Noch schwieriger ist die Situation im ÖPNV. Wenn wir bei den Busunternehmen in den Wettbewerb gehen und Angebote zulassen, die im Wesentlichen auf Lohnkosten beruhen, die unterhalt der Tarife liegen, zwingen wir sämtliche Kleinunternehmen SchleswigHolsteins, aus den Tarifverbänden auszusteigen. Das kann nicht unser Wille sein.
Bei der Abfallentsorgung bahnt sich noch eine andere Dramatik an. Denn dort gibt es mittlerweile Unternehmen, die im sechswöchigen Wechsel Arbeitnehmer aus Osteuropa einfahren und wechselseitig einsetzen. Damit haben Arbeitnehmer, ob deutsch oder ausländisch, die hier vor Ort wohnen, gar nicht mehr die Möglichkeit, beschäftigt zu werden. Das geschieht nicht etwa deshalb, weil die Unternehmen das wollen. Die Unternehmen selber haben uns gebeten, etwas dagegen zu tun, damit sie diese Praxis beenden können. Denn sie sagen: Eine solche Praxis ist vor Ort überhaupt nicht durchzuhalten.
Ein Problem ist die Frage, wie sich dieses Gesetz auf die Kommunen auswirkt. Deswegen ist meine Fraktion dafür, den Kommunen nicht zwingend Tariftreue vorzuschreiben. Was wir wollen, ist, dass die Kommunen die Möglichkeit haben, bei der Ausschreibung Tariftreue zu fordern.
Gestern Abend habe ich über dieses Gesetz ein interessantes Gespräch mit dem Präsidenten der Handwerkskammer in Lübeck gehabt. Er hat angeregt, weil dieses Gesetz auf die aktuelle Notlage der Bauindustrie eingeht und sich diese Situation in einigen Jahren vielleicht wieder ändert, dieses Gesetz mit einem Verfallsdatum zu versehen. Somit kämen wir in einigen Jahren automatisch zu einer Überprüfung und könnten feststellen, ob sich die Situation geändert hat. Wenn sich herausstellt, dass dieses Gesetz nicht mehr notwendig ist, könnte es auslaufen.
Ich komme zu meinem letzten Punkt. Meine Damen und Herren von der Opposition, wer die Forderungen der gesamten Bauwirtschaft so eklatant beschimpft, wie wir das im Ausschuss erlebt haben und wie es hier vonseiten der Frau Strauß passiert ist, hat den Anspruch verwirkt, in diesem Land für den Mittelstand zu sprechen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte ein Zitat voranstellen. Es lautet: Es ist wichtig, Dumpinglöhne am Bau zulasten unserer einheimischen Arbeitsplätze dauerhaft zu verhindern. Gerade angesichts der zurückgehenden Baukonjunktur geben Tariftreuerklärungen wichtige Impulse, um Zehntausende von Arbeitsplätzen für einheimische Fachkräfte am Bau zu erhalten und zu sichern.
Wer hat das wohl gesagt? - Richtig, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU: der Stoiber Edi war es, im April 2001.
Leider hat er diese Aussage später wieder vergessen, wie er so manches vergisst. Aber vergessen wir einmal den Stoiber Edi und konzentrieren und auf das, was wirklich wichtig ist, nämlich unsere Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein.
Wir haben vor anderthalb Jahren, im Mai 2001, erstmalig hier im Landtag über Tariftreue diskutiert. Der SSW hatte seinerzeit einen Entwurf für ein Vergabegesetz eingebracht, in dessen Mittelpunkt die Tariftreue stand. Zu diesem Zeitpunkt gab es weder Diskussionen auf Landesebene noch entsprechende Überlegungen auf Bundesebene. Es wird Sie nicht wundern, dass wir froh sind, eine wichtige Diskussion im Land angestoßen zu haben.
In der Anhörung sprachen sich Gewerkschaften, Betriebsräte, Arbeitgeberverbände und Wirtschaftsorganisationen positiv zu unserem Landes-Vergabegesetz aus. In einer Vielzahl von Stellungnahmen kann man nachlesen, dass die, die es wissen sollten, die Tariftreue begrüßen, ja, sie sogar herbeisehnen. So viele Menschen können sich nicht irren. Da verwundert es mich ein bisschen, dass CDU und FDP immer noch bei ihrer kategorischen Ablehnung des Gesetzes bleiben. Wer das Gesetz ablehnt, verhält sich mittelstandsfeindlich
Ich habe schon in der letzten Debatte zum Tariftreuegesetz auf Bundesebene gesagt, dass eine Ablehnung des Gesetzes auf Bundesebene keine Niederlage ist, sondern die Chance bietet, es in Schleswig-Holstein besser zu machen. Diese Chance haben SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW zum Wohl der schleswig-holsteinischen Wirtschaft nun ergriffen.
