Protocol of the Session on March 25, 2009

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir als Abgeordnete dieses Landesparlaments stehen jetzt da, wo wir niemals stehen wollten. Wir werden mit der Pistole auf der Brust zu einer Entscheidung gezwungen, allerdings nach wie vor ohne jegliche Entscheidungsgrundlage; denn diese Entscheidungsgrundlagen fehlen bis heute. Wir müssen uns auf Folienvorträge der Bank, auf teilweise sehr unkonkrete Beantwortungen zahlreicher Fragen aller Fraktionen und auf die Aussagen der BaFin und des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung verlassen. Die Grundaussage, die wir glauben müssen, lautet: Es gibt keine Alternativen, beziehungsweise es gibt sie schon, aber sie sind alle teurer oder aber risikoreicher als die jetzt vorgelegte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Entscheidung ist womöglich die schwerste Entscheidung seit dem Bestehen dieses Landesparlaments. Ich habe wie wahrscheinlich wir alle und ebenso wie der Wirtschaftsminister erhebliche Bauchschmerzen,

(Wolfgang Kubicki)

diese Entscheidung zu treffen, im einfachen Glauben daran, dass wir das Richtige tun.

Bis heute liegen den beiden Parlamenten keine gesicherten Zahlen vor, was die Zukunft der Bank angeht. Ich erinnere an das, was der Sachverständige Rufer gestern in der Hamburger Bürgerschaft erklärt hat: Es ist schon bedenklich, dass wir Entscheidungen treffen, ohne dass uns eine testierte Bilanz übergeben wurde.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Doch nicht nur das. Bisher gibt es nicht nur keinen testierten Jahresabschluss, es gibt auch keine aktuelle Unternehmensbewertung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen selbst aus Ihrer Erfahrung: Jeder Kaufmann, der mit solchen Unterlagen bei seiner Bank einen Kredit beantragte, würde sofort der Tür verwiesen.

Der Hamburger Senat und das Kieler Kabinett haben ihre Beschlüsse im Blindflug getroffen. Schon allein das ist bedenklich. Dass selbst der Aufsichtsrat der HSH Nordbank drei Sitzungen gebraucht hat, um dem neuen Geschäftsmodell trotz massiver Bedenken seine Zustimmung zu erteilen, sollte auch in unsere Entscheidungsfindung mit einfließen.

Denn was sagt das neue Geschäftsmodell aus? Eigentlich ist dies gar kein neues Geschäftsmodell, denn die Aktion „Wetterfest“ ist bereits im September verkündet worden. - Es geht darum, die Bilanzsumme der Bank bis zum Jahr 2012 von knapp 200 Milliarden € auf rund 116 Milliarden € fast zu halbieren. Die Risiken, insbesondere das Kreditersatzgeschäft, das in der Spitze ein Volumen von über 30 Milliarden € angenommen hat, sollen ausgelagert und abgewickelt werden. Bis zu 1.400 Mitarbeiter der Bank müssen gehen. Künftig will sich die Bank auf das Mittelstandsgeschäft und auf Schiffsfinanzierungen, also auf die selbst ernannten Stärken konzentrieren.

Doch sind diese selbst ernannten Stärken tatsächlich so stark? In der Beantwortung unserer Fragen zum Gesetzentwurf schreibt die Landesregierung, die Bank gehe bei ihren Analysen zur Tragfähigkeit des neuen Geschäftsmodells davon aus, dass die US-Wirtschaft im Jahr 2009 um 2 % und das BIP in der EU um 2,5 % zurückgehe. Liebe Kolleginnen und Kollegen, kann es sein, dass diese Annahmen bereits heute überholt sind und wir von einem deutlich größeren Schrumpfen der Weltwirtschaft ausgehen müssen? Welche Auswirkungen hat das auf

die Zahlen des Geschäftsjahres 2009? Ohne ein Geheimnis zu verraten: Einige werden die Antworten der HSH Nordbank auf die Fragen des SoFFin gelesen haben, so klein sie auch gedruckt waren. Kann es nicht sein, dass sich die makroökonomischen Grunddaten für das Stressmodell, die die HSH Nordbank zu der Aussage treiben, dass in einem Jahr erneuerter Kapitalbedarf entstehen könnte, wenn das Stress-Szenario eintritt, bereits heute verwirklicht haben?

