Protocol of the Session on November 15, 2002

(Wolfgang Baasch [SPD]: Jetzt werden wir alle krank, nur weil Sie Wartelisten brau- chen!)

Lassen Sie mich auf den Punkt kommen, weswegen ich das Thema angesprochen haben möchte. Dies ist ein Bericht über die grenzüberschreitende Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen. Ich finde es schon ein starkes Stück, dass in diesem Bericht nichts von alledem zu lesen ist, was über Staatskanzlei und andere zum Beispiel im Blick auf den arabischen Raum gemacht worden ist. Das gehört in einen solchen Bericht hinein, Frau Moser. Ich finde es einen schwerwiegenden Vorgang, dass zu all diesen Dingen nichts berichtet wird.

Meine Damen und Herren, wir haben im November vergangenen Jahres erlebt, dass die Frau Ministerpräsidentin auch im Gesundheits- und Wellnessbericht nichts dazu gesagt hat. Ich brauche mir nur vor Augen zu halten, wie die Universitätsklinik Kiel mit einem Grußwort der Frau Ministerpräsidentin mit dem Chairman Dr. Salam in diesen Bereichen wirbt. All das spiegelt sich in Ihren amtlichen Darlegungen nicht wider. Daran knüpfen sich Fragen an.

In dem Bericht des Universitätsklinikums Kiel heißt es zum Beispiel: Kooperation der Dräger Forum GmbH zur Förderung der Ausbildung von Krankenpflegekräften und Ärzten im Ausland, zunächst in Saudi-Arabien. Entweder ist das, was wir in den letzten Wochen zu diesen Dingen hier gehört haben, Teil amtlicher Politik - dann gehört das von der Landesregierung in amtlichen Aussagen dargelegt - oder es waren private Kontakte; dann gehört die Konsequenz aus der ganzen Geschichte gezogen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Es ist eine Pikanterie des Tages, dass Frau Simonis zu ähnlichen Kontakten unterwegs ist. Die Staatskanzlei zahlt Herrn Dr. Salam eine Fahrt in den arabischen Raum. Das findet sich in dem Bericht überhaupt nicht. Es besteht der begründete Verdacht der Geheimniskrämerei.

(Zurufe von der SPD)

- Regen Sie sich ruhig auf, meine Damen und Herren!

(Wolfgang Baasch [SPD]: Sie sind neben der Spur!)

Es gehört zur Aufgabe der Fraktionen, die die Regierung tragen, parlamentarische Kontrolle nicht beiseite zu schieben. Deswegen fordere ich Sie auf, bei diesen Dingen nicht wegzuschauen. Was ich hier dargelegt habe, gehört in einen solchen Bericht. Wenn es nicht darin enthalten ist, frage ich: Warum geschieht das nicht?

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Höfs das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Herr Kalinka, Ihre Rede war nur peinlich. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

(Beifall bei SPD und SSW)

Wenn Sie mit dem Sozialausschuss nach Oslo gefahren wären, hätten Sie einen ganz anderen Wissensstand. Sie hätten bestimmt einige Dinge hier nicht sagen können.

(Lothar Hay [SPD]: Das hat schon Goethe gesagt: Reisen bildet! - Dr. Henning Höpp- ner [SPD]: Aber Kalinka kommt nicht über Plön hinaus!)

Sie haben Gelegenheit gehabt, in der Novemberausgabe von „Der Landtag“ einiges nachzulesen. Dort ist darüber nämlich berichtet worden. Ich finde, die Patientenbrücke von Schleswig-Holstein nach Oslo hat einen guten Eindruck gemacht. Ich finde, es ist ein guter Bericht - er ist auch gut angekommen -

(Beifall bei SPD und SSW)

über grenzüberschreitende Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen. Die Vorträge von Gesundheitsexperten aus Norwegen und Deutschland und die Gespräche, die wir dort geführt haben - wir hatten Vertreter von AOK, VdAK und Krankenhausgesell

(Astrid Höfs)

schaft dabei -, waren ganz wichtig. Es ist dort gut angekommen, dass wir dagewesen sind. Das hat den Vertretern in Oslo sehr gefallen. Es ist ein guter Kontakt gewesen. Es ist ein schönes Beispiel für Wissensaustausch. Im Übrigen sollte die Möglichkeit des Erfahrungsaustausches zwischen den Mitarbeitern im Gesundheitsdienst gegeben sein. Das ist eine wichtige und bedeutungsvolle Aufgabe.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Es ist hilfreich zu sehen, wie sich unsere Nachbarländer bestimmten Aufgaben stellen und wie sie damit umgehen. Es ist auch wichtig zu sehen, wie wir mit unseren Krankenhausaufgaben und der Versorgung alter Menschen umgehen. Es ist auch wichtig zu wissen, wie die anderen Länder die Aufgaben lösen und wie wir sie regeln. In jedem Fall ist unser Besuch dort sehr positiv aufgenommen worden. Das Signal, das wir mitbekommen haben, dass die Patientenbrücke Norwegen - Schleswig-Holstein weitergeführt werden soll, ist ein gutes Signal, das wir hier empfangen haben.

