Protocol of the Session on June 18, 2003

Die immer wieder gestellte Frage, ob wir ein Einnahmen- oder ein Ausgabenproblem haben, ist müßig. Müsste das Land keine Zinsen zahlen - 900 Millionen € in diesem Jahr -, so bräuchten wir nicht nur keine neuen Schulden aufzunehmen, sondern hätten sogar noch 330 Millionen € übrig. Aber SchleswigHolstein wird von seinen Zinszahlungen und steigenden Pensionskosten erdrückt und kann selbst notwendige gerade präventive und investive Aufgaben nicht mehr erfüllen. Ich erinnere Sie noch einmal an die Debatte heute Morgen. Schon damals, als Sie der SPD das Land übergeben haben, stand SchleswigHolstein bei den Flächenländern ganz hinten, war schon damals das höchst verschuldete Land. Insofern lohnt es sich überhaupt nicht, den schwarzen Peter von links nach rechts zu schieben.

Deshalb müssen wir sowohl die Einnahme- wie auch die Ausgabeseite verändern. Der Hamburger CDUFinanzminister Peiner beklagt zu Recht, dass die Steuerquote mit 20,8 % in diesem Jahr einen historischen Tiefstand hat und dass für die Erfüllung der staatlichen Aufgaben eine Steuerquote von mindestens 22,5 % notwendig sei - CDU-Vorschlag. Auch die Notwendigkeit, Ausgaben zu reduzieren, wird zumindest theoretisch von allen Parteien geteilt. Dazu zählt auf Bundesebene der Subventionsabbau und auf Landesebene vor allem der Abbau von Verwaltungsstrukturen. Dazu zählt aber auch die Reduzierung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld, dazu zählen Kürzungen und Streichungen von Förderprogrammen und der Umbau unseres Bildungssystems, welches den Vor- und Grundschulbereich stärkt und in der Oberstufe Aufgaben bündelt. Da warte ich auf Ihre Unterstützung.

Wer heute noch suggeriert, es sei nur ein rot-grünes Problem, dass wir in Schleswig-Holstein Haushaltsprobleme haben, der verschließt die Augen vor der bitteren Realität und erweckt bei den Menschen unerfüllbare Hoffnungen.

Bei den Entscheidungen in den nächsten Wochen ist für meine Fraktion wichtig, dass wir das Gleichgewicht halten zwischen notwendigen Sparmaßnahmen und notwendigen Ausgaben. Ein pures Weiter-so im

(Monika Heinold)

Ausgabebereich wäre genauso töricht wie das Einstellen aller Investitions- und Förderprogramme. Noch setze ich auf kluge bundespolitische Reformentscheidungen, denn auch CDU-geführte Länder können sich eine Blockadepolitik im Bundesrat nicht mehr leisten. Die CDU-FDP-Landesregierung in Baden-Württemberg musste gerade ihr Ziel aufgeben, vom Jahre 2006 an keine neuen Kredite mehr aufzunehmen. Die CDU-Regierung im Saarland ist mit der Haushaltssanierung gescheitert trotz der noch bis 2004 laufenden Sonderzahlungen des Bundes. Meine Damen von der Opposition, helfen Sie uns also, die Bundespolitiker zum Jagen zu tragen. Damit helfen Sie dem Land nachhaltiger als mit dem Recyceln von Textbausteinen aus früheren Reden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile das Wort der Frau Abgeordneten Frau Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch der SSW hat bereits bei der Verabschiedung des Nachtraghaushaltes in der letzten Landtagssitzung darauf hingewiesen, dass die Mai-Steuerschätzung weitere Steuereinnahmeverluste aufzeigen wird. So kam es ja auch. Für den laufenden Haushalt 2003 prognostizierten die Steuerschätzer Mindereinnahmen in Höhe von weiteren 175 Millionen € für das Land. Deshalb ist es sicherlich nicht verkehrt zu sagen, dass der beschlossene Nachtragshaushalt schon eine Woche später nicht das Papier wert war, auf dem er geschrieben ist.

