Protocol of the Session on July 13, 2000

Frau Schmitz-Hübsch, im Gegensatz vielleicht zu Ihnen und auch zu Frau Happach-Kasan meine ich, dass immer noch Handlungsbedarf besteht. Das bestätigt gerade die von der Bundesfrauenministerin Christine Bergmann vorgestellte Studie des AllensbachInstituts. Danach ist die Unzufriedenheit, was die Gleichbehandlung der Geschlechter angeht, sogar leicht gewachsen. Die größten Nachteile empfinden die Frauen im Berufsleben. 86 % aller Frauen beurteilen ihre Verdienst- und Aufstiegschancen im Vergleich zu den Männern schlechter. Vielleicht wollen Sie das nicht zur Kenntnis nehmen. Wir jedenfalls sehen hierin ein Mittel, diese Situation zu verbessern.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist doch nicht so, dass nur zusätzlicher bürokratischer Aufwand entsteht. Zahlreiche Betriebe beweisen bereits heute, dass sie eine entsprechende Frauenförderung praktizieren und gerade darin Wettbewerbsvorteile sehen. Vielleicht nehmen Sie auch das einfach einmal zur Kenntnis.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Schmitz-Hübsch, Ihr letzter Satz in der Pressemitteilung der Wirtschafts- und Mittelstandsvereinigung der CDU ist schon zynisch. Sie schreiben: Wer

(Renate Gröpel)

gute Qualität zu einem guten Preis liefert, erhält den Zuschlag. Alles andere ist ineffizient und schadet mehr, als dass es hilft. - Es gehört schon etwas dazu zu sagen, dass frauenfördernde Maßnahmen mehr schaden, als dass sie helfen. Ich finde das unglaublich.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit tun Sie weder der Wirtschaft noch den Frauen einen Gefallen. Sie bauen hier etwas auf, was in der Praxis gar nicht zum Tragen kommen wird. Warten Sie doch bitte einmal ab. Der Katalog der frauenfördernden Maßnahmen in der Beschaffungsordnung läßt eine große individuelle Gestaltung in den Betrieben zu. Auch das Prinzip, dass öffentliche Aufträge nach der Wirtschaftlichkeit des Angebots vergeben werden, wird doch nicht außer Kraft gesetzt. Man kann schon einmal fragen, ob es nicht ein zahnloser Tiger ist; denn bei den vier Punkten kann bei fast jedem Betrieb ein Kreuz gemacht werden. Für diejenigen, die nicht einmal diese Grundvoraussetzungen erfüllen, wäre das schon - das tut mir furchtbar Leid - ein Armutszeugnis.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Die Landesregierung hat die Beschaffungsordnung zum 1. Juli 2000 erlassen. Das ist gerade einmal zwölf Tage her. Wir haben im Finanzausschuss der Errichtung der zentralen Beschaffung bei der GMSH zugestimmt. Lassen Sie doch die GMSH erst einmal arbeiten. Für den Fall, dass sich die Beschaffungsordnung in Teilen als nicht praktikabel erweisen sollte, geht die SPD-Fraktion davon aus, dass die Landesregierung selbstverständlich Anpassungen und Regulierungen vornehmen wird. Unser Ziel ist und bleibt eine effektive und kostengünstige zentrale Beschaffung. Wir sind sicher, dass die Beschaffungsordnung eine gute Grundlage bietet. Ihren Antrag werden wir ablehnen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile das Wort der Frau Abgeordneten Aschmoneit-Lücke.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Gröpel, wir sind uns sicherlich darüber einig, dass es viele Betriebe gibt, die freiwillig Frauenförderung betreiben. Selbstverständlich sind wir als F.D.P.-Fraktion mit diesen freiwilligen Maßnahmen sehr einverstanden. Wir sind der Auffassung, dass Frauenförderung nach wie vor notwendig ist.

