unterstützt, macht Politik auf Kosten der Menschen unseres Landes. Weder Ignoranz noch schlechter Vorsatz sollten Grundlage politischer Entscheidungen sein. Deshalb lehnen wir die Tariftreue ab und fordern Sie auf, für Schleswig-Holstein und gegen die Tariftreue zu stimmen.
Ich hätte gern schon heute eine Abstimmung in der Sache, weil offensichtlich - wie wir in der letzten Debatte gelernt haben - keinerlei Möglichkeit und Bereitschaft auf Ihrer Seite besteht, vernünftige Vorschläge zum Beispiel die Ausführungen des Wirtschaftsministers - zur Kenntnis zu nehmen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit 1995 befindet sich die deutsche Bauwirtschaft nicht nur in einer Konjunktur -, sondern auch in einer Strukturkrise. Sie leidet unter starken Wettbewerbsverzerrungen und einem ruinösem Preiswettbewerb.
Solide kalkulierende Bauunternehmen haben heute in diesem Wettbewerb regelmäßig keine Chance gegen die Billigkonkurrenz.
Mit ihnen verschwinden Arbeitsverhältnisse, für die Sozialversicherungsbeiträge und Steuern abgeführt werden. An ihre Stelle treten illegale Beschäftigungsverhältnisse.
So sind im Bauhauptgewerbe seit 1995 mehr als ein Drittel aller legalen inländischen Arbeitsplätze abgebaut worden. Die illegale Beschäftigung nahm im gleichen Zeitraum um mindestens 300.000 zu.
Grundsätzlich ist es in einer Marktwirtschaft Aufgabe der Wirtschaft selbst, eine derartige Fehlentwicklung zu unterbinden. Aber die Selbststeuerungskräfte haben offenbar versagt. Daher muss der Gesetzgeber handeln. Ansonsten würde auf Grund der Dynamik des Wettbewerbs ein Stundenlohn von 3 € zur Regel, um wettbewerbsfähig zu sein.
Wir stehen auf der Seite der seriösen mittelständischen Unternehmer und ihrer Arbeitnehmer, die sich zu Recht dagegen auflehnen, dass bei öffentlichen Aufträgen mit Steuergeldern Lohndumping unterstützt wird.
Um Ihnen die Haltung der Gewerkschaften zum Tariftreuegesetz zu verdeutlichen, ein Zitat vom ver.di-Chef Briske in der Hauszeitschrift der Gewerkschaft vom 13. Mai 2002:
„Für uns hat das Gesetz den gleichen Stellenwert wie die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und für unsere Mitglieder ist dies eine Frage der Wahlentscheidung.“
Fakt ist, Herr Kayenburg, Vergabegesetze gibt es in Bayern - das dortige Gesetz geht auf die Initiative der CSU zurück -, in Berlin - dort hat die große Koalition, an der die CDU maßgeblich beteiligt war, ein entsprechendes Gesetz in Kraft gesetzt - und im Saarland, das bekanntlich zurzeit auch von der CDU regiert wird.
Dass die Auffassungen je nach Interessenlage auch in der CDU/CSU sehr auseinander gehen, zeigt der Redebeitrag des CDU-Bundestagsabgeordneten Manfred Grund in der Bundestagsdebatte zu diesem Thema. Herr Grund kritisierte den Kanzlerkandidaten der CDU/CSU mit den Worten :
Damit hat er grundsätzlich Recht. Die FDP kritisiert das Gesetz als gegenteiligen Ansatz zu dem Ordnungsprinzip der sozialen Marktwirtschaft. Ja, meine Damen und Herren, aber dort, wo die Selbstheilungskräfte des Marktes versagen, hat der Staat die Pflicht zur Regulierung. Sie, meine Damen und Herren, von der FDP, sind Adam Smith offenbar immer noch näher als Ludwig Erhard!
Teile der Union und auch Sozialdemokraten aus den neuen Bundesländern befürchten, das Tariftreuegesetz nehme den ostdeutschen Betrieben jede Chance,
in den alten Bundesländern zu den örtlichen Tarifen Aufträge zu erhalten. In diesem Zusammenhang wird häufig gefordert, es solle der Lohntarif am Unternehmenssitz gelten. Das aber ist Unsinn, weil gerade bei ausländischen Unternehmen dann keine Kontrolle möglich wäre. Auch würden im Zuge der Osterweiterung der EU zuerst die ostdeutschen Unternehmen von den neuen Wettbewerbern bedrängt. Im Übrigen sollte man sich durchaus auch in den neuen Bundesländern fragen, ob es wirklich vernünftig ist, wenn sich die Unternehmen im Wesentlichen auf einen Personalkostenvorsprung verlassen, der allein auf die Lohnhöhe zurückzuführen ist.