Die FDP fordert nun in ihrem Antrag, dass die Landesregierung sofort, das heißt, heute in der 34. Sitzung, einen neuen Nachtragshaushalt einbringt, um die durch die Mindereinnahmen für 2003 entstandenen Haushaltslöcher zu stopfen und dass dazu mindestens 75 % der für 2003 vorgesehenen globalen Minderausgaben durch Kürzungen bei konkreten Haushaltstiteln erwirtschaftet werden. Die erste Forderung, die Mindereinnahme von 175 Millionen € zu erwirtschaften, wird nur mit enormen Sparanstrengungen möglich sein. Es stellt sich allerdings in dieser wirtschaftlich angespannten Lage die Frage, ob diese erneuten Einsparungen sinnvoll sind oder ob sie nicht geradezu kontraproduktiv wirken würden.

Der Finanzminister erklärte in Verbindung mit der Mai-Steuerschätzung, dass „die durch die weltweite Konjunkturflaute und hohe Arbeitslosigkeit erzeugten Steuereinbrüche in dieser Höhe noch nicht da gewe

sen sind, und deshalb ist ein einfaches Wegsparen solcher Summen weder vertretbar noch möglich“. Der SSW kann diese Einschätzung voll und ganz unterstützen. Man kann als Finanzminister in einer solchen Situation nicht nur stur als Buchhalter agieren, sondern muss auch versuchen, antizyklisch zu reagieren. Das tut man in einer wirtschaftlichen Krise am besten, indem man die so genannten automatischen Stabilisatoren aktiviert. Das heißt beispielsweise, man versucht nicht bei Steuereinbrüchen die Lage durch weitere Sparmaßnahmen zu verschlechtern. Mit einem Satz, fantasieloses Sparen bei den öffentlichen Ausgaben wird die Finanzkrise nur verschlimmern. Nichts anderes würde die kurzfristige Umsetzung des FDP-Vorschlages bedeuten.

Den zweiten Teil der FDP-Forderung, nämlich die Auflösung der jetzt schon beschlossenen globalen Minderausgaben für 2003 steht der SSW positiv gegenüber. Schon seit Jahren kritisieren der Finanzausschuss und auch der Landesrechnungshof, dass die Landesregierung mit zu vielen und zu hohen globalen Ansätzen im Haushaltsvollzug arbeitet. Wir meinen, es ist wichtig, dass das Parlament die Kontrolle über die geplanten Einsparungen der Landesregierung behält. Bei vielen globalen Minderausgaben wissen wir aber erst am Ende des Jahres, wo die Landesregierung gespart hat. Das kann nicht im Sinne des Erfinders sein. Das Parlament muss die Kontrolle über die Haushaltspolitik behalten. Das gilt im Übrigen auch in Bezug auf Haushaltssperren. Auch hier haben wir viel zu oft die Erfahrung gemacht, dass vom Landtag beschlossene Ansätze gekürzt werden.

Daher würde der SSW immer einem Nachtragshaushalt statt einer Haushaltssperre den Vorzug geben; denn dann können wir hier im Landtag konkret darüber beraten und beschließen.

So waren auch meine Ausführungen zu diesem Thema in der Landtagssitzung im Mai zu verstehen. Wenn es aktuell keine Haushaltssperre gibt - es gibt sie nicht -, dann können wir damit leben, dass wir vorläufig keinen weiteren Nachtrag beschließen. Wir werden ihn im Herbst bekommen; das wissen wir alle. Daran wird kein Weg vorbeiführen. Damit laufen wir natürlich Gefahr, dass erst nach der Steuerschätzung im November auf die neuesten Steuerdaten reagiert werden kann. Das führt zwangsläufig dazu - das muss man ehrlicherweise sagen -, dass wir uns dem Risiko einer erneuten Überschreitung der Kreditobergrenze aussetzen. Aber in der jetzigen Situation sehen wir wohl oder übel keine andere Möglichkeit als abzuwarten.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile das Wort dem Finanzminister, Herrn Dr. Stegner.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Debatte, die wir heute Morgen zur Regierungserklärung geführt haben, hat gezeigt, dass wir uns in einer besonderen Situation befinden. Wir brauchen eigentlich den Mut zu einschneidenden Reformen, den Mut zu erkennen, dass wir die gewöhnlichen Pfade verlassen müssen. Ich muss Ihnen aber ehrlich sagen: Im Gegensatz zur Regierung hat die Opposition wirklich nichts zu bieten. Es gab heute Morgen Widersprüche, die alten Stehsätze und Klamauk. Das, was Sie vorgetragen haben, Herr Kubicki, war zum Teil in der Nähe vom Karneval.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das muss Ihnen in Ihrer Art doch entgegenkommen, Herr Fi- nanzminister!)

