Protocol of the Session on June 18, 2009

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die CDUFraktion hat Herr Abgeordneter Hartmut Hamerich.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Schleswig-Holsteinische Landtag sieht

in dem „Parlamentsforum Südliche Ostsee“ große Chancen für das Land Schleswig-Holstein. Das ist auch gut und richtig so. Leider gibt es eine ähnliche Institution für den Bereich der Nordsee-Anrainerstaaten noch nicht. Wir haben bisher nicht so umfassende Netzwerkstrukturen wie im Bereich der Ostseekooperation. Da wir aber als Land zwischen den Meeren eine geografische Situation wie kaum ein anderes Land haben, müssen wir aufpassen, dass die Nordseekooperation in Zukunft stärker mit Schleswig-Holstein stattfindet, ähnlich wie bei der Ostseekooperation.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Zusammenarbeit im Nordseeraum muss verstetigt und da, wo es möglich ist, mit den Interessen des Ostseeraums verzahnt werden. Hierbei können insbesondere die ökonomischen Bezüge, die interregionale Wattenmeerzusammenarbeit und vor allem der Küstenschutz zu einer intensiveren Kooperation beitragen. Ziel muss es sein, eine intensive Zusammenarbeit mit anderen europäischen Ländern mit Zugang zur Nordsee zu schaffen, um die nachhaltige Entwicklung eines gemeinsamen Wirtschafts-, Kulturund Meeresraums sicherzustellen.

Einige Schwerpunktthemen möchte ich nennen: erstens, Innovation einschließlich Clusterpolitik, Informationsund Kommunikationstechnologie; zweitens, nachhaltiges Umweltmanagement, insbesondere in den Bereichen erneuerbare Energien, Klimawandel, Risikovorsorge, integriertes Küstenzonenmanagement; drittens, Verbesserung der Erreichbarkeit, Logistik, bessere Anbindung strukturschwacher Gebiete; viertens, Förderung nachhaltiger und konkurrenzfähiger Regional- und Stadtentwicklung, insbesondere durch Wachstumssteuerung in wachsenden Regionen, Energieeffizienz, Berücksichtigung des demografischen Wandels und Tourismus.

Als Erstes müssen wir die Interessen der Zusammenarbeit der deutschen Nordsee-Anrainer Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bremen mit den europäischen Partnern im Nordseeraum bündeln, um sie dann mit den europäischen Nordsee-Anrainern im Einvernehmen voranzutreiben. Wenn wir zum Beispiel die Zuständigkeit für die INTERREG-Programme im Nord- und Ostseeraum unter einem Dach bündeln und dies dann im Europaministerium angesiedelt ist, sehe ich der zukünftigen Entwicklung in diesen Bereichen positiv entgegen.

Tragen wir alle dazu bei, dass ein „Parlamentsforum Nordsee“ gegründet wird und die Zukunft der

(Minister Lothar Hay)

Region Nordsee stärker unter Beteiligung Schleswig-Holsteins gestaltet werden kann!

Ich freue mich darüber, dass wir einen - fast - interfraktionellen Antrag zustande gebracht haben. Die Grünen wollen dem nicht zustimmen und haben einen Änderungsantrag eingebracht. Dem werden wir wiederum nicht folgen, weil wir keine gemeinsame Nordsee- und Ostseekooperation installieren wollen. Die Begründung, dass es eine solche Kooperation in der Mittelmeerregion auch gibt, reicht nicht aus. Wir müssen sicherlich global denken und lokal handeln; aber die Ostsee-Anrainer - ich nenne Ermland-Masuren, Kaliningrad, West- und Ostpommern - mit den Interessen, die sie vertreten, werden in der Diskussion über die Probleme der Nordsee-Anrainer nicht sehr hilfreich sein können. Ich meine, wir sollten uns hier speziell auf die Nordseeprobleme konzentrieren und dafür ein eigenes Forum schaffen.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Dänemark!)

- Dem Kollegen Kubicki werde ich die Problematik noch einmal gesondert erklären, damit er nachher auch weiß, welchem Antrag er zustimmt.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke Herrn Abgeordneten Hamerich und erteile für die SPD-Fraktion Herrn Abgeordneten Rolf Fischer das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Europabericht des Ministers, über den wir in der vergangenen Sitzung debattiert haben, enthält etwa zweieinhalb Seiten zum Thema Nordseekooperation. Der Abschnitt beginnt mit dem Hinweis, dass die Zusammenarbeit ungleich schwieriger sei als im Ostseebereich. Das ist eine richtige Einschätzung. Sie darf uns aber nicht passiv werden lassen, sondern wir sollten, ganz im Gegenteil, von uns aus eine zusätzliche Anstrengung für eine eigenständige Nordseekooperation unternehmen.

