Protocol of the Session on July 13, 2001

dass sich auch die Gesetzessituation verändert hat und dass sich insbesondere die gesellschaftspolitische, aber auch die faktische Arbeit in Schleswig-Holstein positiv entwickelt haben. Dass dies unbestritten insbesondere dem Engagement der Selbsthilfeinitiativen behinderter Menschen zuzuschreiben ist, aber auch dem Engagement der Frauenberatungsstellen, der Frauenhausarbeit und der Kinder- und Jugendschutzarbeit, ist sicherlich von allen unbestritten und verdient den ausdrücklichen Dank aller, die sich mit diesem Thema beschäftigen, eigentlich den ausdrücklichen Dank der Gesellschaft. Aber darauf wird man vielleicht noch etwas warten müssen.

Das Problembewusstsein bei den Trägern von Einrichtungen und in der Mitarbeiterschaft hat sich gut entwickelt. Es hat sich sicherlich auch deshalb gut entwickelt, weil durch die hier schon mehrfach erwähnte Arbeit von Mixed Pickles eine vorbildliche Fortbildungsarbeit und ein vorbildliches Fortbildungskonzept entwickelt wurden. Es konnte sich eine weitgehende Sensibilisierung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren entwickeln und die hervorragenden Fortbildungskonzepte werden sukzessive auch von anderen Bildungsträgern der Wohlfahrtspflege und der Behindertenverbände - ich sage es vorsichtig - langsam aufgegriffen und - so ist zu hoffen - in eigener Verantwortung fortgeführt.

Soeben ist gesagt worden, dass das Ministerium im Bericht zwar die Arbeit der Mitarbeiterinnen in den Frauenberatungsstellen, in den Frauenhäusern und auch die der Menschen, um die es geht, der Menschen, die wissen, worum es geht, nicht aber den Verein Mixed Pickles korrekt würdige. Ich hoffe, Sie haben den Bericht sehr genau gelesen. Sie haben ihm eben Ehrlichkeit attestiert. Dies bezieht sich auf alle Ausführungen im Bericht. Da ist von unserer Seite nichts zurückzunehmen. Nichtsdestotrotz befinden wir uns auf der Basis der haushaltsrechtlichen Situation in einer Zwickmühle, die ich hier nicht weiter ausführen muss. Insbesondere ist aber festzuhalten, dass die Hansestadt Lübeck - ebenso wie wir - von der Förderungswürdigkeit und Fortführungswürdigkeit der Beratungs- und der Mädchenarbeit überzeugt ist und insofern vor Ort eine Förderung übernommen hat. Das ist beispielhaft und sollte von anderen Kommunen nicht nur betrachtet, sondern auch übernommen werden.

Ganz wichtig ist es, in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass die wohnortnahe Unterstützung von Frauen und Mädchen mit Behinderungen ein ganz wesentliches Element der Hilfeleistung ist. Insofern hoffe ich, dass viele Kommunen den Blick auf ihre eigene Wirklichkeit lenken. Gerade wenn wir uns mit sexueller Gewalt zum Nachteil von Menschen mit Behinderun

gen auseinander setzen, ist es wichtig, die Lebensbedingungen insbesondere von Frauen und Mädchen mit Behinderungen zu verändern und darauf zu reagieren, dass sie doppelt gefährdet sind, zum einen als Frauen und Mädchen und zum anderen aufgrund der Behinderungen.

Diese Reaktion auf die Lebensverhältnisse und das Ändern der Lebensverhältnisse ist nur möglich, wenn man die gesamten Formen der Gewaltausübung im privaten und im öffentlichen Sektor anprangert, öffentlich macht und das Tabu, das immer noch in der Gesellschaft mitschwingt und von Nichtwissen begleitet ist, aufbricht. Dazu gehört - das möchte ich, auch wenn das rote Licht bereits aufleuchtet, nicht verhehlen - selbstverständlich auch eine vorbildliche Fortbildung für die Menschen, die an diesem Thema arbeiten. Dass wir uns gemeinsam um die Garantie dieser Fortbildung und Vernetzung bemühen, ist nicht nur unbestritten, sondern zugesichert, wohl wissend, dass es eine sehr schwierige Aufgabe ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW, FDP und vereinzelt bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung. Der Ausschuss empfiehlt, den Bericht der Landesregierung zur Kenntnis zu nehmen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dies ist einstimmig so beschlossen.

