Protocol of the Session on May 7, 2003

- Ja, ich habe sehr viel Verständnis dafür.

(Zuruf des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

Entweder gilt, dass das, was Sie auf den Weg gebracht haben, richtig war, dann müssen Sie aber erklären, warum Sie es heute zurücknehmen, oder es war nicht richtig, dann ist es begründet, dass Sie es zurücknehmen.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Zu erklären, der öffentliche Druck sei zu stark geworden, reicht mir als Erklärung schlicht und ergreifend nicht aus; denn wir haben - das ist unstreitig - mit diesem Gesetzentwurf - auch wenn die ökonomischen Auswirkungen in der einen oder anderen Form nicht von allen getragen werden - einen verfassungsgemäßen Zustand hergestellt, der jetzt wieder beseitigt wird beziehungsweise der jetzt wieder als verfassungswidriger Zustand beibehalten werden soll.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich sage ausdrücklich, dass kein Abgeordneter, der dem Diätenstrukturreformgesetz zugestimmt hat, deswegen unmoralisch gewesen ist. Ich sage ausdrücklich, dass kein Abgeordneter, der seine Zustimmung verweigert hat, deshalb moralisch gewesen ist. Ich will das zu erklären versuchen. Es ist unser aller Aufgabe - mit dieser Frage muss sich der Ältestenrat beschäftigen -, ob wir es zulassen dürfen, dass Abgeordnete wegen ihres Abstimmungsverhaltens quasi steckbrieflich gebrandmarkt werden, wie es durch eine große deutsche Tageszeitung geschehen ist. Ich halte das Vorgehen der „Bild“-Zeitung unter demokratischen, parlamentarischen und rechtsstaatlichen Gesichtspunkten für unvertretbar und unverantwortbar. Das sage ich ausdrücklich.

(Beifall bei FDP, SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich halte mittlerweile auch den Steuerzahlerbund als Gesprächspartner für nicht mehr akzeptabel.

(Beifall)

Das gilt für meine gesamte Fraktion. Das habe ich übrigens auch öffentlich erklärt.

(Zuruf)

- Das kommt überhaupt nicht spät, Herr Kollege. Das habe ich öffentlich erklärt. Ein Geschäftsführer, der erklärt, man müsse juristisch prüfen lassen, ob Abgeordnete wegen ihres Abstimmungsverhaltens strafrechtlich wegen Untreue zur Verantwortung gezogen werden sollen, und dafür auch noch Geld ausgibt, ein Geschäftsführer, der einen solchen Unsinn erzählt, macht sich selber des Verdachts schuldig, eine Untreuehandlung zulasten der Mitgliedsbeiträge zu begehen. Denn das ist offensichtlicher Unsinn, wie ein Blick in Artikel 24 der Landesverfassung zeigt.

(Beifall)

Ich will ausdrücklich sagen - hier schließe ich an das an, was die Kollegen Hay und Kayenburg gesagt haben; ich will es auch auf meine eigene Partei beziehen -, dass ich Erklärungen wie beispielsweise die meines Landesvorsitzenden Jürgen Koppelin, den ich persönlich sehr schätze - wir sind befreundet -, ich rufe die Landesvorsitzenden zusammen und wir drei beschließen ganz schnell, wie eine Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Landtages aus den Angeln gehoben werden kann, oder meiner Generalsekretärin aus Berlin - die scheint das aus früherer Zeit noch so gewohnt zu sein -, verfassungsgemäß zustande gekommene Entscheidungen eines Parlaments aus den Angeln heben zu wollen, gerade unter dem Aspekt der Akzeptanz des parlamentarischen Systems für unverantwortlich halte. Parlamentarier, die so etwas äußern, legen selbst die Axt an die Wurzeln des Systems, das sie angeblich zu verteidigen trachten.

Weil ich das sage, habe ich die herzliche Bitte an die Abgeordneten dieses Hauses, uns etwas mehr Zeit bei der Frage zu lassen, wie wir den eingetretenen Schaden ausgleichen können.

(Beifall - Zuruf)

- Herr Wiegard, Sie haben schon so viel entschieden und so viel erklärt. Ich verlange von Ihnen lediglich, etwas nachzudenken und nicht hopplahopp zu sagen: Wir haben die Mehrheit, wir machen das. Ich will Ihnen die Problemlage schildern, vor der ich stehe und auf die ich keine Antwort habe. Es mag sein, dass die im Hause vertretenen Juristen darauf sofort

(Wolfgang Kubicki)

schlüssige Antworten haben, ohne weiter darüber nachdenken zu müssen. Aber möglicherweise wird es Probleme an anderen Stellen geben.