(Beifall bei der SPD)

Es bedeutet natürlich auch: In jedem Fall ist es wichtig, das Gespräch miteinander zu führen. Das führt immer zu neuen Erkenntnissen und Anregungen.

Die unterschiedliche Struktur des Gesundheitswesens in den europäischen Staaten scheint manchmal eine einheitliche Gesundheitspolitik fast unmöglich zu machen. Die Finanzierungsgrundlagen und die Verhältnisse in der Gesundheitspolitik sind in den einzelnen EU-Ländern sehr unterschiedlich. Und trotzdem haben die grenzüberschreitenden Gesundheitsleistungen in den letzten Jahren ganz deutlich an Bedeutung gewonnen.

Mit der zunehmenden Mobilität der Menschen - sei es als Touristen oder auch als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über die Grenze hinweg - werden auch an grenzüberschreitende Gesundheitsleistungen vermehrt Forderungen gestellt. Sie werden immer bedeutender. So wünscht zum Beispiel ein großer Teil der Versicherten, dass Gesundheitsleistungen ohne vorherige Genehmigung im Ausland in Anspruch genommen werden können. Davon haben Sie sicherlich auch schon gehört. Ausländische Patienten kommen in unser Land. Im Moment ist gerade ein privates Projekt mit arabischen Patienten im Kreis Segeberg in Vorbereitung. Aber das ist ein privates Projekt. Im Übrigen ist das nicht unsere allernächste Grenze, über die wir hier diskutieren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es geht allein um den grenzüberschreitenden Gesundheitsbereich in unserer Nähe.

(Zuruf des Abgeordneten Werner Kalinka [CDU])

- Ich habe Sie vorhin auch nicht beschimpft, also lassen Sie mich jetzt ausreden!

In jedem Falle wird es so sein, dass die grenzüberschreitenden Gesundheitsleistungen in unserem Bereich deutlich zunehmen werden. Bereits im Juli 2001 hat der EuGH klargestellt, dass alle Gesundheitsleistungen Dienstleistungen im Sinne des EG-Vertrages sind, deren Inanspruchnahme über Grenzen hinweg nur ausnahmsweise behindert werden darf. Zum Ausbau der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit stellten die Vertreter der Mitgliedstaaten im Juni 2002 in Luxemburg fest, dass bilaterale oder regionale Vereinbarungen, die die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Organisation ihrer Gesundheitssysteme nicht berühren und die mit dem einschlägigen Gemeinschaftsrecht vereinbar sind, eine wichtige Rolle spielen. Sie unterstreichen die Bedeutung des Informationsaustausches und die Wichtigkeit der Zusammenarbeit, damit unter anderem bei bestimmten Krankheiten, die fachärztlicher Betreuung bedürfen, die wirksamsten Therapien für die Menschen angewandt werden können.

Wir in Schleswig-Holstein leben im grenznahen Bereich und pflegen enge Beziehungen zu unseren dänischen Nachbarn. Die Ostseekooperation ist entscheidend von uns geprägt worden. Da ist SchleswigHolstein, ein Gesundheitsstandort mit leistungsstarken Gesundheitseinrichtungen - ich denke, dass kann man hier ruhig einmal herausstellen -, die richtige Region für grenzüberschreitende Gesundheitsleistungen.

Aus dem vorgelegten Bericht der Landesregierung geht hervor, dass bereits längere Kooperationen zwischen dänischen Einrichtungen und schleswigholsteinischen Krankenhäusern bestehen. Die Kooperationen mit Dänemark bestehen durch den unmittelbaren nachbarschaftlichen Bezug. So stelle ich mir auch ein zusammenwachsendes Europa vor.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Joachim Behm [FDP])

Nach dem von uns geforderten Subsidiaritätsprinzip auf europäischer, nationaler und auch auf Landesebene sollen dort Entscheidungen gefällt und Leistungen erbracht werden, wo sie den Bürgern am nächsten sind, in diesem Fall im kommunalen Bereich. Die

(Astrid Höfs)

anderen Ebenen sollen dafür lediglich die Rahmenbedingungen schaffen.

Wir können die Grenzen ohne Probleme passieren. Die Menschen im Grenzbereich arbeiten oft im Nachbarland. So ist es auch schlüssig, wenn Gesundheitsleistungen über die Grenze hinweg in Anspruch genommen werden können. Die gewachsene Kooperation über die Grenze hinweg hat also zunehmende Bedeutung für die Gesundheitseinrichtungen.