Meine Damen und Herren, die Fraktionen haben sich darauf verständigt, den Tagesordnungspunkt 54 Schiffssicherheit - heute nicht mehr aufzurufen und im September zu behandeln.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 52 auf:

Bericht über die Entwicklung der Kabelnetze

Landtagsbeschluss vom 23. März 2001 Drucksache 15/800

Bericht der Landesregierung Drucksache 15/1065

Ich erteile dem Minister für Wirtschaft, Technologie und Verkehr, Herrn Dr. Rohwer, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, der Bericht macht deutlich: Die Zukunft des Kabelnetzes ist für die Medienlandschaft und für die künftige Telekommunikationsversorgung von allergrößter Bedeutung. Unsere Aufgabe ist es, dabei sicherzustellen, dass die Vielfalt im Mediensektor ge

(Minister Dr. Bernd Rohwer)

währleistet wird, einschließlich des öffentlichrechtlichen Rundfunks, und zugleich darauf hinzuwirken - das ist die standortpolitische Aufgabe -, dass hier in Schleswig-Holstein das Kabelnetz als Standortvorteil für Telekommunikation genutzt wird.

Mein Ziel ist ein Hochleistungsnetz Schleswig-Holstein. Das Kabelnetz kann dabei ein zentrales Element sein. Dem Kabelnetz sind zurzeit über 660.000 Haushalte angeschlossen. Es besitzt eine Reichweite von über 1 Million Haushalten. Das Kabelnetz ist schon jetzt breitbandig und kann auf noch mehr Megahertz hochgerüstet werden. Das Kabel ist zurzeit zwar noch eine Einbahnstraße, aber mit einem Rückkanal versehen, und gekoppelt ermöglicht es die interaktive Nutzung. Das Kabelnetz kann eine große Rolle dabei spielen, ein Hochgeschwindigkeitsnetz einschließlich kostengünstiger und leistungsfähiger Internetanschlüsse in Schleswig-Holstein aufzubauen.

Die Deutsche Telekom AG hat ihr Kabelgeschäft aufgrund wettbewerbsrechtlicher Forderungen der EUKommission separiert - das wissen Sie -; sie hat es nach neuen geographischen Bereichen regionalisiert und unternehmerisch verselbstständigt. SchleswigHolstein ist mit Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern in einer Regionalgesellschaft zusammengefasst. Niedersachsen und Bremen bilden die andere Nordregion. Mit der Investorengruppe Liberty Media mit Sitz in Colorado/USA hat die Deutsche Telekom am 21. Juni einen Eckpunktevertrag geschlossen. Danach soll die Schleswig-Holstein betreffende regionale Kabel-TV-Gesellschaft zusammen mit fünf weiteren Regionalgesellschaften zu 100 % an Liberty Media verkauft werden. Der endgültige Vertrag soll voraussichtlich noch in diesem Monat abgeschlossen werden und bedarf dann noch der kartellrechtlichen Genehmigung.

Wir haben Kontakt mit dem Investor und werden demnächst Gespräche unter folgenden Gesichtspunkten führen: Erstens. Wir wollen, dass der neue Investor bei der Weiterentwicklung des Kabels nicht die Ballungsräume zulasten der schleswig-holsteinischen Fläche bevorzugt.

(Beifall bei SPD und SSW)

Zweitens. Wir wollen, dass der künftige Investor auch wenn er vermutlich eigene Inhalte einspeisen wird - die Belange des öffentlichen und auch des privaten Rundfunks wahrt.

Drittens. Wir wollen, dass der neue Investor das Kabelnetz nicht nur kauft, sondern es auch technisch schnell aufrüstet, damit das Kabelnetz den IT-Standort Schleswig-Holstein und den Wettbewerb im Bereich der Telekommunikation fördert.

