(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darum haben Sie auch so ge- lacht, als mein Kollege geredet hat? Das ist Ihr Ernst?)
Ich sage es noch einmal: Sie sind nicht dran. Wir haben auch die Möglichkeit der Ordnungsrufe! Ich bitte Sie!
Herr Kollege Matthiessen, ich will Ihnen einmal etwas sagen: Wenn wir eine der größten Wirtschaftskrisen der Welt haben und sich der Fraktionsvorsitzende der Grünen hier hinstellt und sagt, wir bauen ein paar Windräder und dann ist die Sache erledigt, dann können Sie froh sein, wenn ich darüber nur lache. Im Grunde muss man empört sein. Das sind schlicht untaugliche Mittel, diese Krise zu beherrschen.
Damit will ich ausdrücklich sagen, dass natürlich nicht jedes der Mittel, das ergriffen wird, ordnungspolitisch richtig ist.
Nicht mit allem ist man einverstanden. Wir sind in einer Großen Koalition. Das eine Mittel finden die
Sozialdemokraten besser, das andere finden Christdemokraten besser, und manch ein Kompromiss wird gemacht. Ich halte aber auch fest: Glaubwürdigkeit in der Politik heißt auch, dass man das, was man hier sagt, auch politisch durchhält. Und es ist in einem Zwischenruf gerade schon gesagt worden: Die Grünen waren die ersten, die gesagt haben: Wir verhelfen dem im Bundesrat zu einer Mehrheit. Wie glaubwürdig ist eigentlich eine grüne Partei, wenn sie so tut, als wenn sie dagegen sei und dann dem Paket zu einer Mehrheit verhilft?
Und im Grunde an der Stelle nur - es ist durch die Rede von Herrn Kollegen Hentschel deutlich geworden - deswegen, weil man der FDP die Chance nehmen wollte, darauf Einfluss zu nehmen. Das ist reine Parteipolitik.
Das ist reine Parteipolitik! - Ich sage gleich etwas zum Punkt Steuerreform; ich komme gleich zu der Frage. Das ist doch keine inhaltliche Begründung an der Stelle gewesen!
Ich will Ihnen auch zur CO2-Steuer sagen: Es ist jetzt immerhin ein Einstieg gelungen, eine CO2Besteuerung von Kraftfahrzeugen zu erreichen.
(Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Aber nicht durch Sie! - Weitere Zuru- fe von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Das ist doch jetzt geschehen, das wird doch jetzt bei der Kfz-Steuer kommen, und das hätten Sie in Ihrer Zeit in der rot-grünen Regierung schon lange machen können.
Es ist nicht meine Aufgabe, die Freien Demokraten hier zu verteidigen, das wird der Kollege Garg gleich tun, der zu diesem Punkt redet. Wenn Sie jetzt schimpfen und sich jetzt beklagen, dass es Heuschrecken in Deutschland gibt: Wer hat denn überhaupt die Hedge-Fonds in Deutschland rechtlich ermöglicht? - Das war doch Rot-Grün, die das alles ermöglicht haben!
Und wenn wir miteinander über Steuern reden: Die größte Steuerreform, die Rot-Grün gemacht hat, hat zu erheblichen Milliardenausfällen bei der Körperschaftsteuer geführt.
Deswegen will ich Ihnen zum Thema Steuerreform in der Tat Folgendes sagen: Wir sind der Auffassung - ein Konzept liegt dazu vor -, dass wir eine Steuerreform brauchen, die in der Tat einfacher und gerechter ist und zu niedrigeren Steuern führt. Aber natürlich muss sie finanzpolitisch verantwortbar sein. Wir werden uns nach der Bundestagswahl in aller Ruhe angucken, wann das finanzpolitisch umsetzbar ist.
Bis auf einen Punkt bin ich absolut einer Auffassung mit dem Finanzminister des Landes Schleswig-Holstein, und das hat auch die ganzen finanzpolitischen Diskussionen der vergangenen Jahre hier im Haus geprägt. Das waren unsere Anstrengungen hier im Land, und die müssen wir auch auf Bundesebene weiterhin unternehmen. So viel wir jetzt auch an Kapital einsetzen - und es ist in der Tat notwendig, jetzt eine ordentliche Schippe draufzupacken; das ist richtig und notwendig -, dürfen wir unsere Verantwortung, was die Finanzen des Staates angeht, nicht am Eingang des Parlaments abgeben. Wir haben eine Verantwortung für nachfolgende Generationen, deshalb brauchen wir einen Tilgungsfonds und deswegen müssen wir sofort mit dem Tilgen dieser Schulden beginnen. Etwas anderes ist nicht verantwortbar.
Ich bin auch der Auffassung, dass wir natürlich einen Anspruch haben - und darüber müssen wir als Bundesland auch hart mit dem Bund verhandeln -, dass die Bundesländer mit in den Tilgungsfonds hineinkommen. Es ist nur sinnvoll, wenn eine solche Geschichte begonnen wird, und sie ist nur sinnvoll - Herr Steinbrück hat ein sehr sinnvolles Konstrukt entworfen -, wenn die Bundesländer an dieser Stelle beteiligt werden.
Ich will mir an der Stelle erlauben: Wir sind an einem Verhandlungsstand, wo wir noch nicht die endgültige Beschlussfassung des Deutschen Bundestags haben. Immerhin finden da noch Parlamentsberatungen statt.