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weiter erklärt die Landesregierung, das makroökonomische Umfeld sei von einem deutlichen Einbruch der Charterraten im Schiffsbereich sowie der Immobilienwerte, also genau in den neuen Kerngeschäftsfeldern geprägt. Dass der Bereich der Schiffsfinanzierung vor einer dramatisch schweren Zeit steht, ist bei Weitem kein Geheimnis. Die Situation am internationalen Schifffahrtsmarkt hat sich seit Jahresbeginn drastisch verschärft. Die Krise bringt nun auch deutsche Fondshäuser in Bedrängnis, die zu den größten Flottenfinanzierern weltweit gehören. Reeder und Emissionshäuser für Schiffsfonds versuchen, Aufträge bei den Werften zu stornieren oder wenigstens Zeit zu gewinnen, indem Ablieferungen auf spätere Termine verschoben werden sollen. Experten gehen mittlerweile davon aus, dass rund ein Viertel der bestellten Frachtschiffe nicht auf den Markt kommen wird, weil Kaufpreisraten nicht bezahlt, Strafzahlungen für stornierte Aufträge geleistet oder Werften insolvent werden. Denn die Schifffahrt leidet unter massiven Überkapazitäten. Ein Großteil der Neubauten wird gar nicht benötigt. Viele Schiffe verdienen zurzeit nicht einmal die Betriebskosten, geschweige denn Zins und Tilgung. Vielen neuen Schiffen droht nun direkt nach der Werftablieferung die Stilllegung. Ein großer deutscher Reeder soll bereits einen Fjord in Norwegen für stillgelegte Schiffe gemietet haben.

Aber es passiert hier auch vor unserer Haustür: Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion des Bundes hat um Genehmigung gebeten, die Geltinger Bucht mit Schiffen vollzuparken, und das schleswig-holsteinische Umweltministerium hat es am gestrigen Dienstag genehmigt.

(Zuruf des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

- Herr Kollege Astrup, ich weiß, dass die reale Entwicklung an Ihnen vorübergeht. Das war in der Vergangenheit immer schon so. Dass es bei den

(Wolfgang Kubicki)

fünf Schiffen nicht bleiben wird, können Sie einer heutigen Meldung über die Liegekapazitäten in deutschen Häfen entnehmen, die bereits vollständig erschöpft sind. Vielleicht können wir Ihnen monatsweise weiterhelfen bei der Frage, wie weitere Schiffe dort auf Reede gelegt werden.

(Zuruf des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Lassen Sie mich an dieser Stelle in Erinnerung rufen, wie der Sparkassen- und Giroverband, mit zwei Personen im Aufsichtsrat der Bank vertreten, zum Gesetzentwurf der Landesregierung Stellung bezogen hat. Er schreibt in einem Brief vom 10. März 2009 an den Finanzausschuss:

„Eine Teilnahme der schleswig-holsteinischen Sparkassen beziehungsweise unseres Verbandes an diesen Kapitalmaßnahmen ist angesichts der hiermit verbundenen Risiken“

- ich wiederhole: angesichts der hiermit verbundenen Risiken

„und der Beeinträchtigung der Risikotragfähigkeit der Sparkassen ausgeschlossen.“

Im Klartext heißt das doch: Die Sparkassen haben erhebliche Zweifel an der Tragfähigkeit des neuen Geschäftsmodells und sehen erhebliche Risiken in der Neuausrichtung.

(Zuruf des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

- Lieber Kollege Neugebauer, Sie können sich gern zu einem Wortbeitrag melden und dann auch etwas dazu sagen. Ich bitte, dass Sie einmal versuchen, einem Gedankengang zu folgen, auch wenn es Ihnen schwerfällt.

(Zuruf des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

Und weiter heißt es in dem Brief,

„dass die schleswig-holsteinischen Sparkassen ihre Aktien der HSH zu einem fairen Preis an das Land Schleswig-Holstein veräußern möchten, um die Sparkassen und die Erfüllung ihres öffentlichen Auftrages nicht weiter zu gefährden.“

Um die Erfüllung ihres öffentlichen Auftrages nicht weiter zu gefährden! Mit anderen Worten: Die Sparkassen sehen sich in der Kreditversorgung des schleswig-holsteinischen Mittelstandes massiv gefährdet, weil sie kein Wertaufholpotenzial ihres Anteils sehen, sondern offenbar einen weiteren Zuschussbedarf der Anteilseigner.

Angesichts der Lage der Weltwirtschaft und insbesondere der aktuellen Situation im Bereich der Schiffsfinanzierungen bestehen auch aus meiner Sicht erhebliche Zweifel an der Risikotragfähigkeit des Geschäftsmodells. Was das heißt, hat uns die Landesregierung ehrlicherweise auf unsere Frage bereits beantwortet. In Umdruck 16/4062 heißt es:

„Unter der zusätzlichen Stressbetrachtung reichen die geplanten Maßnahmen für 12 bis 18 Monate. Damit würde eine - seitens der Bank nicht erwartete - weitere Eigenkapitalzuführung notwendig werden.“

Wir müssen uns ehrlich und ernsthaft fragen, welche Alternativen es zu der von den Landeskabinetten Hamburg und Schleswig-Holstein vorgelegten Rettungsaktion in der Kürze der uns verbleibenden Zeit gibt. Nach langer und intensiver Beratung ist die FDP-Fraktion zu dem Schluss gekommen, dass eine Zustimmung zu dem Vorschlag der Landesregierung möglich ist, allerdings nur dann, wenn fünf für uns ganz entscheidende Sachverhalte unmissverständlich festgeschrieben werden:

Erstens. Für das Land Schleswig-Holstein dürfen keine weiteren Haftungsrisiken entstehen. Sämtliche zukünftigen Kapitalbedarfe, egal ob Eigenkapital, Garantien, Bürgschaften oder sonstige Zuführungen, die über die mit dem Gesetzentwurf gewährten 6,5 Milliarden € hinaus der HSH zur Verfügung gestellt werden müssen, sind vorrangig aus Mitteln des Bundes beziehungsweise des SoFFin zu befriedigen.

