Protocol of the Session on February 26, 2009

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

(Zuruf des Abgeordneten Jürgen Weber [SPD])

- Sowieso würde ich nicht sagen, Herr Kollege Weber.

Er hatte gesagt, der Entwurf schränke nach Auffassung der SPD-Fraktion die verfassungsrechtlich vorgegebene Entwicklungsgarantie und Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in unzulässiger Weise ein. Dies gelte insbesondere für die Internetauftritte. - Das war jetzt indirekte Rede, insofern benötige ich an der Stelle die Aufmerksamkeit und Genehmigung der Präsidentin gar nicht.

Ich denke, Herr Kollege Eichstädt, das dürfte sich weitgehend erledigt haben. Denn nicht nur der Wissenschaftliche Dienst unseres Landtages hat Ende November 2008 bestätigt, dass die materiellrechtlichen Bestimmungen dieses Vertrages für den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, insbesondere im Bereich der Telemedien, verfassungsgemäß sind. Überdies sind die Leitlinien der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung vom September 2007 in der Tradition bisheriger Urteile zukunfts- und sachgerecht nachgezeichnet worden. Selbst Brüssel - der Herr Ministerpräsident hat darauf hingewiesen - hat an diesem Entwurf jetzt nichts mehr auszusetzen. Dies hat die Generaldirektion Wettbewerb der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei - diese dürfte auch aus sozialdemokratischer Sicht weitestgehend unverdächtig sein - Ende November 2008 schriftlich bestätigt.

Über die Konkretisierung der Beauftragung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für Rundfunk und Telemedien, die Vorgaben für kommerzielle Tätigkeiten und Beteiligungen sowie deren Kontrolle hinaus, wird mit dem vorliegenden Vertrag eine Medienordnung geschaffen, die sogar schon ganz konkrete Vorgaben der Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste beinhaltet, obwohl diese eigentlich erst Ende 2009 in deutsches Recht umzusetzen ist.

Besonders augenscheinlich wird dies anhand des neuen Rundfunkbegriffs, Rundfunk als linearer Informations- und Kommunikationsdienst, der zur Verbreitung von Angeboten geeignet ist, oder durch den Begriff der „Angebote“, der die alten „Darbietungen“ ersetzt.

Es ist insgesamt gelungen, einen gerechten und ausgewogenen Ausgleich zwischen den Kompetenzen und Bedürfnissen der verschiedenen Mediengattungen wie Presse, Rundfunk und Internet untereinander zu schaffen. Von einem Verdrängungswettbewerb zulasten der freien Presse kann

hier keine Rede sein. Die Beauftragung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bringt zwangsläufig eine stärkere publizistische Konkurrenz mit sich. Die Rundfunkfreiheit beinhaltet aber gerade eine Vielfalt der Meinungen, die durch unsere Verfassung ausdrücklich gewollt ist. Dass private Anbieter weniger Aufmerksamkeit erhalten als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten ist auch nicht zu befürchten, schaut man sich einmal die Abrufe des Marktführers „Spiegel Online“ an. Abgesichert wird der Ausgleich unter den verschiedenen Mediengattungen untereinander und insbesondere zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk unter anderem durch so genannte Negativlisten für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sowie durch den viel zitierten und vom Ministerpräsidenten schon angesprochenen Dreistufentest zur Konkretisierung des öffentlich-rechtlichen Auftrages.

Insgesamt halten wir den Entwurf zum Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrag für ausgewogen. Allen Beteiligten sind in jedem Verfahrensstadium umfassend Beteiligungsrechte eingeräumt worden, und wir werden jetzt in den noch anschließenden Beratungen in dem besprochenen Sinne weiter miteinander diskutieren.

Ich möchte Sie schon jetzt ausdrücklich ermutigen, diesem sorgfältig abgestimmten Gesetzentwurf zuzustimmen und ihn anschließend in der Medienpraxis mit Leben zu erfüllen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich danke dem Fraktionsvorsitzenden der CDU, Herrn Abgeordneten Dr. Wadephul, und erteile für die SPD-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Peter Eichstädt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Wadephul hat schon angedeutet, dass meine Beurteilung dieses Staatsvertrages nicht ganz so euphorisch ausfällt wie die eben vorgetragene. Ich bin durchaus etwas näher bei den kritischen und zum Teil durchaus ausgewogenen Worten, die der Ministerpräsident gefunden hat.

