Protocol of the Session on June 17, 2009

Zweitens. Öffentliche Finanzierung von CCS-Forschung nur mit strengen Kriterien. Drittens. Vollständige Übernahme der Kosten für Nachsorge und Risiko durch die Energiewirtschaft. Ich glaube, bei diesem Punkt trennt uns gar nichts. Viertens. Verbindliche Öffentlichkeitsbeteiligung und maximale Transparenz beim Verfahren statt Bergrecht. Fünftens. Keine CO2-Einlagerung im Meer. Sechstens. Neben der Endlagerung muss auch der Transport des CO2 klar geregelt werden. - Trennung von Netz und Betrieb. Siebtens. Keine Beeinträchtigung von alternativen Nutzungen. Achtens. Einlagerung nur bei einer CO2-Reinheit von mindestens 98 %. Neuntens. Verpflichtende Geruchskennzeichnung zur Risikominimierung bei Handling und Transport.

Lieber Kollege Hentschel, das wäre eine Grundlage für die Diskussion über ein neues CCS-Gesetz, das die Erforschung und die Erprobung dieser Technologie anwendungsreif macht, damit wir forschen können und damit diese Technologie nicht von vornherein ausgeschlossen wird. Wenn es sich erweist, dass sie nichts taugt, dann werden Sie hier niemanden finden, der weiterhin auf diese Technologie setzt. Insofern freue ich mich darüber, dass es das in dieser Form gibt. Das ist sehr differenziert und sehr sachlich. Mein Vorschlag wäre, diesen Kriterienkatalog mitzubedenken, wenn sich der Wirtschaftsausschuss mit diesem Thema auch im Rahmen der geplanten Anhörung befasst.

(Beifall bei FDP und CDU)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag hat Herr Abgeordneter Matthiessen das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich will noch einmal auf die SPD eingehen. Vor dem Hintergrund der heutigen Debatte in diesem Haus finde ich, dass Sie ein massives Problem mit dem Bundesprogramm haben, das Sie jüngst verabschiedet haben.

(Zurufe)

- Knödel für Knödel! Erst einmal bin ich bei der SPD.

Das Programm ist lang. Die Überschrift lautet: Deutschland als Pionier für nachhaltige Energiepolitik und Mobilität und so weiter. So geht es seitenweise weiter. Ich beschränke mich auf die kohlerelevanten Punkte unter der Überschrift: „Effiziente Nutzung fossiler Energieträger“. Hier heißt es nicht etwa kurz- oder mittelfristig, sondern es heißt dort auf absehbare Zeit. Das bedeutet über die Zeit, die wir heute übersehen können. Über den Verlauf dieses Zeitraums könne nicht auf Kohle und Gas verzichtet werden.

An anderer Stelle heißt es: Wir brauchen neue Investitionen in hoch moderne, effiziente fossile Kraftwerke. An anderer Stelle heißt es: Wir brauchen in Deutschland eine Technologie zur Abtrennung von Kohlendioxid. Diese soll weiterentwickelt werden. Dann nennen Sie noch die Sache mit der Wiederverwendung, was natürlich viele Fragezeichen aufwirft. Zu den mir bekannten Verwendungen von CO2, zumindest zu energetischen Zwecken, zum Beispiel zur Fütterung von ölproduzierenden Bakterien und so weiter, was in Ansätzen möglich ist, sage ich Ihnen: All das ist sehr flächenintensiv und noch weit von dem entfernt, was eine Partei in ihr Bundestagsprogramm schreiben sollte.

Der Zukunft der Steinkohle widmen Sie ein Extrakapitel. Die Revisionsklausel für den deutschen Steinkohlebergbau soll wirksam gemacht werden, sodass das faktische Auslaufen des Kohlebergbaus verhindert wird. Das bedeutet eine Wiederaufnahme der mühsam überwundenen Prozesse. Diese Prozesse dauern lange. Herr Nabel sagte dies: Nun haben wir diese Steinkohlesubventionitis in einem mühsamen und langfristigen Prozess endlich überwunden, da nimmt die SPD das wieder in ihr Programm auf. Damit will ich diesen Punkt beenden.