In diesem Zusammenhang möchte ich mich für die Offenheit der Regierungsfraktionen bedanken. Es kommt nicht sehr oft vor, dass eine Initiative aus dem Nichtregierungslager aufgenommen und dann gemeinsam umgesetzt wird.
Insofern muss man sagen, dass der heutige gemeinsame Gesetzentwurf von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW eine Besonderheit darstellt, die zeigt, dass Demokratie machbar ist, Herr Garg. Das ist zumindest ein sehr beruhigendes Gefühl.
(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Heiner Garg [FDP]: Populismus ist auch machbar!)
Ich möchte nun auf den Inhalt des Gesetzentwurfes eingehen. Mit dem Gesetz soll Wettbewerbsverzerrungen, die durch den Einsatz von Niedriglohnkräften entstehen, entgegengewirkt werden. Was so formell klingt, beschreibt ein Problem, das sich in den letzten Jahren immer mehr ausgeweitet hat. Seit Jahren tobt vor allem im Baubereich ein ruinöser Preiskampf. Aufgrund der Tatsache, dass man ungehindert Beschäftigte zu Dumpinglöhnen einstellen kann, erfolgt der Wettbewerb fast ausschließlich auf dem Rücken der Arbeitnehmer und der tarifgebundenen Unternehmen. Solide Bauunternehmen haben in diesem europaweiten Preiskampf keine Chance mehr, wenn sie nicht ebenfalls die Lohnschraube nach unten drehen. Dies ist eine Entwicklung, von der die Gewerkschaften naturgemäß nicht begeistert sind.
Aber auch die Unternehmen haben zunehmend Schwierigkeiten mit dieser Entwicklung. Je niedriger der Lohn, desto weniger Neigung herrscht bei den Menschen, einen Beruf in einer solchen Branche zu ergreifen. Die Folge ist ein gravierender Fachkräftemangel. Dieser Mangel wird noch dadurch verstärkt, dass die Unternehmen aufgrund des ruinösen Wettbewerbs und den damit verbundenen Einspa
Ohne Tariftreuegesetz werden wir nach und nach schlechter ausgebildete Beschäftigte haben. Es werden kaum noch Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt. Wie es dann mit der Konkurrenzfähigkeit unserer Unternehmen langfristig bestellt ist, brauche ich Ihnen nicht zu sagen.
Die Unternehmen haben schon längst erkannt, dass ihre Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr ist, wenn wir den wilden, ungehemmten Liberalismus weiterhin zulassen. Wir brauchen unseren Blick eigentlich nur über den großen Teich, auf die USA, zu richten. Sowohl auf nationaler Ebene als auch in rund zwei Dritteln der Bundesstaaten der USA gelten Vergabegesetze. Die hat man dort in den 30er-Jahren erstmals eingeführt. Natürlich gab es auch dort Bestrebungen, hier und da die Gesetze wieder abzuschaffen. Wo man es tat, stellte man fest, dass die Baukosten nicht wie erwartet sanken, obwohl die Löhne und Sozialabgaben fielen. Aber die Anzahl der Ausbildungsplätze sank dramatisch. Viele Fachkräfte wichen auf andere Branchen aus, und die Qualität der Leistungen ging zurück. Kein Wunder, wenn man schlechter bezahlte Menschen die gleiche Arbeit machen lassen will.
Das Ergebnis der Entwicklung in den einzelnen Staaten der USA war, dass die Innovationsfähigkeit und damit die Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen sich verschlechterte und die sozialen Standards sanken. Man führte daher die Tariftreuegesetze sehr schnell wieder ein.
Genau eine solche Entwicklung steht auch uns bevor. Auch wir drohen unsere Wettbewerbsfähigkeit auf europäischer Ebene zu verlieren, wenn wir weiter versuchen, im reinen Preiswettbewerb mit Niedriglohnregionen und Niedriglohnländern zu bestehen. Wir brauchen Rahmenbedingungen, die garantieren, dass nicht auf der Basis von Dumpinglöhnen konkurriert wird, sondern sich der Wettbewerb auf Qualität, Innovation und eine gute Logistik bezieht.
Außerdem darf man nicht vergessen, dass die Beschäftigten, die bisher unter Tarif bezahlt wurden, nun natürlich die Chance bekommen, an der wirtschaftlichen Entwicklung teilzuhaben. Gerade die Beschäftigten in Ostdeutschland erhalten so eher die Chance, nach Westtarifen bezahlt zu werden, was mit Sicherheit für die innere Einheit Deutschlands förderlich ist und konkret Abwanderungsbewegungen aus Ostdeutschland entgegenwirkt.
Unser Ziel ist, den Wettbewerb überhaupt erst möglich zu machen. Das heißt: Soll das bessere Unternehmen eine Ausschreibung gewinnen, müssen wir
die Ausgangslage für alle Unternehmen angleichen. Dann möge der Bessere gewinnen, nicht derjenige, der seinen Mitarbeitern die miesesten Tarife zahlt.
Erst durch unser gemeinsames Gesetz schaffen wir ehrlichen Wettbewerb, der so fast gar nicht mehr stattfindet.
Es wird natürlich eingeworfen, dass die Kosten öffentlicher Maßnahmen steigen werden. Das ist vordergründig richtig. Erfahrungen zeigen, dass zwar geringfügige Preiserhöhungen entstehen, aber gleichzeitig die ortsansässigen mittelständischen Unternehmen erstmalig wieder die Chance erhalten, mit anderen Unternehmen zu konkurrieren. Das heißt, dass sich die öffentlichen Auftraggeber so die Chance erhalten, dass Steuereinnahmen in die jeweilige Region fließen. Gleichzeitig werden die jeweiligen Lohn- und Gehaltsstrukturen erhalten, was dazu führt, dass genau diese Löhne und Gehälter ebenfalls in der jeweiligen Region wieder verausgabt werden.
Somit stellt sich die Frage, was dem Land, den Kreisen und den Kommunen wichtiger ist: die kurzfristigen Einsparungen aufgrund des ruinösen Dumpinglohnwettbewerbs oder der Erhalt der steuerzahlenden mittelständischen Unternehmen, der Erhalt von Arbeitsplätzen mit vernünftig gezahlten Steuern und Sozialabgaben und der Erhalt von zukunftsträchtigen Ausbildungsplätzen in der Region? Ich bin mir sicher, dass sich auch die Kreise und Kommunen für den Erhalt der Unternehmen, der Arbeitsplätze und der Ausbildungsplätze entscheiden werden.
Damit bin ich gleich bei einer wichtigen Frage, die noch geklärt werden muss. Bis zur zweiten Lesung des Gesetzentwurfs wollen wir eine Bestimmung einfügen, die es ermöglicht, dass die Kreise und Kommunen die Tariftreueregelung bei Ausschreibungen anwenden können. Wir werden hierbei versuchen, die kommunale Familie zu überzeugen, dieses Gesetz anzuwenden. Denn die Vorteile sind, wie ich eben ausgeführt habe, ganz offensichtlich.
Wie Sie dem Gesetzentwurf entnehmen können, wird das Gesetz für den Bau und den ÖPNV gelten. Auf den Bau bin ich eben schon eingegangen. Aber auch im ÖPNV-Bereich können wir europaweit feststellen, dass hier ein ruinöser Wettbewerb stattfindet.
In den kommenden Jahren sind eine Vielzahl von Ausschreibungen kommunaler Verkehrsleistungen zu erwarten. Wenn wir jetzt nicht einschreiten und vernünftige Wettbewerbsbedingungen schaffen, werden wir in den nächsten Jahren die vor Ort gewachsenen guten Strukturen nicht erhalten können. Diese Er
kenntnis ist nicht neu. Es ist aber nach meiner Meinung wichtig, darauf hinzuweisen, dass auch dies wieder die kommunale Familie betreffen wird.
Dass ich über die zukünftige Einbindung der kommunalen Familie spreche, dient natürlich auch der Transparenz in den Beratungen. Wir haben das Gesetz möglichst schnell einbringen wollen, um den betroffenen Branchen möglichst schnell helfen zu können.
Für die zweite Lesung möchte ich daher eine weitere Ergänzung des derzeitigen Gesetzentwurfs ankündigen. Wir wollen die rechtlichen Grundlagen dafür schaffen, dass auch die Abfallwirtschaft in das Gesetz aufgenommen werden kann. In der Abfallwirtschaft sind die gleichen Tendenzen spürbar wie in der Bauwirtschaft und beim ÖPNV. Durch europaweite Ausschreibungen entstehen auch hier immer mehr Probleme.