Viertens. Die Ministerpräsidentin des Landes will die Notwendigkeit neuer rechtlicher Rahmenbedingungen zum Schutz der bestehenden Programmangebote des öffentlich-rechtlichen und des privaten Rundfunks zum Gegenstand der Beratungen der Regierungschefs der Länder im Oktober machen.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Im Rahmen der von ihr initiierten Reform der Medienordnung soll ein entsprechender Prüfauftrag für die Rundfunkkommission der Länder formuliert werden.

Abschließend weise ich darauf hin, dass das lediglich die Ziele sind, die wir verfolgen. Es handelt sich um einen privaten Investor. Es werden also harte Verhandlungen. Ich bitte Sie alle, uns dabei zu unterstützen; denn, meine Damen und Herren, das Ergebnis dieser Beratungen wird weitreichende Auswirkungen haben.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SSW und vereinzelt bei der CDU)

Ich eröffne die Aussprache. Der Bericht ist auf Antrag der SPD-Fraktion gegeben worden. Es ist nun aber guter Brauch, nach dem Bericht der Landesregierung zunächst der Opposition das Wort zu erteilen. Besteht insofern Einigkeit? - Das ist der Fall. Dann haben Sie, Herr Oppositionsführer, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Böhrk, ich glaube, es gibt nicht zu viel Streit in der Sache, sodass die Rednerreihenfolge keine allzu hohe Bedeutung haben sollte.

Ich denke, man kann sagen: „Willkommen beim ALDI-TV, Fernsehen der Zukunft!“ Ein solcher Titel war letztlich in der Presse zu lesen. Die Entwicklung im Fernsehbereich ist in der Tat rasant. In einigen Jahren wird auch der ans Kabelnetz angeschlossene Fernsehzuschauer ein großes Angebot an digitalen Kanälen nutzen können. Ich glaube, dass wir dann in einem wabernden Bildteppich von allem Möglichen an Angeboten nur wenig „Luxusware“ finden werden. Anders als mit Billigproduktionen sind nämlich die immensen Summen, die die Kabelnetzbetreiber im Moment in die Netze investieren, kaum zu refinanzieren, obwohl - so jedenfalls die Landesmedienanstalt - die digitale Übertragungstechnik unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten in großen Bereichen günstiger als die analoge Technik sein soll. Aber es ist klar: Derzeit

(Martin Kayenburg)

gibt es jedenfalls im digitalen Bereich noch keine marktgerechten Preise.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich bitte um etwas mehr Ruhe und Aufmerksamkeit.

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Die Telekom hat das gesamte bundesweite Netz ursprünglich mit 30 Milliarden DM und jetzt mit 25 Milliarden DM bewertet. Grundsätzlich ist diese Summe sehr hoch, doch erscheint sie im Vergleich zu den 100 Milliarden DM für die UMTS-Lizenzen noch erträglich. Allerdings muss man wissen, dass für jeden Anschluss noch 600 DM bis 1.000 DM zusätzlich zu investieren sind, denn auch diese Umrüstungen kommen noch auf die Kabelnetzbetreiber zu.

Wie der Minister eben schon gesagt hat, hat die Telekom schon das Ausschreibungsverfahren für die Regionalgesellschaften der Kabelnetze eingeleitet. Schleswig-Holstein soll zu 100 % an Liberty Media verkauft werden. Das heißt, dass das Kabelnetz in Deutschland - weil die anderen Kabelnetze im wesentlichen an Callahan gegangen sind - künftig von zwei weltweit agierenden Unternehmensgruppen beherrscht werden: auf der einen Seite Liberty/UPC sowie NTL/Klesch und auf der anderen Seite Callahan. Wir fragen uns, ob das nicht der Ersatz eines Monopols durch ein anderes ist; denn zurzeit kann noch nicht abschließend gesagt werden, welche Verflechtungen es zwischen den Unternehmensgruppen gibt und welche Konzentrationseffekte noch auf uns zukommen.

