Protocol of the Session on September 26, 2003

Die Kernpunkte Ihres Antrags sind schnell zu durchschauen: zunächst massive Steuererhöhungen für die Wirtschaft durch die Einbeziehung von Freiberuflern und die Besteuerung der Substanz der Unternehmen. Da wird Schleswig-Holstein ausweislich der Daten des Statistischen Landesamtes bei der Wirtschaftsentwicklung im ersten Halbjahr dieses Jahres im negativen Sinne nur noch von MecklenburgVorpommern übertroffen. Und die Landesregierung reagiert wieder einmal mit der Forderung nach Steuererhöhungen, frei nach dem Motto: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich doppelt ungeniert.

(Beifall bei CDU und FDP - Werner Kalinka [CDU]: So ist es!)

Also wird ein Gesetzentwurf vorgelegt, in dem zwei Drittel der virtuellen Mehreinnahmen der Kommunen durch höhere Steuern von Wirtschaft und Verbrauchern finanziert werden sollen. Fast 30 % soll der Bund übernehmen, der gerade zum zweiten Mal hintereinander die Maastricht-Kriterien deutlich verfehlt hat, und den geringen Rest sollen gnädiger Weise die Länder aufbringen.

Da kommt man sich fast vor wie bei der „Fielmann“Werbung, frei nach dem Motto: Keinen Cent dazu bezahlt!

Schließlich stellt sich noch die Frage, wann eigentlich Ihre Luftbuchungen finanzwirksam werden sollen. In Ihrem Gesetzentwurf nennen Sie wohlweislich kein Datum, sondern sprechen nur nebulös von einem „Entstehungsjahr“. Wann soll das denn sein: 2005, 2006 oder planen Sie eine neue Agenda 2010?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: 2026, parallel zur Rentenreform!)

Jetzt verstehe ich auch, warum uns der Gesetzentwurf erst wenige Stunden vor der Debatte vorgelegt wurde. Ich hätte ihn an Ihrer Stelle auch nicht früher dem Parlament zugeleitet.

(Beifall bei CDU und FDP)

Der Deutsche Landkreistag unterstützt übrigens die Inhalte unseres CDU-Antrages aus der Juni-Debatte, der auch Grundlage für den Beschluss des Bundesrates für ein Sofortprogramm gewesen ist. Der Deutsche Landkreistag führt dazu wörtlich aus:

(Peter Lehnert)

„Bis eine neue und für alle Beteiligten tragfähige Lösung gefunden ist, benötigen die Kommunen zur Absicherung ihrer Finanzausstattung ein Notprogramm. Insoweit fordert der Deutsche Landkreistag Bundestag und Bundesrat auf, sich unverzüglich zu einer Absenkung der Gewerbesteuerumlage und einer Erhöhung der kommunalen Umsatzsteuerbeteiligung auf der Grundlage des vom Bundesrat beschlossenen Sofortprogramms zu verständigen.“

(Beifall bei CDU und FDP)

- Klare Position des Deutschen Landkreistages. Auch der Deutsche Städtetag und der Städte- und Gemeindebund fordern laut Artikel der „Kieler Nachrichten“ vom gestrigen Tag - Sie haben ja auch daraus zitiert, aber ich möchte eine andere Passage zitieren -:

„Um die drohende Schließung von Kindergärten, Schwimmbändern oder Büchereien zu vermeiden, fordert man ein Sofortprogramm - der Bund soll auf Anteile der Gewerbesteuerumlage verzichten.“

Also ist auch bereits der Städtetag auf dem Weg in die richtige Richtung.

(Beifall bei CDU und FDP - Zuruf des Ab- geordneten Günter Neugebauer [SPD])

Ich meine, das sollten wir hier begrüßen.

Ich fordere Sie auf: Brechen Sie endlich mit der unseligen Tradition in diesem Haus, unsere Anträge erst abzulehnen, um sie dann viel zu spät - wahrscheinlich in einem Moment der Selbsterkenntnis - zu übernehmen. Erkennen Sie die Aussichtslosigkeit Ihrer Forderung nach massiven Steuererhöhungen und unterstützen Sie das Unions-Programm mit einer Soforthilfe für die Kommunen, damit Not leidende Kommunen wieder eine bessere finanzielle Ausstattung bekommen. Wenn Sie jetzt nicht endlich handeln und über Ihren ideologischen Schatten springen, werden viele Kommunen in diesem Land die Notbremse ziehen müssen und Leidtragende dieser Entwicklung sind die Menschen in den Kommunen in SchleswigHolstein.

(Beifall bei CDU und FDP)

Sie dürfen nicht die Opfer einer verfehlten rot-grünen Finanzpolitik auf Bundes- und Landesebene werden. Lassen Sie es nicht so weit kommen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich erteile Frau Abgeordneter Heinold das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wozu der heutige Antrag? - Alle wissen was Sache ist, nur die FDP hat noch eine Frage. Darauf könnte man diese Debatte verkürzen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Sie wollten die Vorlage noch nicht haben!)

Wir haben über die Gewerbesteuer hier im Landtag im Juni und im August diskutiert, wir haben Beschlüsse gefasst und die Landesregierung aufgefordert, sich in den Bundesrat einzubringen.

