Protocol of the Session on January 23, 2002

(Beifall des Abgeordneten Peter Jensen- Nissen [CDU])

Es besteht eindeutig Widerspruch zwischen den Worten, den Sonntagsreden, und dem praktischen Handeln, ein Widerspruch, der mit den Händen greifbar ist und gleichwohl hartnäckig geleugnet wird.

(Helmut Plüschau [SPD]: Das ist Quatsch!)

- Der Widerspruch ist praktisch zu fühlen. Merken Sie das nicht, Herr Kollege Plüschau?

Die Ursache liegt in der schwachen Position des Landwirtschaftsministeriums der rot-grünen Regierung. Der letzte Haushalt ist ein deutlicher Beleg: 16 % Minderung gegenüber dem Haushaltsansatz für

(Dr. Christel Happach-Kasan)

das Jahr 2001! Deutlicher kann eine Regierung nicht belegen, dass ihr die Landwirtschaft keinen Heller wert ist.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ursache dieser Minderung ist nicht der Zwang zum Sparen, denn im Umweltministerium weiß man zum Beispiel nicht, wohin mit dem Geld; Ursache ist allein der Wille, den ungeliebten landwirtschaftlichen Mittelstand in die Knie zwingen zu wollen.

(Widerspruch bei der SPD)

- Herr Kollege Wodarz, ich könnte das auch belegen, zum Beispiel an der unsinnigen Ausgabe für das Umweltranking. Offensichtlich hat man so viel Geld, dass man sich etwas leisten kann, was ein absoluter Flop ist.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ein schwaches Ministerium duldet keine starke Kammer neben sich. Nur aus diesem Grund tut das Landwirtschaftsministerium alles, die Kammer zu schwächen, obwohl es auf die fachlichen Leistungen der Kammer angewiesen ist. Jüngstes Beispiel sind die von der Ministerpräsidentin auf der Grünen Woche in Berlin vorgestellten Qualitätstore. Die Qualitätstore bieten bei Lebensmitteln eine erhöhte Sicherheit, das in diesem Haus mehrmals diskutierte Qualitätszeichen der Landwirtschaftskammer hat Premium Qualität. Herr Kollege Hopp, da sind wir uns wohl einig. Zu Deutsch: Genuss pur! Das Konzept für die Qualitätstore wie für das Gütezeichen stammt aus der Landwirtschaftskammer.

(Ministerin Ingrid Franzen: Das ist falsch!)

Es zeugt von einer ziemlichen Chuzpe, wenn sich die Ministerpräsidentin einerseits für die schleswigholsteinische Erfindung der Qualitätstore feiern lässt, andererseits der Institution, der sie diesen medialen Erfolg zu verdanken hat, jedoch an die Gurgel geht. Genau das passiert zurzeit.

Frau Ministerin, wir waren gemeinsam bei der Anhörung bei der Landwirtschaftskammer und haben uns von der Landwirtschaftskammer die Entwicklung der Qualitätstore als Voraussetzung für das Gütezeichen vorstellen lassen. Ich frage mich: Waren wir wirklich auf der gleichen Veranstaltung?

Die im Ausschuss von den Regierungsfraktionen beschlossenen Änderungen gehen alle in die richtige Richtung, aber sie sind nicht ausreichend. Deshalb bringen wir einen Änderungsantrag ein, der die Förderquote der Landwirtschaftskammer besser regelt, die Frauenquote auf ein realistisches Maß zurückführt und das Zählverfahren nach Hare-Niemeyer - entsprechend

den Regelungen im Deutschen Bundestag und in den meisten Landesparlamenten - einführt.

In einem von Männern geprägten Berufsstand die 50prozentige Frauenquote zu fordern, spricht dem gesunden Menschenverstand Hohn. So wird die berechtigte Forderung der Frauen nach gesellschaftlicher Gleichstellung lächerlich gemacht. Daher lehnen wir diese Forderung ab.