Gelegentlich hilft ja ein Blick über den Tellerrand hinaus bei der eigenen Urteilsfindung. In den USA, in denen Vergabegesetze existieren und zwischenzeitlich wegen liberaler Wünsche in einigen Bundesstaaten aufgehoben waren, konnte man in dieser Phase feststellen, dass die Baukosten nicht sanken, obwohl die Löhne und Sozialleistungen deutlich zurückgingen. Die Ausbildungsquote verringerte sich aber drastisch, nämlich um mehr als die Hälfte. Es trat ein Besorgnis erregender Facharbeitermangel ein. Zugleich ging in dieser Zeit die Innovationsfähigkeit und ihr folgend die Qualität und Produktivität der amerikanischen Bauwirtschaft zurück. Niemand investiert nämlich in langfristig wirksame Innovationen, wenn seine Konkurrenten kurz- und mittelfristig die Aufträge erhalten, weil sie auf Innovationen und Investitionen verzichten.
Die dem liberalen Drängen zwischenzeitlich zum Opfer gefallenen US-Bundesstaaten haben nach diesen ernüchternden Erfahrungen ihre Vergabegesetze wieder in Kraft gesetzt. Das sollte uns zu denken geben.
Die Sozialdemokraten lehnen den Antrag der FDPFraktion ab und unterstützen die Bemühungen der Bundesregierung, mittelständische Betriebe und Arbeitsplätze in der Bauwirtschaft zu erhalten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Müller, es ist schon erstaunlich, was man in fünf Minuten an Unkenntnis über wahre Zusammenhänge dokumentieren kann!
In einem Punkt haben Sie allerdings Recht: Die Lage am Bau ist katastrophal, und zwar so katastrophal, wie sie es noch nie war.
1998 hatten wir in der Bauwirtschaft 1,15 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, heute sind es nur noch 840.000. Das sind weniger, als es vor der Wiedervereinigung allein in den alten Bundesländern gegeben hat. Einen so dramatischen Verlust an Arbeitsplätzen hat es in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zu keiner Zeit und in keiner Weise gegeben. Allein im letzten Jahr hatten wir 9.026 Konkurse in der Bauwirtschaft zu verzeichnen, 80.000 Arbeitsplätze sind verloren gegangen. Um die Dimension nur einmal deutlich zu machen. Das sind so viele, wie im ganzen Kohlebergbau vorhanden sind. Aber hier sprudeln die Subventionen in Milliardenhöhe munter weiter.
Und das Konzept der Bundesregierung? - Anstatt die Rahmenbedingungen für die Investitionen zu stärken, damit Aufträge gerade in konjunkturell schwierigen Zeiten da sind, will Rot-Grün der wegbrechenden Baubranche mit weiterer Regulierung auf die Beine helfen. Das ist ein absoluter Irrweg und er wird, wie alle anderen Versuche, über Regulierung und Druck Wachstum in die deutsche Wirtschaft zu bringen, scheitern.
Meine Damen und Herren! Auch das muss an dieser Stelle gesagt werden: Wer die Chefsache Ost so versteht, dass zwölf Jahre nach der Wiedervereinigung eine Schutzfront West aufgebaut werden muss, der nimmt billigend wachsende Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern in Kauf und disqualifiziert sich als Kanzler.
Im Übrigen stammt der Begriff „Schutzfront West“ nicht von mir, sondern von 23 SPD-Abgeordneten aus den alten Bundesländern.
Entweder haben die Bauunternehmer in den neuen Bundesländern Anteil an den Aufträgen in den alten Bundesländern und sichern damit Arbeitsplätze, oder der Sozialtransfer von West nach Ost wird wesentlich
Die wirklich wichtigen Gründe für den Niedergang unserer Bauwirtschaft haben mit unterschiedlichen Tarifverträgen nicht das Geringste zu tun. Sie liegen ganz woanders. Die Fakten sind: Die öffentlichen Aufträge machen nur noch 13 % der Bausumme in Deutschland aus. Der Bund hat im laufenden Haushaltsjahr nur noch eine Investitionsquote von 10,1 %. Das ist die niedrigste Investitionsquote, die es je gab. Der Bund investiert im Jahre 2002 nominal 9,5 Milliarden DM weniger als 1998, und zwar trotz Steuermehreinnahmen von 48,5 Milliarden DM in diesem Zeitraum.
Das Land Schleswig-Holstein schlägt seit Jahren jeden Negativrekord bei der Investitionsquote und liegt nur noch bei 9 %. Zusätzlich greift es den Kommunen seit Jahren unverfroren in die Tasche. Die Investitionen der Kommunen, die Zweidrittel aller Bausinvestitionen ausmachen, befinden sich im freien Fall.