Herr Ministerpräsident, es war eben nicht nur Thomas Oppermann von der SPD, der sich darüber beschwert hatte, dass die CDU in der Frage der Gesetzverabschiedung einen Rückzieher gemacht hat.

(Dr. Heiner Garg)

Das war auch Frau Reichel. Sie sagt, das Gesetz habe noch Chancen, wir sollten diese Chancen wahrnehmen. Braunkohle werde nur wettbewerbsfähiger Bestandteil des Energiemixes bleiben, wenn CCS komme und so weiter. Nun erfreuen wir das Volk allerdings nicht immer, wenn wir bei Sachdebatten unser parteipolitisches Hickhack entfalten.

Herr Ministerpräsident, daher wollte ich Ihr Angebot wahrnehmen, hier zu einer Debatte zu kommen, und zwar mit einer Nebenbemerkung: Der Growian war gar nicht so schlecht. Wir haben sehr viel davon gelernt. Sie haben ja die Historie bemüht. Wo liegt aber das eigentliche Problem bei CCS? Ich bin nicht gegen eine Beschäftigung mit dem Thema. Im Moment läuft jedoch eine Legitimationsdebatte für Kohlegroßkraftwerke. Damit habe ich ein energiewirtschaftliches Problem.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Der Ausbau der Stromerzeugung in Kohlekraftwerken steht in direkter Konkurrenz zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen. Großkraftwerke können ihre Leistung nicht modulieren. Sie können in einem Kraftwerkspark der Zukunft nicht mitspielen. Sie können wechselnde Lasten im Netz technisch nicht kompensieren. Das aber ist die Aufgabe zukünftiger Kraftwerke. Sie müssen der regenerativen und auch der hocheffizienten wärmeoder kältegekoppelten Stromerzeugung dienen können. Das ist das Problem, das ich auch mit so einem Großkraftwerk in Brunsbüttel habe. Sie beschweren sich immer darüber, dass Windkraft nicht grundlastfähig sei. Umgekehrt gilt aber auch, dass diese Großkraftwerke technisch nur Grundlast fahren können. Die Großkraftwerke stehen dem ökologischen Wandel der Energiewirtschaft, den wir aus Klimaschutzgründen brauchen, aus technischen Gründen entgegen.

Die CCS-Debatte ist eine Rechtfertigungsdebatte oder eine Legitimationsdebatte zum Bau dieser nicht zukunftsfähigen Großkraftwerke. Sie erfordern gigantische Investitionen, und ihre technische Lebenszeit und auch die ökonomische Notwendigkeit, sie voll ausgelastet zu betreiben, erstrecken sich über vier bis sechs Jahrzehnte. Damit ist dies weder eine mittelfristige Strategie noch eine Brückentechnologie. Die Brückentechnologie, die wir brauchen, ist ein zügiger Ausbau der KraftWärme-Kopplung auf Anteile in der Größenordnung von 30 %. Das kann man im Zubau auch anhand der Sterbelinie des bestehenden Kraftwerkparks darstellen.

Damit wollte ich einen kleinen Input für die Debatte geben, die wir sicherlich im Wirtschaftsausschuss führen werden. Wir müssen neu über die Energiezukunft nachdenken. Ich sage mit allem Ernst: Das ist eine Debatte, die wir über den Rahmen der Parteigrenzen hinaus führen sollten, in denen wir uns so gern tummeln. Wir sollten das Wort des Herrn Ministerpräsidenten tatsächlich ernst nehmen und in eine Debatte eintreten, damit wir Positionen neu überdenken können.

Herr Abgeordneter, die Zeit!

Ich wollte daran appellieren, gemeinsam in so eine Debatte einzutreten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag erhält Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man könnte sagen: So weit, so gut. Das ganze Haus wird unserem Antrag folgen. Schleswig-Holstein wird diesen Gesetzentwurf im Bundesrat ablehnen. Das ist ein gutes Ergebnis dieser heutigen Debatte. Herr Ministerpräsident, ich möchte hinzufügen: Es ehrt Sie, dass Sie sich hier hinstellen und sagen, Sie hätten dazugelernt und Ihre Meinung geändert. Das ehrt Sie. Das brauchen wir in der Politik, das finde ich gut.

