Protocol of the Session on February 27, 2009

Ein ehrliches Dankeschön auch für den Deich mit Fenster dort - das muss man wissen -, ein besonderes Entgegenkommen des Ministeriums den dortigen Bewohnern gegenüber, ein ehrliches Dankeschön oder gar eine Entschuldigung für das frühere Verhalten habe ich allerdings bisher aus dieser Gegend nicht vernommen. Die Erwartung, dass dies in Zukunft stattfinden wird, wird wohl auch vergebens sein.

Für die SPD hat die Verlässlichkeit im Küstenschutz weiter eine hohe Bedeutung.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Angesichts der neuen Herausforderungen durch den eintretenden Klimawandel mit zu erwartendem Anstieg des Meeresspiegels weltweit und auch vor unseren Deichen sowie dem festzustellenden Rückgang der Biodiversität auf beiden Seiten des Deiches müssen wir den Küstenschutz auch hierauf ausrichten und weiterentwickeln.

Gerade das Thema Biodiversität ist nicht nur für Schleswig-Holstein von hoher Bedeutung. Die Angaben in der Großen Anfrage weisen hier eine beeindruckende Zahl von Lebensräumen - teilweise einmalig wie das Watt an der Nordsee, wir haben gestern bereits ausführlich darüber gesprochen, oder Küstenüberflutungsmoore der Ostsee - aus. Dies verpflichtet zum entsprechenden Schutz in ganz Schleswig-Holstein.

In der Anhörung zur Umsetzung der von Berlin aus beispielhaft vorbereiteten nationalen Biodiversitätsstrategie haben uns die Naturschutzverbände deutliche Kritik mit auf den Weg gegeben. Das Ziel, den Verlust an biologischer Vielfalt bis 2010 signifikant zu reduzieren, kann über den in Schleswig-Holstein gewählten Weg, nur auf Freiwilligkeit zu setzen, meines Erachtens nicht erreicht werden.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Interessenkonflikte mit den Landnutzern müssen auch im Interesse der auf Dauer lebenswerten Umwelt und Natur in Schleswig-Holstein ausgetragen werden. Sie müssen auch ausdiskutiert werden. Sie dürfen nicht nur dort eingesetzt werden, wo sie gewollt sind, sondern über das vorhandene Ordnungsrecht auch da, wo sie sinnvoll sind. Der Prozess in der Vergangenheit zeigt - insbesondere erinnere ich hier an die Nationalparkdiskussion -, dass auch, wenn einmal etwas gegen kurzfristig gedachte Interessen der Bevölkerung durchgesetzt wird, sich dies sowohl in ökonomischer als auch in ökologischer Hinsicht langfristig für die dortige Bevölkerung, für die dortige Umwelt positiv auswirkt.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Claus Ehlers [CDU]: Das ist den Bauern zu verdanken!)

- Ja, gut, insbesondere auf dem Wattenmeer. Sonst stehen wir dem Verlust der Biodiversität hilflos gegenüber.

Küstenschutz ist längst mehr als die reine technische Durchführung von Deichneubauten und -verstärkungen. Nur durch eine nachhaltige Entwicklung haben auch zukünftige Generationen die Möglichkeit, die Küsten in der gleichen Art und Weise zu erleben und zu nutzen wie heute. Daher haben wir als SPD eine Große Anfrage zu diesem Thema an die Landesregierung gestellt. Die Antwort der Landesregierung liegt uns nun vor. Ich bedanke mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume für die hervorragende Arbeit und die so vorliegende Diskussionsgrundlage in diesem Bereich.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich freue mich, dass das Haus es genauso sieht wie ich. Fast 350.000 Menschen und fast 50 Milliarden € an Sachwerten sind durch Sturmfluten gefährdet. Anforderungen durch den Klimawandel und die Entwicklung des Landes müssen immer

(Detlef Buder)

wieder neu bewertet werden und in die Maßnahmen zum Küstenschutz einfließen.

Zu unserer Frage der künftigen Anforderungen an den Klimawandel ist festzustellen, dass die Meeresspiegelszenarien noch keine abschließende Bewertung zu den erforderlichen Küstenschutzmaßnahmen bis zum Jahr 2100 erlauben. Die diversen unterschiedlich belastbaren Szenarien verschiedener Wissenschaftler zeigen eine Schwankung des zu erwartenden Meeresspiegelanstiegs zwischen 18 cm und 1,4 m auf.

