Das war bei Einbringung des Gesetzentwurfs am 26. Februar 2002. Sie haben diese Skepsis in der ersten Lesung am 20. März 2002 bestätigt, Herr Kollege Geißler, allerdings zu Unrecht.
das die Möglichkeit bietet, nachträglich Sicherungsverwahrung anzuordnen, wenn diese Möglichkeit im Strafurteil vorbehalten wird. Sie sollten Ihren Landesgesetzentwurf zurückziehen, Herr Kollege Geißler,
und die weitere bundesrechtliche Entwicklung abwarten. Wir lehnen Ihren Gesetzentwurf auch deshalb ab, weil wir die Auffassung der Landesregierung teilen, dass Sicherungsverwahrung als freiheitsentziehende Maßnahme eine der schwersten Reaktionen im Strafrecht ist und bleiben muss und deshalb auch durch das Strafgesetzbuch, das heißt, durch Bundesgesetz, bundeseinheitlich abschließend zu regeln ist.
Wir werden schließlich in unserer ablehnenden Haltung zum Landesgesetz durch das Ergebnis der im Innen- und Rechtsausschuss durchgeführten schriftlichen Anhörung bestärkt. Dort haben sich mit unterschiedlichen Gründen gegen Ihren Entwurf ausgesprochen: das Institut für Sanktionsrecht und Kriminologie der Uni Kiel, die Deutsche Polizeigewerkschaft im Beamtenbund, der Verband für Straffälligen- und Bewährungshilfe in Kiel, außerdem der Anstaltsleiter der Justizvollzugsanstalt Lübeck und schließlich auch der schleswig-holsteinische Richterverband selbst mit den angesprochenen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Ich komme zum Schluss. Weiteren Verbesserungen des Bundesrechts stehen wir offen gegenüber. Wir begrüßen die Bemühungen der Justizminister und Justizministerinnen und des Generalstaatsanwalts, das von vielen für zu stumpf gehaltene Schwert der Führungsaufsicht zu schärfen. Es bedarf dann aber auch verbesserter Therapiemöglichkeiten innerhalb und außerhalb der Justizvollzugsanstalten.
Meine Damen und Herren, auch die Möglichkeit, vor der Entlassung die Sicherungen zu verbessern, mag weiter erörtert werden. Aber es muss auf der zuständigen Bundesebene weiter erörtert werden. Der von Ihnen zitierte Justizminister Baden-Württembergs, Herr Goll, FDP, ist selber dafür eingetreten - Sie haben das gesagt -, auf Bundesebene weitere Verbesserungen sozusagen zu bewerten.
Letztlich wird es uns nicht gelingen, einen vollkommenen Schutz vor Sexualstraftätern durch die Politik zu gewährleisten. Wir sollten ihn deshalb auch nicht öffentlich versprechen. Auch Richter und Gutachter sind nur Menschen, die irren können.
Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Die Verbrechen der vergangenen Woche, die Ermordung des 11-jährigen Jakob von Metzler in Frankfurt sowie die Ermordung der 16-jährigen Jennifer in Neumünster machen eine sachliche Auseinandersetzung mit dem vor uns liegenden Gesetzentwurf der CDUFraktion nicht leichter. Das möchte ich ausdrücklich sagen. Ich will auch klarstellen, dass wir menschlich Verständnis für das Anliegen haben, das hinter dem Gesetzentwurf steht. Auch wir wollen, dass die Allgemeinheit und unsere Kinder vor Verbrechen geschützt werden. Auch wir sind jedes Mal wütend und
auch ein Stück hilflos, wenn ein Straftäter, der schon in der Vergangenheit mehrfach anderen Menschen seelisch und körperlich großes Leid zugefügt hat, nach Verbüßung einer Haftstrafe rückfällig wird. Wir stellen dann immer wieder fest, dass unsere Mittel zum Schutz der Bevölkerung begrenzt sind.
Unsere Aufgabe als Parlamentarier ist es, geeignete Gesetze zu erlassen, die der Bevölkerung größtmöglichen Schutz bieten. Wir dürfen vor dem Hintergrund aktueller Geschehnisse aber nicht vergessen, dass auch Straftäter Menschen mit Rechten sind, die wir beim Erlass neuer Vorschriften vollständig berücksichtigen müssen.
