist schlimmer als jede Alkoholwerbung.
Es ist außerdem relativ simpel, auch als 16-Jähriger an Hochprozentiges zu gelangen. Viele kleine und große Einzelhandelsgeschäfte verkaufen ohne Kontrolle Schnaps an Jugendliche. Dabei gibt es inzwischen Kassensysteme, die beim Einscannen die Kassiererin oder den Kassierer automatisch darauf aufmerksam machen, dass der Kunde älter als 18 Jahre sein muss und sie oder er sich einen Ausweis zeigen lassen sollte. Die Anschaffungskosten eines entsprechenden Programms sind niedrig, dennoch sind sie nur in wenigen Geschäften zu finden. Offenbar will sich der Handel ein Schlupfloch lassen, dass der Spirituosenverkauf an Jugendliche nur Einzelfälle seien. Das bezweifle ich allerdings ausdrücklich.
Ich weiß allerdings auch, dass Jugendliche mit der Unterstützung vieler junger Erwachsener rechnen können, die dann statt ihrer die Flasche kaufen und sich vor dem Geschäft das Geld dafür geben lassen. An dieser - wenn auch falschen - Verbrüderung werden übrigens auch die Testkäufe durch die Polizeischüler nichts ändern, die der SSW sowieso ablehnt. Der Staat sollte nicht zu Ordnungswidrigkeiten animieren, auch nicht in bester Absicht.
Es gibt noch weit gewichtigere Wirtschaftsinteressen; die der Hersteller nämlich, die dem Komasaufen Vorschub leisten. Sie fahren Jahr für Jahr speziell auf Jugendliche gemünzte Werbekampagnen, die durch das Sponsoring von sportlichen Großer
eignissen allgegenwärtig sind, und den Durst auf Bier, Sekt und Höherprozentiges regelrecht schüren. 2007 lagen die Werbeausgaben der Alkoholindustrie bei 557 Millionen €, für Sponsoring wurden nochmals etwa 600 Millionen € draufgelegt. Das ist ein gigantischer Wirtschaftszweig, der einen nachhaltigen Eindruck bei den Konsumenten hinterlässt. So zählt die Biermarke Krombacher laut der IFTStudie zu den bekanntesten Alkoholmarken, sicherlich gerade wegen des Engagements der Brauerei beim Fußball.
Die Bilder der Werber sind fast immer gleich aufgebaut: Coole Typen, schön in lockerer Atmosphäre, lässig mit dem Drink in der Hand. Das ist eine ausgeklügelte Manipulationsstrategie, die sich ausschließlich an die jüngeren Konsumenten richtet. Da muss wirklich etwas getan werden. Da hilft oftmals nur eine gepfefferte Preiserhöhung, um diesen Machenschaften das Handwerk zu legen. Genau das hat eine entsprechende Landtagsinitiative für die Alkopops erreicht. Doch dieses Vorgehen hat Grenzen, wie zum Beispiel Finnland belegt, wo der Schnaps sehr teuer ist, sich aber trotzdem ungebremster Beliebtheit erfreut.
Die Wirtschaft muss sich ihrer Verantwortung stellen. Die freiwilligen Verpflichtungen, die die Bundesdrogenbeauftragte alljährlich beschwört, sind wichtig, wird genau an die appelliert, die es angeht. Die Wirtschaft trägt in allererster Linie die Verantwortung, den Auswüchsen entgegenzusteuern. Danach ist es das Elternhaus, das eine ähnliche Verantwortung trägt. Die Politik kann hier nur begleiten und keineswegs den Alkoholkonsum bei Jugendlichen generell verhindern.
Deshalb weiß ich auch nicht, ob ein Werbeverbot der richtige Weg ist, zumal die Brauereien für ihr alkoholfreies Bier werben und trotzdem gewiss sein können, dass auch die Marken mit Alkohol indirekt mitbeworben werden. Ihre Alkoholbotschaft gelangt also auch über Umwege an den Konsumenten. Hier würde das Werbeverbot überhaupt nichts bringen.
Wahrscheinlich müsste man mit Kampagnen eher in Schule und Berufsausbildung ansetzen. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zeigt, wie man das macht. Sie nimmt die Jugendlichen ernst, spricht ihre Sprache und bringt gleichzeitig die fatalen Folgen übermäßigen Alkoholkonsums rüber. So werden die Jugendlichen für das Thema sensibilisiert, sodass sie beim nächsten Mal eben nicht bis zum Vollrausch trinken. Das muss das allererste Ziel sein.
Das Problem ist komplexer als man denkt. Für uns ist dies zuallererst eine zivilgesellschaftliche Herausforderung. Wirtschaft und Elternhaus sind zuallererst in der Pflicht. Aus dieser Verpflichtung wollen wir sie nicht entlassen.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Harms. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.
