Protocol of the Session on January 28, 2009

Ich beantrage Abstimmung in der Sache.

(Beifall bei FDP und SSW)

Das Wort für die Landesregierung hat erneut für Herrn Dr. Marnette Herr Minister Dr. von Boetticher.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist schon eine spannende Debatte. Wenn wir sehen, dass CCS als Technologie zur Abscheidung in dem integrierten Energie- und KlimaProgramm der Bundesregierung enthalten sind ausgearbeitet durch Bundesumweltminister Sigmar Gabriel durch Unterstützung der SPD-Bundestagsfraktion -, wenn man sieht, dass die Rahmenrichtlinie der Europäischen Union für dieses Projekt mit den Stimmen von Sozialdemokraten und Grünen beschlossen worden ist, wundert man sich manches Mal, auf welchem Planeten wir in Schleswig-Holstein leben, dass wir das alles gar nicht zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei CDU, FDP und des Abgeordne- ten Jürgen Weber [SPD])

Das Spannende ist die Frage, wo der Unterschied zwischen der Sichtweise hier und der Sichtweise auf Bundes- und Europaebene ist. Sie haben einen größeren Blickwinkel. Man stellt nämlich eines fest: Egal, wie wir uns in Schleswig-Holstein entscheiden, im Übrigen egal, wer regiert, egal, welchen Weg wir in Schleswig-Holstein gehen, werden in der Welt Kohlekraftwerke gebaut. Da können wir uns hier zehnmal um die eigene Achse drehen. Das interessiert in China, in Indien und in wesentlichen Teilen der Welt - auch in der Europäischen Union - komischerweise niemanden. Da ist nun die Frage, wie wir die Klimadebatte in den Griff und unsere Ziele weltweit umgesetzt bekommen - und

(Lars Harms)

wir haben nur ein Klima -, wenn wir nicht technologisch zu einer Entwicklung beitragen, die in großen Teilen der Welt die einzige Lösung ist, um trotz stärkerer Kohleproduktion am Ende weniger CO2 auszustoßen. Das ist doch die Frage. Diese globale Verantwortung nehmen andere in anderen Gremien wahr, aber hier im Landtag offensichtlich leider einige nicht.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wenn wir diese Verantwortung wahrnehmen, brauchen wir Technologien. Wir können ja darüber streiten, wie weit sie bei uns zur Anwendung kommen. Mit mir kann man auch gut darüber diskutieren, wie viele Kohlekraftwerke man in Deutschland braucht. Aber unabhängig von dieser Frage wären wir dumm, wenn wir nicht diese Technologie vorantreiben würden. Umwelttechnologie war einmal Ihr Thema, meine Damen und Herren von den Grünen. Hier haben wir eine Umwelttechnologie, die auch durchaus gute Chancen hat, im Export etwas zu bringen. Der Kollege Austermann und ich haben vor fast einem Jahr Anträge entgegengenommen und entsprechende Untersuchungen für ein potenzielles Speichergebiet in Schleswig-Holstein öffentlich angekündigt.

Lieber Kollege Matthiessen, das richtet sich im Augenblick nach dem Bergrecht. Im Übrigen - ich weiß nicht, ob Sie die Zweiteilung verstanden haben -, selbst wenn es Abfallrecht wäre und wir den Abfall unter Tage lagern wollten, gäbe es auch eine doppelte Zuständigkeit zwischen Umweltbehörde und Bergbehörde. Die Frage ist, wer zuerst und wer als Zweites kommt. Aber die doppelte Zuständigkeit von Umweltrecht und Bergrecht haben Sie in jedem Fall. Die Untersuchungserlaubnis für Ostholstein ist nach dem Bundesberggesetz erteilt. In Nordfriesland - logischerweise durch schwierige rechtliche Rahmenbedingungen - steht das kurz bevor. Dann kommt das Umweltrecht. Natürlich wird eine Umweltbehörde zu prüfen haben, ob entsprechende Dinge umweltrechtlich verantwortbar sind. Und ich kann Ihnen als Umweltminister sagen, dass wir diese Prüfung sehr genau vornehmen werden.

