Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich die Initiative der FDP begrüßen, dieses wichtige mittelstandspolitische Thema hier zum Gegenstand zu machen. Das gibt uns die Möglichkeit, die Bedeutung und auch die Funktion von Existenzgründungen für unsere Wirtschaft deutlich zu machen.
Die Landesregierung unternimmt seit vielen Jahren erhebliche Anstrengungen auf diesem Gebiet. Herr Minister Professor Dr. Rohwer
hat darauf hingewiesen. Die Erfolge lassen sich auch sehen. Sicherlich, Frau Kollegin Aschmoneit-Lücke, wir haben eine schwierige wirtschaftliche Zeit und wir alle bedauern es sicherlich gemeinsam, dass wir insgesamt nicht erfolgreichere Zahlen vorlegen können. Dennoch sind gerade die Zahlen in Bezug auf die
Existenzgründungen in Schleswig-Holstein eine besondere Erfolgsgeschichte; denn der Bericht belegt, was diese Anstrengungen in der Tat bewirkt haben.
Seit Jahren, so auch 2002, steht Schleswig-Holstein auf dem Treppchen der erfolgreichsten Gründerländer in der Bundesrepublik Deutschland. Auch die Selbständigenquote ist erfreulich hoch, deutlich höher als der Bundesdurchschnitt. Diese Politik der intensiven Förderung von Existenzgründungen dient den Unternehmensgründungen und der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen, aber - dies ist etwas, was immer zu wenig beachtet wird - der strategische Hauptzweck der Unternehmensgründungspolitik ist die Förderung von Wachstum und Modernisierung des Produktionssystems.
Die Unternehmensdemografie ermöglicht die kontinuierliche Erneuerung der Branchen, veraltete Betriebe scheiden aus und neue, besser an die Marktbedürfnisse angepasste entstehen, wie das Wachstum des Dienstleistungssektors in Deutschland sehr eindrucksvoll zeigt. Diese neuen Unternehmen bringen neue Produktideen und neue Technologien.
Aber Neugründungen haben auch Schattenseiten. Hohe Insolvenzquoten sind eine leider nicht wegzudiskutierende Begleiterscheinung. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit bestätigt, was viele schon immer vermuteten: Die meisten, die sich selbstständig machen, verstehen ihr Handwerk kaum. Allerdings ist diese Formulierung etwas missverständlich. Das Handwerk verstehen sie meistens, aber sie verstehen nichts von Betriebswirtschaft und sie schätzen viele Parameter falsch ein, insbesondere auch den Kapitalbedarf.
Die richtige Schlussfolgerung aus alledem ist nicht, Existenzgründungen und die Förderung von Existenzgründungen politisch zu diskreditieren, sondern die Anstrengungen zu erhöhen, Gründerinnen und Gründern durch intensive hochwertige Beratung zu begleiten. Die Bürgschaftsbank Schleswig-Holstein hat vor vier Jahren damit begonnen, ein Risikofrüherkennungsprogramm zur Pflicht zu machen. Ein einmaliger - dies muss man sich einmal merken - Checkup des Betriebes als begleitendes Beratungsinstrument hat bereits dazu geführt, dass jede zweite Insolvenz vermieden werden konnte. Dieses Programm ist zwischenzeitlich erheblich ausgebaut worden. Ein Kennziffernreport und ein ganzer Baukasten beratungsbegleitender Maßnahmen werden inzwischen angewendet. Soweit die Bürgschaftsbank SchleswigHolstein in die Gründung involviert ist, ist die jeweilige finanzierende Hausbank verpflichtet, 5.000 € mehr Kredit zu gewähren, die dafür verwendet werden, den Gründer fachkundig begleiten zu lassen - ein
Sie haben, Frau Kollegin Aschmoneit-Lücke, von Maßstäben, anhand derer Sie die Erfolge beurteilen wollen, gesprochen. Ich kann Ihnen dazu die durchaus bemerkenswerte Studie der Universitäten Köln und Lüneburg, die vor einem knappen Jahr vorgelegt wurde, anbieten. Die Wissenschaftler haben dort die Gründungsaktivitäten und Rahmenbedingungen in zehn deutschen Regionen verglichen, darunter auch der Region Kiel. Ich möchte kurz über das Ergebnis dieser Studie berichten: Eine der Stärken der Region Schleswig-Holstein Mitte zeigt sich im Bereich der öffentlichen Förderinfrastruktur. So bieten nach Ansicht der Experten die öffentlichen Beratungsstellen eine kompetente und effektive Unterstützung bei der Suche nach Fördermitteln und die Gründer finden in der Region schnell den richtigen Ansprechpartner. In vielen Gesprächen wurde speziell die Investitionsbank Schleswig-Holstein mit ihrem erfolgreichen Projekt „Förderlotse“ genannt. Das Angebot an unternehmensbezogenen Dienstleistungen wird in Quantität und Qualität als völlig ausreichend beurteilt. Das große Angebot an Technologie- und Gründerzentren und dessen effektive Unterstützung für Unternehmensgründer wird von den Experten als positiv hervorgehoben. Technologietransfereinrichtungen, insbesondere die Technologie-Transfer-Zentrale Schleswig-Holstein, leisten - so die Wissenschaftler aus Köln und Lüneburg - einen erwähnenswerten Beitrag.
