Ich bedauere, dass die Debatte an Schärfe zugenommen hat; das hätte nicht Not getan. Aber ich sehe, der Kollege Hentschel sitzt schon wieder sehr entspannt auf seiner Abgeordnetenbank. Das beruhigt mich ein Stück weit.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, zwei kurze Bemerkungen! Es ist nicht Aufgabe der Opposition - das erklärt auch mein Eingangsstatement an dieser Stelle -, Streicheleinheiten an die Regierung oder die Regierungsfraktionen zu verteilen. Deswegen habe ich mir schon erlaubt, etwas pointiert die Äußerungen, die seitens der Regierung und auch der Regierungsfraktionen im Raum stehen, aufzuzeigen - Kollege Schlie hat das noch einmal aufgegriffen -, und habe daraus meine politischen Schlüsse gezogen. Herr Kollege Astrup, dass das unredlich gewesen wäre, glaube ich eigentlich nicht, sondern ich halte das für politisch zulässig.
Ich habe aber durchaus zur Kenntnis genommen - hören Sie weiter zu, denn gleich wird es wenigstens für die Sozialdemokraten erfreulich -, dass Sie für die SPD-Fraktion und auch der Herr Innenminister in seinem zweiten Statement klipp und klar gesagt haben: Es wird an dieser Stelle durch die Sozialdemokraten, die die politische Verantwortung im Lande tragen, keinen gesetzlichen Zwang von oben nach unten geben. Das nehmen wir zur Kenntnis.
Da sind wir in der ganzen Debatte einen Schritt weiter. Ich nehme aber genauso zur Kenntnis, dass es genau in diesem Punkt einen Dissens mit den Grünen gibt,
die durch ihren Fraktionsvorsitzenden und Herrn Matthiessen klipp und klar erklärt haben, sie sähen sich als Landesgesetzgeber in der Verantwortung und wollten etwas ändern.
Damit habe ich meinen Job schon getan; ich habe festgestellt, dass sich die Regierungsfraktionen nicht einig sind.
- Das ist der verfassungsrechtliche Auftrag der Opposition. - Herr Kollege Hentschel, seien Sie entspannt! Ich sehe unseren Auftrag durchaus weiter gehend. Wir werden anknüpfen an das, was Kollege Schlie hier angerissen hat
Meine sehr verehrten Damen und Herren, seien Sie doch nicht immer so schüchtern und zurückhaltend, seien Sie sich doch auch einmal Ihrer Rolle bewusst! Wir werden Sie, die Regierungsfraktionen und die Landesregierung, nicht aus Ihrer politischen Verantwortung entlassen.
Dann haben wir in der Tat die Aufgabe, nicht nur Nein zu sagen, sondern auch konstruktive Gegenvorschläge zu machen.
(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dazu wäre heute eine phantasti- sche Gelegenheit gewesen!)
Ich muss darauf hinweisen, wenn wir nur an die Vorschläge der Enquetekommission von 1995 denken, außer der Verlagerung der Zuständigkeit für Modellflugzeuge, wer deren Steigenlassen oder Nichtsteigenlassen genehmigen darf, ist nicht viel entschieden.
Eine Schlussbemerkung! Seien wir uns der kommunalen Strukturen insgesamt bewusst! Wenn wir hier leichtfertig davon reden, es sei innovativ und modern, Verwaltungsstrukturen für eine Größe von 25.000 Einwohnern zu haben
sollten wir uns bewusst sein, dass gerade an der Westküste oder im ländlichen Raum 25.000 Einwohner ein riesiges Gebiet sind, wo die Leute sehr weit fahren müssen. Ob das modern, zukunftsgerich
Herr Abgeordneter, in Ihrem Interesse hoffe ich nicht, dass es Ihr letzter Gedanke war. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Deswegen muss ich die Beratung jetzt schließen. Ich schlage Ihnen vor, dass wir den Bericht zur abschließenden Beratung an den Innen- und Rechtsausschuss überweisen. Wer dem folgen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke sehr, das sind alle; dann brauche ich nicht dagegen zu fragen.
Die Sitzung ist wieder eröffnet. Ich möchte zunächst die Besucherinnen und Besucher begrüßen. Auf der Tribüne haben Mitglieder der CDU-Seniorenunion Malente Platz genommen. - Herzlich willkommen!
Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur tariflichen Entlohnung bei öffentlichen Aufträgen (Tariftreuegesetz)
Gesetzentwurf der Fraktion von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten des SSW Drucksache 15/2094
Ich erteile zunächst der Berichterstatterin des Wirtschaftsausschusses, Frau Abgeordneter Strauß, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entwurf eines Gesetzes zur tariflichen Entlohnung bei öffentlichen Aufträgen ist dem Wirtschaftsausschuss federführend und dem Innen- und Rechtsausschuss mitberatend durch Plenarbeschluss am 13. September 2002 zur Beratung überwiesen worden. Der Wirtschaftsausschuss hat sich mit dem Gesetzentwurf in seinen Sitzungen am 25. September und am 27. No
vember 2002 im Rahmen einer umfangreichen Anhörung sowie in weiteren Beratungssitzungen am 15. Januar und am 12. Februar 2003 befasst.
