Protocol of the Session on November 14, 2001

Umsetzung des Handlungskonzepts des MASGV zur Sicherung der Pflegequalität in den stationären Pflegeeinrichtungen

Landtagsbeschluss vom 18. Oktober 2001 Drucksache 15/1269

Bericht der Landesregierung Drucksache 15/1342

Ich erteile der Ministerin für Arbeit, Soziales Gesundheit und Verbraucherschutz, Frau Moser, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der dem Landtag zur heutigen Sitzung vorgelegte Bericht über die Umsetzung des Handlungskonzeptes des Sozialministeriums zur Sicherung der Pflegequalität in den stationären Pflegeeinrichtungen enthält die erbetenen Antworten auf die der Landesregierung von der CDU-Fraktion sehr detailfreudig gestellten Fragen. Aus meiner Sicht bedarf er hier keiner weiteren inhaltlichen Erläuterung oder Ergänzung.

(Ministerin Heide Moser)

Ich möchte mich deshalb auf einige wenige eher grundsätzliche Anmerkungen beschränken. Die parlamentarische Begleitung der gegenwärtigen Qualitätssicherungsbemühungen hilft allen, die sich auf den unterschiedlichen Verantwortungs- und Handlungsebenen insbesondere um eine Verbesserung der stationären Pflege bemühen; sie ist auch für die Landesregierung hilfreich, weil wir hier eine in der Sache parteiübergreifende Übereinstimmung feststellen können, wenn wir einmal von einigen Scharmützeln insbesondere seitens der CDU-Fraktion absehen.

Ich werde mich weiterhin intensiv um den Erhalt dieses Konsenses bemühen - hier im Parlament und auch draußen im Land.

Dass die Landesregierung dem Landtag jederzeit zu diesem Thema Rede und Antwort steht, ist für mich selbstverständlich - nicht nur selbstverständlich; ich stelle mich sehr bereitwillig und immer wieder gern der öffentlichen Debatte, weil diese Landesregierung in Sachen Pflege nicht nur nichts zu verbergen hat, sondern im Gegenteil dazu viel vorweisen kann.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Stichworte Aktionsprogramm des Landespflegeausschusses und Pflegequalitätsoffensive mögen genügen. Vergleichbares finden wir in anderen Ländern nicht.

Mit dem Handlungskonzept des Sozialministeriums vom 4. September haben wir vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Kurzprüfungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung die Qualitätsmängel noch einmal ungeschminkt benannt und auch andere kritische Punkte hervorgehoben. Wir haben klar und eindeutig Position bezogen. Wir haben die notwendige Richtungsbestimmung vorgenommen und zugleich auch - das ist mir sehr wichtig - auf die Zukunftsprobleme der Pflegeversicherung hingewiesen.

Ich glaube, alles zusammen bietet eine gute Grundlage für eine weiterhin sachbezogene und von Parteipolitik weitgehend freie Diskussion über das, was zur Sicherung und zur Weiterentwicklung der Pflegequalität im Land zu tun ist und darüber hinaus auch auf Bundesebene in nächster Zeit ansteht.

Offener, als wir es hier tun, kann man diese Debatte nicht führen. Deshalb, sehr geehrte Frau Kleiner, kann ich Ihren Vorwurf nicht so recht verstehen, wir hätten die CDU-Fraktion beziehungsweise die Opposition in diesen Fragen nachrangig unterrichtet.

Lassen Sie mich wirklich auch mit Rücksicht auf den Landespflegeausschuss eine Richtigstellung zu Ihrer Presseerklärung aus dem Oktober abgeben. Der Lan

despflegeausschuss ist nicht - wie der Bundespflegeausschuss - ein Beratungsorgan der Regierung; er ist das zentrale Beratungsgremium, wie es im Gesetz festgelegt ist, der im Land für die Umsetzung der Pflegeversicherung zuständigen verantwortlichen Organisationen.

Deshalb, meine Damen und Herren, liebe Frau Kleiner, hat dieser Ausschuss einen Anspruch darauf, dass seine Geschäftsordnungsregelungen von uns als Ministerium beachtet werden, dass wir seine Selbstständigkeit respektieren und mit ungenehmigten Protokollen entsprechend vorsichtig umgehen.