Ich glaube, dass die objektive Beurteilung von außen durchaus ein wichtiges Kriterium für die Beurteilung der Leistung der Landesregierung sein kann. Ich finde, dass die Analysen und die vorgelegten Zahlen durchaus eindrucksvoll sind. Sie sind nicht vom Himmel gefallen, sondern sie sind in der Tat das Ergebnis einer Politik, in die wir viel Mühe gesteckt haben und auch weiterhin stecken werden. Wir sind uns einig, liebe Frau Kollegin - auch der Minister hat es eben genannt -: Wir müssen das Instrumentarium der Fördereinrichtungen, das wir geschaffen haben, weiter straffen. Ich bin sehr froh, dass es in dieser Stadt ein „Haus der Wirtschaft“ geben wird als einen Ort, an den die Menschen gehen können, wenn sie Beratung wollen. Das war nicht ganz einfach, aber wir werden dies umsetzen. Wir sind auf einem richtigen Weg. Ich danke dem Minister für diese erfolgreiche Bilanz.
Bevor ich das Wort nach dem Beitrag von Professor Müller weiterleite, darf ich zunächst Gäste auf der Tribüne begrüßen, und zwar die Damen und Herren der Berufsschule aus Niebüll sowie die Damen und Herren der SPD aus dem Kreis Steinburg. Ich heiße Sie alle sehr herzlich willkommen im SchleswigHolsteinischen Landtag.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Müller, auch ich gratuliere Ihnen natürlich ganz herzlich zu Ihren akademischen Weihen. Insofern war Ihr Beitrag heute vielleicht auch so etwas wie eine Antrittsvorlesung, mit der Analyse des Berichtes hatte er wenig zu tun.
Meine Damen und Herren, wer gehofft hatte, dass dieser Bericht zur Förderung von Existenzgründungen zu mehr Klarheit beitragen würde oder gar weiterführende Erkenntnisse der Landesregierung erwartet hatte, ist bitter enttäuscht. Der präzise Auftrag des Parlaments, eine echte Bilanz vorzulegen, die die einzelnen Fördermaßnahmen in Bezug auf Förderkriterien, eingesetzte Finanzmittel, jeweilige Kosten und Erfolgsquoten evaluiert, wird mit diesem Bericht auf eine geradezu dreiste Weise ignoriert. Stattdessen erhalten wir Jubelpassagen über das Gründungsland Schleswig-Holstein, wir erhalten altbekannte Statistiken und Grafiken, die dann sogleich in ihrem beschreibenden Teil relativiert werden. Unter dem Kapitel „Entwicklung der Gründungszahlen seit 1996“ ist zu lesen:
„Wenn auch die Daten vermitteln, dass das Gründungsgeschehen sich insgesamt auf einem relativ stabilen Niveau halten konnte, können die aus der Gewerbeanzeigenstatistik vermittelten Werte bei aller Interpretation kein exaktes Datenbild ergeben.“
„Nur der Vollständigkeit halber wird erwähnt, dass eine nicht bezifferbare Anzahl von Gründungsvorhaben überhaupt ohne die Inanspruchnahme von Förderprogrammen umgesetzt wird.“
Was will uns die Landesregierung damit sagen? Allein mit dem Verlesen der Relativierungen in diesem Bericht ließe sich problemlos eine Viertelstunde
verbringen. Eine Aussage lässt sich daraus allerdings ableiten: Tatsächliche Kenntnisse hat die Landesregierung nicht.
Schlimmer noch: Selbst dort, wo ein Bezug von Förderungen und Erfolgsquote möglich wäre, stellt die Landesregierung ihn nicht her. Die Frage ist: Warum nicht?