Ich glaube, kaum ein Staatsvertrag, der sich mit der Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beschäftigt, ist so wegweisend und so einschneidend wie dieser, den wir heute beraten. Nicht ohne Grund hat die Diskussion um den Vertrag und seine

(Dr. Johann Wadephul)

Folgen in der medienpolitischen Landschaft hohe Wellen geschlagen: Die kommerziellen Medienunternehmen haben immer weitere Restriktionen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gefordert, gleichzeitig fürchten ARD und ZDF um ihre Unabhängigkeit und ihre Zukunftsfähigkeit als Garanten für ein vielfältiges kulturelles, bildungsrelevantes und unterhaltendes Programm.

Auslöser für den aktuellen Änderungsbedarf war das ist richtig dargestellt worden, Herr Ministerpräsident - das so genannte Beihilfeverfahren der EUKommission. Der aus den Verhandlungen zwischen Deutschland und der EU erfolgte Beihilfekompromiss ist dann - das ist richtig - Grundlage für den Staatsvertrag. Es muss allerdings auch gesagt werden, dass dieser eben weit über das in dem Kompromiss Geforderte hinausgeht.

(Beifall der Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Anke Spoorendonk [SSW])

Das ist am Beispiel des Internet-Auftrittes - ein Kernpunkt dieses Staatsvertrages beschäftigt sich mit diesem Thema - der öffentlich-rechtlichen Sender gut darstellbar: Vom Grundsatz her ist es durchaus in Ordnung, dass die Online-Aktivitäten der öffentlich-rechtlichen Anstalten geregelt werden und dabei die Interessen der privaten Anbieter, auch der Printmedien, gewahrt bleiben. Der Staatsvertrag regelt detailliert, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Internet darf und was er nicht darf. Da bereits heute mehr Jugendliche einen Computer als einen Fernseher im Zimmer haben, ist es naheliegend, dass es um massive Interessen der öffentlichen-rechtlichen Anbieter und der privaten Sender und Verlage geht.

So dürfen nach dem Vertrag die öffentlich-rechtlichen Sender künftig nur noch sendungsbezogene Angebote - und diese auch nur sieben Tage - in das Internet einstellen, Bundesliga- und andere Spitzensportereignisse sogar nur 24 Stunden.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist doch ir- re!)

- Ja, ich bin völlig überrascht, dass wir in diesem Punkt einer Meinung sind, Herr Kubicki. Für diese 7-Tage-Regelung gibt es jedenfalls keine inhaltliche Begründung.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD sowie Bei- fall der Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Anke Spoorendonk [SSW])

Ratgeberportale sind nach diesem Staatsvertrag ebenso verboten wie Veranstaltungskalender, wenn sie keinen direkten Sendungsbezug haben eine unverständliche Beschränkung gerade für die Landesprogramme. Und was das Verbot des Angebotes der „presseähnlichen Produkte“ eigentlich in der Praxis der Online-Präsenz der Sender bedeutet, das - da bin ich sicher - wird sich erst in einem oder in mehreren Rechtsstreiten zwischen Verlagen und Sendern entscheiden. Ich habe jedenfalls niemanden gefunden, der den Begriff „presseähnliche Produkte“ rechtssicher definieren kann.

(Zuruf: So ist es!)

Es ist zwar zu begrüßen, dass das ursprünglich geplante Verbot, Unterhaltungssendungen ins Internet zu stellen, wieder aufgehoben wurde. Dies sichert die Möglichkeit, auch Kinder und Jugendliche über eine Vernetzung von Information und Unterhaltung zu erreichen. Gleichzeitig sollen jetzt jedoch alle bestehenden Telemedienangebote der öffentlichrechtlichen Sender bis 2010 einem sogenannten Dreistufentest unterzogen werden, wie er bisher nur für digitale Zusatzprogramme vorgesehen war wohlgemerkt: auch die bereits vorhandenen Angebote. Das bedeutet nicht nur einen gewaltigen finanziellen Aufwand - das könnte man medienpolitisch vielleicht noch akzeptieren -, sondern auch, dass der gesellschaftliche Mehrwert überprüft werden soll. Was das bei bestehenden Angeboten bedeutet und wie das funktionieren soll - was immer das ist, ein gesellschaftlicher Mehrwert -, erschließt sich nur wenigen.

