Protocol of the Session on March 25, 2009

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Abweichende Regelungen haben wir nur getroffen, soweit religiöse Gründe oder unterschiedliche Strukturen der Kirchenorganisationen dies erforderten oder sich seit Abschluss des Vertrages mit der evangelischen Kirche neuer Regelungsbedarf ergeben hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, einige von Ihnen hatten in den Ausschusssitzungen auch Bedenken hinsichtlich des Vertrags in Bezug auf das Konkordat von 1933. Ich meine, dass wir diesen Bedenken Rechnung getragen haben. Das Konkordat von 1933 wird der historischen Vollständigkeit halber gemeinsam mit weiteren Vorschriften in Artikel 23 des Vertrages erwähnt. Dies bedeutet nicht, dass rechtlich überholte Regelungen des Konkordats Eingang in unser modernes Vertragswerk finden. Wir haben bewusst davon abgesehen, die ausdrückliche Fortgeltung des Reichskonkordats festzuschreiben.

Artikel 24 Abs. 2 enthält hierzu eine unmissverständliche Formulierung. Alte Regelungen, die den Bestimmungen des neuen Vertrages entgegenstehen, treten automatisch außer Kraft, sobald der neue Vertrag in Kraft tritt.

Das Verhältnis des Landes Schleswig-Holstein zur römisch-katholischen Kirche ist freundschaftlich und vertrauensvoll. Ich bin sehr dankbar dafür. Dieser vertrauensvolle Umgang miteinander ist für mich Ausdruck höchster Wertschätzung und nicht nur eine Frage rechtlicher Regelungen. Einen Grund, aber nicht den alleinigen Grund für diese Wertschätzung hat der Herr Landtagspräsident genannt. Das sind die sozialen Arbeiten der Kirche, die wir jeden Tag bei uns im Land erleben können, die wir mit Orden auszeichnen, für die wir uns bedanken sollten, weil wir selbst weder in der Lage wären, sie zu organisieren, noch sie finanzieren könnten.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Bisher haben wir in den Beziehungen mit der römisch-katholischen Kirche den Staatsvertrag mit den evangelischen Kirchen analog angewendet. Dies lief - das kann ich auch nicht oft genug betonen - über Jahrzehnte hinweg einwandfrei und unproblematisch. Auch dies ist ein Zeichen des zwi

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

schen Staat und katholischer Kirche gewachsenen Vertrauens. Dennoch ist es wichtig und richtig, dass wir nun zu einer selbstständigen, zeitgemäßen Regelung mit dem Heiligen Stuhl finden, um unsere Beziehungen im Geiste freiheitlicher Partnerschaften zu festigen und auch fortzuentwickeln. Deshalb bitte ich das Hohe Haus um eine breite Zustimmung zu diesem Vertrag.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke dem Herrn Ministerpräsidenten. - Mir liegen einige Wortmeldungen für Kurzbeiträge und auch einige Wortmeldungen nach § 64 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung vor. Zunächst erteile ich der Frau Abgeordneten Birgit Herdejürgen das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte einige Erläuterungen zu meinem Abstimmungsverhalten geben und meine Ablehnung des Staatsvertrags begründen. Damit spreche ich auch für einige weitere Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion.

Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass religiöse Gründe bei meiner Entscheidung keine Rolle spielen. Ich teile auch ausdrücklich die Aussagen, die von meinen Vorrednern getroffen wurden, was die Leistungen der Kirchen für das Gemeinwesen betrifft. Ich trage inhaltlich auch große Teile des Staatsvertrags mit. Das bezieht sich auf die grundsätzliche Gleichbehandlung der evangelischen und der katholischen Kirche, was die Höhe der Zuwendungen betrifft. Bei diesen Entscheidungen - das möchte ich auch noch einmal sagen, Herr Kollege Kayenburg - geht es nicht um Einsparungen. Allerdings kann ich einer Festlegung für alle Zeiten, der sogenannten Ewigkeitsklausel, nicht zustimmen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Insoweit befindet sich, glaube ich, die Fraktion insgesamt im Zwiespalt zwischen dem Gleichbehandlungsgrundsatz und der Ablehnung unveränderlicher Festlegungen. Die Mehrheit meiner Fraktion wird diesem Staatsvertrag nach einer Abwägung zustimmen. Für meine Entscheidung - das gilt eben auch für einige andere Mitglieder meiner Fraktion überwiegt die andere Seite. Ich werde einem Vertrag, der das Land auf ewig bindet, nicht zustimmen. Dem Vertrag mit der evangelischen Kirche konnte ich damals meine Zustimmung nicht geben.