Ich komme zum Schluss. Ich weise in diesem Zusammenhang auf die Kooperation im Rettungsdienst auf deutscher und dänischer Seite hin. Diese Zusammenarbeit halte ich für ebenso sinnvoll wie Kooperationen der Rettungsdienste über die Kreisgrenzen hinweg. Die Verbesserung des Informationsaustausches und die Zusammenarbeit bei großen Notfallereignissen ist wegweisend für ein zusammenwachsendes Europa. Ich finde, wir sind eine modellhafte Region für Europa. Gerade in einer Grenzregion, wie wir sie an der deutsch-dänischen Grenze haben, ist die Chance groß, so etwas für bestimmte Aufgaben in Europa zu sein und um mehr Verständnis für Europa zu werben. Das ist mir sehr wichtig.

Der wirtschaftliche Aspekt darf nicht außer Acht gelassen werden. Wir müssen uns weiterhin als Gesundheitsland positionieren, unsere Stärke auf diesem Gebiet herausstellen. Die vielen Angebote in der Gesundheitswirtschaft Schleswig-Holsteins sind ganz deutlich zu machen. Wir haben schließlich einen hohen Anteil an Beschäftigten in diesem Bereich.

Frau Abgeordnete, bitte formulieren Sie Ihren letzten Satz.

Ich bin sofort fertig. - Der Bericht der Landesregierung macht deutlich, dass sie sich aktiv an der Entwicklung der europäischen Gesundheitspolitik beteiligt und somit praxisnahe Lösungen für die Patienten und Patientinnen in grenznahen Regionen sucht. Ich bedanke mich ganz herzlich für diesen Bericht. Ich finde, dass die Annäherung der Regionen zu mehr Verständnis füreinander führt. Ich bitte um Überweisung des Berichts an den Europa- und den Gesundheitsausschuss, damit wir ihn dort weiter diskutieren können.

(Beifall bei SPD und SSW)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Garg das Wort.

Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Zunächst ein persönliches Wort an Sie, Frau Ministerin Moser. Sie müssen mir schon zeigen, wo ich in den vergangenen zwei Jahren ein einziges Mal in Ihre Richtung behauptet hätte, die Verteilungskämpfe im Gesundheitswesen, vor denen wir stehen, seien alle von Ihnen hausgemacht. Zeigen Sie mir, wo ich Ihnen das vorgeworfen habe!

Sie haben in der Tat völlig Recht: Wir stehen vor gewaltigen Verteilungskämpfen. Das ist die Kernaufgabe, das ist die große Herausforderung, vor der wir im Gesundheitswesen stehen. Ich komme gleich darauf zurück.

Ich will nur einen Punkt herausgreifen, der mir bei der Lektüre des Berichtes, aber eigentlich schon die letzten Jahre immer wieder ein Dorn im Auge war. Frau Ministerin Moser, Sie haben vor längerer Zeit einen beachtenswerten Artikel in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ zur Reformierung des Gesundheitswesens geschrieben. Sie müssen mich korrigieren, wenn ich falsch liege. Ich meine mich erinnern zu können, dass auch Sie damals darauf hingewiesen haben, dass alle Anstrengungen zur Gesundheitsreform seit Norbert Blüm - also GRG 1989, GSG 1992 unter Seehofer, dann kam Frau Fischer und mit ihr kamen zig Vorschalt- und andere Gesetze - einen Fehler haben: Es wurde überhaupt nicht berücksichtigt, dass wir uns in einem zusammenwachsenden europäischen Markt, einem zusammenwachsenden Europa insgesamt befinden. Wir tun bei der Gesundheitspolitik immer so, als seien wir völlig abgeschottet, als könnten wir nach wie vor in einer geschlossenen Volkswirtschaft argumentieren. Das ist völlig falsch. Wir leben in einer offenen Volkswirtschaft. Es hat nichts mit Kompetenz zu tun, dass die Menschen bereits dabei sind, sich diese Vorteile auch im Gesundheitswesen zu suchen.

Herr Kalinka, in einem Punkt möchte ich Ihnen dezidiert widersprechen. Sie mögen zwar angreifen, dass die Landesregierung die Patientenbrücke als großartiges Projekt angekündigt hat, Ihnen die Zahlen aber zu gering sind. Das ist Ihr gutes Recht. Ich behaupte, es kommt nicht auf die Zahl der Patienten an, die zu uns kommen. Es kommt vielmehr auf das Signal an, dass Menschen aus anderen Ländern nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern in der gesamten Bundesrepublik gesundheitliche Leistungen nachfragen. Es kommt darauf an, dass sehr viele Menschen aus Deutschland bereits längst dabei sind, in anderen Ländern gesundheitliche Leistungen nachzufragen. Herr Kalinka, gehen Sie in die typischen Altersresidenzen an der spanischen Südküste, auf den Kanaren,

(Dr. Heiner Garg)

auf Mallorca. Da werden Sie die hohe Nachfrage nach speziellen gesundheitlichen Leistungen in Polikliniken und bei Fachärzten durch deutsche Residenten finden, die übrigens nach wie vor ihren ersten Wohnsitz hier haben. Das ist eine ganz spannende Sache.