Protocol of the Session on July 11, 2001

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU: Oh, oh!)

Herr Kayenburg, auch im Süden der Republik hat es jahrzehntelang Situationen gegeben, in denen die Länder am Tropf des Bundes hingen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Habe ich das be- stritten?)

Das bedeutet jedoch nicht, dass man eine Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung brauchte. Darüber

waren wir uns hier bereits im Juni vergangenen Jahres einig.

(Heinz Maurus [CDU]: Warum geht es nicht weiter in der Diskussion?)

- Herr Maurus, wir werden im September hier im Landtag gemeinsam darüber sprechen. Die Voraussetzungen dafür sind in den Fraktionen schon zustimmend behandelt worden. Darüber sind wir uns einig. Ich halte das für eine ganz wichtige Sache. Herr Kayenburg, so ist das nun einmal in einer Demokratie. Man hat unterschiedliche Positionen und nähert sich dann einem Kompromiss. Sie bezeichnen das als Feilschen, ich bezeichne das als einen demokratischen Prozess, wenn man zu einem Ergebnis kommt. Es ist eben nicht immer einfach, in einer pluralistischen Gesellschaft ein Gesamtkonzept zu entwickeln.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Was wollen Sie uns damit sagen?)

Herr Kayenburg, das sollten Sie in Ihrer langjährigen politischen Tätigkeit erfahren haben. Nach wirklich langwierigen Verhandlungen wird die föderale Finanzordnung auf eine solide Grundlage gestellt. Ob der deutsche Föderalismus dadurch aber seine Bewährungsprobe schon bestanden hat, wird sich noch zeigen müssen.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Der erzielte Kompromiss bei der Neuordnung des Finanzausgleichs formuliert allgemeine Grundsätze, die noch in einem Finanzausgleichsgesetz mit konkreten Regeln festgelegt werden müssen.

Eines möchte ich an dieser Stelle anmerken. Im Gegensatz zu der Unkerei des Herrn Kollegen Kubicki ist es nämlich insbesondere dem Verhandlungsgeschick unserer Ministerpräsidentin, unseres Finanzministers und des Hamburger Bürgermeisters zu verdanken, dass insgesamt weitgehendes Einvernehmen über das komplizierte Gesetzeswerk herrschte,

(Martin Kayenburg [CDU]: So ist auch das Ergebnis!)

das für die Zeit von 2005 bis 2019 die Verteilung des Steueraufkommens zwischen Bund und Ländern sowie die Grundsätze für Ausgleichszahlungen zwischen armen und reichen Bundesländern regelt.

Auch dass mit dem Solidarpakt II besiegelt wurde, dass bis 2019 noch weitere 306 Milliarden DM Sonderzahlungen nach Ostdeutschland fließen, ist solidarisch getragen worden. Nun liegt es an den neuen Bundesländern, diese Mittel zukunftsweisend einzusetzen

(Ursula Kähler)

und dem Finanzplanungsrat jährlich einen Fortschrittsbericht „Aufbau Ost“ vorzulegen.

Die Neuregelung des Finanzausgleichs wird gegenüber dem geltenden Recht eine stärkere Anreizorientierung verwirklichen,

(Günther Hildebrand [FDP]: Wo denn?)

die den Ländern einen höheren Selbstbehalt als bisher gewährleistet. - Das können Sie ja nachlesen; da müssen Sie nicht fragen, wo. Außerdem hat das eine breite Zustimmung im Bundestag gefunden,

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Herzlichen Glückwunsch!)

außerhalb der FDP natürlich, die wieder glaubt, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wir machen nur nicht jeden Unsinn mit, im Gegensatz zu Ih- nen!)

Der Bund übernimmt von den Ländern ab 2002 Zins und Tilgung beim Fonds Deutsche Einheit in Höhe von 6,85 Milliarden DM. Die Länder überweisen dem Bund als Gegenleistung 5,35 Milliarden DM aus ihrem Umsatzsteueranteil

(Zuruf des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

- das ist nicht korrekt, Herr Nabel -, weil Ihnen der Bund 1,5 Milliarden DM jährlich erlässt.

Um sich weiter zu entlasten, vereinbarten die Ländern mit dem Bund eine Aufstockung der jetzt in den Haushalten von Bund und Ländern praktizierten Tilgungsstreckung für den Zeitraum 2002 bis 2004 um jeweils 1 Milliarde DM. Die Tilgung wird dadurch auf 200 Millionen DM gesenkt, die Länderhaushalte werden somit entlastet. Die sonst 2015 beendete Tilgungsphase verschiebt sich damit bis 2020. Zu diesem Zeitpunkt bleibt für die Länder eine Restschuld von 12,8 Milliarden DM, die der Bund komplett übernimmt.

Neu ist auch, dass die kommunale Finanzkraft nicht mehr nur zu 50 % in den Länderfinanzausgleich einbezogen wird, was die Länder Hessen, BadenWürttemberg und Nordrhein-Westfalen wollten, sondern zu 64 %; die neuen Länder hatten 100 % gefordert.

Im Großen und Ganzen kann man sagen: Es gibt keine Gewinner auf der einen Seite, aber es gibt auch keine Verlierer auf der anderen Seite.