(Beifall des Abgeordneten Detlef Buder [SPD])

Wir haben schon öfter zu diesem Thema geredet. Gleich können Sie alle applaudieren, weil ein schönes Wortspiel kommt: Wir reden zwar oft über das Thema Nordseekooperation; dennoch darf dieses Thema nicht wie Ebbe und Flut in schöner Regel

mäßigkeit auftauchen und dann wieder verschwinden.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Wir müssen Strukturen schaffen, die stabil und auf Dauer angelegt sind. Nur so können wir die Vorteile für unser Land nutzen. Wir dürfen die Selbstdefinition als ,,Land zwischen den Meeren“ - Hartmut Hamerich hat den Begriff genannt - nicht nur geografisch verstehen, sondern wir müssen ihn als politische Herausforderung annehmen, die große Chancen für unser Land enthält. Lassen Sie mich diese Chancen an wenigen Beispielen verdeutlichen:

Im Wirtschaftsbericht 2008 des Landes ist dokumentiert, dass die Niederlande wichtigstes Importland und Großbritannien wichtigster Exportpartner für Schleswig-Holstein sind. Die ökonomischen Beziehungen mit zwei der großen NordseeAnrainerstaaten sind also ausgezeichnet, und sie sind traditionell.

Es besteht zudem eine große Zahl von Schul- und Hochschulkooperationen, von Museumskontakten und Städtepartnerschaften mit Einrichtungen aus dem Nordseeraum, zum Teil mit langer Geschichte. Die Friesen, die ich hier als Minderheit ausdrücklich nenne, verfügen über enge Beziehungen zu den Westfriesen. Die Minderheiten allgemein stehen über ihre europäischen Verbände in engem Kontakt auch im Bereich der Nordsee-Anrainerstaaten.

(Beifall beim SSW)

Hier ist ein effektives, über den Kreis der Beteiligten hinaus aber bisher unauffällig agierendes Netzwerk entstanden. Es gibt aber ein großes kulturelles, politisches und historisches Potenzial, das uns rund um die Nordsee verbindet. Ich will hier nur noch die Bereiche Wattenmeerkooperation und Meerespolitik nennen; Hartmut Hamerich hat das zu Recht schon getan. In diesem Bereich ist für uns mit den Staaten, Ländern und Institutionen, die sich um die Nordsee herum auch um dieses Thema kümmern, noch ein großes Potenzial zu erschließen.

Schleswig-Holstein kann also als regionaler Vertreter einer verstärkten Kooperation nur gewinnen. Die Lage zwischen den Meeren ist strategisch wichtig und bietet für uns eine Zukunftsoption.

Lassen Sie mich aber drei Eckpunkte nennen, die Voraussetzung für diese Nordseekooperation sind, wenn sie denn erfolgreich sein will:

(Hartmut Hamerich)

Erstens. Die Nordseekooperation kann aufgrund anderer historischer und politischer Entwicklungen nicht deckungsgleich mit der Ostseekooperation sein.

(Beifall bei der SPD)

Diese neue Kooperation muss konzeptionell neu und anders entworfen werden. Deshalb lehnen wir auch den Antrag der Grünen in diesem Zusammenhang ab. Wir sollten erst einmal definieren, was wir darunter verstehen. Eine Verschränkung mit der Ostseekooperation, die in einigen Punkten sicherlich wichtig ist und zum Teil auch den Bedürfnissen der Anrainer an der Nordsee entspricht, sollten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht anstreben. Das ist der zweite Schritt vor dem ersten.

(Holger Astrup [SPD]: Das geht nur in Ska- gen! - Vereinzelter Beifall bei SPD und CDU)

- Das geht nur in Skagen, ja, genau.

Zweiter Punkt. Die Nordseekooperation ist schleswig-holsteinweit zu verstehen und aufzubauen. Eine Beschränkung, zum Beispiel nur auf die Nordseeküste, greift zu kurz. Hier liegen für diese Region große Chancen, die wir noch weiterentwickeln müssen. Detlef Buder und ich haben in den letzten Jahren versucht, dort für diese Idee zu werben. Aber wir müssen auch verstehen, dass das eine Initiative für ganz Schleswig-Holstein ist. Auch die CAU hier in Kiel hat ein Interesse daran, sich im Nordseebereich weiter zu engagieren.