Dieser Grundsatz gilt auch für die heutige Debatte. Ich warne daher davor, sich auf das Niveau des Bundeskanzlers herabzulassen, der im Sommer 2001 nach einem Sexualverbrechen an einem Kind forderte: Wegschließen von Sexualstraftätern, und zwar für immer. Daher war ich auch nicht über die Presseerklärung des Kollegen Lehnert begeistert, die zu einer weiteren Emotionalisierung, aber nicht zur Versachlichung der Debatte beigetragen hat. Die FDP-Fraktion kann dem Ansinnen der CDU nicht zustimmen, eine nachträgliche Sicherungsverwahrung auch dann anordnen zu lassen, wenn es im vorherigen Strafurteil keinen entsprechenden Vorbehalt gegeben hat. Diese Möglichkeit führt nicht zu einer endgültigen Sicherheit vor besonders gefährlichen Rückfalltätern. Es wird immer wieder Fälle geben, in denen die Gefährlichkeit einer Person bis zuletzt nicht erkannt wird, diese dann entlassen wird und möglicherweise Straftaten begeht.
Darüber hinaus gibt es bei uns weitere Bedenken. Wir stimmen dem Richterverband in seiner Auffassung zu, dass die hier zu treffende Regelung in die Kompetenz der Bundesgesetzgebung fällt. Der Bundesgesetzgeber hat von seiner Regelungskompetenz auch Gebrauch gemacht und die Möglichkeit geschaffen, im Strafurteil einen Vorbehalt zur nachträglichen Sicherungsverwahrung zu setzen. Er hat darüber hinaus das Problem der nachträglichen Sicherungsverwahrung ohne Vorbehalt diskutiert und ausdrücklich auf eine solche Regelung verzichtet. Darüber hinaus besteht weiterhin das verfassungsrechtliche Problem der Doppelbestrafung bei einer nachträglichen Sicherungsverwahrung.
Wir haben bereits in der letzten Debatte darauf hingewiesen, dass uns der Therapieplan des Gesetzentwurfs nicht überzeugt. Kann eine Therapie einen Heilungserfolg versprechen, die ein Täter unter der Androhung annimmt, ansonsten weggeschlossen zu werden? Praktiker bestätigen diese Zweifel. Außerdem gibt es auch das Gesetz zur Hilfe und Unterbringung psychisch kranker Menschen, PsychKG. Nach diesem Gesetz können psychisch kranke Menschen gegen oder ohne ihren Willen in einem geeigneten Krankenhaus untergebracht werden, wenn - und solange - sie infolge ihrer Krankheit Rechtsgüter anderer erheblich gefährden oder die Gefahr nicht anders abgewendet werden kann. Das ist doch genau das, was Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, wollen. Allerdings hat das PsychKG den Ansatz, den Menschen zu heilen und auch eine Zukunftsperspektive zu eröffnen.
Ich glaube nicht, dass jemand, der objektiv besonders rückfallgefährdet und hochgefährlich für die Allgemeinheit sein soll, kerngesund ist. Wenn die Gefährlichkeit aber phathologisch bedingt ist, besteht demnach bereits heute die Möglichkeit, eine Person nach dem PsychKG unterzubringen. Auch diese Möglichkeit bietet keinen Schutz vor Fehleinschätzungen, jedoch gilt dies auch für die nachträgliche Sicherungsverwahrung.
Wie unterschiedlich die Auffassungen zu diesem Thema sind, zeigte die gestrige Sendung „Frontal“ im ZDF. Herr Mackenroth, Bundesvorsitzender des Deutschen Richterverbandes, ist für eine solche Nachbesserung, während Generalstaatsanwalt Rex sich ebenfalls aus guten Gründen dagegen aussprach.
Zusammenfassend stelle ich fest, dass dem Gesetzentwurf der CDU verständliche Erwägungen zu Grunde liegen. Unsere Bedenken überwiegen aber, daher können wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jeder Fall einer sexuellen Nötigung, jeder Fall einer Vergewaltigung - auch in der Ehe - und jeder Fall eines Mordes ist einer zuviel. Darüber gibt es keine zwei Meinungen und der Staat ist aufgefordert, die Bürger und Bürgerinnen so gut wie möglich zu schützen. Das Grundgesetz verpflichtet uns, auch bei grausamen Straftaten die in unserer Verfassung verankerten
Grundrechte zu wahren. Deshalb ist es so schwierig, bei diesem Thema auf der sicheren Seite zu sein. Ich bin sehr froh, dass die vorbehaltene Sicherungsverwahrung seit Juli 2002 gleich mit dem Gerichtsurteil beschlossen werden kann. Dies führt dazu, dass im späteren Verfahren angeordnet werden kann, dass ein Häftling nicht entlassen wird, wenn davon ausgegangen werden muss, dass er eine neue Straftat begeht. Auf diese - damals geplante - Gesetzesänderung hatte die Justizministerin schon bei der ersten Lesung zur Einbringung des CDU-Gesetzes hingewiesen.