Ich stelle fest, dass der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 16/2665, durch Berichterstattung erledigt ist. Ein weitergehender Antrag ist nicht gestellt, sondern es ist nur darüber geredet worden. Das heißt, wir können den Tagesordnungspunkt abschließen.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache und erteile für die antragstellende Gruppe Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ergebnisse aus ordnungsbehördlichen Überprüfungen von Lebensmittel- und Gastronomiebetrieben kommen nicht direkt beim Verbraucher an. Der Verbraucher merkt nur dann etwas davon, wenn der Betrieb aufgrund von massiven Verstößen geschlossen wird. Die Ergebnisse einer normalen Untersuchung und auch die Beanstandungen, sofern welche vorliegen, bekommt der Verbraucher derzeit nicht zu sehen.
Mit anderen Worten: Keine Spur von Transparenz. Der Verbraucher hat keine Möglichkeit und keine Kriterien, anhand derer er die Entscheidung für sich treffen kann, ob er den Betrieb als Kunde beziehungsweise Verbraucher aufsuchen will oder ob er es lieber bleiben lässt.
Das Ansinnen unseres Antrags ist, die Situation für den Verbraucher transparenter zu machen. Dies soll anhand von einfachen Darstellungen, den sogenannten Smileys geschehen. Hierbei werden vier
Smileys verwendet. Je nachdem, wie der Qualitäts- und Hygienezustand zum Zeitpunkt der Überprüfung war, zeigen sie den Betriebszustand sichtbar an. Darüber hinaus können in einem kleinen schriftlichen Bericht nähere Angaben zur Bewertung des Betriebes gemacht werden. Die Gesamtbewertung wird dann im DIN-A4-Format offen im Betrieb ausgehängt.
Mit dem Smiley-System werden den Verbrauchern die Ergebnisse der amtlichen Kontrolle verständlich bekannt gemacht. Wir wollen damit erreichen, dass für jedermann ersichtlich ist, ob der Betrieb mit Sachverstand geführt wird und ob nach den entsprechenden Vorgaben gearbeitet wird. Mit anderen Worten: Eine Belohnung für alle diejenigen, die gute Arbeit leisten. Bei schlechter geführten Betrieben wollen wir die Motivation erhöhen, die betriebliche Situation zu verbessern.
Nun kann es natürlich sein, dass ein Betrieb an einem Tag kontrolliert wird, an dem es innerbetrieblich gerade einmal drunter und drüber läuft und die Situation zum Kontrollzeitpunkt nicht so ist, wie sie sein sollte. Diese Betriebe haben natürlich die Möglichkeit, innerhalb einer bestimmten Frist die Missstände zu beheben. Damit wird verhindert, dass in der Öffentlichkeit ein falsches Bild entsteht.
Die kontrollierten Betriebe müssen das Ergebnis offen und für den Verbraucher sichtbar darstellen. Weiter werden die geprüften Betriebe auf einer Internetseite veröffentlich, damit der Verbraucher bereits im Vorfeld die Möglichkeit hat, gezielt die guten Betriebe auszuwählen. Mit diesem einfachen Informationssystem hat der Verbraucher die Möglichkeit, sich ein Bild von den Betrieben zu machen und hat damit eine Entscheidungsgrundlage, die Betriebe für sich zu bewerten. Damit schaffen wir eine Transparenz, die wir bisher so nicht haben.
Der Verbraucher bekommt heute lediglich mit, wenn ein Lebensmittel- oder Hygieneskandal dazu führt, dass ein Betrieb von Amtwegen dicht gemacht wird. Dann ist es aber schon zu spät. Unsere Kontrolleure überprüfen regelmäßig und sorgfältig alle Betriebe, die Lebensmittel herstellen, verarbeiten und verkaufen. Für diese Kontrollen kann man kostendeckende Gebühren erheben. Mit den kostendeckenden Kontrollen ist gewährleistet, dass das System keine zusätzlichen Kosten für die Kreise und kreisfreien Städte verursacht, was für uns auch sehr wichtig ist.
Wer sich mit dem Thema befasst hat, wird feststellen, dass dieses System in Dänemark bereits seit dem Jahr 2002 erfolgreich genutzt wird. Dort ist die
Zahl der nach diesem System guten Betriebe gestiegen. Durch das Verbraucherinformationsgesetz haben wir auch in Deutschland die Möglichkeit, dieses verbraucherfreundliche System einzuführen. Es gibt Regionen in Deutschland, in denen das System bereits erfolgreich eingeführt wurde.
Daher plädiere ich dafür, dass wir in SchleswigHolstein dieses System einführen, wie es in Berlin eingeführt worden ist und wie es demnächst in Hamburg-Altona eingeführt werden soll. Stimmen Sie für unseren Antrag und im Sinn einer besseren Verbraucherinformation. Wir würden uns freuen, wenn wir schon heute darüber abstimmen können. Wenn dies nicht möglich ist, dann freuen wir uns auf eine vernünftige Beratung im Ausschuss.