Wir sprechen hier aber über einen ganz anderen Bereich. Wir sprechen über die Beschaffungsordnung. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass die Verwaltungsmodernisierung in Schleswig-Holstein nur in der Phantasie der Landesregierung vorankommt, dann ist es diese Landesbeschaffungsordnung.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Im Jahre 1997 - die Älteren von uns werden sich sicherlich noch daran erinnern - hat die F.D.P. vorgeschlagen, die Beschaffungsstelle im Innenministerium in eine zentrale Beschaffungsstelle umzuwandeln und eine Landesbeschaffungsordnung zu erlassen. Damals hieß es, der Innenminister sei natürlich schon viel weiter als die F.D.P. und habe bereits Pläne in der Tasche, die schon bald umgesetzt würden. Diese Pläne wurden so rasant umgesetzt, dass das Land inzwischen einen neuen Innenminister, aber noch immer keine anständige Beschaffungsordnung hat.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Durch die Überfrachtung mit vergabefremden Kriterien ist sie unpraktikabel, bürokratisch und in Teilen mit hoher Wahrscheinlichkeit auch rechtswidrig.

Frauenförderung ist eine allgemein anerkannte Querschnittsaufgabe der Politik. Was aber die Festschreibung in einer Landesbeschaffungsordnung bringen soll, ist mir jedenfalls nicht klar. Sie schreiben die Existenz eines Frauenförderplans in einem Unternehmen ab einem Beschaffungsvolumen von 20.000 DM oder bei einem Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten zwingend als Vertragsbestandteil vor. Das ist ein ultimativer Mittelstandskiller.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

20.000 DM sind bei dem, was durch eine zentrale Beschaffungsstelle beschafft wird, ein Klacks. Haben Sie eigentlich überprüft, wie viele der mittelständischen Unternehmen im Land einen Frauenförderplan haben? Wahrscheinlich nicht; denn sonst hätten Sie auf eine solche Regelung verzichtet. Wie wollen Sie deren Einhaltung eigentlich überprüfen? Sollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der GMSH einmal kurz bei den Unternehmen vorbeischauen und die Umsetzung der Frauenfördermaßnahmen überprüfen?

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Auf welcher Rechtsbasis soll denn eigentlich eine solche Überprüfung erfolgen? Die GMSH ist nach

(Christel Aschmoneit-Lücke)

meiner Auffassung jedenfalls noch keine Dependance der Polizei geworden. Haben Sie sich gefragt, was passiert, wenn Sie keinen Anbieter finden, der einen Vertrag mit der zwingenden Klausel, einen Frauenförderplan aufzustellen, akzeptiert? Ich denke etwa an die Firmen, die Sonderbedarfe decken, oder an diejenigen, die - wie hier im Landeshaus - zum Beispiel Gerüste aufbauen. Ich habe schon einmal darauf hingewiesen. Wir hatten Gelegenheit festzustellen, dass diese Firma, was bei der Art der Arbeit, der schweren körperlichen Arbeit, die da geleistet wird, auch selbstverständlich ist, eigentlich nicht so besonders viele Frauen dabei hatte.

Was machen wohl die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der GMSH in einer solchen Situation? Vergeben sie einen Auftrag ohne Frauenförderklausel, dann handeln sie vorschriftswidrig. Bestehen sie darauf, dann ist die Klausel eben doch nur ein weiteres Kapitel der traurigen Symbolpolitik. Da ist man bei dem Punkt angekommen, wo es den Frauen tatsächlich nichts nützt.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Zum Zweiten ist diese Verordnung zu Teilen mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig. § 106 Abs. 4 des Vergaberechts-Änderungsgesetzes vom 26. August 1998 schreibt vor, dass bei öffentlichen Aufträgen andere Anforderungen, so genannte vergabefremde Kriterien, an Auftragnehmer nur dann gestellt werden dürfen, wenn diese durch Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen sind. Außerdem - so die herrschende Meinung im Schrifttum - müssen die vergabefremden Kriterien im Einklang mit den Vorgaben des europäischen Rechtes stehen. Regelungen durch bloße Verwaltungsvorschriften sind allenfalls für diejenigen Aufträge zulässig, die die Schwellenwerte der EU-Richtlinie nicht erreichen und daher nach § 100 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen nicht unter den Vierten Teil dieses Gesetzes fallen. Das sind nach Auskunft des Wissenschaftlichen Dienstes des Landtages Beschaffungen unterhalb von 20.000 DM Gesamtumfang.