Auf Seite 10 belegt eine Grafik den eklatanten Einbruch der Förderzahlen seit 1999 bei den bewährten Förderinstituten Deutsche Ausgleichsbank und der Bürgschaftsbank Schleswig-Holstein. Dem steht eine eklatante Erhöhung der Förderzahlen bei der Bundesanstalt für Arbeit im gleichen Zeitraum gegenüber. 15 Seiten weiter unter dem Kapitel „Arbeitsplatzeffekte durch Existenzgründungen“ findet sich die interessante Aussage:
„Insgesamt war dabei der durchschnittliche zusätzliche Beschäftigungseffekt bei durch die Deutsche Ausgleichsbank geförderten Gründungen … signifikant höher, als bei Gründungen durch Überbrückungsgeldempfänger…“
Diese Erkenntnis erzwingt geradezu die Schlussfolgerung: Die Reduzierung der Förderinstrumente zugunsten ständig steigender Aufgabenwahrnehmung und Aufblähung der Bundesanstalt für Arbeit führt eben nicht zu mehr Arbeitsplätzen, sondern markiert eine eklatante Fehlentwicklung.
Das Fatale an dieser Entwicklung ist, dass die Gelder der Bundesanstalt für Arbeit nahezu ausschließlich durch Beiträge zur Arbeitslosenversicherung aufgebracht werden und die Arbeitskosten entsprechend belasten.
In diesem Hause besteht Konsens darüber, dass die viel zu hohen Lohnzusatzkosten gesenkt werden müssen, weil sie zunehmend Arbeitsplätze vernichten und weil sie es so schwer machen, neue Existenzen aufzubauen.
49,4 Milliarden € des Haushalts der Bundesanstalt für Arbeit - das ist der Stand 2002 - werden aus Beiträgen finanziert, das entspricht knapp 93 %. Schon eine Reduzierung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags von jetzt 6,5 % auf 5 % würde eine Entlastung der Lohnzusatzkosten von 11,4 Milliarden € bringen.
Damit würden mehr Arbeitsplätze gesichert und geschaffen, als die Bundesanstalt für Arbeit durch Lohnzusatzkosten finanzierte Fördermaßnahmen rückholen kann.
Die CDU hat inzwischen eine entsprechende Initiative in den Bundestag eingebracht. Wir wollen den Beitrag der Arbeitslosenversicherung auf 5 % absenken, und zwar durch Aufgabenreduzierung und nicht etwa, wie die SPD in diesem Land, mit einer Erhöhung der Mehrwertsteuer kompensieren.
Der Wirtschaftsminister wird nicht müde, seine so genannte Existenzgründungsoffensive zu rühmen und zu vermarkten. Was Sie, Herr Minister Rohwer, dabei verschweigen, findet sich weder in diesem Bericht noch im Wirtschaftsbericht, sondern im Beteiligungsbericht der Landesregierung. Unter dem Punkt „Bürgschaftsbank“ findet sich der aufschlussreiche Satz:
„Die Bürgschaftsbank hat sich bei zunehmender Finanzenge der öffentlichen Haushalte als wesentlicher Eckpfeiler für die Wirtschaftsförderung im Lande SchleswigHolstein bestätigt. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die verminderten direkten Fördermittel des Landes.“
„Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Bereitstellung laufender Haushaltsmittel für die Wagniskapitalförderung, die in den vergangenen Jahren mit circa 3 Millionen DM dotiert war, zum 31. Dezember 2001 eingestellt worden ist.“
Damit haben Sie, Herr Minister Rohwer, in Ihrem politischen Handeln genau das Gegenteil dessen getan, was Sie hier als richtig beschrieben und angekündigt haben.
Mit anderen Worten - Schlussbemerkung -: Der Beitrag der Landesregierung zur so genannten Gründungsoffensive besteht darin, dass sie den bewährten und erfolgreichen Förderinstituten erhebliche Mittel entzogen hat - zum Schaden unseres Landes.
Herr Minister Rohwer, ganz persönlich, diese Vorgehensweise hat mit seriöser Politikdarstellung nichts zu tun, sondern belegt die Fragwürdigkeit Ihres politischen Handelns.
Darüber hinaus belegt dieser Bericht, dass die Übertragung der Arbeitsmarktpolitik in das Wirtschaftsministerium nichts bringt, wenn auch hier keine Fähigkeiten zu einer analytischen Bestandsaufnahme zu