Sicherungsverwahrung konnte grundsätzlich auch schon bisher ausgesprochen werden und die Anordnung war kein Einzelfall. Notwendig war aber eine sichere Gefährdungsprognose beim erkennenden Urteil. Bei fehlender Gefährdungsprognose war eine Anordnung nach alter Rechtslage im Nachhinein nicht möglich, weil unser Strafrecht immer an eine geschehene Straftat anknüpft. Das bedeutet, dass trotz Wut und Trauer, trotz Fassungslosigkeit und Unverständnis bisher für einen erneut potenziellen Straftäter die gewünschte Sicherungsverwahrung nicht nachträglich angeordnet werden konnte. Das wird vor allem dann völlig unverständlich, wenn der inhaftierte Täter jedes Angebot der Therapie abgelehnt hat.
Die jetzt geltende Regelung lässt den Vorbehalt zu und hat diese Lücke geschlossen. Diese auf der Bundesebene neu geschaffene Regelung regelt für die Zukunft rechtlich einwandfrei die Möglichkeit der Anordnung. Offen scheint eine Regelung für die Altfälle zu sein, also für diejenigen, die in Haft sitzen und entlassen werden müssen, auch wenn das Risiko einer neuen Tat groß ist.
Die CDU übersieht in ihrem Vorschlag einer landesgesetzlichen Regelung, dass ihr Vorschlag von namhaften Verfassungsrechtlern als verfassungswidrig erachtet wird. Über diesen Vorschlag haben wir heute zu entscheiden. Da der Bund die Zuständigkeit wahrgenommen hat, besteht für die Länder keine Gesetzgebungskompetenz mehr. Da hilft auch kein Herumbasteln an Formulierungen. Meine Fraktion hält eine landesgesetzliche Regelung für nicht verfassungskonform, auch wenn andere Bundesländer so beschlossen haben. Wir teilen die Auffassung des Generalstaatsanwalts Rex, dass eine Regelung im Rahmen der Landesgesetzgebung - hier des Polizeirechts - nicht die angemessene Lösung ist. Sollte es auf Bundesebene zu einer rechtlich einwandfreien Regelung kommen, werden wir diese auch in Schleswig-Holstein umsetzen.
Trotz aller Gesetzesnovellen müssen wir ehrlicherweise auch sagen, dass es keinen absoluten Schutz gibt und geben wird. Es gibt keinen Schutz vor Ersttä
tern und es gibt auch zukünftig keinen Schutz vor Fehlurteilen oder vor Fehleinschätzungen. Sowohl beim Urteil als auch beim Überprüfen vor Haftende kann niemand Fehler ausschließen. Was wir hier im Lande machen können, wird gemacht: Die Justizministerin setzt sich auf Bundesebene dafür ein, dass es zu einer Verschärfung der Führungsaufsicht kommt, damit die verpflichtende Anbindung des Entlassenen an einen Bewährungshelfer verbindlicher als bisher gestaltet wird. Damit können bei Verstößen Sanktionsmaßnahmen greifen.
Wichtig ist, dass in dieser Diskussion der Gedanke der Resozialisierung nicht verloren geht. Bei der CDU war bezeichnenderweise überhaupt nichts davon zu hören. Praktizierter Opferschutz besteht auch darin, ehemalige Täter so in die Gesellschaft einzugliedern, dass die Gesellschaft vor weiteren Straftaten geschützt wird. Einer amerikanischen Studie zufolge wurden 65 % der therapierten Täter nicht rückfällig. Die Mehrheit ist also therapierbar, das müssen wir zur Kenntnis nehmen.
Schleswig-Holstein ist hier vorbildlich. Jedem Sexualstraftäter kann eine Therapie angeboten werden. Ich begrüße es, dass im kommenden Jahr in der JVA Lübeck eine sozialtherapeutische Fachabteilung mit 39 Plätzen eingerichtet wird, um die Chancen einer erfolgreichen Therapie bei Gewalt- und Sexualstraftätern zu vergrößern.