(Renate Gröpel [SPD]: Das GMSH-Gesetz ist ein Landesgesetz!)

Für solche Aufträge, Frau Gröpel, ist eine Regelung in der untergesetzlichen Beschaffungsordnung ausreichend. Aber hier sind gerade die Aufträge betroffen, die darüber liegen.

Frau Abgeordnete, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Frau Kollegin Gröpel, Sie haben darauf hingewiesen, dass europarechtlich im Prinzip dagegen nichts einzuwenden ist. Dem stimme ich zu. Aber es besteht weiterhin die Frage: Haben wir eine gesetzliche Grundlage, die eine solche Beschaffungsordnung und damit die Beschaffungsverträge tatsächlich rechtfertigt?

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Hentschel.

Sehr verehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Ich werde jetzt nicht in die Falle tappen und mich auf eine juristische Auseinandersetzung mit einer Rechtsanwältin einlassen. Das überlasse ich der Justizministerin. Ich möchte aber auf die grundsätzliche Argumentation eingehen, die dem Antrag zugrunde liegt und die von Frau Schmitz-Hübsch vorgetragen worden ist.

Ich halte es in der Tat für eine Selbstverständlichkeit, dass bei Vergabe öffentlicher Aufträge dem wirtschaftlichsten Anbieter der Zuschlag erteilt wird. Wir haben genügend Erfahrungen, welche Folgen freihändige Vergabe und beschränkte Ausschreibung - Korruptionserscheidungen - haben können und auch haben, wie wir es in Kiel und im Land erfahren haben.

Wenn aber die CDU die Auffassung vertritt, dass neben der Wirtschaftlichkeit keine weiteren Kriterien in die Bewertung eines Angebots einfließen sollten, stelle ich fest, dass wir anderer Auffassung sind. Da stehen wir in breiter Übereinstimmung mit Bundesrecht, Europarecht und vielen Fachleuten in dieser Angelegenheit.

Gerade wenn wir die Frauenförderung als eine Aufgabe des Staates betrachten, betrachte ich es als Pflicht der Regierung, die Auftragsvergabe, die Kaufkraft des Staates im Sinne ihrer politischen Ziele einzusetzen. Das ist eine politische Selbstverständlichkeit.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Grundsätzlich ist eine Reihe von Kriterien denkbar,

(Karl-Martin Hentschel)

nicht nur die Frauenförderung, auch die Förderung der Umwelt,

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Das sind kei- ne Gesetze!)

wie das auch vorgeschrieben ist. Denkbar sind auch Einhaltung von Tarifverträgen, Erfüllung von Ausbildungsquoten, Beschäftigung von Schwerbehinderten, Existenz eines Betriebsrates. Es gibt eine Reihe von Dingen, die durchaus sinnvoll sind, wenn man sagt, dass man sich im Rahmen der Politik bestimmte Ziele setzt und seine Kaufkraft dafür einsetzt, diese zu erreichen. Das ist legitim.

Hier sind zwei Punkte herausgegriffen worden, auf die ich eingehen will.

Wenn sich die Landesregierung die Frauenförderung auf ihre Fahnen geschrieben hat, ist das nicht nur eine Sonderangelegenheit. Ich weise Sie darauf hin, dass das, Frau Schmitz-Hübsch, eines der zentralen politischen Ziele ist, für die diese Landesregierung gewählt worden ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es kommt doch nicht von ungefähr, dass diese Landesregierung gerade aufgrund ihrer Frauenförderung weit überproportional von Frauen gewählt worden ist.

(Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.]: Sie ist nur we- gen Herrn Kohl gewählt worden! - Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Sie haben doch nur Glück gehabt!)

Das ist bekannt. Deswegen leite ich daraus sogar die politische Aufgabe ab, in diese Richtung tätig zu werden.