Zweitens. Das vom Land Schleswig-Holstein über die HSH Finanzfonds in die HSH Nordbank eingebrachte Kapital wird spätestens bis zum Jahr 2020 das ist das Jahr, in dem das Land Schleswig-Holstein ohne Nettoneuverschuldung auskommen soll zurückgeführt und die HSH Finanzfonds AöR rückabgewickelt. Ich halte das auch deshalb für unabdingbar, weil ich aus der Begebung der stillen Beteiligungen an der HSH Nordbank, die auch irgendwann einmal zurückgeführt werden sollten und jetzt in verlorenes Eigenkapital überführt worden sind, weiß, dass wir, wenn wir das nicht festschreiben, das Kapital nicht wiedersehen werden.

Drittens. Es wird ein Fahrplan zum Ausstieg des Landes Schleswig-Holstein aus der HSH Nordbank durch Verkauf der Landesanteile verbindlich festgelegt, und zwar nicht nur in Absichtserklärungen, die sich zurückholen lassen.

Viertens - auch das ist entscheidend -: Die Verantwortlichen für die Krise der HSH in Vorstand und

(Wolfgang Kubicki)

Aufsichtsrat werden festgestellt, die notwendigen personellen und organisatorischen Konsequenzen werden gezogen. Eine Forderung, die der Ministerpräsident bereits öffentlich erhoben hat und der wir uns nur anschließen können. Auch hier müssen den Worten Taten folgen, Herr Ministerpräsident!

(Beifall bei der FDP)

Fünftens - auch das halte ich nach den Erklärungen von Herrn Sanio und Herrn Rehm für unabdingbar -: Die Risikoanalysen und das Risikomanagement in der HSH Nordbank werden derart verbessert, dass Schieflagen mit erheblichem Verlustpotenzial künftig vermieden werden.

Eines muss ganz eindeutig klar sein: Die HSH Nordbank darf für den Landeshaushalt, für den schleswig-holsteinischen Steuerzahler und für die zukünftigen Generationen kein Fass ohne Boden sein, und es müssen sämtliche Anstrengungen unternommen werden, um diese Schieflage der Bank in Zukunft zu vermeiden. Ich bin außerordentlich dankbar - auch das hätte man erleben müssen, weil Herr Rehm dem Finanzminister mehrfach widersprochen hat - für die Erklärung des SoFFin am 19. März, die jetzige Bereitstellung der 13 Milliarden € mache einen späteren Einstieg des SoFFin möglich. Dies lässt zumindest hoffen, dass für das Fass HSH nun zumindest ein Boden sichtbar wird. Und er begrenzte das nicht auf die Frage „alte Geschäfte - neue Geschäfte“, sondern es ging um die Bereitstellung der Mittel, um die Separierung der beiden Banken. Dazu hat er erklärt: Selbstverständlich, wenn die Verluste höher ausfallen als geplant, steht der SoFFin zur Verfügung.

Es ist allerdings schon fraglich, warum das Finanzministerium und insbesondere der Finanzminister nicht in der Lage waren, eindeutig klarzustellen, dass der SoFFin in die Kapitalzuführung mit Bundesmitteln sehr wahrscheinlich einsteigen wird, und zwar nicht nur für das Neugeschäft. Denn wenn das seit November feststand, Herr Finanzminister, dann hätten wir uns in den vergangenen Wochen eine Menge Ärger ersparen können.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

So bleibt die Tatsache, dass SoFFin und BaFin am 19. März im Finanzausschuss bei den Abgeordneten in vier Stunden mehr Aufklärung geleistet haben als der Finanzminister in vier Monaten.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das ist schon erstaunlich - oder auch nicht, da augenscheinlich ist, dass dieser Finanzminister heillos überfordert ist.

Herr Finanzminister, erlauben Sie mir an dieser Stelle ein Wort, nachdem ich gestern aus einer Pressemitteilung Ihres Hauses habe vernehmen können, dass Sie den Oppositionsabgeordneten empfohlen haben, doch einmal Verfassung und Gesetze zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen, dass Zusagen, die Sie am 20. November des Jahres 2008 gegeben haben, selbstverständlich unter Parlamentsvorbehalt stehen, weil das in der Verfassung so vorgesehen ist. Ich empfehle Ihnen, nicht nur an den Wortlaut von Verfassung und Gesetz zu denken, sondern an den Geist von Verfassung und Gesetz. Das ist ein ganz zentraler Punkt. Selbst wenn ich konzediere, dass am 20. November 2008 Gefahr im Verzug bestand und es keine Alternative zu dieser Zusage gab, hätte ich erwartet und hätten alle Abgeordneten des Landtages erwarten müssen, dass Sie über diese Maßnahme spätestens ein oder zwei Tage später den Beteiligungsausschuss unterrichten, denn dafür ist er vorgesehen.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)