Protocol of the Session on October 9, 2002

Wer weiß, dass 1995 eine Erweiterung des Opferbereiches der polizeilichen Kriminalstatistik erfolgte, wundert sich nicht, dass die in dieser Statistik erfasste Zahl von Straftaten auch bei Kindern und Jugendlichen angestiegen ist.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Richtig!)

Wer sich das Kinder- und Jugendhilfegesetz einmal angesehen hat, weiß, dass nicht die Kinder, sondern die Personensorgeberechtigten Hilfeempfänger sind, und somit die entsprechende Frage schon falsch gestellt ist.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Richtig!)

Dies sind nur einige Beispiele, die deutlich machen sollen, dass uns die Erkenntnisse, die wir aus dieser Anfrage ziehen können, in der Jugendpolitik nur schwerlich voranbringen, wohlgemerkt, nicht weil die Verwaltung nicht ordentlich gearbeitet hat - ganz im Gegenteil -, sondern weil die Fragen nicht geeignet sind, viel mehr hervorzubringen, als vorhandenes Wissen zusammenzufassen.

(Beifall der Abgeordneten Sandra Redmann [SPD] und Dr. Heiner Garg [FDP])

Daher kann das Fazit nur lauten: Gut, dass wir darüber geredet haben. Besser wäre es gewesen, darüber zu reden, ohne diesen Aufwand zu verursachen. Ein bisschen Eigeninitiative, was die ganz persönliche Informationsbeschaffung angeht, wäre manchmal ganz hilfreich. Ich sehe das als Voraussetzung für meine Arbeit im Landtag an.

Für weiterführende jugendpolitische Zielsetzungen gibt es jede Menge Ansätze, von denen ich nur einige wenige nennen will, die hier schon von verschiedenen Seiten angeklungen sind: Ausbau von Betreuungsmöglichkeiten für Kinder im Sinne eines umfassenden Bildungskonzeptes; Weiterentwicklung des Zusammenlebens von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund im Sinne des Migrationskonzeptes der Landesregierung und die Umsetzung in den Kommunen. Weiterer Ausbau der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, um ihnen die Chance zu bieten, früh die Gesellschaft aktiv mit zu gestalten sowie die Weiterentwicklung von konstruktiven Möglichkeiten der Betreuung von Intensivtäterinnen und Intensivtätern.

Aus der Vielzahl der Themen ein jugendpolitisches Profil für Schleswig-Holstein herauszubilden, ist eine stets fortzuschreibende Aufgabe des Ministeriums, aber sicherlich auch der Fraktionen im Landtag. Ich wünsche den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ministerium mehr Zeit für diese Aufgabe und nehme uns alle in die Pflicht, diesen Prozess in den zuständigen Gremien zu begleiten und natürlich auch eigene Akzente zu setzen.

Wer im Übrigen regelmäßig an den Sitzungen des Landesjugendhilfeausschusses teilnimmt, kann weitere Informationen hinsichtlich der ganz speziellen Situation von Kindern und Jugendlichen in Schleswig-Holstein erhalten und sich an der Diskussion beteiligen. Dort sind alle Fraktionen - im Prinzip - vertreten, die CDU in der Regel leider nicht.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SSW und des Abgeordneten Dr. Hei- ner Garg [FDP])

Das Wort für die Fraktion der FDP erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin, ich bin Ihnen für Ihren Redebeitrag ausgesprochen dankbar. Sie haben nämlich dieses Thema genau mit dem Inhalt gefüllt, von dem ich überzeugt bin, den es auch tatsächlich verdient hat.

Die Situation von Kindern und Jugendlichen in Schleswig-Holstein diskutieren wir heute hier Gott sei Dank nicht zum allerersten Mal. Auch wenn die vorliegende abgefragte Datensammlung dem einen oder anderen möglicherweise hilfreich sein mag, will ich doch einmal eine grundsätzliche Frage an die Kollegen der Union stellen: Es gibt Initiativen und Anfragen von der Union zur Kinder- und Jugendhilfe, zur Heimunterbringung, zur Förderung der Sprachkompetenz ausländischer Kinder und Jugendlicher, zur Kindertagesstättenförderung, zur Kinderbetreuung in Kindertagesstätten und Horten, Herr Geerdts.