Insofern bin ich nicht verantwortlich für das, was mit diesem Vertrag verbunden ist.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Ich bitte, dies anzuerkennen. Das war keine leichtfertige Entscheidung unsererseits.

(Beifall bei SPD und FDP)

Für einen weiteren Kurzbeitrag hat der Herr Abgeordnete Wolfgang Kubicki das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich nach den einleitenden Worten des Herrn Ministerpräsidenten gemeldet, weil ich nicht hoffen will, Herr Ministerpräsident, dass Sie einen falschen Eindruck vermitteln wollten. Auch ich habe die Beiträge der Kollegen Kayenburg und Fischer als seriös empfunden und danke beiden ebenfalls für ihren Beitrag. Aber ich danke auch allen anderen Rednern für ihre Beiträge; denn der Beitrag des Kollegen Klug und der Beitrag der Kollegin Heinold waren nicht unseriös.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und vereinzelt bei der SPD)

Ich möchte das klarstellen, weil ich auch erklären will, warum ich als gläubiger Christ, Kirchensteuerzahler und langjähriges Mitglied eines Kirchenvorstands, aber auch als Jurist einem Vertrag nicht zustimmen kann, dessen Anfechtung allenfalls vor dem Jüngsten Gericht erfolgen könnte.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Das ist juri- stisch falsch!)

- Das ist juristisch nicht falsch.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Doch, das ist falsch!)

- Herr Kollege Wadephul, ich bin gern bereit, einmal mit Ihnen darüber zu diskutieren.

Wenn wir darüber reden, dass Parlamente gehalten sind, künftige Generationen durch ihre Parlamentsentscheidungen nicht zu binden, sowohl was die fiskalische Seite als auch was Gesetze angeht, dann handelt es sich um eine wirklich ernsthafte Entscheidung, die jeder einzelne mit sich selbst abmachen und tragen muss. Ich nehme für mich auch in Anspruch, dass ich Beschlüsse dieses Parlaments ernst nehme.

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

Herr Ministerpräsident, dieses Parlament hat im Finanzausschuss unisono darum gebeten, dass beispielsweise die Dynamisierungsklausel im Vertrag mit der evangelischen Kirche, für die wir auch eigentlich eine Kündigungsmöglichkeit in der Überlegung hatten, Herr Kollege Neugebauer, entfällt. Denn wir haben wiederum keinen Einfluss darauf, wie sich die künftige Entwicklung gestaltet, und zwar weder inhaltlich noch fiskalisch. Auch das ist etwas, was ein Parlament eigentlich nicht mit sich machen lassen sollte.

Noch einmal: Ich nehme die Beschlüsse dieses Parlaments ernst. Aus den Gründen, die der Kollege Klug genannt hat - wir haben das in der Fraktion lange diskutiert -, kann die FDP-Fraktion diesem Vertrag nicht zustimmen, wiewohl wir gleichzeitig - Herr Staatssekretär Maurus! - Wert darauf legen, dass in den Verhandlungen mit der evangelischen Kirche jedenfalls die Dynamisierungsklausel unter Umständen - wie in Berlin-Brandenburg - wegverhandelt wird. Auch das muss unter Partnern möglich sein, die sich wechselseitig ernst nehmen.

Noch einmal meine Bitte: Stellen Sie die Seriosität derjenigen, die in dieser Sache anderer Auffassung sind, nicht infrage.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort zu einem Wortbeitrag nach § 64 Abs. 2 der Geschäftsordnung hat jetzt der Herr Abgeordnete Günter Neugebauer.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst begrüße ich - dafür bedanke ich mich -, dass wir bisher eine sehr sachliche Aussprache gehabt haben, an der sich nach meiner Wahrnehmung alle beteiligt haben.

Gemäß § 64 Abs. 2 der Geschäftsordnung unseres Hohen Hauses möchte ich das Abstimmungsverhalten einiger Kolleginnen und Kollegen der SPDFraktion und das meinige hier begründen.

Meine Kritik am Kirchenstaatsvertrag - ich wiederhole -, die ich auch im Namen einiger Kolleginnen und Kollegen vortragen darf, orientiert sich nicht an religiösen Gründen, sondern im Wesentlichen an drei Punkten, die ich Ihnen vortragen möchte.