(Zuruf des Abgeordneten Rainer Wiegard [CDU])

Frau Abgeordnete Heinold, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Garg?

Frau Kollegin Heinold, darf ich Ihre eben gemachte Aussage dahingehend verstehen, dass es Sie überhaupt nicht interessiert, welche Gesetzesvorgabe die Landesregierung heute in den Bundesrat einbringt? Das interessiert Sie als Parlamentarierin nicht?

Das scheint Sie nicht zu interessieren, denn nicht Sie haben einen Antrag vor der Sommerpause hier eingebracht, um ihn im August hier zu debattieren, sondern wir haben einen Antrag eingebracht. Und wir haben dort die Landesregierung aufgefordert, sich im Bundesrat mit bestimmten Eckpunkten einzubringen. Das haben wir gemacht.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wir haben letzte Plenartagung einen Antrag eingebracht!)

Sie haben sich dazu überhaupt nicht geäußert, außer dass Sie rumgekrittelt haben. Auf unseren Beschluss hin, ist die Landesregierung mit diesen Eckpunkten in den Bundesrat gegangen.

(Zurufe der Abgeordneten Roswitha Strauß [CDU] und Rainer Wiegard [CDU])

Und nun geht es nur noch einmal darum zu kontrollieren und zu überprüfen, ob sie das auch richtig ge

(Monika Heinold)

macht hat. Das können wir dann gern hier miteinander tun.

Die Landesregierung hat das Parlament mehrfach über ihre Position informiert. Jetzt liegt auch der Gesetzentwurf vor. Da es sich überwiegend um die Position der kommunalen Landesverbände handelt, kann der Inhalt der Bundesratsinitiative SchleswigHolsteins auch für die FDP nicht ganz neu sein.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Die Auffassung des Landkreistages hat sich doch geändert!)

Aber im Rahmen dieser Nachhilfestunde für die Liberalen fasse ich den Standpunkt der grünen Landtagsfraktion noch einmal zusammen: Die Bemessungsgrundlage soll verbreitert werden, indem Freiberufler zukünftig auch Gewerbesteuern zahlen sollen und indem ertragsunabhängige Elemente nicht Gewerbesteuer befreit, sondern voll steuerpflichtig sind. Wenn Sie hier immer suggerieren, es sei Teufelswerk, ertragsunabhängige Elemente mit einzubeziehen, verstehe ich nicht, wieso unter Ihrer Regierung jahrzehntelang in dieser Bundesrepublik genau diese ertragsunabhängigen Elemente zu 50 % mit einbezogen worden sind - zu 50 %, und das seit Jahrzehnten!

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wir waren immer schon dagegen! - Weitere Zurufe von der FDP)

- Ja, jetzt wollen Sie das abschaffen. Als Sie regiert haben, fanden Sie das noch richtig.

(Zurufe der Abgeordneten Rainer Wiegard [CDU] und Dr. Heiner Garg [FDP])

Die Hinzurechnung von ertragsunabhängigen Elementen zu 50 % in der Anrechnung ist zurzeit Gesetz, eine alte Gesetzgebung von CDU und FDP. Insofern ist es mir unbegreiflich, dass Sie das hier so kritisieren.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sie müssen aber bei der Wahrheit bleiben! Seit Jahrzehnten fordern wir die Abschaffung! Das können Sie überall nachlesen! - Weitere Zurufe)

Die jetzige Diskussion geht darum, diese 50prozentige Anrechnung auf 100 % zu erhöhen, während Sie sich - neu - so positionieren, dass Sie sie jetzt nach Jahrzehnten ganz herausnehmen wollen. Aber es ist keine rot-grüne Erfindung, diese Elemente plötzlich hinzuzurechnen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Wenn Sie das hier behaupten, behaupten Sie schlicht und einfach die Unwahrheit.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Sie freuen sich über 4,6 Milliarden € Steuererhöhung! Sagen Sie dazu doch einmal etwas!)

Der Freibetrag soll im Interesse der kleinen und mittleren Betriebe und Unternehmen erhalten bleiben und bei der Gestaltung der Steuermesszahl soll es nach unserem Entwurf zu keiner Bevorzugung der Kapitalgesellschaften, sondern zu einer Besserstellung der Personengesellschaften kommen. Und eine Reform der Gewerbesteuer muss zu einer Verbesserung und zu einer Verstetigung der kommunalen Finanzen führen. Hier bedarf es einer Verständigung der Bundesregierung mit den kommunalen Spitzenverbänden über die Auswirkungen eines neuen Gesetzes. Was wir nun brauchen, sind die richtigen Entscheidungen in Berlin. Und ich appelliere noch einmal an die CDU: Sie haben mitbekommen, dass im Städtetag - das ist schon erwähnt worden - auf Bundesebene Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der CDU eindringlich dafür geworben haben,

(Rainer Wiegard [CDU]: Ein Sofortpro- gramm zu beschließen!)

dass es einen Gesetzentwurf gibt, der inhaltlich dem entspricht, den wir hier in Schleswig-Holstein vorgelegt haben. Und Sie können sich doch nicht hier hinstellen und sagen, dass sich all diese Bürgermeisterinnen und Bürgermeister irren, dass sie sich täuschen, dass sie nicht wüssten, was gut für ihre Kommunen ist.