Das erste Problem, das ich schildern will, haben wir als Landtag. Ich habe von dem Fraktionsvorsitzenden der SPD und dem Fraktionsvorsitzenden der CDU vernommen, dass nicht daran gedacht ist, noch in dieser Legislaturperiode eine Diätenstrukturreform ins Werk zu setzen. Das bedeutet: Beide Fraktionsvorsitzenden erklären, dass sie, obwohl bereits ein verabschiedetes und ausgefertigtes, das heißt mit einem Verkündungsbefehl versehenes Gesetz, das einen verfassungskonformen Zustand herstellt, beschlossen worden ist, den Landtag verpflichten wollen, an der Aufrechterhaltung eines verfassungswidrigen Zustandes festzuhalten. Darüber muss man nachdenken.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich habe Zweifel daran, ob die Ministerpräsidentin, sollte das je beschlossen werden, überhaupt befugt ist, dieses Gesetz auszufertigen. Sie muss darüber sehr intensiv nachdenken. Denn dadurch, dass dieses Gesetz, das bereits ausgefertigt ist, durch ein Gesetz revidiert werden soll, das für sie erkennbar einen verfassungswidrigen Zustand aufrechterhält, muss sie im Rahmen ihrer Prüfungskompetenz entscheiden, ob ein offensichtlich verfassungswidriges Gesetz verkündet werden darf, ob sie das ausfertigen darf. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Debatte, die mit dem Bundespräsidenten Johannes Rau anlässlich der Frage Ausfertigung und Verkündung des Zuwanderungsgesetzes und der Frage der Kompetenz zur teilmateriellen Prüfung geführt worden ist. Diese Frage ist nicht schlüssig beantwortet worden, übrigens auch nicht durch den Wissenschaftlichen Dienst, von dem wir heute dankenswerterweise einen Zweiseitensatz auf den Tisch bekommen haben. Er sagt im Wesentlichen nichts zu der Frage, ob das überhaupt möglich ist.

Was passiert eigentlich, wenn wir diese Frage nicht ausreichend geklärt haben und irgendein Abgeordneter des Landtages auf die Idee käme - wir müssen demnächst ja wieder über die Verfassungsgemäßheit der Angemessenheit der Entschädigung debattieren -, dies verfassungsrechtlich überprüfen zu lassen? Was passiert eigentlich - das ist eine spannende Frage -, wenn festgestellt werden sollte - ich kann diese Frage nicht beantworten -, dass unrechtmäßig gewesen ist, was hier passiert ist, mit möglichen Ansprüchen? Dann stellt sich die Frage, ob das ursprüngliche Gesetz seinerseits durch Verkündung in Kraft gesetzt werden muss.

Ich bitte einfach darum, dass wir uns etwas mehr Zeit nehmen, diese Vielzahl von Fragen juristisch sauber zu klären. Denn ich will mich mit meiner Fraktion - ich denke, alle anderen Beteiligten dieses Hauses ebenfalls - bei der Schadenswiedergutmachung, -begrenzung und -regulierung nicht erneut an einem Verfahren beteiligen, bei dem ich momentan mehr Fragen und Zweifel als sinnvolle und richtige Antworten habe.

(Beifall bei der FDP)

Ich will mir nicht von meinen Parteifreunden - Sie sicher auch nicht von Ihren Parteifreunden - oder von Verbänden - es sind nicht nur die Medien - irgendwann sagen lassen: Hier hat der SchleswigHolsteinische Landtag etwas sehenden Auges auf den Weg gebracht, was rechtlich so nicht haltbar ist.

Wir müssen zum Vertrauen in die Solidität unserer Arbeit zurückfinden. Wenn der Eindruck entsteht, alles sei beliebig, wird irgendwann die Frage gestellt werden, ob man tatsächlich 69 Abgeordnete oder überhaupt Abgeordnete braucht. Wenn wir aufhören, Rechtmäßigkeit und Verfassungsmäßigkeit als oberstes Gebot anzusehen, indem wir nur sagen, wir beschließen das jetzt, werden wir ein Problem bekommen. Es wird einen Sturm geben, verglichen mit dem das, was bisher passiert ist, ein laues Lüftchen ist. - Ich verstehe, Sie schütteln den Kopf. Aber alle haben auch den Kopf geschüttelt, als wir am 2. April und davor diese Frage debattiert haben. Ich habe Abgeordnete dieses Hauses erlebt, die öffentlich erklärt haben, sie hätten gar nicht gewusst, worüber sie entschieden haben. Ich will das gar nicht zitieren. Ich habe auch aus Ihrer Fraktion Abgeordnete erlebt, die gesagt haben: Wenn ich gewusst hätte, was da auf den Weg gebracht worden ist - -

(Zuruf)

- Herr Wiegard, ich kann das zitieren, wenn Sie wollen. Ich will das aber nicht. Ich will Sie lediglich davor bewahren, in gleicher Weise in einen Fehler hineinzugehen, von dem ich glaube, dass er ein großer Fehler wäre.

