Protocol of the Session on September 13, 2002

Das Tarifrecht zählt zur konkurrierenden Gesetzgebung. Der Bund hat mit der Verabschiedung des Tarifvertragsgesetzes von seiner konkurrierenden Zuständigkeit Gebrauch gemacht, sodass einem Bundesland keine Gesetzgebungskompetenz zusteht.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das hat Herr Müller noch nicht kapiert!)

So die Stellungnahmen des Wissenschaftlichen Dienstes und des Innenministers.

(Beifall bei CDU und FDP)

Der Wirtschaftsminister erklärte hierzu am 5. Dezember 2001 im Wirtschaftsausschuss - ich zitiere -: „Jedes Landesvergabegesetz, das kommen wird, wird vermutlich beklagt werden.“

In der Großen Anfrage zum ÖPNV-Verkehr beantwortete die Landesregierung die Frage zur Tariftreue - ich zitiere wiederum -, „… dass der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes - auch wegen der grundsätzlichen Bedeutung für den ÖPNV - nicht vorgegriffen werden sollte“.

(Martin Kayenburg [CDU]: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren, das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Sache noch nicht entschieden. RotGrün und SSW legen dem Parlament wissentlich einen Gesetzentwurf vor, der verfassungswidrig und in hohem Maße wettbewerbs- und wirtschaftsschädigend ist.

(Beifall bei CDU und FDP - Lachen bei SPD und SSW)

Offensichtlich, Herr Kollege Müller, wollen Sie auch noch die Tarifautonomie aus den Angeln heben. Es dürfte Ihnen bekannt sein, dass sich die Tarifpartner der Bauwirtschaft nach monatelangem Tarifkonflikt auf einen Mindestlohn für ganz Deutschland, gestaffelt nach Ost und West, verbindlich geeinigt haben. Das war die Neuerung in diesem Tarifkonflikt. Und der ganze Irrsinn bei diesem Gesetz findet auch noch mit Unterstützung der Landesregierung statt.

Der Wirtschaftsminister macht gegen die eigene Erkenntnis den Handlanger und liefert den Entwurf und der Innenminister nickt ab, so als habe diese Landesregierung nicht schon genug vernichtende Verfassungsgerichtsurteile einkassiert.

(Beifall bei der CDU)

Rot-Grün und SSW geben vor, mit diesem Gesetzentwurf insbesondere der angeschlagenen Baubranche helfen zu wollen. Was Sie unter diesem Deckmäntelchen auf den Tisch des Hauses gelegt haben, ist das Gegenteil. Schlimmer noch, es ist ein übles Täuschungsmanöver und perfides Spiel mit der Bauwirtschaft und den Kommunen.

(Wortmeldung des Abgeordneten Klaus- Dieter Müller [SPD] - Glocke der Präsiden- tin)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein. - Der Anwendungsbereich, § 2 dieses Gesetzes, gilt für die Baubranche nur auf Landesebene. Die Kommunen fallen nicht darunter.

Zwei Drittel der öffentlichen Bauaufträge entfallen auf die Kommunen, der Rest verteilt sich auf Bund und Land. Ein Blick in den Landeshaushalt genügt, um festzustellen, dass vom Land nichts zu holen ist, was der Bauwirtschaft Auftrieb geben könnte.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Von Verstetigung der Baunachfrage kann keine Rede sein. Was sich verstetigt hat, ist der Abwärtstrend.

(Uwe Eichelberg [CDU]: Die Investitions- quote!)

Anders verhält es sich beim Anwendungsbereich für den ÖPNV. Der ÖPNV wird auf kommunaler Ebene bestellt und finanziert. Die Teuerungswelle, die mit diesem Gesetz ausgelöst wird, geht ausschließlich zulasten der kommunalen Familie. Damit wird den Kommunen noch mehr Geld für dringend notwendige Investitionen entzogen, werden ihnen Wettbewerbshemmnisse in den Weg gestellt und wird ihnen noch mehr Bürokratie aufgebürdet.