Dass die Debatte heute noch einiges mehr gezeigt hat, kam nicht wirklich überraschend. Dieses parteipolitische Geplänkel gehört scheinbar dazu. Ich gehe jede Wette ein, dass wir uns anständig miteinander unterhalten können, wenn wir diesen Saal verlassen. Ich gehe davon aus, dass wir sehr wohl wissen, dass es Unterschiede zwischen Landes- und Bundespolitik gibt. Daher möchte ich noch einmal zitieren, was Arnold Petersen von den „Lübecker Nachrichten“ - nachzulesen im heutigen Pressespiegel - von sich gegeben hat. Frau Präsidentin, mit Ihrer Erlaubnis zitiere ich:

„Nordrhein-Westfalen stellt in allen Bundestagsfraktionen die stärksten regionalen Bataillone. Umso bemerkenswerter ist es, dass

(Detlef Matthiessen)

sich die acht CDU-Vertreter aus SchleswigHolstein gegen die 47 Kollegen aus NRW in der Unionsfraktion durchsetzen konnten: Auf ihr Betreiben und mit lautstarker Unterstützung von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen wurde gestern das Gesetz, das die Speicherung des Klimakillers Kohlendioxid unter Erde ermöglichen soll, vorläufig gestoppt.“

Ich denke, das sollte man anerkennen. Diese NRWLobby ist groß und mächtig.

(Beifall bei SSW, CDU und FDP)

Wir sollten aber auch noch einmal auf die bisherige Debatte in Schleswig-Holstein zurückblicken. Die Bürgerbewegung gegen CCS ist nicht erst vor Kurzem entstanden. Menschen haben sich bereits seit Monaten gegen CCS ausgesprochen und dagegen demonstriert. Meines Wissens hat es bis gestern oder vielleicht vorgestern keinen Dialog, keine Gespräche mit der Landesregierung gegeben; das darf nicht unter den Teppich gekehrt werden.

Richtig ist auch, dass das Bundesgesetz in kürzester Zeit hätte durchgepeitscht werden sollen; es geht um einen Zeitraum von sechs bis acht Wochen. Das ist vielleicht kein Weltrekord, aber doch bemerkenswert. Das sollte uns zu denken geben, welche Interessen hinter diesem Gesetz stehen. Einerseits heißt es zwar, dass wir in einer Situation seien, in der wir nicht genug Wissen hätten, und deshalb alles genau erforschen müssten. Andererseits macht dann aber der ins Auge gefasste kurze Zeitraum deutlich, welche Interessen hinter diesem Gesetzentwurf stehen. Herr Kollege Hentschel und mein Kollege Harms haben bereits zu Recht hervorgehoben, dass die Debatte davon abgesehen keine schlechte war und dass es jetzt darauf ankommt, sie im Wirtschaftsausschuss sachlich weiterzuführen. Die Bürgerbewegung im Landesteil Schleswig existiert weiterhin. Deswegen brauchen wir weiterhin den Dialog mit den Menschen vor Ort.

Ich rufe außerdem noch einmal in Erinnerung, dass es auf kommunaler Ebene - zum Beispiel im deutsch-dänischen Grenzland mit dem Klimapakt Flensburg - auch eine andere Bewegung gibt, die CO2-Neutralität anstrebt und vor Ort zusammen mit den Menschen etwas unternehmen will. Auch mit diesen Kräften muss die Landesregierung, muss das Land Schleswig-Holstein den Dialog suchen.

In der heutigen Debatte ist mehrfach angesprochen worden, dass die neue Technologie erforscht werden müsse. Es kann ja sein, dass das so ist. Ich möchte aber auch noch einmal in Erinnerung rufen,

dass Forschung nicht im luftleeren Raum - also unabhängig von der Gesellschaft - stattfindet. Wir müssen jetzt die Weichen richtig stellen. Wir wissen, dass die neue CCS-Technologie erst 2040 großtechnisch nutzbar sein wird. Zu diesem Zeitpunkt müssen wir im Ausstieg aus der Kohleenergie aber schon weit fortgeschritten sein.

