Die zweite große Inkonsequenz in dem Gesetz ist die Regelung, dass in den Jahren 2002 bis 2004 auch unterhalb des vor Ort gültigen Tarifs gezahlt werden darf. Hierdurch wird Lohndumping auch noch staatlich sanktioniert. Das ist völlig inakzeptabel. Ziel des Gesetzes muss sein, Lohndumping zu verhindern, und nicht, Lohndumping in Gesetzesform zu gießen.
Ich komme nun zum eigentlichen Geltungsbereich des Gesetzes. Es soll nur auf dem Gebiet des Bauwesens und für den öffentlichen Personennahverkehr gelten. Neben diesen beiden in der Tat wichtigsten Bereichen gibt es aber noch einen weiteren Bereich, dessen bisher gewachsene Struktur von den künftigen Ausschreibungen und dem damit verbundenen Lohndumping betroffen sein wird: der Abfallwirtschaftsbereich! In den nächsten Jahren wird uns eine Welle von europaweiten Ausschreibungen im Bereich der Müllabfuhr erreichen. Die Auswirkungen werden die gleichen sein, wie wir sie im Baubereich kennen und im ÖPNVBereich in naher Zukunft erwarten. Daher ist es wichtig, dass gerade die Abfallwirtschaft vom Gesetz umfasst wird.
Ich komme nun zum Verwaltungsaufwand. Herr Kollege Kubicki, da gebe ich Ihnen Recht. Im Gesetzentwurf ist festgelegt, dass die Bundesanstalt für Arbeit und die Zollverwaltung die Einhaltung des Gesetzes kontrollieren sollen.
Das wird zu einer Mehrbelastung dieser Verwaltungen führen. Gerade die Bundesanstalt für Arbeit sollte nach den derzeitigen Erfahrungen dieser Mehrbelastung nicht ausgesetzt werden.
Die Vergabegesetze auf der Ebene der Länder in Bayern, im Saarland, in Berlin und in Sachsen-Anhalt kommen allesamt ohne eine solche Regelung aus. Auch das von uns eingebrachte Landesvergabegesetz sieht nur die Verantwortlichkeit beim öffentlichen Auftraggeber vor, der dann ein Eigeninteresse hat. Im Gegensatz zum Tariftreuegesetz auf Bundesebene sind die Regelungen auf der Ebene der Länder mit wesentlich weniger Bürokratie ausgestattet. An diesen Beispielen hätte man sich eigentlich orientieren müssen.
Ich gehe davon aus, dass das Tariftreuegesetz am 31. Mai im Bundesrat keine Mehrheit finden wird. Dann wird der Weg für ein Vergabegesetz auf Landesebene frei sein. Ich stelle fest, dass die rot-grüne Mehrheit im April im Wirtschaftsausschuss zugesagt hat, unseren Gesetzentwurf zum Anlass zu nehmen, in Schleswig-Holstein ein Landesvergabegesetz verabschieden zu wollen. Das begrüßen wir ausdrücklich.
Unser Entwurf befand sich schon in der ersten Lesung und in der notwendigen Anhörung, die für den Gesetzentwurf sehr positiv verlaufen ist. All die Fehler, die ich gerade in Bezug auf das Tariftreuegesetz auf Bundesebene aufgezählt habe, finden sich in unserem Gesetzentwurf nicht. Die Ablehnung des Tariftreuegesetzes auf Bundesebene ist somit für uns in SchleswigHolstein keine Niederlage, sondern eine Chance, es noch besser zu machen.
Wir werden uns heute der Stimme enthalten. Bitte verstehen Sie unsere Enthaltung so, wie man sie auch im Bundesrat verstehen würde. Dort gelten Enthaltungen ausdrücklich nicht als Zustimmung. Wir wollen
weder dem FDP-Antrag noch dem derzeitigen Entwurf für ein Tariftreuegesetz auf Bundesebene zustimmen.
