Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Simonis, an sich wäre der Wirtschaftsbericht 2002 trotz der von Ihnen zugegebenen Konjunkturschwäche ja ein starkes Thema gewesen. Beim Durcharbeiten des Berichts muss man aber feststellen, dass nichts anderes als eine brave Statistik vorgelegt worden ist
weder tief greifende Analysen noch konkrete Schlussfolgerungen, wenige Zukunftshinweise, kein Konzept für künftige Wirtschaftspolitik und schon gar keine Visionen!
Von Ihren vielen Imagekampagnen, die Sie so stolz auflisten, hat sich doch nichts festgesetzt. Der Bericht strotzt von Programmen, die bei Ihnen die Wirtschaftspolitik ersetzen, und von Public Relation. Das war es dann aber auch. Ich sage Ihnen: Wir brauchen keine programmorientierte Wirtschaftspolitik, sondern müssen zurück zu einer handfesten, mittelstandsnahen, von Taten geprägten Wirtschaftspolitik.
Vor ein paar Tagen war in der Presse zu lesen, die Wirtschaft fühle sich im Norden wohl. Allen Unkenrufern, Miesmachern und Nörglern, die SchleswigHolstein angeblich schlechtreden, sollte die neue DIHT-Standortumfrage 2002 zur Pflichtlektüre gemacht werden. In der Presseberichterstattung sind aber ganz offensichtlich lediglich Teilergebnisse unzulässig verallgemeinert worden. Die Landesregierung hat dann - so wie Sie soeben auch - das vermutete Ergebnis ungeprüft übernommen und als Argument gegen angebliche Miesmacher gebraucht. Ich denke, Sie haben schlecht recherchiert. Aber das war bei Ihnen schon immer so: Der Bote wird für die schlechte Nachricht verantwortlich gemacht, nicht der Verursacher.
Im Gegensatz zum Wirtschaftsbericht 2002 lohnt die Kammerbefragung in der Tat einer näheren Untersuchung. Meine Damen und Herren, wir alle wissen doch: Ein positives Klima stimuliert die Wirtschaft. Weil die Regierung dies aber nicht befördert, versucht die Wirtschaft es herbeizureden. Es ist doch legitim, dass die Kammer Kiel versucht, das Ergebnis als Beweis für seine Standortattraktivität auszulegen. Das Marketing für den eigenen Standort ist Aufgabe einer Industrie- und Handelskammer. Aber - und das sollten sich Frau Simonis und die Regierung hinter die Ohren schreiben - das Umfrageergebnis ist auch unüberhörbar ein Hilferuf, die Regierung möge doch endlich etwas für den Mittelstand tun.
Das Gesamtergebnis für den Standort wird als „gerade noch befriedigend“ bezeichnet. Eine „hohe Standortattraktivität“ ist objektiv mit Sicherheit nicht feststellbar. Der Kammer-Bezirk Kiel befindet sich vielmehr mit dem „gerade noch befriedigenden“ Ergebnis im Mittelfeld des Gesamtergebnisses. Das ist kein positives Ergebnis.
Er liegt von 69 befragten Bezirken auf den Plätzen 28 bis 31 - gleichauf mit Passau und Rostock. Herzlichen Glückwunsch, kann ich da nur sagen.
Was Sie und die Landesregierung völlig verschweigen ist, dass Lübeck noch sehr viel weiter hinten liegt nämlich auf den Plätzen um die 50 herum - und damit hinsichtlich der Standortattraktivität noch schlechter ist und dass Flensburg erst gar nicht untersucht worden ist.
Ich frage mich doch wirklich, wie die Landesregierung zu einer solchen Beurteilung kommen kann, wenn man feststellen muss, dass die Wirtschaftsleistung je Einwohner und das Wirtschaftswachstum nur in Berlin und in den ostdeutschen Ländern noch schlechter sind als in Schleswig-Holstein.
Bei der Arbeitsproduktivität liegen lediglich Niedersachsen, Berlin und die ostdeutschen Länder hinter Schleswig-Holstein. Deshalb kann ich nur sagen: Frau Simonis, Sie leiden offenbar an Wahrnehmungsstörungen.
Von einer objektiven Bewertung der wirtschaftlichen Situation im Lande sind Sie mit Ihren Darstellungen weit entfernt. Die Lage ist schlecht, und das können Sie auch nicht schönreden. Wegen des Versagens der rot-grünen Regierung in der Wirtschaftspolitik ist Deutschland in Europa und ist Schleswig-Holstein in Westdeutschland jeweils das ökonomische Schlusslicht. Das ist Fakt in diesem Lande.
Nur Ostdeutschland ist noch schlechter dran. Deshalb frage ich: Herr Schröder, was ist das eigentlich mit der „Chefsache“? Dazu kann ich nur feststellen: Voll daneben - Herr Schröder in Berlin und Frau Simonis in Kiel.