Jetzt stellt sich für mich eine Frage ganz genereller Natur: Entweder weiß ich um die Situation der Kinder und Jugendlichen in Schleswig-Holstein, dann starte ich gezielt solche Einzelinitiativen, um in den Feldern nachzubessern, wo Nachbesserung notwendig ist, oder ich kenne die Situation von Kindern und Jugendlichen in Schleswig-Holstein nicht, dann starte ich eine Große Anfrage, um mich schlau zu machen, wie es tatsächlich aussieht. Was ich aber merkwürdig

(Dr. Heiner Garg)

finde, ist, erst Einzelinitiativen zu starten, um anschließend sozusagen obendrauf zu packen und generell abzufragen, wie es eigentlich aussieht. Das wirkt auf mich ein klein wenig aufgesetzt und auch nicht ganz glaubwürdig, Herr Kollege.

(Beifall bei der FDP - Holger Astrup [SPD]: Das hat eine gewisse Logik!)

Ich will ja zugeben, dass es aus Sicht einer Oppositionsfraktion durchaus Sinn machen kann, politisch so vorzugehen. Ich weiß offen gestanden aber nicht, ob wir durch diese Vorgehensweise tatsächlich Veränderungen und Verbesserungen für Kinder und Jugendliche erzielen. Wenn Sie sich ein wenig mit der Großen Anfrage beschäftigt haben, finden Sie - das kennen Sie aus anderen Bereichen auch - ganz viele WFragen: Wie viel, wann, seit wann? Ebenso fleißig haben Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter versucht, Frau Ministerin, alle diese Fragen zu beantworten. Das war ganz offensichtlich nicht immer möglich, weil das Datenmaterial fehlt. Ich will Ihnen aber gleich sagen, dass ich das andere Datenmaterial gar nicht haben will. Ich will keine zusätzlichen Statistiken, denn ich bin der Auffassung, dass man die Situation von Kindern und Jugendlichen hier in diesem Land anders als durch die Abfrage unzähliger Daten und 168 Einzelfragen verbessert.

Bei allem Verständnis für die enervierende Beantwortung solcher W-Fragen für denjenigen, der antworten soll, empfinde ich Ihren lapidaren Hinweis, Frau Ministerin, auf eine Internetseite dem Fragenden gegenüber ein wenig unhöflich. Es ist in der Tat eine interessante Frage, welche Defizite es bei der Integration gerade von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund gibt. Eine etwas konkretere Antwort als diesen Hinweis hätte ich mir schon gewünscht.

Was wir wirklich brauchen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eine Bestandsaufnahme. Das haben Sie ganz klar gesagt. Aus dieser Bestandsaufnahme mag dann jeder zunächst einmal analysieren, wie er die Situation für sich sieht. Was aber am Ende wirklich stehen muss, ist die Frage, wie wir Startchancengleichheit für Kinder und Jugendliche hier in diesem Land schaffen. Wo gibt es Defizite? Was ist bisher gut gelaufen? Wo müssen wir nacharbeiten bei den Punkten, die bisher eben nicht so gelaufen sind, wie wir es uns vorgestellt haben? Die Kollegin Herdejürgen hat drei oder vier ganz entscheidende Punkte genannt, hinsichtlich derer der Landtag bereits gearbeitet hat.

(Holger Astrup [SPD]: Vier!)