Aber es gab nichts dazu, was Konzepte wären.

Eigentlich wäre unter solchen Umständen ein Nachtrag normal. Aber die Lage ist eben nicht normal. Die Steuerschätzung im Frühjahr ist kein verlässlicher Indikator für das, was passiert. Das war sie bereits im letzten Jahr nicht. Im letzten Jahr hatten wir weder einen Irakkrieg noch eine Debatte um Sozialreformen, noch die Dinge mit der Beamtenbesoldung. Das sind keine Entschuldigungen, sondern Erklärungen. Ich will Ihnen ehrlich sagen: Die prognostizierten Steuerausfälle, auf denen dieser Antrag beruht, haben sich in Schleswig-Holstein noch gar nicht ergeben. Wir sind im Augenblick Geberland. Das werden wir leider nicht mehr sein, wenn der Finanzausgleich kommt. Aber real kommt es eben zu Verwerfungen.

Mein lieber Herr Garg, der Finanzminister drückt sich vor gar nichts, vor Ihnen schon gar nicht. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Sie drücken sich eher vor der Komplexität dieses Themas.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bleibe dabei: Rhetorisch hübsch, aber intellektuell nicht zureichend; denn Sie müssen die Komplexität erkennen. Sich nicht drücken, heißt eben auch zu sagen: Wir haben im Lande zu tun, was zu tun ist. Wir müssen Verwaltungsreformen mit den Kommunen machen. Wir müssen in Berlin für eine Umsteuerung bei den sozialen Sicherungssystemen streiten. Übrigens ist es völlig schnurz, Herr Kubicki, wer der Meinung zustimmt oder nicht oder ob man schon

Mehrheiten hat oder nicht. Dass Sie in der Minderheit sind, sind Sie ja im Übrigen gewöhnt. Das wird, fürchte ich, auch noch ein Weilchen so bleiben.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir befinden uns mitten in einem Prozess der Umgestaltung der sozialen Sicherungssysteme. Wenn man in Brüssel ist, dann wird einem gesagt: Wachstum und damit auch die Steuererwartungen hängen sehr stark damit zusammen, ob uns das mit dem 80-MillionenVolk in der Mitte gelingt oder nicht. Deswegen ist das so wichtig. Deswegen geht es nicht mit dem Kleinklein. Es geht nicht, indem gesagt wird: „Machen Sie doch eine Haushaltssperre“ oder: „Können wir nicht hier ein bisschen nachbessern und dort ein bisschen nachbessern?“ Das ist unzureichend. Wir werden mit den Kommunen über neue Aufgabenerledigungen und damit auch über neue Finanzströme zu verhandeln haben.

Wir befinden uns mitten in der Entscheidung darüber, ob wir mit gemeinsamer Anstrengung ein Ende der Schwächephase und einen nachhaltigen Aufschwung für unsere Volkswirtschaft mit mehr Arbeitsplätzen hinbekommen oder ob wir uns in Parteiengezänk verheddern. Es ist doch ganz simpel: Wir haben zu viele Arbeitslose. Wir haben zu wenig Steuer- und Beitragseinnahmen und zu viele Transferzahlungen. Dieser Komplex muss aufgebrochen werden und nichts anderes. Sonst kommt man an die hauptsächlichen Ursachen nicht heran.