Lassen Sie mich zum Schluss noch eine Anmerkung zur Verantwortlichkeit bei der Qualitätssicherung in der Pflege machen. Nach allem, was wir an Pflegemängeln zur Kenntnis nehmen mussten, ist es sicherlich richtig, darauf zu achten, dass Kontroll- und Aufsichtszuständigkeiten auch tatsächlich effektiv wahrgenommen und optimiert werden. Wir sollten uns aber davor hüten - ich sage das hier nicht zum ersten Mal -, mit ständig wiederholten Hinweisen auf Heimaufsicht, auf den Medizinischen Dienst und auf Pflegekassen in der Öffentlichkeit den falschen Eindruck zu erwecken, es gehe darum, Qualität „hineinzukontrollieren“. Dies ist nicht möglich.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall bei der FDP)

Das ist keine Erkenntnis der Landesregierung, sondern das ist Allgemeingut in Fachkreisen. Wir können Pflege nicht - wie es die CDU gern formuliert - auf administrativem Wege sicherstellen, sondern wir müssen die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass die direkt Verantwortlichen für Pflegequalität diese Qualität auch tatsächlich erbringen. Das heißt, es gilt unverändert der Satz: Unterstützung, Beratung und Prävention rangieren vor Kontrolle und Intervention, ohne dass man Letzteres vernachlässigt.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ich würde mich sehr freuen, wenn auch die Debatte in diesem hohen Haus diesen Aspekt besonders deutlich setzen würde.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt Frau Abgeordnete Kleiner.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Ministerin, fahren wir mit den notwendigen Scharmützeln fort!

(Helga Kleiner)

Wer das Handlungskonzept der Sozialministerin vom 4. September 2001 zur Qualität in der stationären Pflege und den heute zur Diskussion stehenden Bericht vom 1. November 2001 mit den Antworten auf die ergänzenden Fragen unserer Fraktion sorgfältig und vergleichend liest, kommt nach meiner Ansicht zu folgender Gesamtbewertung: Die Sozialministerin bemüht sich zwar, die vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung aufgedeckten Missstände in den schleswig-holsteinischen Pflegeheimen zu beseitigen; sie hat hierzu auch bereits eine Reihe von nützlichen Maßnahmen eingeleitet oder jedenfalls angekündigt.

Aber im Ganzen fehlen ihr die politische Kraft und die persönliche Entschlossenheit, das Ruder wirkungsvoll herumzureißen

(Zuruf von der SPD: Na, na!)

und einen neuen Kurs mutig anzusteuern.

Bleibt die Landesregierung im jetzigen Fahrwasser, so wird es noch sehr viele Monate, wenn nicht sogar Jahre dauern, bis wir endlich unser Ziel erreicht haben werden, in allen stationären Einrichtungen den pflegebedürftigen älteren Menschen eine sorgfältige und zugleich auch freundliche Pflege zu gewährleisten.

Auf diesem Weg werden wir noch erhebliche Lasten schultern müssen, aber - so füge ich auch veranlasst durch die Bekanntgabe der neuen Steuerschätzung nachdrücklich hinzu - nicht alle Maßnahmen, die wir von der Sozialministerin zur Sicherung der Pflegequalität in den stationären Einrichtungen dringlich verlangen, kosten Geld. Vieles könnte schon bewirkt werden, wenn sich die Sozialministerin endlich entschließen würde, von den ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten in politischer und rechtlicher Hinsicht angemessen Gebrauch zu machen.

(Beifall des Abgeordneten Uwe Greve [CDU])

Unverbindliche Gespräche an runden Tischen können eben kein Regierungshandeln ersetzen. Ihr Politikstil, Frau Ministerin Moser, ist ein überständiges Relikt aus Schönwetterzeiten.

(Wolfgang Baasch [SPD]: Oh, oh!)

Die Zeiten sind endgültig vorbei, in denen die Mitglieder der Landesregierung mit Bewilligungsbescheiden in der Hand gern gesehene Gäste bei allen Verwaltungen und Verbänden waren. Sie sind, Frau Ministerin Moser - ist sage es unumwunden -, konfliktscheu!

(Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das kann ja wohl nicht wahr sein!)

- Keine Diskussion! Aber ein Zwischenruf wird gern gehört!

(Beifall bei der CDU)

Das allein ist der wahre Grund, warum meine Forderung an Sie, das Instrument der Ihnen zustehenden Fachaufsicht endlich gegenüber den Heimaufsichtsbehörden angemessen einzusetzen, auf taube Ohren und ständigen Widerspruch stößt.

Ihre Antworten auf unsere Fragen Nummer 1 und 8 zeigen dies deutlich. Ich kann ja noch verstehen, dass Sie die Hoffnung haben, die Heimaufsichtsbehörden würden jetzt, wo die Bildung entsprechender Arbeitsgemeinschaften ab 1. Januar 2002 durch die Heimgesetznovelle gesetzlich vorgeschrieben wird, auch bereit sein, an der Bildung dieser Arbeitsgemeinschaften mitzuwirken und den Vorsitz zu übernehmen. Warum sich aber die Sozialministerin nicht bereit findet, den Heimaufsichtsbehörden eine entsprechende Berichtspflicht aufzuerlegen, bleibt mir nach wie vor unerklärlich, es sei denn, ich nähre die Vermutung, die Sozialministerin will sich nicht bösgläubig machen lassen. Dabei ist der Sozialministerin selbstverständlich klar, dass die Heimaufsichtsbehörden mit dem Inkrafttreten der Heimgesetznovelle eine erheblich größere und damit personalintensivere Aufgabenlast übernehmen müssen. Die Sozialministerin wäre daher schon aus diesem Grunde gut beraten, wenn sie sich regelmäßig berichten ließe, wie die Landkreise und die kreisfreien Städte mit dieser neuen Aufgaben- und Haushaltslast fertig werden.