- Danke, Herr Kollege Astrup. Es waren vier Punkte. Für mich ist der Punkt Zusammenarbeit von Schule

und Jugendhilfe ganz entscheidend. Das ist ein Punkt, an dem wir weiterkommen müssen. Der zweite Punkt, der mir wichtig ist, ist die Vermittlung von Sprachkompetenz gerade für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund. Der nächste Punkt, der darauf hinarbeiten soll, dass wir tatsächlich Startchancengleichheit schaffen, ist die Frage, welches pädagogische Konzept wir eigentlich brauchen oder in den Kindertagesstätten haben wollen, damit Kinder fit und darauf vorbereitet sind, die Beteiligungsrechte, die sie jetzt schon haben, in Zukunft auch wahrnehmen und nutzen zu können. So eine Debatte wünsche ich mir auch im Ausschuss. Herr Kollege Geerdts, die Rede, die Sie gehalten haben, war ein prima Auftakt dafür. Wenn man das Ding jetzt noch mit Inhalt füllt, wird vielleicht auch etwas daraus.

(Beifall bei FDP und CDU)

Das Wort für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Frau Abgeordneter Monika Heinold.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir müssen immer sehr vorsichtig sein, wenn wir die Messlatte hoch hängen. Ich sage das, Herr Garg, weil es eine Reihe Großer Anfragen, Berichtsanforderungen, Anträgen, Beauftragungen an die Verwaltung gab, bei denen wir immer hinterfragen können, wie sinnvoll diese Ansammlung von Zahlenmaterial ist.

(Beifall bei FDP, SSW und des Abgeordne- ten Bernd Schröder [SPD])

Ich werde mich gerade beim Thema Kinder und Jugendliche hier nicht hinstellen und sagen, eigentlich hatten wir das schon alles. Denn wir hatten es in der Form noch nicht. Eine Aktualisierung ist schon deshalb gut, weil es natürlich eine Herausforderung an uns alle ist, etwas aus dem Thema zu machen. Ich werde jetzt meine Rede nicht vorlesen, weil die Debatte hier etwas anders als gedacht läuft, sondern auf die Dinge eingehen, die gesagt worden sind.

Ich gehe davon aus - das richte ich ganz klar an die CDU -, dass sich die CDU jetzt mit der Beantwortung der Großen Anfrage erstens beschäftigt, zweitens im Ausschuss eine ernsthafte Debatte führt und drittens in circa einem halben Jahr Vorschläge macht, wie wir die einzelnen Problembereiche bearbeiten können.

Hier sind wir gespannt. Wir warten aber auch darauf. Denn es kann natürlich nicht sein, dass nur die Verwaltung arbeitet und wir fröhlich weiterfragen. Ich bin aber ganz optimistisch.

(Monika Heinold)

Ich nehme jetzt ein Stück der Debatte von morgen vorweg, was das Ehegattensplitting betrifft. Es gehört hier dazu, weil es als Gegenfinanzierungsmaßnahme entweder für mehr Betreuung oder für mehr Kindergeld diskutiert worden ist. Sie werden morgen kritisieren, dass wir das in Berlin weiter verfolgen.

Ich bitte Sie schon heute, etwas nachzulesen. Im Mai 2001 haben wir im Landtag in zwei unterschiedlichen Anträgen, aber einer gemeinsamen Passage mit FDP und CDU verabschiedet, das Ehegattensplitting zu überprüfen, damit die Leistungen beim Kind ankommen und nicht beim Trauschein. Ich bitte die CDU ganz herzlich, ihrem Fraktionsvorsitzenden, der morgen polemisierend gegen die Einschränkung des Ehegattensplittings auftreten wird, mitzuteilen: Landtagsdebatte Mai 2001, die CDU stimmt für eine Reform des Ehegattensplittings. Ich sage das als Grundlage für morgen, damit wir keine billige Debatte miteinander führen.

(Beifall beim SSW)