Ich danke Herrn Abgeordneten Lars Harms. - Das Wort für die CDU-Fraktion hat nun Frau Abgeordnete Ursula Sassen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verbraucherinformation und Lebensmittelsicherheit sind zentrale Themen des Verbraucherschutzes. Dabei ist Transparenz in der Nahrungsmittelkette oberstes Gebot. In einigen Bereichen wurde diesen Anforderungen bereits erfolgreich entsprochen. So lässt sich zum Beispiel lückenlos nachvollziehen, von welchem schleswigholsteinischen Betrieb das Fleisch im Kühlregal stammt.
Bei allen Bemühungen, national und international Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten, gibt es jedoch immer wieder schwarze Schafe, die aus Nachlässigkeit oder aus Profitgier und mit krimineller Energie Mittel und Wege finden, Gesetze zu umgehen und Vorschriften zu unterlaufen. In diesem Zusammenhang erinnere ich an die vielen Skandale mit dem sogenannten Gammelfleisch.
Europaweit wurde mit der EU-Hygieneverordnung darauf reagiert, und in den Lebensmittel verarbeitenden Betrieben wurden die Bestimmungen und Kontrollen zum Schutz der Verbraucher verschärft.
Dänemark hat im Jahr 2001 ein neues Bewertungssystem mit vier unterschiedlichen Smiley-Gesichtern für alle Lebensmittelbetriebe eingeführt. Herr Kollege Harms hat bereits näher ausgeführt, dass nun alle verpflichtet sind, diese entsprechend zu veröffentlichen, und zwar von einem stark grinsen
Ist ein Unternehmen mit seiner Bewertung nicht zufrieden, hat es Anspruch auf eine erneute Überprüfung innerhalb der nächsten sechs Monate. Wünscht das Unternehmen eine Neubewertung innerhalb kürzester Zeit - es wird schließlich ordentlich Druck gemacht -, so kann dies auf Antrag des Unternehmens bei Übernahme der Kosten durch das Unternehmen erfolgen. Ich vermute, dass dies wesentlichen Bürokratismus nach sich zieht.
Die Statistik über die prozentuale Verteilung der in Dänemark vergebenen Smileys seit der Einführung macht deutlich, dass sich vom Anfangsjahr 2002 bis 2008 die Beurteilung der Betriebe ohne Beanstandung um 12,7 % erhöht hat. Dagegen ist die Zahl der Zweitplatzierten, also die der ordentlichen und funktionierenden Betriebe, von 26,2 % auf 12,7 % gefallen. Im mittleren Bereich hat es unwesentliche Schwankungen gegeben. Interessanterweise ist die Zahl der Unternehmen mit einer Strafverfügung von 1,8 % auf 3,3 % im Jahr 2008 angestiegen. Dies als eine große Erfolgsstory zu verkaufen, halte ich für etwas übertrieben.
Die Forderung, dass sich ein Betrieb bereits nach einer ersten Kontrolle selbst öffentlich anprangern muss, ist für mein Empfinden eine unangemessene Maßnahme, die zu starken wirtschaftlichen Einbußen führen kann. Zudem wäre es auch gesetzeswidrig, wenn zum Beispiel ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen diese Betriebe noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist.
Ich habe mehr Sympathie für den Smiley-Testversuch auf freiwilliger Basis im Berliner Bezirk Pankow, der sich auf das im Jahr 2008 novellierte Verbraucherinformationsgesetz stützt. Grundlage für die Teilnahme an diesem Smiley-System ist eine Vereinbarung zwischen dem jeweiligen Betrieb und dem Bezirksamt Pankow sowie die Erfüllung der Kriterien eines Bewertungsbogens im Zusammenhang mit einer amtlichen Kontrolle. Vorgesehen ist die Verleihung des Smileys beim Erreichen von 90 % der Punkte. Das Unternehmen wird mit dem Smiley also belohnt, aber nicht bestraft.
Die Akzeptanz der Unternehmen ist vorhanden, da die Verantwortlichkeit für die Sicherheit der Lebensmittel und die Einhaltung erforderlicher Hygienevorschriften in erster Linie beim Lebensmittelunternehmer selbst liegt und er daher ein Interesse daran hat, diese Auszeichnung zu erhalten.
Schleswig-Holstein nicht umsetzbar ist und noch viele Fragen offen sind, rate ich, die Testergebnisse aus Berlin-Pankow abzuwarten und diese in die weitere Diskussion einzubeziehen.
Letztendlich geht es nicht darum, ständig neue Qualitätssiegel zu erfinden und damit die Verbraucher zu verwirren, sondern Verlässlichkeit und Verantwortungsbewusstsein der Lebensmittelund Gastronomiebetriebe einzufordern und zu stärken. Davon profitieren auf längere Sicht sowohl die Betriebe als auch die Verbraucherinnen und Verbraucher.
Ich danke Frau Abgeordneter Sassen. - Das Wort für die SPD-Fraktion hat nun Frau Abgeordnete Siegrid Tenor-Alschausky.