Dritter Punkt. Es wäre gut, wenn es eine ausgearbeitete Strategie gäbe, die wir auch auf der Bundesebene und in Norddeutschland vermitteln könnten. Diese Strategie liegt noch nicht vor, sie wird eine der ersten Aufgaben für das neue Forum sein. Ich finde es sehr gut, dass die Initiative dazu von Schleswig-Holstein ausgeht.

Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Hoffen wir also, dass sich in den kommenden Europaberichten die Seitenzahl zur Nordseekooperation erhöht. Der Blick über den Deich nach Westen lohnt immer.

(Beifall bei SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich danke Herrn Abgeordneten Rolf Fischer und erteile für die FDP-Fraktion Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag, über den wir heute beraten, enthält zuerst und vor allem einen Prüfauftrag. Ob die Schaffung eines Parlamentsforums Nordsee möglich sein wird, bleibt daher abzuwarten. Nach meiner Auffassung sollte der erste Schritt darin bestehen, zunächst einmal mit den Landesparlamenten der anderen norddeutschen Bundesländer in dieser Frage Kontakt aufzunehmen, also mit den Kolleginnen und Kollegen aus Bremen, Niedersachsen und Hamburg darüber zu sprechen. Falls nicht einmal eine gemeinsame norddeutsche Haltung in dieser Frage erreicht werden kann, wäre die Sache nach meinem Dafürhalten schon in dieser ersten Phase erledigt, jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt.

(Beifall bei der FDP)

Ich meine, dass der Anstoß, den dieser Antrag enthält, insofern auch ein Testfall für die so viel beschworene norddeutsche Zusammenarbeit ist.

Die Einrichtung eines Parlamentsforums Nordsee darf nicht unter dem Motto stehen: Schön, dass man sich mal wieder trifft. Anders ausgedrückt: Die Veranstaltung sollte nicht konzipiert sein als eine Veranstaltung für reisende Abgeordnete - obwohl wir wissen, dass einige ganz gern auf Reisen sind. Kollege Ritzek sehe ich momentan nicht. - Doch, direktemang. Es gibt ja Spötter, die meinen, am liebsten wäre einigen die Einführung eines Parlamentsforums Nördliche Südsee.

(Beifall bei der FDP)

Das, was ich mit diesem Begriff andeuten will, darf es gerade eben nicht sein, sondern man muss klarmachen, dass an allererster Stelle eine inhaltliche Begründung für einen Einstieg in diese erweiterte parlamentarische Zusammenarbeit in der Region stehen muss. Nur so ließe sich der zeitliche und materielle Aufwand für ein neues Parlamentsforum rechtfertigen. Interparlamentarische Kontakte sind nämlich kein Selbstzweck. Ihr Sinn liegt darin, über staatliche Grenzen hinweg die Bewältigung gemeinsamer politischer Aufgaben in Gang zu setzen beziehungsweise voranzubringen. Dies wird am überzeugendsten deutlich, wenn gleich am Anfang konkrete Anliegen und Themen im Vordergrund stehen und eben nicht bloß die Tatsache, dass man sich irgendwo in der Nachbarschaft einmal trifft.

Darüber und über geeignete Ansatzpunkte für dieses Vorhaben sollten wir deshalb im Europaausschuss noch einmal eingehend auch unter Einbeziehung des guten Rates unseres Europaministers Uwe

(Rolf Fischer)

Döring beraten. Deshalb plädiere ich dafür, dass wir beide Anträge in den Europaausschuss überweisen und uns noch einmal mit dem Thema intensiv befassen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Finanzausschuss! - Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für weniger sinnvoll halte ich den Antrag der Grünen, die Nordseezusammenarbeit quasi an die bestehenden Strukturen der Ostseekooperation „anzupappen“. Eine solche Ausfransung der bestehenden partnerschaftlichen Verbindungen und der Kooperationsstrukturen der Ostseezusammenarbeit nach Westen würde meines Erachtens dazu führen, dass beide Anliegen, also die Ostseezusammenarbeit und die Nordseekooperation, am Ende nicht mehr mit der nötigen Wirksamkeit betrieben werden könnten. Dazu hat auch der Kollege Hamerich eben schon einiges - wie ich finde - Zutreffendes ausgeführt.

Mein Plädoyer ist: Lassen Sie uns diese ganze Thematik, vor allem, wie man überhaupt an das Thema in der Vorbereitung, in der Umsetzung des Prüfauftrages, herangehen soll, noch einmal im Ausschuss beraten.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])