(Beifall bei CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zudem ist - auch das ist von Minister Rohwer angedeutet worden - darauf hinzuweisen, dass Liberty Media ein vertikal organisiertes Unternehmen ist. Es ist also nicht nur Kabelnetzbetreiber, sondern besitzt darüber hinaus eine Reihe von Gesellschaften, mit denen es Programme anbietet. Zu dieser Unternehmensgruppe gehört nicht nur die News Corporation von Rupert Murdoch, sondern auch AOL Time Warner. Ich denke, das Liberty Media, das in den USA der größte Anbieter von kabel- und satellitenverbreiteten Premium-Programmen ist, auch in Deutschland und Europa eine solche Unternehmenspolitik betreiben wird. Das Risiko besteht also darin, dass auch die Kabelnetzbetreiber hier im Lande versuchen werden, in Programme zu investieren, und dass sie damit Pro

grammanbieter, die bisher im Lande Arbeitsplätze geschaffen haben, bedrängen oder sogar aus dem Markt verdrängen.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Hinzu kommt - Frau Fröhlich, ich glaube, auch das ist ein Risiko -, dass auch auf der vierten Netzebene damit meine ich die unmittelbaren Zugänge zu den Haushalten, und zwar insbesondere, wenn es sich um größere Blöcke handelt - Konzentrationsbewegungen zu verzeichnen sind. Auch in diesem Bereich wird eine weitere Konzentration unter Umständen zur Ausschaltung von Wettbewerb führen. Genau an diesem Punkt darf der Staat aber nicht Nachtwächter bleiben.

(Beifall bei CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Der Umstieg vom analogen zum digitalen Netz muss daher ordnungspolitisch begleitet werden. Herr Minister, ich glaube, es genügt nicht, nur zu verhandeln; denn auch wenn nach § 52 des Rundfunkstaatsvertrages die Öffentlich-Rechtlichen einen Anspruch darauf haben, in das Netz eines digitalen Anbieters hineinzukommen, ist ein Risiko gegeben. Diese Vorschrift wird nämlich ausgehebelt, wenn überhaupt kein Rundfunkanbieter mehr im Netz ist. Wenn die Kabelnetzbetreiber also insgesamt auf ein Rundfunkangebot verzichten, dann wird es ein Problem geben, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk überhaupt noch in das Netz zu geben. Ich denke, dass es insofern - gegebenenfalls auch durch Änderung des Gesetzes - eine Absicherung geben muss, dass wir also Must-carryProgramme von ARD und ZDF per Gesetz anbinden. Anderenfalls werden wir wohl kaum eine Chance haben, das in der Zukunft abzusichern.

In Anbetracht der fast abgelaufenen Redezeit will ich nur kurz darauf hinweisen, dass wir auch noch nicht sagen können, in welchem Umfang die Zuschauer vom digitalen Netz Gebrauch machen werden und inwieweit dieses Netz wirklich aktiv genutzt werden wird. Wir müssen die Entwicklung intensiv begleiten; denn ich glaube, dass die Entwicklung bei den Netzen auch dazu führen wird, dass wir durchaus auch zusätzliche Chancen - beispielsweise im Bereich der Bildung bekommen, die wir sonst nicht erhalten würden.

(Beifall bei CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort hat jetzt Frau Abgeordnete Böhrk.

Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen! Der gegenwärtig stattfindende Verkauf der Kabelnetze ist mit Sicherheit einer der größten und bedeutendsten medienpolitischen Deals der Nachkriegszeit. Dieser Verkauf läuft praktisch ohne jede öffentliche Diskussion ab. Ich glaube, wir sind der einzige, zumindest der erste Landtag, der sich mit diesem Thema befasst, und wir tun dies an „herausragender Stelle“ der Tagesordnung des Landtages, nämlich am Freitagnachmittag vor der Sommerpause.

(Beifall bei SPD, CDU und SSW)

Es geht darum, dass das größte europäische Kabelnetz im Moment an amerikanische Investorengruppen verkauft wird. Deutschland hat das größte europäische Kabelnetz, weil Herr Schwarz-Schilling und andere in den 80er-Jahren 20 Milliarden DM an Steuermitteln in das Kabelnetz investiert haben, damit die privaten Sender - also Bertelsmann und Kirch - ihre Programme verbreiten konnten. Später erhielt die Telekom das Eigentum daran; dies geht nun auf zwei amerikanische Investorengruppen über, die in den Medien der „neue Denver-Clan“ genannt werden.