Aus meiner Sicht realistische Prognosen gehen davon aus, dass der Meeresspiegel vor unseren Küsten in diesem Jahrhundert um 30 bis 60 cm ansteigen wird, wenn das Grönlandeis nicht schneller als angenommen abschmilzt. Im Generalplan Küstenschutz von 2001 wurde ein Klimazuschlag von 50 cm für die Nordsee und die Elbe und von 30 cm für die Ostsee festgelegt. Zusammen mit den festgeschriebenen regelmäßigen Überprüfungen der Deichsicherheit etwa alle zehn Jahre ist hier aus meiner Sicht eine realistische Grundlage geschaffen, um flexibel und zeitnah auf künftige Entwicklungen und Erkenntnisse reagieren zu können.

Maßnahmen des Küstenschutzes sind auch immer ein finanzieller Kraftakt. Seit der Sturmflutkatastrophe von 1962 wurden für den Küstenschutz in Schleswig-Holstein rund 2,4 Milliarden € ausgegeben. Im Jahr 2008 waren es allein rund 50 Millionen €. Es kommt entscheidend darauf an, auch in Zukunft die vom Bund und von der EU für den Küstenschutz bereitgestellten Gelder vollständig durch das Land zu kofinanzieren und so sinnvoll und effektiv in den Küstenschutz für SchleswigHolstein einzubringen. In diesem Zusammenhang werden immer wieder die kostenintensiven Sandaufspülungen zum Beispiel vor Sylt thematisiert, und es werden Alternativen gefordert. Der Umweltausschuss hat sich lange Zeit und intensiv - teilweise auch vor Ort in Dänemark - über Alternativen zu Sandaufspülungen informiert. Für mich bleibt festzuhalten, dass nach dem derzeitigen Kenntnisstand keine wirksamen Techniken und Maßnahmen ersichtlich sind, die Sandaufspülungen ersetzen oder wirksam ergänzen können.

Wichtige Themen im Küstenschutz sind die nationale und die internationale Abstimmung und Zusammenarbeit, die fortgesetzt und intensiviert werden müssen. Moderne Ansätze wie das Integrierte Küstenzonenmanagement (IKZM) sind weiterzuentwickeln. Küstenschutz ist eine ständige und existenzielle Aufgabe aller Anrainerstaaten der Nordund Ostsee. In diesem Zusammenhang begrüße ich

es, dass die Bundesregierung aktuell durch verschiedene Maßnahmen intensiv die Umsetzung eines Integrierten Küstenzonenmanagements entsprechend der nationalen IKZM-Strategie fördern will.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Entscheidend sind dabei die Freiwilligkeit des IKZM-Prozesses und die Nutzung als unbürokratisches Instrument zur Konfliktlösung. Eine bessere sektorübergreifende Integration, Kommunikation und Partizipation sowie eine abgestimmte Koordination von Maßnahmen können dazu beitragen, den Küstenbereich als ökologisch intakten und wirtschaftlich prosperierenden Lebensraum zu entwickeln. Küstenschutz und Tourismus schließen sich nicht aus, sondern bedingen sich gegenseitig.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Das wird insbesondere von den Küstenbewohnern anerkannt. All denjenigen, die im Binnenland wohnen, kann ich nur empfehlen, die schleswig-holsteinischen Küsten auch einmal im Urlaub zu besuchen. Die Neuorganisation im Bereich des Umweltund Landwirtschaftsministeriums mit dem neuen Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz bietet angesichts der finanziellen Lage des Landes die Garantie, trotz der erforderlichen Personalanpassung weiter effektiven Küstenschutz für die Menschen und für die Natur in SchleswigHolstein zu leisten. Der Küstenschutz ist in all seinen Facetten nicht nur Aufgabe der Landesregierung. Er betrifft auch die Kreise, die Wasser- und Bootsverbände, die Schäfer und viele andere mehr. Der Kollege Ehlers ist nicht hier.

Herr Abgeordneter, kommen Sie trotzdem zum letzten Satz?

- Ja, ich komme zu meinem vorletzten Satz, Frau Präsidentin. - Ich freue mich, dass uns vom Ministerium ein Bericht gegeben wurde, den wir intensiv und ausführlich diskutieren können. Ich freue mich auf die Diskussion. Bei der Präsidentin bedanke ich mich für ihre Nachsicht.

(Beifall bei der SPD)

Ich bedanke mich bei Herrn Abgeordneten Buder. Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Jürgen Feddersen das Wort.

(Detlef Buder)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dem Landtag liegt heute die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage „Bilanz und Zukunft des Küstenschutzes in Schleswig-Holstein an Nordund Ostsee“ vor. Ich mag mich täuschen, aber ich glaube, wir haben das Thema Küstenschutz in den vergangenen Legislaturperioden schon häufiger behandelt. Das muss aber nicht bedeuten, dass nichts passiert sei. Ich glaube, es ist eine ganze Menge passiert.

(Beifall bei der CDU)

Ein besonderer Dank gilt dem zuständigen Ministerium, unserem zuständigen Minister Dr. Christian von Boetticher und natürlich den Mitarbeitern, die ich schon seit sehr vielen Jahren kenne. Das ist ein guter Bericht, der uns nun vorliegt. Er ist mit einer Fülle von Daten und Fakten gespickt. Damit ist er als Grundlage bestens geeignet.

(Beifall bei der CDU)

Küstenschutz ist eine Jahrhundertaufgabe. Deshalb dürfen wir nicht in kleinen Zeiträumen denken. Dazu dient aber der Generalplan Küstenschutz, der laufend fortgeschrieben wird. Als einziges Bundesland liegt Schleswig-Holstein zwischen den Meeren. Deshalb ist der Küstenschutz für uns ganz besonders wichtig, und zwar nicht nur an der Nordseeküsten, sondern auch an der Ostseeküste. - Ich hätte eigentlich gedacht, dass die Abgeordneten von der Ostseeküste nun klatschen, weil die Ostseeküste häufig vergessen wird.

Die Gesamtlänge unserer Küste beträgt 1.190 km. Damit ist sie länger als die Entfernung zwischen Flensburg und Salzburg. Die Gesamtlänge der Deiche an der Nordseeküste ist mit 408 km mehr als dreimal so lang wie an der Ostseeküste. Alle Deiche dienen dem Schutz von überflutungsgefährdeten Niederungen, die knapp ein Viertel unseres Bundeslandes ausmachen. Daher ist der Küstenschutz für viele Menschen in Schleswig-Holstein überlebenswichtig. Genau aus diesem Grund hat auch die CDU in der Vergangenheit dem Küstenschutz im Zweifel immer den Vorrang vor allen anderen Interessen eingeräumt. Der Herr Minister hat dies ausgeführt.

Dass dieser Schutz nicht zum Nulltarif zu haben ist, dürfte jedem klar sein. Im vergangenen Jahr wurden rund 50 Millionen € in den Küstenschutz investiert. Mitte des vergangenen Jahres ist es der Großen Koalition in Berlin gelungen, ein Sonderprogramm für den Küstenschutz durchzusetzen.

Auch das ist schon angeklungen. Bis zum Jahr 2024 werden insgesamt 380 Millionen € an Bundesmitteln zusätzlich für den Küstenschutz bereitgestellt. Für Schleswig-Holstein bedeutet dies eine gewaltige Summe von 5 bis 8 Millionen € pro Jahr. Das ist eine ganze Menge an Geld, die wir für den Küstenschutz zusätzlich zur Verfügung haben.

Ich will gar nicht näher auf Zahlen eingehen. In der Antwort auf Frage 10 werden detailliert die Deiche aufgeführt, die in der Zukunft verstärkt werden müssen. Der Umfang dieser Maßnahmen beläuft sich bis zum Jahr 2015 nur an der Nordseeküste auf 142 Millionen €. Für weitere Maßnahmen sind noch einmal 153 Millionen € vorgesehen. Es wird also die schwindelerregend hohe Summe von 295 Millionen € investiert werden müssen.

