Protocol of the Session on December 11, 2008

Ich freue mich im Übrigen, dass sich junge Menschen mit dem Thema der Energieversorgung, einem zentralen Thema unseres Jahrhunderts, auseinandersetzen. Festzuhalten bleibt aber auch: Angesichts der politischen Tragweite der Energiedebatte bedarf es vielleicht doch anderer Quellen und Bezugspunkte als der Diplomarbeit einer einzelnen Studentin.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Von dem betreuenden Professor hätte ich zudem eine fundiertere Betrachtungsweise erwartet. Denn, meine Damen und Herren, die These der Arbeit beruht - das muss ich leider in aller Deutlichkeit sagen - auf unrealistischen Annahmen. Die in Brunsbüttel geplanten Kohlekraftwerke sind im Rahmen bestimmter Annahmen hinsichtlich der Investition, hinsichtlich der Betriebs- und Reparaturkosten, hinsichtlich der Anlagenverfügbarkeit sowie hinsichtlich der Stromerlöse eindeutig wirtschaftlich.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Sonst würden sie nicht gebaut werden!)

Andernfalls wäre wohl kein Investor bereit, das milliardenschwere Investitions- und Betriebsrisiko zu übernehmen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich persönlich kann die Wirtschaftlichkeit bestätigen, da ich in meiner früheren Funktion jeweils ein Kohlekraftwerk und ein Müllkraftwerk geplant habe. Ich bin gern zu Unterrichtungen privatissime bereit.

Ich habe die Sorge, dass die angesprochene Diplomarbeit lediglich als willkommener Vorwand genommen wird, um über eine Diskussion um Netzkapazitäten die Kraftwerke in Brunsbüttel auszubremsen und die Investoren zu verunsichern.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Eine ähnliche Strategie wie in Hamburg ist hier deutlich zu erkennen. Ich erinnere daran, dass es die klare Absicht der Grünen in Hamburg ist, das Kraftwerk Moorburg über den Hebel eines Wärme

(Lars Harms)

lastplans und damit auch über reduzierte Betriebszeiten wirtschaftlich zu gefährden. In eine solche Situation dürfen wir in Brunsbüttel nicht kommen. Sonst stehen wir nachher ohne eine Investition da.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das muss ein ganz klares Signal sein. Eine Betrachtung der Investitionskosten im Verhältnis zu den geschaffenen Arbeitsplätzen, wie sie heute Morgen angestellt wurde, erscheint darüber hinaus wenig sinnvoll und ist in ihrer Konsequenz einfach zu kurz gesprungen. Man muss natürlich die großen volkswirtschaftlichen Effekte eines Kraftwerks berücksichtigen, die durch eine hohe Zahl an in der Wirtschaft indirekt Beschäftigten und auch zum Nutzen unserer Bürgerinnen und Bürger erzielt werden.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir wegen der Bedeutung des Themas noch einige generelle Anmerkungen.

Durch den Ausstieg aus der Kernenergie und die altersbedingte Stilllegung von Kohlekraftwerken laufen wir ab Mitte des nächsten Jahrzehnts - ich bin bereit, das zu belegen - sehenden Auges in eine Stromversorgungslücke, auch in Schleswig-Holstein.

(Beifall bei der CDU)

Hieran wird auch das sehr erfolgreiche Bemühen um Energieeinsparung nichts ändern. Ein weiterer dramatischer Anstieg der Strompreise ist längst vorprogrammiert.

(Konrad Nabel [SPD]: Lesen Sie bei Ihrem Vorgänger nach!)

Das Stromangebot wird sich verknappen, und als Ersatz für die wegfallende klimafreundliche Kernenergie müssen für die fossile Stromerzeugung Emissionszertifikate zugekauft werden. Daher muss der Gefahr entgegengetreten werden, dass sich der Emissionshandel zum Strompreistreiber und zur Hürde für den Neubau von Kohlekraftwerken entwickelt.

(Beifall bei der CDU - Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den Emissi- onshandel abschaffen, aha!)

Ein beachtlicher Teil der Treibhausgase entsteht zweifellos bei der Energieerzeugung. Deshalb muss nach Wegen zur Vermeidung von Emissionen gesucht werden. Moderne Kohlekraftwerke, wie sie in Deutschland betrieben beziehungsweise für Bruns

büttel geplant werden, mit Wirkungsgraden von über 45 %, tragen bereits heute in erheblichem Umfang zur CO2-Vermeidung bei. Ich würde mir wünschen, dass vergleichbare Kraftwerke in China oder in anderen Regionen der Welt gebaut würden.

(Lebhafter Beifall bei CDU und FDP)

Ich plädiere für Strom aus Kohle immer dort, wo die Kohleversorgung logistisch und umweltmäßig besonders günstig und langfristig gesichert ist. Dies ist in Brunsbüttel eindeutig der Fall.

Meine Damen und Herren, die erneuerbaren Energien werden und müssen einen wachsenden Beitrag zur Stromversorgung leisten. Die Substitutionspotenziale müssen aber kritisch bewertet und die Umweltauswirkungen müssen ganzheitlich erfasst werden. Beim Ausbau der erneuerbaren Energien sind jedenfalls auch wirtschaftliche Aspekte und vor allem die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Energiemarktes zu berücksichtigen.

Schleswig-Holstein - dafür stehe auch ich - definiert die Windenergie als Leitenergie in einem zukunftsfähigen Energiemix.

(Beifall bei der CDU)

Im Jahr 2007 wurden in Schleswig-Holstein 5,2 TWh Windstrom erzeugt. Dies entspricht bei einer installierten Leistung von circa 2.500 MW rechnerisch knapp 40 % des schleswig-holsteinischen Stromverbrauchs. Die Tendenz ist Gott sei Dank steigend.