Die Antwort auf unsere Frage Nummer 2 betreffend Fortbildungsmaßnahmen ist ein weiterer Hinweis auf die Neigung der Sozialministerin, Schwierigkeiten auszuweichen, die jenseits des Verteilens von Haushaltsmitteln liegen. Wir sind aber nicht die Fachberater der Sozialministerin. Sie mag daher durch die Referenten ihres Hauses die Frage bedenken lassen, welche rechtlichen Folgen es haben kann und muss, wenn sich die Träger von Pflegeeinrichtungen auf Dauer weigern, ihre Leitungskräfte in den stationären Pflegeeinrichtungen an notwendigen Fortbildungsmaßnahmen teilnehmen zu lassen. Wir werden zu gegebener Zeit darauf zurückkommen.

Doch nun zu dem für mich besonders wichtigen Punkt der besseren Einbindung der Ärzte in die Sicherung der Pflegequalität, nämlich zu unserer Frage Nummer 5. Auch ich halte eine bessere Einbindung derjenigen praktizierenden Ärzte, die in Pflegeheimen lebende Patienten behandeln, in die Qualitätssicherung für geboten. Das haben meine vielen Gespräche mit Altenpflegerinnen und Altenpflegern in den letzten Monaten ergeben. Aber ich bin weit davon entfernt, die Ärzte in einer solchen Form zu kritisieren, wie es die Sozialministerin für nötig hält. Ihre Behauptung, manche Pflegemissstände hätten durch eine aktivere

(Helga Kleiner)

Rolle der behandelnden Ärzte verhindert werden können, hat sie bislang durch nichts belegt. Es ist jedenfalls nicht die feine Art, von eigenen jahrelangen Versäumnissen abzulenken, indem man andere beschimpft, die sich nicht sofort gegen derartige Vorwürfe wehren können.

(Beifall bei der CDU)

Aber lassen wir die Frage von Takt und Stil beiseite.

Was also will die Sozialministerin tun? - Sie greift wieder zu ihren alten Instrumenten, die nach meiner Ansicht langsam ausgedient haben sollten. Die Sozialministerin führt - wie sie es formuliert - ein umfassendes Grundsatzgespräch mit dem Präsidenten der Ärztekammer und dem stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung mit dem banalen Ergebnis, dass alle an diesem Gespräch Beteiligten feststellen, „dass den behandelnden Ärzten im Gesamtbereich der Pflege eine wichtige und weiter auszubauende Rolle zukommt.“ Eine wahrhaft zukunftsweisende Perspektive der Politik. Sie will „unter Erweiterung des beteiligten Kreises die Möglichkeiten der modellhaften Entwicklung eines Heimarztkonzepts prüfen.“ Und sie will weiter prüfen, „ob und in welcher Weise Vertreterinnen oder Vertreter der ärztlichen Organisationen an der Arbeit im Landespflegeausschuss beteiligt werden können.“ Da sind sie wieder, die alten Hüte der Sozialministerin: Gespräche an runden Tischen, neue Modellversuche und Erweiterung der Beratungsgremien.

Dabei kann das Ziel doch leicht und ganz konkret beschrieben werden: Es muss sichergestellt werden, dass wirklich alle Ärzte, die in Pflegeheimen lebende Patienten zur medizinischen Behandlung aufsuchen, stets auch Feststellungen darüber treffen, ob diese Patienten an Dekubitus, an Austrocknung oder an mangelhafter Ernährung leiden. Es muss weiterhin sichergestellt werden, dass derartige Pflegemängel gegebenenfalls unter Einschaltung und Mitprüfung eines Amtsarztes zur Kenntnis der Heimaufsichtsbehörden gelangen. So einfach ist das! An die „Haushälter“ der Fraktionen gewandt: ganz ohne die Bereitstellung weiterer Haushaltsmittel!

Gingen wir diesen Weg, würden wir das Prinzip der freien Arztwahl in keinem Punkt antasten und wir würden den Ärzten die erforderliche Rückendeckung gegenüber den Pflegedienstleitungen und gegenüber den Heimträgern geben. Natürlich reicht ein Erlass der Landesregierung dafür nicht aus. Es müssen vermutlich Bestimmungen des Bundes- und des Landesrechts geändert oder ergänzt werden. Es müssen möglicherweise darüber hinaus auch Vereinbarungen mit und unter den im Pflegebereich tätigen Institutionen und Organisationen geändert und ergänzt werden. Die

Landesregierung verfügt über eine große Anzahl erfahrener und tüchtiger Gesetzgebungsreferenten. Sie sollten sich an die Arbeit machen und danach sollte die Landesregierung die erforderlichen Initiativen ergreifen.