Hinzu kommt, dass mit jedem Konjunkturzyklus die Sockelarbeitslosigkeit in Schleswig-Holstein, aber auch im ganzen Lande, weiter steigt. Wenn man sich mit dem Wirtschaftsbericht 2002 genauer befasst, fällt besonders auf, wie sehr die Landesregierung bemüht ist, Schleswig-Holstein als das Gründerland schlechthin zu verkaufen. Sie schmeißen - wie wir es gerade erlebt haben - wild mit Gründungsquoten und Zahlen von angeblich neu geschaffenen Arbeitsplätzen herum, ohne die Insolvenzen gegenzurechnen. Bei Konkursen
Vom Saldo als Ergebnis politischer wie wirtschaftlicher Betätigung haben Sie offenbar noch nichts verinnerlicht - und der Hersteller des Berichtes auch nicht, Herr Professor.
Sie sollten deswegen die Arbeitsmarktzahlen einmal genauer betrachten. Dann sehen Sie Schwarz auf Weiß, was das Ergebnis Ihrer Wirtschafts- und Gründungspolitik ist. Obwohl im April dieses Jahres die Zahlen saisonbedingt etwas günstiger waren als im Vormonat, haben wir im Vergleich zum Vorjahr mehr Arbeitslose: Im April 2002 sind es 118.700 und im April 2001 waren es 116.000 Arbeitslose. Da frage ich mich doch, wo da eigentlich Ihr Erfolg ist. So sind die Zahlen, obwohl Sie mit Bilanztricks wie zum Beispiel bei der Statistik zum 630-DM-Gesetz versucht haben, die Zahl der Erwerbstätigen durch Umbuchungen in die Höhe zu treiben. Insofern können wir nur feststellen: Es gibt eben keinen Erfolg der Wirtschaftspolitik im Berichtszeitraum.
Sie haben sich dann aber - das möchte ich positiv anmerken - doch ein paar Zukunftsgedanken gemacht. Sie reden von der Neustrukturierung des Standortmarketings. Ich frage Sie aber: Warum sind das Ankündigungen? Warum haben Sie das nicht längst gemacht? Sie reden von einer zukünftigen Konzentration auf die Kompetenzcluster „Life Science“, „IT/Elektronik“, „Neue Elektronik“, „Lebensmittelverarbeitung und -technologie“ und „Gesundheitswirtschaft“.
An dieser Ausrichtung auf Zukunftswirtschaftszweige ist grundsätzlich überhaupt nichts auszusetzen, auch wenn der IT-Bereich zurzeit einen katastrophalen Einbruch erlebt, den wir in Schleswig-Holstein beim Abbau der Arbeitsplätze unter anderem bei Motorola hautnah zu spüren bekommen haben. Was in diesem Bereich zurzeit abläuft, muss man wohl oder übel als „Selbstregulierung des Marktes“ bezeichnen.
Frau Simonis, Sie haben sich nun wirklich völlig geirrt; Sie tragen nur Klischees vor sich her. Wir sind eben nicht der Meinung, dass die Gesundheitswirtschaft und Life Science lächerlich zu machen wären.
(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP - Dr. Heiner Garg [FDP]: Dann muss man sie auch ausbauen!)
Umso wichtiger ist es, dass die Landesregierung die richtigen Rahmenbedingungen für Unternehmen setzt. Davon kann bei Ihrer Politik aber leider überhaupt nicht die Rede sein.
Frau Simonis, wie anders ist es zu erklären, dass ein Vertreter Ihrer Regierung im Wirtschafts- und Verkehrsausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landkreistages erklärt hat, das Land sehe sich für den Bereich der Gesundheitswirtschaft nicht in der Verantwortung, sich am Marketing im Gesundheitswesen zu beteiligen? Für die betriebliche Förderung seien nicht genügend Mittel vorhanden. Ich kann nur sagen: Vollmundige Ankündigungen und nichts als heiße Luft. Das ist Wirtschaftspolitik à la Simonis.
Frau Simonis, Sie können es einfach nicht, denn Sie vergessen offensichtlich, dass der eigentliche Motor der Wirtschaft hier im Lande der Mittelstand ist. Unser Papier „Pakt für den Mittelstand“ ist Ihnen lange bekannt. Die Rezeptur haben wir Ihnen auf den Tisch gelegt. Wir haben Ihnen auf Bundesebene eine Senkung der Steuerlast - für Personengesellschaften und Private - und die Rücknahme der von Rot-Grün verschärften Regulierung des Arbeitsmarktes nahe gelegt. Sie haben nichts getan. Frau Simonis, wir fordern Sie zum wiederholten Male auf, sich für eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, für strukturelle Reformen in der Sozialversicherung und für die Wahrung des Lohnabstandsgebotes sowie für eine Verschlankung des Betriebsverfassungsgesetzes im Sinne der Mitarbeiter und Unternehmen einzusetzen.
Wenn Sie die Standortbefragung der Kammern genau gelesen hätten, dann hätten Sie festgestellt, dass dies das Ergebnis der Befragung ist. Mit Ihrer Taubheit und Blindheit auf diesem Gebiet schaden Sie unserem Land. Dass Sie an anderer Stelle - wie bei der Verkehrspolitik - bewiesen haben, dass Sie unsere guten Vorschläge übernehmen können, will ich nicht bestreiten.