Noch eines sage ich in aller Deutlichkeit. Es ist schon spät; da sind deutliche Worte manchmal ganz gut. Ich hoffe, dass meine eigenen Leute in Berlin den Mut haben, das Ehegattensplitting zu reformieren. Ich bin mir noch nicht ganz sicher. Ich hoffe, dass sie es schaffen. Ich hoffe im Interesse der Länder, dass die eingesparten Mittel in den Ländern ankommen, damit wir real etwas verbessern können.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn die Defizite - das hat die Beantwortung der Großen Anfrage gezeigt - liegen angesichts der wachsenden Zahl von Alleinerziehenden, angesichts der wachsenden Zahl derjenigen Familien, in denen beide, Vater und Mutter, berufstätig sind, angesichts der Notwendigkeit der Sprachförderung auf dem Tisch. Wir haben 26.000 Kinder hier im Land, die nicht deutschsprachig sind, die einer Förderung bedürfen. Ich weiß, dass im jetzigen Entwurf des Landeshaushalts nicht die Mittel stehen, die ich mir für diesen Bereich wünsche. Insofern setze ich natürlich immer noch auf Verbesserungen aus Berlin. Denn wenn wir alles im Lande selber regeln sollen, wird es schwer.

Der Einstieg in die verlässliche Halbtagsschule ist ein Anfang. Hier können wir Kinder von Anfang an so fördern, dass sie die deutsche Sprache besser lernen können, um dann integriert zu werden.

Ich möchte noch einen dritten Punkt erwähnen, den ich sehr interessant finde. Wir haben deutlich zu viele Jugendliche, die arbeitslos sind.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus meiner Sicht ist es nicht verantwortbar, dass sich Jugendliche im Nichtstun ergehen, gerade wenn es die zweite oder dritte Generation in der Sozialhilfe ist. Ich erwähne das Beispiel Dänemark. Dort ist man an dieser Stelle sehr hart im Fordern. Ich finde das richtig. An dieser Stelle freue ich mich auch immer wieder über neue Ideen der CDU, was Fördern und Fordern betrifft. Im Fordern ist Dänemark bei der Jugendarbeitslosigkeit hart. Ich finde das richtig. Ich freue mich, wenn wir miteinander neue Ideen entwickeln und die dann durchsetzen.

Was ich ursprünglich sagen wollte, ist natürlich in meiner Pressemitteilung nachzulesen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Heiner Garg [FDP]: Es gilt das gespro- chene Wort!)

Das Wort für den SSW erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Silke Hinrichsen.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Große Anfrage der CDU fasst noch einmal wichtige Daten zur Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen in Schleswig-Holstein zusammen, die wir größtenteils schon aus anderen Anfragen, aus Berichten und Fachplanungen kennen. Hier können wir noch einmal einen Blick darauf werfen, welche besonderen Probleme und Nöte die Jüngsten in unserer Gesellschaft haben. Darin liegt der Verdienst der CDUInitiative.

Dementsprechend folgen für den SSW aus der Antwort der Landesregierung keine weitreichend neuen Forderungen. Wir brauchen eine bessere Integration von Kindern aus Migrantenfamilien, eine bessere Familienpolitik, eine bessere Kinderbetreuung. Die Jugendhilfe darf nicht für Einsparungen herhalten. Dies sind alles keine neuen Erkenntnisse. In diesem Sinne können wir uns alle in unseren politischen Forderungen bestätigt fühlen.

Einen Bereich möchte ich aber noch herausgreifen. Das sind die Angebote für Kinder und Jugendliche mit Drogenproblemen. In Verbindung mit der Anhörung zu unserem gemeinsamen Antrag „Neue Wege in der Drogenpolitik“ ist schon deutlich geworden, dass sich die Hilfsangebote in Schleswig-Holstein für diese Altersgruppe weitgehend auf die Fachkliniken und die Therapieplätze in der Einrichtung Posthof beschränken. Es deutet einiges darauf hin, dass dies noch ausbaufähig ist.

(Silke Hinrichsen)

Herausgegeben vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags - Stenographischer Dienst

Die Aussage der Landesregierung, dass SchleswigHolstein hier im Vergleich der Länder nicht schlechter dasteht, sagt nichts darüber aus, ob eine bedarfsgerechte Hilfe für die betroffenen Kinder und ihre Eltern erfolgt. Deshalb wollen wir die Drogenhilfe für Kinder und Jugendliche und die Vernetzung mit der Jugendhilfe aufgreifen, wenn wir in den nächsten Monaten das weitere Vorgehen in Verbindung mit dem drogenpolitischen Vorstoß des Landtages erörtern.