Nun zum Abschluss noch ein Wort zu Frau Strauß. Sie sagten mit Blick auf Rot-Grün: Wer ein solches Gesetz erlässt, disqualifiziert sich als Kanzler. Ich stelle fest: Herr Stoiber hat als Erster in Bayern ein Vergabegesetz durchgesetzt. Den entsprechenden Schluss dürfen Sie selber ziehen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal halten wir fest: Wettbewerb ist existenziell für unsere Wirtschaftsordnung.
Ohne Wettbewerb gibt es keine Innovation. Ohne Wettbewerb gibt es keine Produktivitätsverbesserungen.
Genauso, wie dies gilt - das wissen diejenigen von Ihnen, die vorhin das Stichwort „Freiburger Schule“ einmal so locker haben fallen lassen -,
Die Frage ist: Wie sichern wir in der Bauwirtschaft genauso wie in der Güterwirtschaft und anderen Wirtschaftszweigen faire, angemessene Wettbewerbsbedingungen - international, grenzüberschreitend und national?
Jetzt schauen Sie sich einmal die Lage in der Bauwirtschaft an. Ich finde, das können wir schon erwarten.
Ich weiß auch, dass einige von Ihnen in der CDU vor ein paar Monaten noch anders geredet haben. Da waren Sie nicht so strikt dagegen, weil Sie die Lage in der Bauwirtschaft genau kannten, weil Sie mit Bauleuten geredet haben und weil die Ihnen gesagt haben, dass sie in Schleswig-Holstein im Moment die Unterschiede von 20, 30 % an Kosten Ost/West, grenzüberschreitend haben. Das gilt für die kleinen Betriebe; die großen machen das anders.
Nun kann man sagen, das sei Wettbewerb. Das ist aber eine Dimension von Wettbewerb, die ich als Problem bezeichne. Richtig gesagt worden ist, dass die Lage in der Bauwirtschaft viel mit anderen Dingen zu tun hat, Strukturproblemen, Dingen, die verschlafen worden sind, damit, dass die öffentlichen Investitionen höher sein könnten und so weiter. Das aber ist ein Thema. Wenn Sie mit den Baufirmen reden, werden die Ihnen sagen, dass sie da echte Probleme haben. Das sollten Sie fairerweise wenigstens anerkennen.
Die Baufirmen aus Ostdeutschland und anderswo, die hier 20 bis 30 % billiger anbieten, tun das nicht, weil sie produktiver sind, sie tun das nicht, weil sie sich ansonsten, im technologischen Wettbewerb gestärkt haben, sondern sie tun es, weil irgendwann einmal politisch oder von den Tarifpartnern entschieden worden ist, dass es Tarifunterschiede gibt. Als Folge davon bieten sie deutlich billiger an, und zwar in einem Umfang und in einem Sektor, der extrem arbeitsintensiv ist. Wir befinden uns hier nicht in einem normalen Ex-/Importsektor, sondern in einem extrem arbeitsintensiven Bereich, in dem ein Lohnkostenunterschied von 30 % tatsächlich existenziell sein kann. Das merken übrigens auch die Flensburger, wenn sie grenzüberschreitend mit den Dänen konkurrieren, die das Lohnnebenkostenproblem nicht in der Form haben wie die Deutschen.
Lohnkonkurrenz gehört zum internationalen Wettbewerb. Er darf aber nicht zu Lohndumping führen. Das ist das Thema, über das wir hier reden.
Für den öffentlichen Auftraggeber entstehen Mehrkosten. Aber diese sind für mich der Preis für diese Spielregeln.
Wenn wir das nicht machten, entstünden für den öffentlichen Bereich übrigens auch Mehrkosten. Reden wir doch einmal ganz offen. Wenn wir die Bauleute, die arbeitslos würden, aus öffentlichen Kassen finanzierten, würde das teurer, als wenn wir bei den öffentlichen Investitionen einen kleinen Aufschlag einkalkulieren.