(Beifall beim SSW - Zuruf von Ministerprä- sident Peter Harry Carstensen)

- Lieber Herr Ministerpräsident, das kann ja sein. Aber mein Anliegen ist es, dass wir nicht den Fehler wiederholen dürfen, den wir bei der Kernenergie gemacht haben. Damals hieß es immer, wir wollten die Energie und müssten sie erforschen. Die richtige Weichenstellung bedeutet, dass wir uns gegen CCS und für regenerative Energien aussprechen und bürgernahe Projekte vor Ort in unseren Überlegungen einbeziehen. Das muss die Zielsetzung sein. Wenn die heutige Debatte dazu führt, dass wir uns das noch einmal in Erinnerung rufen, ist sie gar nicht so schlecht gewesen.

(Beifall beim SSW)

Das Wort für einen weiteren Beitrag erhält Herr Abgeordneter Olaf Schulze.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in der heutigen Debatte vieles zu den unterschiedlichen Ansichten einzelner Landes- und Bundesverbände und darüber, wie groß die Kluft in den einzelnen Parteien zum Teil ist, gehört. Es hieß außerdem, dass die Erforschung von CCS weiter vorangetrieben werden soll. Ich möchte nur hinzufügen, dass Herr Oppermann von der SPD den Kollegen von der Union angeboten hat, die Erforschung dort, wo sie erwünscht ist, nämlich in Brandenburg, rechtzeitig fortzuführen. Allerdings scheint auch durch die CDU ein Riss zu gehen, was deutlich wird, was in der heutigen Debatte und mit Blick auf die Aussage von Katherina Reiche deutlich geworden ist.

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Detlef Matthiessen?

Ja, natürlich.

(Anke Spoorendonk)

Herr Kollege Schulze, ist Ihnen bekannt, dass das Vorhaben in Nordfriesland auch unter der Überschrift „Forschung“ läuft und dass es gar keine anderen rechtlichen Grundlagen gibt?

Das ist mir bekannt. Außerdem möchte ich noch darauf hinweisen, dass es auch ein Forschungsvorhaben in NRW gibt. Dies haben wir im Wirtschaftsausschuss erörtert, wo Herr Dr. Sauer uns außerdem darüber aufgeklärt hat, dass vonseiten der EU nur zwei Forschungsprojekte für Deutschland vorgesehen sind. Diese beiden Forschungsprojekte sind für Brandenburg und Nordrhein-Westfalen vorgesehen, nicht aber für Schleswig-Holstein.

Wir sollten uns vielleicht weniger darauf konzentrieren, wer auf Bundes- und Landesebene unterschiedliche Ansichten hat, und stattdessen genauer darauf achten, was in der heutigen Diskussion inhaltlich geäußert wurde. Der Herr Ministerpräsident hat davon geredet, dass wir bis zur Mitte des Jahrhunderts an fossilen Energieträgern nicht vorbeikommen werden. Darf ich das so verstehen, dass wir uns einig sind, dass wir danach auf regenerative Energien setzen?

(Beifall beim SSW)

Wenn ja, freue ich mich darüber, dass wir uns in diesem Punkt einig sind. Denn das wird ein Punkt sein, den wir in Zukunft auch im Hinblick auf die CCS-Technik diskutieren müssen, und zwar im Rahmen unserer Anhörung im Ausschuss. Die Forschungsphase wird sehr lange dauern. Im Hinblick darauf, dass bis 2020 oder 2025 geforscht werden soll und die CCS-Technik erst ab 2030 eingesetzt werden kann, müssen wir - auch im Ausschuss darüber diskutieren, ob es nicht kontraproduktiv ist, weiter an der CCS-Technik festzuhalten.

Global denken, lokal handeln - dies sollten wir umsetzen. Ich freue mich über den Sinneswandel des Ministerpräsidenten sowie der Landesregierung und der CDU insgesamt; sie wollen jetzt endlich auf die Menschen hören. Am 28. Januar 2009 haben wir schon einmal über CCS diskutiert. Heute reden wir über Nordfriesland, aber auch in Ostholstein sind die Menschen besorgt und in Aufruhr. Auch diese Menschen sollten wir nicht vergessen.

(Beifall bei SPD und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung. Es ist beantragt wor