Der erste Grund. Ich stelle den Anspruch der Kirchen auf Staatsleistungen nach den Verträgen von

1555, 1648 und insbesondere des Regensburger Reichsdeputationsbeschlusses von 1803 infrage. Die Ansprüche der Kirche auf diese Staatleistungen sind bei Verfassungsrechtlern höchst umstritten und gefährden nach meiner Auffassung das in der Verfassung bekanntlich verankerte Trennungsgebot von Staat und Kirche.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Salopp ausgesprochen, werden die Kirchen, die 1555 Immobilien an Landesfürsten abgeben mussten oder 1806 von Napoleon enteignet worden sind, besser gestellt als jene, die nach 1945 in der damaligen SBZ von den Sowjets, und zwar entschädigungslos, enteignet worden sind.

Der zweite Grund. Der Kirchenstaatsvertrag ist wie der 1957 mit der evangelischen Kirche abgeschlossene Vertrag auf ewig, also unbefristet abgeschlossen. Das ist hier von anderen Rednern schon dargestellt worden. Eine solche Klausel entspricht nicht meinem Verfassungsverständnis, weil sie in vielen, wenn nicht Hunderten von Jahren künftige Parlamente ohne Einwirkung lässt, ohne Rücksicht auf die jeweilige Haushaltslage - das nur am Rande bemerkt. Parlamentsgesetze, also weltliche Entscheidungen, sind nicht für die Ewigkeit bestimmt.

Eine Überprüfungsklausel, wie sie zum Beispiel im Vertrag nachzulesen ist, den das Bundesland Berlin mit der evangelischen Kirche abgeschlossen hat, wäre das Mindeste gewesen, was hier hätte verhandelt werden müssen. Wie bedeutungslos dabei die schon zitierte Freundschaftsklausel nach Artikel 22 ist, zeigt das bisher feststellbare Nicht-Verhandeln-Wollen der Nordelbischen Kirche trotz des Votums des Landesrechnungshofs und eines einstimmigen Beschlusses des Landtags im November 2007. Die Freundschaftsklausel ist und bleibt ein stumpfes Schwert, wenn sich der kirchliche Vertragspartner, also eine der beiden Vertragsparteien, auf die Ewigkeitsklausel beruft.

Der dritte Punkt: Der Kirchenstaatsvertrag besagt in Artikel 23, dass das Konkordat vom Juli 1933 „unberührt bleibt“. Das Reichskonkordatsgesetz trägt nicht zufällig die Unterschrift des damaligen Diktators. Dieses „unberührt“ bleibende Konkordat war wie wir wissen - die Gegenleistung der Nazis zur Zustimmung der Zentrumspartei zum Ermächtigungsgesetz. Im Übrigen weise ich daraufhin, dass wir gestern den 76. Jahrestages dieses Tages zu gedenken hatten. Das Konkordat enthält - das ist schon bestätigt worden - viele undemokratische Elemente wie zum Beispiel das politische Betäti

(Wolfgang Kubicki)

gungsverbot für Pfarrer. Es war leider - ich betone absichtsvoll, gegen den Willen der meisten deutschen Katholiken - die Geburtsstunde des Schweigens des Vatikans zu den Verfolgungen Andersdenkender und unserer jüdischen Mitbürger.

Natürlich - darauf lege ich ganz großen Wert -: Niemand darf die Repräsentanten der katholischen Kirche in die geistige Nähe der damaligen Diktatur stellen. Mir liegt das völlig fern. Ich kenne auch niemanden in diesem Haus, der das will.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Lassen wir dann die Debatte!)

Trotzdem bedauere ich, dass sich die Vertreter der katholischen Kirche außerstande sahen, den Bezug auf das Konkordat in Artikel 23 zu streichen.

Lassen Sie mich zum Schluss feststellen: Die in der Verfassung verankerte Trennung von Staat und Kirche sowie die Religionsfreiheit sind wichtige Rechtsgüter. Gerade die Freiheit des Glaubens genießt auch bei mir höchsten Respekt. Aber ich kann - wie auch andere Fraktionskollegen - nach Befragung meines Gewissens einem Gesetz nicht zustimmen, das ich persönlich für undemokratisch halte.

(Vereinzelter Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall des Abgeord- neten Lars Harms [SSW])