Wenn Sie das täten, würde ich Sie ernst nehmen und dann würde ich auch ernsthaft über Ihren Antrag diskutieren. Sie tun es aber nicht. Sie haben einen Vierzeiler geschrieben, in dem unter anderem steht: Wir erhöhen die Mehrwertsteuer. Darin steht kein Satz dazu, dass Sie die Sozialversicherungssysteme in irgendeiner Art und Weise umbauen oder reformieren wollen – nicht ein einziger Satz!
Lieber Kollege Baasch, diese Rede, die Sie auch vor 30 Jahren hätten halten können, fand ich irgendwie ganz amüsant. Ich will Ihnen nur eines mit auf den Weg geben: Jeder, der davon redet, die Bemessungsgrundlage zu verbreitern oder neue Personenkreise in die soziale Sicherung mit einzubeziehen, der sollte vielleicht einmal kurz daran denken, dass er damit auch neue Leistungsansprüche generiert. Das heißt, es wird nicht nur mehr eingezahlt, sondern es wird in der Zukunft auch ein Vielfaches an neuen Leistungsansprüchen fällig. Vielleicht denken Sie daran in der Zukunft auch einmal, wenn Sie wieder fordern, mög
Liebe Kollegin Birk, eigentlich wollte ich das nicht tun, aber ich tue es jetzt doch, weil Sie sowohl uns als auch dem Kollegen Kalinka vorgeworfen haben, wir wären nicht konkret genug, insbesondere in Bezug auf unsere Ansichten, wie eine künftige Gesundheitsreform aussehen soll: Ich kann mich an eine Veranstaltung von vor etwa acht Monaten erinnern. Da ging es fast drei Stunden lang darum, wie ein künftiges demographiefestes Gesundheitssystem aussehen soll. Das Ganze fand bei der Informationsstelle der schleswig-holsteinischen Heilberufe statt. Ich kann mich sehr genau erinnern, dass der Kollege Werner Kalinka und ich uns sehr intensiv darüber gestritten haben, wie die Gesundheitsreform im Einzelnen aussehen soll. Aber die SPD, die hier mit 41 Abgeordneten im Parlament vertreten ist, war nicht in der Lage, auch nur einen einzigen Vertreter dorthin zu schicken. Auch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN waren dort nicht vertreten.
Hören Sie also endlich damit auf zu sagen, wir hätten keine Konzepte. Immer dann, wenn wir die Konzepte diskutieren, dann sind Sie nicht da. Das gehört auch zur Ehrlichkeit dazu.
Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 58 Abs. 2 der Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Matthiessen.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich will doch noch einmal an das anknüpfen, was der Kollege Garg als einen Hauptkritikpunkt bezeichnet hat. Er hat nämlich unterstellt, diese Idee der Umfinanzierung der Sozialversicherungssysteme durch Steuern wäre von uns als Ersatz für Reformen formuliert worden. So ist es natürlich nicht. So habe ich Sie aber verstanden und ich glaube, so haben Sie es auch gesagt.
- Nein, aber wir wissen auch, es gibt die Agenda 2010 und so weiter. Ich möchte auch noch einmal an Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, appellieren, hier
vielleicht weniger eine Spaßdebatte zu führen, denn dafür ist der Zustand, in den wir geraten sind – in den sind wir nicht erst seit Rot-Grün geraten, sondern über sehr lange Zeiträume hinweg -, zu ernst. Ich habe dazu ein Flugblatt vor mir liegen. Seit 1957 geht die Kurve ständig nach oben. Sie ging einmal durch den Ökosteuereffekt ein bisschen herunter. Wir sind jetzt wieder bei 42 % „Strafsteuer“ gelandet. Ich denke, es ist die politische Verantwortung aller hier, dass sich dieses System etabliert hat und sich heute als überreformbedürftig herausstellt.
Ich möchte jetzt noch zur Sache reden. Herr Kollege Kalinka, solche Themen wie „Kündigungsschutz flexibel machen“ lassen es angeraten sein, sich zum Beispiel einmal das skandinavische Modell anzugucken. Das Modell dort ist ja hoch flexibel. Allerdings kriegen die auch 90 % ihres Lohnes als Arbeitslosengeld. Das heißt, die wirtschaftliche Dynamik für den Entlassenen ist nicht so groß. Jugendliche, insbesondere bis 25 Jahre, können sich nicht im sozialen Netz schaukeln, weil sie zum Beispiel zu einer Fortbildung verpflichtet werden. Andere Maßnahmen treten dazu. Das heißt, dies wird noch einmal durch eine Reihe von Reformen flankiert.
Ich denke, man kann sich über Zahnersatz und Brille unterhalten. Dass die Agenda 2010 dem Vorwurf ausgesetzt ist, sie sei in Teilen ungerecht und unsozial, ist so. Wenn man umsteuert, gibt es bei einer Reform immer Leute, die davon bei bestimmten Leistungen Nachteile haben. Die Stein-Hardenbergschen Reformen, die ja nun sehr alt sind – ich glaube, sie wurden vor etwa 130 Jahren eingeführt -, sicherten elementare Lebensrisiken ab, die mit Arbeit verbunden waren. Wenn jemandem der Arm abgerissen war, prägte sich dieses deutsche Sprichwort ein: „Am Hungertuch nagen“. Was heißt das? – Heute reden wir über Phänomene wie Doktorhopping.
Ja, Frau Präsidentin! - Wir brauchen Reformen. Da sind wir uns einig. Wir sind uns auch einig, dass die Strafsteuer auf Arbeit von 42 % herabgesenkt werden muss. In Dänemark beträgt die Sozialabgabe 3 % bei 53-prozentiger Staatsquote. Das zeigt, dass ein erfolgreiches System nicht von der Höhe der Staatsquote abhängig ist, sondern entscheidend abhängt von der Höhe der Sozialabgaben: Wie ist der Faktor Arbeit als Produktionsfaktor betriebswirtschaftlich belastet? Bei uns ist er das mit mehr als dem Doppelten.
Ich sage Ihnen: Nach Aussage des DIW, des Gutachtens, das alles durchgerechnet hat, auch den Reformteil, ist eine Mehrwertsteuererhöhung von 16 % auf 20 % notwendig, um die Lohnnebenkosten, die Sozialabgaben bei uns auf unter 5 % zu drücken.
- Frau Präsidentin, danke schön. Ich bin beim letzten Satz. - Das sind Zahlen, die uns alle zusammen so neugierig machen müssten, dass wir in einen sehr ernsthaften Diskurs eintreten sollten.
Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Kubicki.
Ich weise noch einmal darauf hin, dass es sich bei den Kurzbeiträgen um Dreiminutenbeiträge handelt. Ich werde dies jetzt strikter handhaben.
Das ist bedauerlicherweise bei der Opposition immer so. Aber ich brauche auch nicht mehr als drei Minuten, um mich mit dem Redebeitrag des Führers der Kronprinzengarde auseinander zu setzen.
Ich bin hoch erfreut, dass ich nun weiß und auch der deutschen Öffentlichkeit mitteilen kann, dass die wahre Wirtschaftspartei die Grünen sind.
(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Karl- Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])
Ich finde das sehr begeisternd. Ich wünsche mir nichts mehr, als dass sich auch bei den Grünen etwas mehr ökonomischer Sachverstand verbreitet.