Das bedeutet für die Bauwirtschaft - hier schließt sich dann der Teufelskreis - noch weniger Aufträge, noch mehr Druck, noch mehr Insolvenzen. Das ist die Wirkung dieses Gesetzes.

(Beifall bei CDU und FDP)

Aber jedem war nach Vorlage dieses Gesetzentwurfs klar: Um den Bau geht es nicht. Es geht ausschließlich um gewerkschaftliche Interessen. Die bedrängte Bauwirtschaft war dabei nur das willkommene Vehikel zur Durchsetzung dieser Interessen.

(Martin Kayenburg [CDU]: So ist das! - Günter Neugebauer [SPD]: Peinlich, pein- lich, peinlich!)

Das wird nicht zuletzt daran deutlich, dass von drängenden Problemen im Bereich ÖPNV nie die Rede gewesen ist, in der ganzen Beratung nicht. Es gibt sie auch nicht. Das ist nachzulesen in der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage zur „Zukunft des ÖPNV in Schleswig-Holstein“.

Die diskriminierenden Äußerungen durch Vertreter der Gewerkschaft ver.di nach der Vergabe von Teilen

der Kieler Müllabfuhr an einen mittelständischen Unternehmer - „Billigheimer“ war das Stichwort – geben einen deutlichen Vorgeschmack darauf, was den mittelständischen Unternehmen, den Bürgern und den Kommunen mit diesem Gesetz ins Haus steht.

(Beifall bei der FDP)

Der Bau braucht Aufträge, keinen weiteren Mittelentzug und keine weitere Bürokratie.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wir haben in Schleswig-Holstein kein Regelungsdefizit, wir haben ein Umsetzungsdefizit.

(Uwe Eichelberg [CDU]: Genau!)

Was wir brauchen, ist eine Regierung, die für die Einhaltung von Gesetzen sorgt und sie auch selber einhält. Dass das Land seine Vorbildfunktion hier mit Füßen tritt, ist nicht zuletzt auch Gegenstand des Zweiten Parlamentarischen Untersuchungsausschusses in diesem Haus.

(Beifall bei CDU und FDP)

Mehr Sicherheit und Transparenz bei der Auftragsvergabe ist notwendig. Deshalb will die CDU die Informationspflicht nach § 13 der Bundesvergabeverordnung auch unterhalb der Schwellenwerte im Mittelstandsförderungs- und Vergabegesetz verankern.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Richtig!)

Was sich für Großaufträge oberhalb der Schwellenwerte bewährt hat, muss auch für kleinere Aufträge unterhalb der Schwellenwerte gelten. Herr Kollege Müller, ich füge hinzu: Sie haben den neuen Entwurf und die neue Drucksache nicht gelesen. Hätten Sie das getan, wüssten Sie, wovon Sie reden.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Aschmoneit-Lücke das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister Rohwer, zunächst meinen herzlichen Glückwunsch! Sie haben das Tariftreuegesetz gerade nicht vorgelegt

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Er weiß, warum!)

(Christel Aschmoneit-Lücke)

und damit im Sinne Ludwig Erhards gehandelt, der gesagt hat:

„Zu einer guten Wirtschaftspolitik gehört… vor allem der Mut zum Widerstand und zur Unpopularität…“

(Beifall bei FDP und CDU)

Wir erleben eine neue Qualität der Zusammenarbeit von Regierung und Koalitionsfraktionen: Ein Ministerium entwirft ein Gesetz für die Fraktionen und die geben das auch noch öffentlich zu.

Noch komischer ist es, dass das Ministerium selbst den Entwurf offenbar verworfen hat, offensichtlich wegen gut begründeter Zweifel an der Zweck- und Rechtmäßigkeit. Jetzt sammeln die Regierungsfraktionen die Brosamen des Ministeriums auf. Das mindert zumindest nicht die begründeten Zweifel am Entwurf.

(Beifall bei FDP und CDU)

Der Zweck des Gesetzes lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Staatlich festgesetzte Mindestpreise sollen heimische Firmen retten und heimische Arbeitsplätze sichern. - Jeder Wirtschaftsstudent lernt in einer der ersten Vorlesungen, dass das nicht geht.