Protocol of the Session on September 12, 2002

Wird das Wort zur Begründung der Anträge gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat der Oppositionsführer, Herr Abgeordneter Kayenburg.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerpräsidentin, Sie haben Recht: Wir sind noch einmal davongekommen. Das verdanken wir allerdings nicht etwa der vorsorgenden Politik der Landesregierung,

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Auch nicht der Bundesregierung! - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sondern der Opposition!)

die sich intensiv um Hochwasserschutz und Binnendeiche gekümmert hätte.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das verdanken wir, insbesondere im Kreis Herzogtum Lauenburg, ausschließlich den zahlreichen Helfern von Bundeswehr, Freiwilligen Feuerwehren, dem Technischen Hilfswerk, DRK und den anderen Katastrophenschutzorganisationen, vor allem aber den örtlichen Krisenstäben - an der Spitze den Landräten und Bürgermeistern -,

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: CDU-Ortsverbände!)

die eine wirklich hochprofessionelle Arbeit geleistet haben.

(Beifall bei CDU und FDP)

Die Elbeflut, die insbesondere in Sachsen, SachsenAnhalt und in der Tschechei so verheerende Schäden anrichtete, hat unser Land weitgehend verschont. Dennoch ist es richtig, dass wir uns heute auch als Schleswig-Holsteinischer Landtag mit dem Thema befassen - zum einen, weil wir in selbstverständlicher Solidarität zu den Opfern dieser Katastrophe stehen, zum anderen, weil wir den zahlreichen Helfern, die auch aus unserem Land in die neuen Bundesländer gefahren sind, um tatkräftig anzupacken, danken wollen. Das war - wie schon bei der Oderflut - ein ganz wichtiger Beitrag für das Zusammenwachsen von West und Ost.

(Beifall bei CDU und FDP)

Der Ruf aus den Jahren 1989 und 1990 „Wir sind ein Volk" hat in der Katastrophe seine Bestätigung gefunden. Die Deutschen stehen in der Not zusammen. Das ist bei allen immer wieder aufkeimenden und konstruierten Gegensätzen zwischen den alten und den neuen Bundesländern für mich die wichtigste Botschaft für die Zukunft.

(Beifall bei CDU und FDP)

(Martin Kayenburg)

Es kann auch gar keinen Zweifel daran geben, dass schnelle und verlässliche Hilfe jetzt das Wichtigste ist, um die Schäden zu mildern. In diesem Zusammenhang finde ich es allerdings seltsam, wenn die Landesregierung behauptet, von dem Finanzierungsanteil der Länder und Kommunen entfielen 116 Millionen € auf Schleswig-Holstein. Der Finanzierungsanteil ist Null, denn, wenn der Kanzler sein Steuerreformversprechen nicht gebrochen hätte, wären diese 116 Millionen € bei den Bürgern direkt und nicht etwa im Säckel der Landesregierung gelandet.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen finde ich es nicht in Ordnung, wenn Sie damit die Haushaltsmisere zumindest teilweise begründen.

Im Übrigen nenne ich das Versprechen des Bundeskanzlers leichtfertig und populistisch, wonach es nach der Flut niemandem schlechter gehen solle als vorher. Aber gebrochene Versprechen des Kanzlers hat Deutschland inzwischen leider öfter erfahren müssen. Ich halte die Verschiebung der Steuerreform für ein weiteres gebrochenes Versprechen und für höchst problematisch.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich kann auch nicht verstehen, dass nach der gestern dargestellten Finanzlage dies die bevorzugte Finanzierungsform von Rot-Grün auch hier im Lande ist.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Halten Sie doch noch einmal Ihre Re- de von gestern! Die war echt gut! - Heiterkeit bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

- Frau Heinold, Sie sollten sich einmal ein Beispiel daran nehmen. Sie sind hier immer schwach.

Erstens weiß angesichts der unsicheren wirtschaftlichen Entwicklung heute niemand, über welche zusätzlichen Steuereinnahmen wir überhaupt reden.

Zweitens ist die Verschiebung der so genannten Steuerreform, die im Prinzip einer Steuererhöhung gleichkommt, Gift für die Konjunktur und damit Gift für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes.

(Beifall bei CDU und FDP)

Drittens wird insbesondere den kleinen Leuten Mehreinkommen vorenthalten, mit dem sie fest gerechnet hatten. Das bedeutet Konsumverzicht und Nachteile für den Handel.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Schließlich führt die von SPD und Grünen gewollte und zunächst auch durchgesetzte Steuererhöhung jetzt

zu einer fortdauernden Belastung des Mittelstandes und verhindert damit neue Arbeitsplätze.

(Konrad Nabel [SPD]: Setzen Sie sich besser hin!)

- Von Ihnen sind wir sowieso nichts anderes gewohnt, Herr Nabel, also seien Sie bitte ruhig!

Da die Steuereinnahmen spätestens mit der November-Steuerschätzung nach unten korrigiert werden müssen, wird auch das für die Flutgeschädigten zur Verfügung stehende Finanzvolumen aus dieser zweifelhaften Maßnahme bestimmt nicht die Größenordnung erreichen, mit der Rot-Grün im Moment rechnet. Eine konkrete, greifbare Summe ist jedenfalls nicht zu ermitteln. Außerdem steht dieses Geld erst im Frühjahr nächsten Jahres und nicht etwa schon jetzt zur Verfügung, also viel zu spät, um die aktuelle Notlage zu mildern.

