Protocol of the Session on February 27, 2009

Ja, danke.

Noch eine Bemerkung und ich entziehe Ihnen das Wort.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das kann er!)

Bitte fahren Sie fort!

- Ach so. - Der Angriff auf die Frau Ministerin Trauernicht, die mit blindem Eifer als Atomenergiefeindin die Sicherheitstechnik instrumentalisiert, um möglichst lange Stillstände unserer Atomkraftwerke zu verursachen - das war das Bild, das in der Presse suggeriert wurde und warum die beiden Minister nun aufbrechen wollten. Das war auch Anlass für uns, uns darüber im Hohen Haus berichten zu lassen.

Das Bild jetzt: Jetzt kommen zwei Rettungsritter aus der Christpartei angeritten, sprengen das Tor auf und befreien die arme terrorisierte Industrie aus dem Zwangskäfig der Reaktorsicherheitsabteilung des Sozialministeriums.

(Beifall des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Dieser Bericht, den wir zur Kenntnis genommen haben, kommt vergleichsweise kleinlaut daher. Es heißt, eine Verzögerungstaktik wurde auch aus Sicht der Industrie nicht unterstellt, sondern vielmehr verneint.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das wissen wir doch alles schon aus dem Sozialausschuss!)

Herr Minister, es sind tatsächlich große technische Schwierigkeiten, die so große Stillstandszeiten erfordern. Das haben Sie hoffentlich durch Ihren Besuch gelernt, dann hatte der doch vielleicht sein Gutes.

Dass die Atomindustrie diese technischen Dinge freiwillig in vorauseilendem Gehorsam umsetzt und keineswegs die Intention hat, möglichst lange Stillstandszeiten zu verursachen, zeigte sich ganz deutlich bei der Frage der Audioüberwachung. Von einer Videoüberwachung wollen wir gar nicht erst reden. Das, was wir in jedem Flugzeug vorne drin haben, nämlich die Blackbox, die die Gespräche aufnimmt, die Sicherheitsüberwachung, das musste der Industrie sozusagen per Verfügung auferlegt werden. Das hat mich verwundert.

Es ist dann durch die Ereignisse in Krümmel mit dem Trafobrand und in Brunsbüttel mit dem Stillstand durch Rotation im Generator erst deutlich geworden. Die Kraftwerke stehen bis heute still. Da ist für uns Laien überhaupt erst offenbar geworden, dass weder eine Videoüberwachung noch eine

Audioüberwachung in diesem sicherheitstechnisch hochrelevanten Bereich, nämlich der Leitwarte der Atomkraftwerke, überhaupt vorhanden war. Herr Minister, daran mögen Sie ablesen, dass die Atomindustrie dies keineswegs freiwillig und im vorauseilenden Gehorsam macht.

Jetzt komme ich zu einem anderen Thema: die Renaissance der Atomenergie. Darüber haben wir gestern schon geredet. In diesem Fall wird der Minister nicht müde, immer wieder die Verlängerung der Laufzeiten zu fordern. CDU-Verbände fordern sogar den Neubau von Atomkraftwerken. Interessant ist der Hilferuf des französischen Atomkonzerns Areva nach Investitionen, der mit Siemens zusammen den neuen Druckwasserreaktor in Finnland baut. Wir reden in der letzten Zeit viel über Milliarden, da verlieren sich ein bisschen die Relationen. Wenn aber bei einem Projekt heute schon 1,5 Milliarden € versenkt worden sind, bei einem Projekt -

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Was hat das mit dem Thema zu tun? - Weitere Zurufe von CDU und FDP)

- Wir reden im Moment über das Thema Sicherheit von Atomkraftwerken.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Nein, wir reden über das Gespräch mit Vattenfall! - Weitere Zurufe)

- Ja und dabei ging es um das Thema Sicherheit von Atomkraftwerken. Lesen Sie den Bericht noch einmal, Herr Kubicki, bevor Sie hier so überschlau dazwischenreden!

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ich habe ihn ver- standen!)

Areva beantragt staatliche Hilfen. Lesen Sie einmal die Bilanzen von Siemens oder der Landesbank Bayern, die dort in Finnland bei dem Neubau von Atomkraftwerken Geld ohne Ende versenken! Das ist nur eine Bilanz. Es gibt weltweit kein Atomkraftprojekt, das ohne staatliche Hilfe funktionieren würde. Das ist die wirtschaftliche Wahrheit der Atomindustrie.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Kubicki [FDP]: Die Finnen sind noch nicht pleite, das waren die Isländer!)

Das Wort für die Fraktion der CDU hat Herr Abgeordneter Jens Magnussen.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Matthiessen, ich hatte zu diesem Tagesordnungspunkt vieles erwartet, aber Ihre Rede hat meine Erwartungen bei Weitem übertroffen. Das muss ich ganz ehrlich sagen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Übertroffen? Sind Sie genügsam, mein Gott!)

Nachdem die Aufarbeitung des Ministerbesuchs vom 24. November 2008 bereits zweimal von der Tagesordnung genommen worden ist, haben wir heute nun doch noch einmal die Gelegenheit, den Antrag der Grünen zum Thema Kernenergie zu debattieren. Endlich ist es so weit.

Seit Mitte 2007 stehen die Räder in den beiden Kernkraftwerken still. Was haben wir uns hier im Plenum mit den beiden Schadensfällen intensiv auseinandergesetzt, über Ursachen, Gefahrenpotenzial und den mangelnden Informationsfluss gesprochen. Jeder Störfall in einem Kernkraftwerk - und sei er noch so gering und auf der Bewertungsskala der INES mit null hinterlegt - wird leider die politische Stimmung anheizen, auch wenn unsere 17 Kernkraftwerke zu den sichersten in der Welt gehören.