Bei dem Thema Deichrückbaumaßnahmen bekomme ich immer eine Gänsehaut. Ich kann nur allen raten: Hände weg vom Rückdeichen. Damit werden nur Ängste in der Bevölkerung geschürt. Ich denke, wir sollten die Finger davon lassen.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Ein weiteres Thema ist die zweite Deichlinie. Darüber haben wir heute noch gar nicht gesprochen. Die zweite Deichlinie wurde in den 70er- und in den 80er-Jahren abgetragen. Die Kleinmengen der Mitteldeiche wurden für die Deichverstärkung verwandt. Ich meine, das war ein gravierender Fehler, der damals gemacht wurde. Für die Insel Pellworm bedeutet ein Bruch des Deichs im Westen, dass die Insel Pellworm in kürzester Zeit volllaufen würde. Die Menschen würden ertrinken. Wir brauchen die zweite Deichlinie wieder, aber auch hier denkt das Ministerium schon weiter. Ich denke, hier können wir in den nächsten Jahren erfolgreich sein.

Weil das so ist, ist es für die Inseln an der Westküste - und insbesondere für Pellworm - wichtig, für den Katastrophenfall einen Plan zu haben. Man kann die Menschen in den Häusern nicht einfach losschicken. Sie würden nicht dort ankommen, wo sie eigentlich hin sollen. Aber auch hier bekommen wir Hilfe von der Landesregierung.

Ein wichtiges Thema für die Westküste ist der flächenhafte Küstenschutz. Die Deiche müssen nicht nur hoch genug sein, vielmehr muss der Deich auch bei stürmischer See den auflaufenden Wellen genügen. Das heißt, jeder Deich ist nur so wehrhaft, wie es auch sein Vorland ist. Deshalb müssen wir unser Augenmerk wieder auf das Vorland lenken. Wir sollten auch darüber nachdenken, ob wir die Vor

landbeweidung nicht wieder für einen begrenzten Zeitraum zulassen.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das mit Küstenschutz zu tun? - Gar nichts!)

Wir müssen auch in Zukunft genügend finanzielle Mittel für die Unterhaltung zur Verfügung stellen, damit die so wertvollen Lahnungsarbeiten verstärkt und weitergeführt werden können. Auch müssen wir einmal darüber nachdenken - das haben wir schon mal in Berlin diskutiert -, ob man für eine gewisse Zeit nicht die Ausgleichsmaßnahmen aussetzen kann, damit wir mehr Mittel für den Küstenschutz zur Verfügung haben.

Zusätzlich zum Küstenschutz durch Deichbau hält die Landesregierung - nach meiner Überzeugung gibt es dazu keine Alternative, das ist hier auch schon angeklungen - an den Sandvorspülungen auf den Geestinseln fest. Ich bin dem Ministerpräsidenten dankbar, dass er damals auch Sylt die 14 Millionen € zugesagt hat. Die waren auch dringend erforderlich, um die Maßnahmen endlich zu Ende zu bringen, die schon lange geplant waren.

Der Umwelt- und Agrarausschuss war Ende 2005 in Dänemark und hat sich dort über alternative Küstenschutzmöglichkeiten informiert. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Den Stein der Weisen haben wir auch dort nicht gefunden. Auch zu den Sandvorspülungen gibt es zurzeit keine Alternative.

Untrennbar verbunden mit dem Küstenschutz - jetzt muss ich langsam auf die Zeit achten - ist in wenigen Jahren auch der Klimawandel und verbunden damit ein einhergehender Meeresspiegelanstieg. Trotz verschiedener schwer zu kalkulierender Unsicherheiten geht auch die Landesregierung von einem Meeresspiegelanstieg bis 2100 von 18 bis 59 cm aus. Das ist eine Annahme, darüber kann man spekulieren, und darüber muss man auch diskutieren.

Als tourismuspolitischer Sprecher meiner Fraktion habe ich natürlich diesen Fragenkomplex insbesondere gelesen. Mit dem Nationalpark SchleswigHolsteinisches Wattenmeer und - wenn alles gut geht, wie wir es gestern diskutiert haben - mit dem Titel „Weltnaturerbe“ verfügen wir ab Mitte dieses Jahres über zwei wertvolle touristische Etiketten. Dies zeichnet unser Land aus und bedeutet gute Aspekte für den Tourismus in Schleswig-Holstein.

(Beifall bei CDU und SSW)