Viel konkreter, weil heute schon exakt bezifferbar und heute schon im Bundeshaushalt verfügbar, ist der Weg der Unionsfraktionen, der nach dem 22. September ja auch gegangen werden wird: Verwendung der Bundesbankgewinne gepaart mit Umschichtungen im Haushalt. Das ist konkret, das ist nachvollziehbar, das ist realistisch.

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Deswegen flüchtet sich Rot-Grün - Frau Heinold ist schon längst da - ins Wolkenkuckucksheim unsicherer Finanzerwartungen.

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

So wird bei den Menschen vor dem Wahltag eine Hoffnung geweckt, die Sie nachher nicht werden realisieren können.

(Beifall bei CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, das Hochwasser der Elbe einerseits und die extrem starken Regenfälle in Teilen unseres Landes im Juli andererseits stellen auch unser Land vor neue Herausforderungen. Vor allem muss man den betroffenen Menschen und Unternehmen schnell und unbürokratisch helfen, die durch die Naturereignisse in eine nachgewiesenermaßen ihre Existenz bedrohende Krise gestürzt wurden. Das kann doch keine Frage sein! In Einzelfällen auf den Verfügungsfonds der Ministerpräsidentin zurückzugreifen, ist zwar gut gemeint, aber sicher etwas übereilt. Wir brauchen, wenn es gerecht zugehen soll, Regeln, die für alle gelten und nicht nur für einige Betroffene, wie zum Beispiel in Ahrensbök, so groß die Notlage im Einzelnen auch gewesen sein mag.

(Martin Kayenburg)

Peinlich wird die ganze Angelegenheit aber, wenn die Regierung einerseits 340.000 € für die betroffenen Familien bereitstellt und Frau Simonis erklärt, sie wisse, dass dies oft nur ein Tropfen auf den heißen Stein sei, und andererseits der Innenminister öffentlichkeitswirksam den Städten Lauenburg und Geesthacht jeweils 500.000 € schenkt, ohne dass diese einen Schaden nachgewiesen oder einen entsprechenden Antrag gestellt hätten. Dieses Geld hätte die Regierung besser in Deicherhöhungen, -sanierungen oder andere Schutzmaßnahmen stecken sollen,

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Herr Buß, was haben Sie da ge- macht?)

- schauen Sie doch in die heutige Presse! - und nicht etwa in angeblich teilweise unterspülte Plätze und insbesondere in die Erneuerung eines Sportplatzes, auf dem Bundeswehrfahrzeuge gestanden haben, und in Geesthacht in ein Schöpfwerk, das mit der Flut nichts zu tun hat. Herr Minister, das ist keine Flutopferhilfe.

(Beifall bei der CDU - Minister Klaus Buß: Das erzählen Sie mal den Städten!)

Genauso wenig richtig finde ich es, wenn Frau Franzen an Frau Künast schreibt, deren Haus solle die Kofinanzierung durch Landesbeteiligung für die Rettung Existenz gefährdeter Betriebe in Schleswig-Holstein übernehmen, weil das Land offenbar pleite ist, oder wenn die Regierung mitteilt, sie würde bei nicht versicherten Verlusten einen Zuschuss in Höhe von 50 % des eingetretenen Schadens, höchstens jedoch 15.000 € übernehmen.

Was ist da eigentlich das Versprechen des Bundeskanzlers noch wert? Wo bleiben da Gleichbehandlung und Gerechtigkeit? Wie sollen die schwer geschädigten Gemüsebauern, Baumschulen und auch Gewerbebetriebe damit ihre Existenz sichern? Da gibt es noch einen erheblichen Nachbesserungsbedarf.

Ich warne auch davor, dass wir angesichts der notwenigen Diskussion über den vorbeugenden Hochwasserschutz Dinge miteinander vermengen, die nichts miteinander zu tun haben. Es ist sicherlich richtig, dass wir über neue Überflutungsflächen beraten und deren Bereithaltung mit den jeweiligen Grundeigentümern vertraglich regeln. Aber es ist genauso falsch, wenn zum Beispiel die Vertiefung der Unterelbe ab Hamburg, der die Ministerpräsidentin im Prinzip zugestimmt hatte, wegen des Elbehochwassers jetzt infrage gestellt wird. Hier soll doch nur eine erneute Diskussion über die vermeintlichen Gegensätze zwischen Ökonomie und Ökologie losgetreten werden.

(Beifall des Abgeordneten Uwe Eichelberg [CDU])

Meiner Auffassung nach darf die Vertiefung der Unterelbe im Interesse des Hamburger Hafens, der auch unser Hafen ist, nicht zur Disposition stehen.

(Beifall bei der CDU - Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Immer schön bei den alten Konzepten bleiben!)

Wer die Vertiefung des Fahrwassers mit der Hochwasserkatastrophe in Zusammenhang bringt, täuscht die Menschen und will, Frau Heinold, nur sein ökologisches Süppchen kochen. Ich halte es allerdings für notwendig, dass wir in unserem Land eine Diskussion darüber führen, ob und inwieweit die Wasser- und Bodenverbände durch eigenwillige bürokratische Regelungen bei der Bekämpfung des Hochwassers gehindert wurden. Mich würde interessieren, warum die Verbände zum Beispiel zu neuen Formen der Abwassergrabenpflege genötigt oder möglicherweise durch entsprechende Vergütung verführt wurden, die den jahrelangen Erfahrungen der Verbände widersprechen.