Wer, wenn nicht wir als Landesparlament müssen konzedieren, dass in diesen Verhandlungen auch noch Veränderungen durch die Fraktionen stattfinden werden? Wir stehen noch vor der Beratung im
Bundesrat, auch wenn in etwa absehbar ist, wie das dort ausgehen wird. Die Grünen werden dem Paket ja zu einer Mehrheit verhelfen. Darüber habe ich bereits gesprochen. Außerdem stehen noch Verhandlungen mit den Ländern aus.
Erstens. Wir haben keine Krise der sozialen Marktwirtschaft und keinen Marktradikalismus. Wer die Konzeption unserer Wirtschaftsordnung kennt und die Botschaften Ludwig Erhards vor Augen hat, weiß, dass die soziale Marktwirtschaft niemals als Versorgungsstaat gedacht war und sich in dieser Hinsicht klar von Entwürfen mit sozialistischen Elementen abgrenzte. Sozialismus und Staatskapitalismus sind insbesondere in Deutschland, insbesondere in Europa, passé. Wir haben gesehen, wohin das führt: zu Unfreiheit, Unterdrückung und Armut. Niemand von uns kann dieses leidvolle Kapitel der deutschen Geschichte wiederhaben wollen.
Die soziale Marktwirtschaft unter ihrem Vater Ludwig Erhard hat dagegen in den vergangenen 60 Jahren für Wohlstand, Arbeit, Sicherheit und Frieden gesorgt. Deswegen, Herr Kollege Hentschel, sollten Sie nicht pauschal über die Marktwirtschaft schimpfen. Die Marktwirtschaft hat für unseren Wohlstand in Deutschland gesorgt, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Zweitens. Die Krise zeigt aber auch: Liberale Marktgläubigkeit ist ebenfalls passé. Denn soziale Marktwirtschaft heißt ebenso Ordnung der Märkte, damit die Märkte den Menschen dienen und nicht umgekehrt. Soziale Marktwirtschaft heißt auch grundsätzlich maßhalten. Das ist in vergangener Zeit häufig missachtet worden, indem man immer weiter einem vordergründigen Shareholder value gehuldigt hat. Überproportionale Gehaltssteigerungen auf der Vorstandsebene, überproportionale Gewinnmargen in großen deutschen Unternehmen und die gleichzeitige Erklärung, Tausende von Mitarbeitern entlassen zu wollen, lassen sich nach unserer Überzeugung nicht miteinander verbinden.
Soziale Marktwirtschaft ist nach christlich-sozialer Vorstellung keine moralfreie Zone. Deswegen fordern wir alle Unternehmerinnen und Unternehmer, auch die Inhaber dieser Unternehmen, die Aktionäre, auf, soziale Verantwortung wirksam werden zu lassen. Es gibt eine Verantwortung für Mitarbei
terinnen und Mitarbeiter, es gibt eine Verantwortung dafür, dass es langjährigen Kunden und langjährigen Mitarbeitern gut geht. Man muss sie teilhaben lassen am Wohlstand und an der Wohlfahrt eines Unternehmens.
Drittens. Das Leitbild des ehrbaren Kaufmanns, das Werte wie Anstand, Ehrlichkeit, Mäßigkeit, Genügsamkeit und Verantwortung beinhaltet, ist nicht abzuheften und verstaubt, sondern muss wieder eine stärkere Beachtung finden. Bereits Ende des 15. Jahrhunderts schrieb der Erfinder der doppelten Buchführung, die gerade in unserer heutigen Verwaltungswirtschaft wieder eine große Anerkennung findet:
- Jürgen Feddersen, das ist ein guter Satz, den wir heute wieder in die Wirklichkeit zurückholen sollten, nicht nur auf Pellworm, sondern in ganz Schleswig-Holstein.
Wahr ist jedoch auch, dass es den Unternehmen durch ausufernde Bürokratie immer schwerer fällt, sich korrekt zu verhalten. Deswegen muss auch die Politik einen Beitrag dafür leisten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Bundeskanzlerin Angela Merkel hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es eine der politischen Konsequenzen aus dieser Krise sein muss, dass wir die erfolgreiche Ordnung der sozialen Marktwirtschaft auch international etablieren. Gerade weil es heute in der globalisierten Welt keine isolierten nationalen Maßnahmen mehr geben kann, muss ebenso die internationale Architektur besser gestaltet werden. Wir brauchen international eine neue Finanzmarktverfassung, einen fairen Freihandel, eine bessere Beachtung von sozialen Mindeststandards sowie den Ausbau des internationalen Klimaschutzregimes.
Ich bin insgesamt der Überzeugung, dass gerade Deutschland gute Gründe hat, an eine bestmögliche Schadensbegrenzung zu glauben. Das liegt zum einen an der allgemeinen Konsolidierung und an den beschlossenen Reformen der Vorjahre. Zum anderen muss man der Bundesregierung ein gutes Krisenmanagement bescheinigen. Der erste
Schritt zur Bewältigung der Krise, die Stützung der Banken und damit des Finanzsystems, war wohlüberlegt und wurde gut bewältigt. Es gelang, was nicht selbstverständlich war, eine Panik zu verhindern.
Da wir den Banken geholfen haben, so ist es nun unsere Erwartung an die Banken, dass sie die Hilfen, die sie bekommen haben, nicht nur zur eigenen Sanierung benutzen, sondern dass sie jetzt auch wieder ihre Aufgabe wahrnehmen und dem Mittelstand die notwendigen Kredite geben. Es gibt auch eine Verantwortung der Kreditwirtschaft, das System jetzt wieder zum Laufen zu bringen.