(Martin Kayenburg [CDU]: Außer dem Steu- erzahler! - Wolfgang Kubicki [FDP]: Dann gibt es eigentlich keine!)

- Nein, so einfach ist die Welt nicht, wie Sie sie sich gern stricken möchten, Herr Kayenburg und Herr Kubicki!

(Martin Kayenburg [CDU]: Wer soll das denn bezahlen? Fällt das Geld vom Himmel?)

Alle Beteiligten haben zumindest eine Perspektive unter Vorbehalt, denn es gibt noch einiges zu regeln. So haben die unterschiedlichen Ausstattungsbedingungen der Länder bisher keinen Eingang in den Verteilerschlüssel gefunden und unsere gemeinsame Forderung aus der Debatte vom Juni 2000 bedarf auch noch einer konkreten Umsetzung. Ich meine die von mir angesprochenen Gemeinschaftsaufgaben zu den Themen Hochschule, regionale Wirtschaftsstruktur, Agrarstruktur und Küstenschutz, die künftig als eigene Aufgaben selbst übernommen werden sollten. Auch die Frau Ministerpräsidentin hat das vorhin angesprochen.

Unsere Landesregierung hat die volle Unterstützung der SPD-Landtagsfraktion bei der Forderung, dass der Bund die derzeit eingesetzten GA-Mittel den Ländern vollständig und auf Dauer zur Verfügung stellt.

(Claus Ehlers [CDU]: Dann schöpft doch die Mittel aus!)

Hier muss es zu einer deutlichen Entflechtung kommen.

Eines möchte ich bei aller Anerkennung des uns vorgelegten Ergebnisses zum Länderfinanzausgleich noch anmerken dürfen: Es ist höchste Zeit, dass die Länderparlamente endlich ihre Mitwirkungsrechte sowohl bei Entscheidungsprozessen, die zwischen Bundes- und Landesregierungen getroffen werden sollen, mit Nachdruck einfordern als auch ihre Mitwirkungsrechte an europäischen Entscheidungsprozessen anmahnen. Dies ist deshalb so wichtig, weil die Debatte über den Föderalismus mit der Neuordnung des Finanzausgleichs nicht abgeschlossen ist, sondern nur eine Etappe darstellt. Lassen Sie uns bitte auch diesen Teil gemeinsam mit der Landesregierung aufarbeiten!

Der Föderalismus muss auch eine Angelegenheit der Länderparlamente sein

(Martin Kayenburg [CDU]: Richtig!)

und nicht nur die Angelegenheit von Regierungen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Kubicki das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese berauschende Regierungserklärung der Ministerpräsidentin verdeutlicht in unnachahmlicher Weise das Dilemma Schleswig-Holsteins: Wir feiern die Tatsache, dass es keinen Gewinner gibt, als Erfolg. Die Landesregierung glaubt die eigene Propaganda. Das Reförmchen wird zum großen Wurf hochgespielt. Subsidiarität, Wettbewerb, Solidarität, Qualität, Verantwortung - das seien die Kennzeichen des Kompromisses. Und dieser Kompromiss sei nicht nur fair, nein, er sei zudem auch noch gerecht! - Ein wiederkehrendes Bild: Wenn die Ministerpräsidentin keine politische Substanz zu bieten hat, füllt sie die Lücken mit Worthülsen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Bevor ich zu meiner Bewertung des neuen Länderfinanzausgleichs komme, möchte ich noch einige Widersprüche in der Erklärung der Ministerpräsidentin aufzeigen. Sie sagt, Schleswig-Holstein habe - wie alle anderen Länder auch - kein Geld zu verschenken. Wie wahr!

Am 5. Juli wurde der Verkauf von LEG-Anteilen besiegelt, für 216 Millionen DM, wie wir alle wissen. Am 6. Juli war im „Handelsblatt“ zu lesen, es habe einen Bieter gegeben, der zu den gleichen Bedingungen 300 Millionen DM bezahlt hätte. Wenn Schleswig-Holstein kein Geld zu verschenken hat, warum verschenkt die Landesregierung dann mal eben 84 Millionen DM? - Frau Kollegin Kähler, entspannen Sie sich, wir werden dieser Frage sehr genau nachgehen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ganz zu schweigen von mehreren 100 Millionen DM stiller Reserven, deren Gegenwert dem Land auch bei einem Verkaufspreis von 300 Millionen DM verloren gegangen wäre. Die Erklärung hierfür bleibt die Ministerpräsidentin den Menschen in Schleswig-Holstein bis heute schuldig.

Die Ministerpräsidentin sagt, der Kompromiss habe für jedes Land Anreize zur Stärkung der eigenen Finanzkraft geschaffen und - man höre diesen Satz Unterschiede seien das Salz in der Suppe des Föderalismus. Weiter sagt sie, Steuerwettbewerb zwischen den Ländern dürfe nicht stattfinden.

Das passt doch nicht zusammen! Es sind doch gerade die Abgabenlast, die Regulierungsdichte und die Regulierungsqualität, mit denen sich eine Gebietskörperschaft als potenzieller Standort profilieren kann. Hier können die Anreize gesetzt werden, mit denen mobile Produktionsfaktoren ins Land geholt werden können.

Und gerade in diesen Bereichen soll kein Wettbewerb der Länder stattfinden?