Deshalb noch einmal die dringende Bitte von den drei kleinen Fraktionen: Nehmen wir uns mehr Beratungszeit, um einen Zustand herzustellen, der von allen in diesem Hause getragen werden kann.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Heinold das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte um das Abgeordnetengesetz hat viel Porzellan zerschlagen: unter den Abgeordneten, unter Parteimitgliedern, zwischen Politik und Journalisten! Damit müssen wir leben. Politik ist ein hartes Geschäft. Offener Streit in der Sache gehört zur Demokratie.

Aber - das ist der eigentliche Schaden, der entstanden ist - es gibt einen erheblichen Verlust an Vertrauen zwischen den Menschen im Lande und uns Politikern. Den haben wir verursacht.

Die Beschimpfungen der letzten Tage, ob per Mail oder mündlich - Herr Hay hat darauf hingewiesen, unter welchem Druck einige Abgeordnete standen -, haben uns gezeigt, wie stinkesauer die Bürgerinnen und Bürger im Lande sind, wie wenig Verständnis sie für das beschlossene Gesetz hatten.

Die Demokratie hat Schaden genommen. Der Landtag wird viele gute Beschlüsse fassen müssen, um das wieder wettzumachen. Wer jetzt der Presse dafür die Schuld gibt, verkennt die Realität.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Die Vertreter der Medien hatten den Vorschlag der Benda-Kommission gelobt, obwohl er die Erhöhung der Grunddiät auf ein Richtergehalt vorsah. Ich bin bereits im März 2001, also weit vor dem Bericht der Kommission, mit dem Vorschlag an die Öffentlichkeit gegangen, die Grunddiäten deutlich anzuheben, und zwar um 20 % bis 30 % - nachzulesen in der „Landeszeitung“ vom März 2001 -, den Landtag zu verkleinern und eine eigenständige Altersversorgung für die Abgeordneten einzuführen. Die Berichterstattung dazu war gut.

Die Schärfe in der öffentlichen Debatte kam erst, als nachgerechnet und damit deutlich wurde, dass CDU und SPD ein Gesetz vorgelegt hatten, welches in weiten Teilen nicht dem Vorschlag der BendaKommission oder gar dem Urteil des Verfassungsgerichts entsprach. Es sind folgende Bestandteile, welche die Diätenreform nicht tragbar gemacht haben: die Erhöhung der Altersversorgung um 25 %, Altersversorgungsansprüche für Abgeordnete in Höhe von circa 1.000 €, welche nur eine Legislaturperiode im Landtag sind, und die überdimensionale Anhebung der Diäten für die Parlamentarier, die schon jetzt hohe Funktionszulagen haben.

Welchen Grund gab es, meine Diät um 2.800 € brutto zu erhöhen?

(Holger Astrup [SPD]: Eigentlich gar kei- nen!)

Weder das Verfassungsgericht noch die BendaKommission rechtfertigen diese drastische Erhöhung der Gehälter für die Funktionsträger.

(Zuruf des Abgeordneten Thorsten Geißler [CDU])

- Herr Geißler, im März 2001 war ich die Erste, die Ja gesagt hat zu einem höheren Grundgehalt für alle Abgeordneten und zu einer eigenständigen Altersversorgung, 20 bis 30 %.

(Thorsten Geißler [CDU]: 25 bis 30 %!)

- Es können auch 25 bis 30 % gewesen sein. Ich habe das in der „Landeszeitung“ noch einmal nachgelesen. Da war von 20 bis 30 % die Rede.

(Zuruf des Abgeordneten Thorsten Geißler [CDU])

- Ich glaube Ihnen, dass im „Fördewind“ 25 bis 30 % standen. Ich habe selbst gesagt: bis 30 %. Das ist nicht der Dissens. Wir haben eine eigenständige Altersversorgung gefordert. Sie waren dagegen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Wir haben die Verkleinerung des Landtags gefordert. Sie waren dagegen.