Dabei halte ich es für nachrangig, wann das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht für gestört erklärt werden muss. Ich finde es nicht schön, wenn das geschieht. Aber dass Sie das überrascht, Herr Wiegard, wundert mich schon. Das hat der Bundesfinanzminister nämlich schon erklärt; das ist nachzulesen. Insofern wundere ich mich, dass das für Sie eine Erkenntnis ist, im Hinblick auf die Sie noch spekulieren.

Die gegenwärtige konjunkturelle und finanzielle Lage in der Bundesrepublik kann ein Land wie SchleswigHolstein durch einfache Sparpolitik nicht beherrschen. Sie haben uns damals übrigens ein Armenhaus übergeben, was die Verschuldung angeht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Widerspruch bei der CDU)

Dies befand sich - das hat die Ministerpräsidentin heute gesagt - in einem verheerenden Zustand, angefangen von den Bahnstrecken bis zur Kindergartenversorgung, von der Psychiatrie bis zur Hochschulstruktur. Das haben wir alles geändert. Dabei hatten

(Minister Dr. Ralf Stegner)

Herausgegeben vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags - Stenographischer Dienst

Sie damals bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen, als wir sie heute vorfinden.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben im Mai einen Nachtragshaushalt vorgelegt, der Impulse für den Bildungsstandort SchleswigHolstein gegeben hat. Wir haben einen Feuerwehrtopf gegen Unterrichtsausfall finanziert und den Zuschuss an die Hochschulen erhöht.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wo denn?)

Das sind alles Dinge, die etwas mit Handeln und Verantwortung zu tun haben und nicht mit Kritisieren und Kleinteiligkeit.

Ich sage Ihnen auch: Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Aufstellung des Doppelhaushalts und den bundespolitischen Prozessen, an denen wir uns durchaus selbstbewusst beteiligen, mögen wir ein noch so kleines Land sein und mögen wir auch manchmal noch für Mehrheiten streiten müssen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie Ihren Sprüchen dann auch Taten folgen lassen würden, wenn wir über Subventionsaufbau reden, dann hätten wir sofort Entlastungen in unserem Haushalt. Das tun Sie aber nicht. Sie stimmen dagegen und lassen die Kommunen im Regen stehen. Das war nämlich das Ergebnis der Blockadepolitik im Bundesrat, in dem die FDP dagegen und die CDU völlig zerstritten gewesen ist. Das ist eben so.

Was die Beamten angeht, so muss ich - das muss ich Ihnen ehrlich sagen - richtig lachen. Da geht sozusagen Ihr Stammtischredner herum und redet von Massenentlassungen. Das wollen wir in der Tat nicht. Aber sich auf der anderen Seite nicht einmal trauen, den eigenen Beschäftigten etwas zum Thema Urlaubsgeld zu sagen und stattdessen hier über Konjunkturbelebung zu schwadronieren, das ist doch richtiger Unfug. Das wissen Sie selbst. Das ist Mutlosigkeit. Das ist Mutlosigkeit, lieber Herr Garg.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das werden wir nicht tun. Wir werden sagen, was zu tun ist. Ich halte es für effizienter, die Kräfte für ein

Gesamtkonzept zu nutzen, das die Konjunktur stimuliert und die Haushalte konsolidiert, anstatt solche Dinge zu tun.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Dazu tragen Sie gerade bei!)

Wir wollen keine konjunkturpolitische Vollbremsung. Wir wollen keinen Schnellschuss ohne vernünftige Datenbasis, sondern wir wollen ein vernünftiges Konzept für mehr Wachstum und Beschäftigung.

Die Frau Ministerpräsidentin hat heute Morgen die Richtlinien der Politik der Landesregierung dargestellt. Sie haben demgegenüber die Nichtlinien Ihrer politischen Vorstellungen dargeboten.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieser Antrag von Herrn Garg ist eine rein populistische Veranstaltung. Die teilweise Auflösung der globalen Minderausgabe werden Sie - wie immer - im Halbjahresbericht erhalten. Ein Nachtrag im August müsste das sein, was die Opposition der Regierung immer vorwirft: eine Luftbuchung. Für die Rolle als Erfüllungsgehilfen von düsteren Prophezeiungen der Opposition müssen Sie sich jemanden anders suchen.