Gestatten Sie mir an dieser Stelle schwerpunktmäßig ein paar Hinweise zum Anliegen des Gesetzes und zum Hintergrund des Gesetzgebungsverfahrens. Kern des vorliegenden Gesetzentwurfes ist die Einführung eines Lohnes am Ort der Leistungserbringung als verbindliches Vergabekriterium. Zu diesem Zweck teilt das Ministerium für Soziales dem öffentlichen Auftraggeber die jeweils geltenden Lohn- und Gehaltstarife mit. Der öffentliche Auftraggeber benennt die jeweils geltenden Lohn- und Gehaltstarife in der Bekanntmachung des vorgesehenen Auftrages und in den Vergabeunterlagen. Um sicherzustellen, dass möglichst große Teile der öffentlichen Aufträge in den Geltungsbereich des Gesetzes fallen, wird in § 2 Abs. 2 nunmehr festgeschrieben, dass dieses Gesetz für Aufträge bereits ab einem geschätzten Auftragswert von 10.000 € Geltung erlangt. Öffentliche Aufträge dürfen nur an Unternehmen vergeben werden, die sich schriftlich verpflichten, die in § 3 skizzierten Bedingungen zu erfüllen.
Durch die nunmehr gegenüber der Ursprungsfassung vorgenommene Streichung von § 3 Abs. 2 und die Änderungsformulierung in § 3 Abs. 1 rückt der Gesetzentwurf in der Fassung des Ausschussvorschlages von einer repräsentativen Regelung ab und schreibt einem am Ort der Leistungserbringung geltenden Tarifvertrag vor. Die Streichung des Abs. 2 in § 3 hat zur Folge, dass der Auftraggeber nicht selbst festlegt, welcher Tarifvertrag anzuwenden ist. Die Neufassung regelt vielmehr, dass sich diejenigen, die im Rahmen einer Ausschreibung bieten, verpflichten müssen, einen Tarifvertrag anzuwenden. Die Ausschussmehrheit sieht in dieser Verpflichtung eine Möglichkeit, Lohndumping abzuwenden. Tarifverträge, die zwar rechtmäßig geschlossen sind, aber unterhalb der vom öffentlichen Auftraggeber genannten Lohn- und Gehaltstarife liegen, dürfen zur Kalkulation eines Angebotes nicht angewandt werden.
Zum Anwendungsbereich des vorliegenden Gesetzentwurfes: Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf sieht als verbindlichen Anwendungsbereich für die Bauwirtschaft die Landesebene vor. Für die Anwendung im kommunalen Bereich ist eine Kann-Bestimmung eingefügt worden.
Gegenüber der Ursprungsfassung mit der umfassenden Formulierung öffentlicher Personennahverkehr sieht der vorliegende Gesetzentwurf nunmehr eine Einschränkung auf den Schienenpersonennahverkehr vor. Dabei ist hier darauf hinzuweisen, dass der SPNV, bezogen auf die Tariftreue, gemäß des vorlie
genden Gesetzentwurfs in einer zuvor vom Landtag im Oktober 2002 getroffenen Entscheidung explizit ausgeschlossen wurde. Der Ihnen vorliegende Vorschlag des Ausschusses empfiehlt, den Busverkehr aus dem Anwendungsbereich herauszunehmen. Erklärend möchte ich darauf hinweisen, dass die Bezeichnung ÖPNV der verwendete Oberbegriff sowohl im Regionalisierungsgesetz als auch im ÖPNVGesetz ist und sowohl den SPNV als auch den Busverkehr umfasst.
Hintergrund für die Herausnahme des Busverkehrs aus dem Anwendungsbereich dieses Gesetzentwurfes war die Diskussion über die Konnexität. Zunächst hatte das Wirtschaftsministerium nach Absprache mit dem Innenministerium keine Konnexität gesehen, da der ÖPNV als Busverkehr nach dem ÖPNV-Gesetz eine freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe sei. Nach Intervention meiner Person am Rand der Landtagssitzung am 18. Dezember 2002 bezüglich der Richtigkeit dieser Aussage in Bezug auf die Schülerbeförderung als großer integraler Bestandteil des ÖPNV bei Staatssekretär Rocca teilte das Wirtschaftsministerium nach nochmaliger Rücksprache mit dem Innenministerium im Januar, Umdruck 15/2899, mit, dass nach § 80 des Schulgesetzes die Schülerbeförderung eine Pflichtaufgabe und daher Konnexität gegeben sei. Dieser Aspekt hat nach Aussage der Ausschussmehrheit zu der Ihnen vorliegenden geänderten Formulierung im Anwendungsbereich, in den §§ 1 und 2, geführt.
Neu hinzugekommen ist in dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf der Anwendungsbereich der Abfallentsorgungswirtschaft.
Der Ausschuss hat am 27. November 2002 eine umfangreiche Anhörung durchgeführt. Die Stellungnahmen der Teilnehmer zur ursprünglichen Formulierung des Gesetzentwurfs liegen Ihnen in einer Vielzahl von Umdrucken und in einem ausführlichen 45-seitigen Protokoll vor.