Insgesamt geht auch der Dreistufentest über die Vorgaben der Europäischen Kommission hinaus. Es hätte denen genügt, wenn die Sendeanstalten ein Konzept für ihre Telemedien vorlegen, das sehr differenziert damit umgeht und nicht die vorhin genannten starren Kriterien enthält.

Ausdrücklich begrüßen wir - das ist klar; das war eine unserer wesentlichen Forderungen und Wünsche -, dass der Vertrag auf Initiative der SPDFraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag erstmalig eine Regelung zur Barrierefreiheit im Fernsehen aufgenommen hat.

(Beifall bei der SPD sowie der Abgeordneten Heike Franzen [CDU] und Torsten Geerdts [CDU])

Hier gibt es erheblichen Nachholbedarf für eine gleichberechtigte Teilhabe von hör- und sehbeeinträchtigten Menschen am Fernsehangebot. Der Ministerpräsident hat das schon gewürdigt. Da will ich meinen ausdrücklichen Dank sagen, Herr Minister

(Peter Eichstädt)

präsident, dafür, dass Sie sich persönlich so dafür eingesetzt haben.

(Beifall bei SPD und CDU)

Meine Damen und Herren, ich kürze ein bisschen ab, weil meine Uhr hier irgendwie falsch läuft.

(Heiterkeit - Zurufe)

Ich finde, wir haben in der Bundesrepublik allen Grund, auf unser duales Rundfunksystem stolz zu sein. Viele Länder der Welt beneiden uns um die Qualität der Angebote, die Unabhängigkeit der Sendeanstalten. Wir haben allen Grund, gerade diese Unabhängigkeit - auch vor der Politik und damit vor uns selbst - zu verteidigen. Dazu gehört auch, dass wir unser Interesse für all das, was mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem geschieht, schärfen, auch in diesem Haus. Veränderungen sollten wir nicht Europabürokraten und Juristen auf der Arbeitsebene in den Staatskanzleien überlassen.

(Günter Neugebauer [SPD]: Sehr gut!)

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk gehört den Menschen in diesem Land. Sie haben einen Anspruch darauf, dass er gegen Veränderungen, die seine Unabhängigkeit und seine Entwicklungschancen bedrohen, verteidigt wird. Dieser Grundsatz sollte die Beratungen im Fachausschuss leiten.

(Beifall bei SPD, SSW und vereinzelt bei der CDU)

Ich danke dem Herrn Kollegen Eichstädt, und noch einmal stelle ich fest, dass die Uhr wirklich unbestechlich ist.

Bevor ich ein weiteres Mal das Wort erteile, möchte ich mit Ihnen zusammen auf der Tribüne die Bürgermeisterin der Gemeinde Glücksburg sehr herzlich begrüßen. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Das Wort für die FDP-Fraktion erhält jetzt der Fraktionsvorsitzende, Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki.

Frau Präsidentin! Liebe Kollegin und Kollegen! Es ist zutreffend: Die Uhr ist unbestechlich, nicht aber diejenigen, die sie bedienen.

(Heiterkeit)

Das können nur die so genau wissen, die es auch tun.

Frau Präsidentin, das war eine Charmeoffensive von mir.

(Heiterkeit - Zuruf: Voll daneben!)

- Na ja. - Kaum liegt er vor, der Zwölfte Rundfunkänderungsstaatsvertrag, können wir uns bereits Gedanken machen, wie dieser Staatsvertrag wieder geändert werden müsste, denn das, was der Staatsvertrag ab Mai 2009 verbindlich an Online-Aktivitäten der Sender und online im Digitalbereich regeln soll, ist allenfalls ein Kompromiss. Er musste beim jeweiligen Stand der Diskussion angesichts der dynamischen Entwicklung im Medienbereich, vor allem aber der Nutzung der Internetportale, vielleicht sogar ein Kompromiss bleiben.

Heute ist es für immer mehr Menschen geradezu eine Selbstverständlichkeit, sich zu jeder Zeit und an jedem Ort souverän mit den neuesten Nachrichten und wichtigsten Informationen versorgen zu können. Viele von uns wissen: Man kann das Handy benutzen, um die Bundesliga-Ergebnisse zu bekommen. Ich kann mein iPhone - ich will jetzt keine Werbung machen - auch benutzen, um ganze Fernsehprogramme abspielen zu lassen.