Kernpunkt ist jedoch die zukünftige Förderung der Landwirtschaftskammer. Der Ursprungsentwurf des Kammergesetzes der Landesregierung zielte auf ihre Zerschlagung. Die Regierungsfraktionen sind diesem politischen Ziel nicht gefolgt. Das ist anerkennenswert. Doch woher soll die Landwirtschaft mit ihren Institutionen Vertrauen in eine rot-grün geführte Landesregierung bekommen, die in der Vergangenheit fünfmal das eigene Gesetz missachtete?

Was sind gesetzliche Regelungen einer rot-grünen Landesregierung wert?

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Nicht viel!)

Der Kollege Jensen-Nissen hat deutlich gemacht: Zielvereinbarungen sind bis jetzt immer gescheitert. Wird das bei der Landwirtschaftskammer nicht genauso sein? Wie kann es sein, dass Umweltverbände institutionell gefördert werden, die Kammer mit ihren öffentlichen Aufgaben dagegen nicht?

Wie stark will die Landesregierung in die Kammer hineinregieren? Die jetzigen Regelungen des § 21, Zuweisung von Landesmitteln, lassen das Schlimmste befürchten. Um dies abzuwenden, haben wir unseren Änderungsantrag eingebracht. Ohne eine Änderung von § 21 lehnt die FDP das Gesetz ab.

Eine der Stärken Schleswig-Holsteins ist die Landwirtschaft. Wir können es uns nicht leisten, auf diese Stärke zu verzichten. Allein über die Flächenbeiträge der EU kommen über 300 Millionen € ins Land. Das nutzen Landwirte nicht, um in die Toskana zu fliegen, sondern um in ihre Betriebe zu investieren, wenn denn die Politik günstige oder zumindest faire Rahmenbedingungen schafft. Doch diese Rahmenbedingungen verschlechtert die rot-grüne Landesregierung kontinuierlich. Dieses Land kann sich Rot-Grün nicht leisten. Frau Kollegin Franzen, das muss dringend geändert werden.

(Beifall bei FDP und CDU)

Das Wort erteile ich jetzt dem Herrn Abgeordneten Steenblock.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Weil die Debatte ein bisschen redundant ist und wir in den Ausschüssen schon sehr intensiv diskutiert haben, möchte ich mich auf zwei Kernpunkte in der Diskussion konzentrieren. Zum einen möchte ich ein paar Worte zum Verfahren sagen, zum anderen zum Kernpunkt, die Finanzierung und die Mittel, die zur Verfügung gestellt werden, um der Landwirtschaftskammer die Erledigung ihrer Aufgaben zu ermöglichen. Das sind die beiden zentralen Punkte.

Zunächst einmal zum Verfahren! Herr Jensen-Nissen und Frau Happach-Kasan, es ist schon merkwürdig, welches Verständnis von Parlament, der Interventionsmöglichkeiten und der Qualität der Arbeit von Parlament Sie hier mit Ihrer Kritik am Verfahren deutlich machen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Was anderes ist die Aufgabe des Parlaments, als einen Gesetzentwurf, den die Regierung vorlegt, inhaltlich zu bewegen, zu diskutieren, Anhörungen zu veranstalten und aus diesen Anhörungen, aus diesen Debatten, die wir sehr ernsthaft geführt haben - das müssen Sie doch konzedieren -, als Parlament, als Gesetzgeber Schlüsse zu ziehen und einen vorgelegten Gesetzentwurf zu ändern?

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Dies zu kritisieren, heißt doch, dass Ihr Verständnis vom Verhältnis zwischen Regierung und Parlament dahin geht, dass die Parlamentsvertreter letztlich nur das abnicken, was von ihren Regierungen kommt. Es mag so sein, das Sie in der CDU so ein Verständnis haben. Rot-Grün hat ein anderes Verständnis.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Wir nehmen unsere Aufgabe als Parlamentarier ernst. Deshalb ist gerade dieser Gesetzentwurf, sind die Debatten, die es darum gegeben hat, ein ausgesprochen positives Zeichen auch für das Ernstnehmen von Gesprächspartnern.

Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich beim Präsidenten und beim Vorstand der Kammer dafür bedanken, dass es ein inhaltlich, faires, sachliches Verfahren gegeben hat, bei dem versucht worden ist, einen Kompromiss an einer für ein landwirtschaftlich geprägtes Land zentralen Stelle zu finden, mit dem beide Seiten leben können. Natürlich zockt hier keiner. Wir haben Kompromisse gefunden, mit denen man leben kann. Die Kammer hat eine In

teressenvertretung praktiziert, die nicht auf Konfrontation und politische Demonstration, sondern auf fachlich fundierte Auseinandersetzungen ausgerichtet war. Ich glaube, dafür gebührt der Kammer ein Dankeschön dieses hohen Hauses.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

So weit zum Verfahren.

Der zweite Kernpunkt der Kritik, den ich sehr ernst nehme - das ist das, was übrig bleibt -, ist die Frage der Finanzierung. Natürlich kann die Kammer mit den Geldern, die sie selber akquiriert, machen, was sie will. Es ist ja auch vernünftig, dass die Trennung zwischen Selbstverwaltungs- und Weisungsaufgaben jetzt sehr viel deutlicher geworden ist und die Finanzierung der unterschiedlichen Teile klar geregelt worden ist. Das liegt auch im Interesse der Steuerzahler und im Interesse von Transparenz. Es ist eben notwendig, dass wir hier zu einer schärferen Trennung kommen. Das wollten auch alle erreichen.

(Beifall bei der SPD)

Weiter ist es so, dass sich durch diese Trennung eine deutliche Mittelreduktion ergibt. Das war der Kammer selber klar. An dieser Stelle haben wir auch vernünftige Gesprächsergebnisse erreicht. Die Mittelreduktionen sind ja notwendig.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, dass auch Sie das so gesehen haben, zeigt, dass Sie zu den Haushaltsberatungen in diesem Jahr keinen einzigen Antrag zur Erhöhung der Mittel für die Landwirtschaftskammer eingebracht haben. Für die Finanzierung haben Sie anscheinend keine konkreten Alternativen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist auch eine bestimmte Modalität der Überwachung der Gelder notwendig. Frau Happach-Kasan, vor dem Hintergrund, den Sie gerade generell zur institutionellen Förderung und den Zielvereinbarungen aufgezeigt haben - das betrifft auch andere Bereiche -, glaube ich, dass die Landesregierung insgesamt darüber nachdenken muss. Das muss man konsequenterweise sagen.

Das Instrument der Zielvereinbarungen ist zugegebenermaßen schwierig. Darüber haben wir schon diskutiert. Ich bin auch der Auffassung, dass uns damit ein schweres Stück Arbeit - genauso wie im Hochschulbereich - bevorsteht. Es ist nicht einfach, Zielvereinbarungen so zu formulieren, dass man sich über die Interessengegensätze, die es zwischen den Verhandlungspartnern zwangsläufig gibt, so verständigen kann, dass alle hinterher glücklich und zufrieden sind.

(Rainder Steenblock)

Aber welche Alternativen haben wir denn, um die Gelder der Steuerzahlerinnen und -zahlern tatsächlich transparent zu verwalten? Die institutionellen Zuschüsse sind auf jeden Fall nicht das Instrument, das uns Transparenz in der Verwaltung von Steuergeldern garantiert.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb muss man sich auf die Mühsal des Prozesses der Zielvereinbarung als eines modernen Steuerungsinstruments einlassen. Unsere Erfahrungen sind, dass sich dabei einige zum Teil eine blutige Nase holen werden. Trotzdem glaube ich, dass es dazu keine Alternative gibt.

Deshalb sind alle aufgefordert, die Dinge anzupacken. Zuallererst muss das die Regierung machen. Das ist ihre Aufgabe. Aber wir werden die Regierung bei diesem Prozess konstruktiv begleiten. Die Kammer wird sicherlich das Ihre tun. Aus den Erfahrungen der Vergangenheit schöpfe ich jedenfalls viel Vertrauen, dass es hier zu einem fachlichen Dialog kommt.