Leider erreichen wir trotz vergleichsweise günstiger Windbedingungen in Schleswig-Holstein zurzeit nur 2.000 Volllaststunden. Ich erinnere daran: Das Jahr hat 8.760. Durch Repowering unserer Anlagen kann diese Windausnutzung auf vielleicht rund 2.400 Volllaststunden erweitert werden. Der weitere Ausbau der Windenergie setzt allerdings eine erhebliche Ausweitung unserer Netzkapazitäten voraus. Das müssen wir einfach sehen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und Bei- fall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Andernfalls ist die Versorgungssicherheit nicht mehr zu gewährleisten beziehungsweise neue Grund- und Mittellastkraftwerke müssten, wie in der Studie unterstellt, in ihrer Leistung windstromabhängig reduziert werden.

Ich möchte auch noch daran erinnern, dass jedes Windrad ein Schattenkraftwerk benötigt; sonst funktioniert es nicht. Das muss in die Bilanz mit eingebracht werden.

(Minister Dr. Werner Marnette)

(Beifall bei CDU und FDP)

Man muss auch einmal über Zahlen reden. Aktuell ist in Brunsbüttel eine Netzkapazität von 4.800 MW vorhanden. Diese Kapazität ist für die zusätzliche Stromerzeugung aus den geplanten Kohlekraftwerken und aus den durch Repowering erweiterten Windanlagen ausreichend. Ein weiterer Ausbau auf 6.300 MW beziehungsweise 7.100 MW ist technisch möglich. Sofern nennenswerte Offshore-Leistungen mittelfristig installiert würden, müssten die Einspeisepunkte und Netze entsprechend angepasst werden, da dann Leistungsspitzen von bis zu 13.000 MW abgenommen werden müssten. Dies erscheint allerdings aus heutiger Sicht wenig realistisch. Die Diplomarbeit der Universität Flensburg unterstellt sogar, dass bis zum Jahr 2020 alle geplanten Offshore-Parks in einer Gesamtleistung von 11.000 MW am Netz sein werden. Ich würde mir das wünschen, aber es erscheint aus heutiger Sicht wenig realistisch.

Bei allem Respekt: Auch dieser Punkt belegt, dass eine Diplomarbeit wohl nur bedingt geeignet ist, Maßstab und Wegweiser für eine energiepolitische Weichenstellung zu sein.

Im Übrigen habe ich dem Herrn Professor angeboten, dass wir in eine faire und sachliche Diskussion eintreten. Er hat dieses Angebot bis heute nicht angenommen.

(Lebhafter Beifall bei CDU und FDP - Zuru- fe von der CDU: Unglaublich!)

Für die Fraktionen sind neue Redezeiten entstanden: 3,5 Minuten. Das Wort hat zunächst der Herr Abgeordnete Dr. Ralf Stegner.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt sehr vieles in dem Beitrag des Wirtschaftsministers, dem man zustimmen kann, es gibt aber auch ein paar Punkte, die noch einmal einen Debattenbeitrag verdienen. Sie haben recht, dass Diplomarbeiten nicht der Ausgangspunkt für Politik sind, obwohl sie manchmal klüger sind als das, was darüber gesagt wird. Professor Hohmeyer ist einer der weltweit anerkannten Experten in diesem Feld, der - so glaube ich - eher unterschätzt wird und dessen Prognosen sich als richtiger erweisen als manches andere.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister, auf das, was Sie zur Energiepolitik gesagt haben, antworte ich: Die Frage von Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Klimaverträglichkeit, dieser Dreiklang, muss erreicht werden. Wenn man die Ansicht hätte, Dinge seien völlig unrealistisch, dann wäre man 1988 bei 0,05 % Windenergieanteil an der Energieversorgung niemals auf die Idee gekommen, man könnte das erreichen, was wir in Schleswig-Holstein heute schon fast erreicht haben, nämlich annähernd 40 %. Das hat mit politischer Tatkraft und Handlungsfähigkeit zu tun.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei der Kohlekraft ist es so, dass die Frage der Wirtschaftlichkeit auch ein bisschen mit dem Thema Netze zusammenhängt. Das haben Sie angesprochen, Herr Minister. Das Problem mit den Netzen ist nur, dass die großen Betreiber überhaupt kein Interesse haben, eine bestimmte Form von Strom in die Netze zu leiten. Ich fürchte, wir werden uns mit der Frage beschäftigen müssen, ob wir nicht mehr öffentlichen Zugriff auf die Netze brauchen, damit sich da etwas verändert.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ein letzter Punkt, den Sie angesprochen haben: Bei Atomenergie fügen Sie immer die Adjektive umweltfreundlich oder klimaverträglich hinzu. Das ist die Atomenergie mitnichten. Sie ist gefährlich, sie produziert jahrtausendelang strahlenden Atommüll. Nicht einmal bei Leichtstrahlen kriegen wir das ordentlich hin. Sie hinterlässt den Nachfolgegenerationen Dinge, die wir nicht hinterlassen dürfen. Sie ist irrsinnig teuer, und sie ist gefährlich, sie ist nicht verantwortbar. Deswegen werden wir sie auch nicht fortsetzen. Auch noch so häufige Forderungen nach Verlängerung der Restlaufzeiten werden bei der Sozialdemokratie keine Zustimmung finden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das Wort für einen weiteren Beitrag hat Herr Abgeordneter Detlef Matthiessen.

Frau Präsidentin! Das Gutachten wollte ich doch noch einmal -