Für uns sind drei Sachen wichtig. Wenn dieses Gebiet bei uns wirklich geeignet ist, ist völlig klar, dass aus regionaler Verantwortung vorrangig aus regionalen Kohlekraftwerken entsprechend abgelagert werden muss. Wir haben - das sind die Vorhersagen im Augenblick - ein Speichervolumen von rund 2 Milliarden t. Das sind rechnerisch - nur damit Sie die Größenordnung verstehen - 14 Kohlekraftwerke à 800 Megawatt mit 6.000 Volllaststunden und 40-jährigem Betrieb. Das heißt, es ist doch

eine gewaltige Masse an Speicherpotenzial, die wir haben. Wir wollen, dass die Genehmigungsbehörden nach wie vor Landesbehörden sind, und wir wollen natürlich, sollte es dazu kommen - Sie haben Recht, dass das ein langfristiger Prozess ist und nicht morgen fertig ist: da stimme ich mit Ihnen überein -, am Ende als Schleswig-Holsteiner auch davon profitieren. Darum fordern wir schon seit langem das umgekehrte Entnahmeentgelt, damit man von solchen Speicherungen auch profitiert.

Ob das am Ende in Brunsbüttel mit einem Versuchskraftwerk klappt, da sind wir eher skeptisch, weil man bisher mit 800 Megawatt, die produziert werden sollen, deutlich über den Versuchsgrößen liegt, die Brüssel anstrebt. Aber wir haben das zumindest zur Kenntnis genommen und werden darüber auch mit Brüssel sprechen.

Noch einmal: Meine Damen und Herren von den Grünen, wenn man hier Eine-Welt-Politik und eine Sichtweise predigt, nach der die Welt als ein Ganzes zu sehen ist, dann gilt das nicht nur für viele kleine Dinge, sondern insbesondere auch für den Klimaschutz. Wir in Schleswig-Holstein leben nicht auf unserem eigenen Energieplaneten. Wir können uns die Welt nicht schnitzen, wie wir sie uns wünschen. Diese globale Verantwortung müssen wir in der Tat wahrnehmen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich bedanke mich bei dem Herrn Minister und erteile das Wort nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung zunächst dem Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister, natürlich müssen wir global denken. Das ist ja das Problem. Wir müssen eine Energieversorgung in Europa aufbauen, die vorbildlich ist, sodass sie anschließend von Indien, von China und von all den Ländern, die Probleme haben, nachgeahmt und auch bezahlt werden kann.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich beziehe mich auf Szenarien von Universitäten, die dargestellt haben, wie eine komplette Versorgung Europas durch regenerative Energien aussehen kann und in welchem Zeitrahmen sie verwirklicht werden kann. Das ist ohne Weiteres bis 2050 möglich. Bis dahin läuft natürlich eine Reihe von

(Minister Dr. Christian von Boetticher)

Kohlekraftwerken aus. Es ist aber völlig unsinnig, neue Kohlekraftwerke zu bauen. Jeder Euro, den wir jetzt dort investieren, fehlt uns bei den Investitionen in die Alternativen.

Ihre lieben Parteikollegen im CEP, einer europäischen Gesellschaft, die Wirtschaftsplanung betreibt - an ihrer Spitze stehen Roman Herzog und der ehemalige Präsident der Deutschen Bundesbank -, haben gefordert, Europa in den nächsten 20 Jahren komplett auf regenerative Energien umzustellen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Energieversorgung würde dann nicht teurer sein als heute. Das ist das Interessante, was die Studien sagen, die dazu von Wissenschaftlern gemacht worden sind, egal, ob aus Kassel oder aus Flensburg.

Entscheidend ist, dass wir, um ein solches europäisches Netz von regenerativen Energien zu schaffen, einen Ausgleich von Schwankungen zwischen solarthermischen Kraftwerken in Südeuropa oder Nordafrika, Windkraftwerken an den Atlantikküsten und der Nordsee oder auch in Nordeuropa, zum Beispiel in Russland und an anderen guten Windstandorten, sowie den Wasserkraftwerken in Norwegen und in den Alpen als Reservekraftwerken hinbekommen. Dieses europäische Hochspannungsgleichstromnetz, das zurzeit in der EU diskutiert wird, ist der zentrale Hebel, den wir brauchen, um eine europäische Komplettversorgung mit regenerativen Energien bis 2030 oder 2040 hinzubekommen. Dafür sind erhebliche Investitionen notwendig.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist völliger Unsinn, jetzt in die alten Techniken zu investieren, weil wir damit gerade verhindern, dass wir in die neuen hineinkommen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das gleiche Konzept wird übrigens zurzeit in den USA diskutiert. Es gibt bereits den Solar Grand Plan, der eine komplette Umstellung Nordamerikas auf regenerative Energien - Schwerpunkt: Solarund Windenergie - vorsieht und zurzeit auch von der US-Regierung diskutiert wird. Das ist ein Vorschlag von Al Gore, der von Wissenschaftlern verschiedener amerikanischer Universitäten ausgearbeitet worden ist.

Herr Abgeordneter Hentschel, kommen Sie bitte zum Schluss!

Ja, ich komme zum Schluss. Tut mir leid; das Thema ist sehr spannend.

Der Plan ist mittlerweile in mehreren wissenschaftlichen Zeitschriften publiziert worden. Wenn wir diese Pläne realisieren, dann werden - davon bin ich überzeugt - China und Indien uns folgen und in diese Richtung marschieren. Schon heute stehen sie in den Windfabriken in Deutschland Schlange.

Herr Abgeordneter, bei aller Spannung des Themas - wir haben auch viele andere spannende Themen müssen Sie jetzt zum letzten Satz kommen.

Ja. - Wenn wir den Weg nicht gehen, dann können wir nicht erwarten, dass China und Indien den Weg gehen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort zu einem weiteren Beitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erhält der Herr Abgeordnete Detlef Matthiessen.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Das kann doch nicht angehen! Wir haben eine Tages- ordnung! - Weitere Zurufe)

Herr Dr. Garg, ich habe selber damit angefangen, auf die Widersprüche, die ich bei der FDP in Kiel identifizieren zu können meine, hinzuweisen. Auch der Minister hat in seinem Beitrag auf verschiedene solcher Widersprüche hingewiesen. Das werde ich einmal ganz hintenanstellen. Ich finde, das ist - Ich glaube, „Krümelkackerei“ darf man im Parlament nicht sagen. Jedenfalls ist es eine Übung, die nicht so interessant ist.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Ich finde das schon interessant!)

(Karl-Martin Hentschel)

Interessant ist doch vielmehr die Frage, ob das, was ich gesagt habe, richtig ist: Wir brauchen mit CCSTechnik statt 100 Tonnen Kohle 120 Tonnen Kohle. - Ist das richtig oder nicht?

Zweitens. Ist der Reinigungsprozess so ineffizient? - Selbst die optimistischen Befürworter sagen, dass 20 % nicht gereinigt werden können. Die beziehen wir dann aber bitte auf die 120 Tonnen und nicht auf die 100 Tonnen. Wir kommen dann zu 25 %, die wir nicht reinigen können. Ist das richtig oder nicht?

Ich habe selber energiepolitische Gespräche zu CCS geführt. Herr Professor Wallmann vom IfMGEOMAR sagt, das sei eine Technik, von der er annimmt, sie sei vorhanden. Dann könnten wir natürlich sofort einsteigen. Keiner wird das tun, Herr Präsident Kayenburg, wegen der Asche, die damit verknüpft ist, und der Unsicherheit.

Ich frage: Ist es richtig - was ich überwiegend höre -, dass die Mehrheit der Experten sagt, diese Technik stehe nicht zur Verfügung?

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Nein, das ist falsch!)

Immerhin hat McKinsey dazu eine Studie gemacht, die das für 2030 prognostiziert. Ist es also richtig, dass uns diese Technik auf der Zeitschiene nicht zur Verfügung steht, weil wir einfach zu spät kämen, wenn sie zur Verfügung steht?

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wenn Sie so weiter- machen, ja!)

Mit diesen Fragen möchte ich mich gern mit Ihnen im Ausschuss beschäftigen und das dort vertiefen. Lassen Sie uns das wirklich ein bisschen offensiv diskutieren!

Mein Fraktionsvorsitzender Karl-Martin Hentschel hat ja gesagt: Es ist möglich, eine 100 % regenerative Energieversorgung auf derselben Zeitschiene aufzubauen, die für das Ziel, in CCS einzusteigen, definiert wird. Wenn wir wissen, wir kommen aufgrund von Verknappung und Klima zwangsläufig in ein zweites Solarzeitalter hinein, dann sollten wir das von der Zukunft her denken und sagen: Damit fangen wir heute schon an. Wir wissen: 100 % sind möglich, 100 % sind auch bezahlbar.

Herr Kollege Kayenburg, ich kann Ihnen sagen: Betonfundamente brauchen auch Windmühlen und Parabolrinnenkraftwerke. Es wird also durch die Energiewende ein Wirtschaftsgeschehen ausgelöst.