Die Kernkraftwerke stehen nach den Störfällen still. Diese langen Laufzeiten der Reparaturarbeiten an beiden Kraftwerken bis zum Wiederanfahren sind schon gewöhnungsbedürftig. Deshalb war es dringend notwendig, dass unser Wirtschaftsminister Werner Marnette das Gespräch mit Vattenfall suchte.

(Beifall bei der CDU)

Es ging um die Frage, wann endlich die beiden Kernkraftwerke wieder ans Netz gehen, es ging um das Problem des Ausfalls der Steuereinnahmen für unser Land, und es ging um das Problem, dass solche langen Abschaltzeiten nicht gerade als vertrauensbildende Maßnahmen für Kernkraftwerke gelten können.

Mit den Stillständen verlängern sich die Laufzeiten in Brunsbüttel um fast zwei Jahre bis zum Jahr 2012, in Krümmel bis zum Jahr 2019. Die Reststrommengen sind gesichert. Das hat also mit den Stillständen nichts zu tun. Vielleicht gibt es ja in naher Zukunft auch die Verlängerung der Laufzeiten. Ich persönlich hege zumindest die Hoffnung, insbesondere vor dem Hintergrund des steigenden Energiebedarfs - trotz klimarelevanter Technologien wie Wärmepumpen und Elektroautos - und zu

(Detlef Matthiessen)

nehmender technischer Ausstattungen in den Haushalten.

Es ist nachvollziehbar, dass technische Verbesserungen in einem Kraftwerk, auch zur Überprüfung der gleichen Technik, zur Verbesserung in einem anderen Kraftwerk führen und damit parallele Prüfungen und Sanierungen erfolgen. Es muss auch berücksichtigt werden, dass die Prüfungen und der Sanierungsumfang einmal ohne Bezug auf die Störfälle und dann natürlich auch mit Bezug auf die Störfalle erfolgen. Das alles erfordert lange Stillstände, aber auch detaillierte Begründungen.

Dem Betreiber möchte ich auf diesem Weg noch einmal ausdrücklich für die offene und transparente Informationspolitik danken.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Na ja!)

Dies gilt auch für die konstruktive Aufarbeitung da sollten Sie jetzt zuhören, Herr Garg - des Themas Audioüberwachung mit der Vorlage von Gutachten, die seitens Vattenfall am 1. September 2008 dem Ministerium vorgelegt worden sind und die sich unter anderem auch mit dem Schutz der Mitarbeiter befassen.

Es laufen immer noch erhebliche Genehmigungsund Prüfverfahren, unter anderem auch durch die Obere Bauaufsichtsbehörde des Landes, die nunmehr zwischen den Beteiligten vor Ort inhaltlich ausgewogen erörtert und zielgerichtet abgearbeitet werden. Die Verfahren offenbaren aber auch ein ausgiebiges Beziehungsgeflecht zwischen den Genehmigungsbehörden und den Prüfinstituten.

Bis heute wurde kein Antrag auf Wiederanfahren gestellt. Und wo es keinen Antrag gibt, kann es auch keine Zustimmung geben. Die Zustimmung gibt es auch nur dann, wenn alle anfahrrelevanten Probleme gelöst sind. Das ist für alle hier im Hohen Haus und für den Betreiber selbstverständlich.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Denn Sicherheit ist auch das oberste Gebot.

Herr Minister, bei Ihnen möchte ich mich ausdrücklich für die konstruktiv-kritische und Erkenntnis bringende Gesprächsführung anlässlich des Gesprächs am 24. November 2008 in Brunsbüttel bedanken.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Matthiessen, reflektierend auf Ihre Energiebeiträge in diesem Hohen Haus musste ich mit Verwunderung feststellen, dass Ihre Kollegen im Dithmarscher Kreistag sich für weniger Wind

kraft ausgesprochen haben. Sie haben jedoch jüngst ihre Anforderungen relativiert, indem sie, die besagten WKA-Gegner, gefordert haben, für die Sanierung des Kreishaushaltes eigene Windkraftanlagen aufzustellen. Erkenne ich hier Neid gegenüber privaten Investoren? Ich meine dennoch, das ist ein löblicher Ansatz - wenn der Betrieb derartiger Energieerzeugungsanlagen zu den Kernaufgaben einer Kreisverwaltung gehören sollte.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, in welche Richtung und mit welchem Antrieb laufen wir nun? Ich halte das für einen „grünen Kurzschluss“. Ich wünsche mir ein allumfassendes norddeutsches Energiekonzept unter Einbeziehung aller Energiequellen,

(Beifall bei der CDU)

und das federführend durch unseren Wirtschaftsminister Dr. Werner Marnette in enger Abstimmung mit seinen norddeutschen Kollegen.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion der SPD erteile ich Herrn Abgeordneten Olaf Schulze das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir dürfen heute dank eines Antrags der Grünen über die Ergebnisse von Gesprächen seitens der Landesregierung und des Vorstands des Vattenfall-Konzerns zu den Ursachen für die langen Stillstände der Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel sprechen. Statt des ursprünglich beantragten mündlichen Berichts liegt uns nun ein schriftlicher Bericht vor, den wir in der letzten Tagung nicht behandeln konnten.

Der Bericht ist voll des Lobes für die Betreiber der Atomkraftwerke. Ich zitiere: