Protocol of the Session on June 1, 2001

Der Antrag der CDU ist durch die Ereignisse der letzten Woche einerseits teilweise schon überholt, andererseits hoch aktuell - überholt, weil die Forderung der CDU nach Verkauf der LEG inklusive des Wohnungsbestandes nun zu 49,9 % realisiert wird, hoch aktuell, weil der anteilige Wert des Wohnungsbestandes sich nicht im Erlös widerspiegelt.

Die Landesregierung hat am 23. Mai verkündet, dass 49,9 % der Anteile an der LEG für 216 Millionen DM an eine Bietergemeinschaft der B&L Immobilien AG und der Hamburgischen Landesbank verkauft werden. In derselben Pressekonferenz erklärte der Vorstandssprecher der B&L Immobilien AG, Herr Dr. Hellberg, übrigens auch in einem Aktionärsbrief, dass sich das

(Wolfgang Kubicki)

Immobilienvermögen der AG von etwa 1,1 Milliarden DM durch den Erwerb der LEG-Anteile verdoppele.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, folglich bewertet der Käufer den Wert der gekauften Anteile mit etwa 1,1 Milliarden DM, zahlt aber nur 216 Millionen DM. Der Kaufpreis beträgt ein Fünftel des Vermögenswertes. Über 860 Millionen DM oder 80 % wurden verkoppelt mit Ansagen - das nenne ich ein überaus erfolgreiches Geschäft aus der Sicht des Käufers. Das können wir gar nicht kritisieren. Aber Geschäfte haben grundsätzlich mindestens zwei Beteiligte. Aus Sicht des Verkäufers wird hier ein Vermögen für ein Fünftel des Wertes verscherbelt. Über 860 Millionen DM oder knapp 80 % Verlust mit Ansagen - das nenne ich ein völlig schwachsinniges Geschäft aus der Sicht des Verkäufers.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Denjenigen von Ihnen, die diese Zusammenhänge nicht glauben möchten, empfehle ich, die Internetseite der B&L Immobilien AG zu besuchen. Dort heißt es in der Presseerklärung vom 23. Mai deutlich:

„Mit der Beteiligung... verdoppelt der B&L Konzern sein Immobilienvermögen von derzeit rund 1,1 Milliarden DM und wird sein Ergebnis zukünftig deutlich steigern.“

(Beifall bei der FDP)

Dabei haben wir gehört, dass vertragsgemäß vereinbart sei, dass es bis 2015 keine Ausschüttungen geben soll. Ich möchte wissen, wie der Ertrag gesteigert werden soll, wenn es keine Ausschüttungen gibt. Aber darauf komme ich gleich noch einmal zurück.

Dem Land Schleswig-Holstein entstünde durch dieses Geschäft rechnerisch ein Vermögensschaden von 864 Millionen DM. Diese Kosten stehen natürlich nicht im Vertrag. Es sind aber Opportunitätskosten, die Kosten der entgangenen Gelegenheit.

Und was sagt die große Regierungsfraktion dazu?

„LEG-Anteilsverkauf ein voller Erfolg... Die Landesregierung hat ein gutes Ergebnis erzielt... Der Erlös liegt über den Erwartungen... Herzlichen Glückwunsch an die Verhandlungsführer.“

Zur Erinnerung: Kosten sind das, was man aufgeben muss, um etwas anderes zu erhalten. In diesem Falle gibt die Landesregierung über 860 Millionen DM auf, um 216 Millionen DM zu erhalten.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Hervorragend!)

Das ist ein voller Erfolg.

Die Grünen halten sich mit öffentlichen Äußerungen zu dieser Katastrophe sehr bedeckt. Kein Wort war bisher zu lesen. Wahrscheinlich haben sie erkannt, dass Schweigen für sie in diesem Falle Gold ist, denn dann wird die Öffentlichkeit sie mit diesem Desaster vielleicht nicht in Verbindung bringen.

Es ist schon schlimm genug, dass die Landesregierung sich überhaupt traut, ein solches Geschäft abzuschließen, aber dieses Versagen dann noch als Erfolg zu verkaufen, das schlägt dem Fass den Boden aus.

Übrigens, wenn Sie das Ausbietungsverfahren in Form einer Auktion gemacht hätten, dann garantiere ich Ihnen, dass Sie völlig problemlos sofort 100 Millionen DM mehr erzielt hätten. Herr Finanzminister, vielleicht sollte ich dieses Angebot von hier aus unterbreiten, dass eine Bietergruppe bereit ist, 250 Millionen DM für 49,9 % der LEG-Anteile finanziell zu unterlegen. Völlig problemlos! Wenn Sie bereit sind, auf dieses Angebot einzugehen, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie das heute hier sagen würden. Dann könnten wir sofort in die Verhandlungen eintreten.

(Beifall bei FDP und CDU)

Wie kann man sich dieses Verhalten erklären? Hierzu biete ich Ihnen zwei Hypothesen an.

(Günter Neugebauer [SPD]: Haben Sie ein besseres Konzept?)

- Selbst wenn ich eines hätte, wäre das nicht verboten. Ich habe mich nur bereit erklärt, eine entsprechende Vermittlung herzustellen zwischen denen, die bereit sind, deutlich mehr zu zahlen, und der Landesregierung, die bereit ist, deutlich weniger in Empfang zu nehmen.

(Zuruf der Abgeordneten Renate Gröpel [SPD])

Das, denke ich, entspricht übrigens der verantwortungsvollen Aufgabe eines Parlamentariers, der sich den Interessen des Landes verpflichtet fühlt.

(Beifall bei FDP und CDU)

Staatssekretär Döring sprach von strategischen Zielen des Landes, die mit diesem Verlustgeschäft gewahrt blieben. Die LEG werde durch Synergieeffekte und einbehaltene Gewinne gestärkt, die LEG bleibe selbstständig, das Land behalte maßgeblichen Einfluss auf die LEG, qualitative Arbeitsplätze für SchleswigHolstein würden gesichert, die LEG-Wohnungen würden nicht ausverkauft.

Die hypothetische Erreichung dieser strategischen Ziele bezahlt das Land rechnerisch mit über 860 Millionen DM.

(Wolfgang Kubicki)

Warum hypothetische Zielerreichung? Weil die Ziele im Wesentlichen nicht erreicht werden. Ich beschränke mich auf das Ziel, den Ausverkauf der Wohnungen zu verhindern. Ausverkauf, das bedeutet Verkauf von Beständen weit unter dem zunächst angenommenen Wert, weil man diese Bestände sonst nicht mehr loswird und weil man seine Verluste aus der Bestandshaltung minimieren will. Wenn Immobilien im Wert von 1,1 Milliarden DM für 216 Millionen DM verkauft werden, dann ist das schon der Ausverkauf, den die Landesregierung offiziell verhindern will.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Die nächste Frage stellt sich automatisch: Was wird die B&L Immobilien AG mit dem neu erworbenen Vermögen machen oder wie will die Landesregierung sicherstellen, dass die Wohnungen nicht weiterverkauft werden? Vielleicht hätten Sie sich, Herr Minister, einmal intensiv mit dem Geschäftsfeld der Herren Büll und Liedtke beschäftigen sollen. Sie machen Anteilsveräußerungen - ich komme darauf gleich noch einmal zurück -, was auch sinnvoll ist. Sie machen Beteiligungen, was auch sinnvoll ist, aber nicht Pflege und Förderung von Immobilienbeständen über einen längeren Zeitraum hinweg.

B&L hätte nach dem Erwerb der LEG-Anteile zunächst zusätzliches Vermögen von etwa 1,1 Milliarden DM, das sie zunächst mit den Anschaffungskosten von 216 Millionen DM bilanzieren wird. Folglich hat sie automatisch stille Reserven von über 860 Millionen DM gebildet. Gleichzeitig - und das ist angekündigt worden, wieder mit Ansagen können diese stillen Reserven als Sicherheiten bei der Kapitalbeschaffung genutzt werden. Das Land schenkt dem Käufer die Sicherheiten, mit denen der Käufer die Finanzierung des Kaufpreises problemlos sicherstellen kann. Das ist wahre soziale Großzügigkeit.

(Beifall bei der FDP)

Was macht man mit stillen Reserven, sozusagen verborgenen Schätzen? Man hebt sie! Irgendwann, in nicht allzu ferner Zukunft. Wir haben eine Aktiengesellschaft vor uns, Kollege Neugebauer, die bestimmten Regeln unterworfen ist. Irgendwann werden die Eigentümer von B&L sagen: Stille Reserven sind schön und gut, aber wir wollen Erträge aus unserem Vermögen erwirtschaften.

Mit Wohnungen kann man grundsätzlich auf zwei Wegen Geld verdienen: erstens durch Vermietung und Verwaltung, zweitens durch Verkauf über dem Einkaufspreis.

(Zuruf des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

- Herr Kollege Neugebauer, ich begreife ja, dass Sie davon vergleichsweise wenig wissen, aber nehmen Sie wenigstens an, dass es mir darum geht, wenn schon stille Reserven gehoben werden, dass die Vermögenswerte bei uns bleiben und nicht woanders hinfließen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Man verkauft heute Wohnungen nicht mehr einzeln, sondern man bringt den gesamten Bestand in eine Kapitalgesellschaft ein und verkauft anschließend übrigens dank der Fürsorge von Herrn Eichel und Herrn Möller - die Kapitalanteile zum Teilwert steuerfrei. Das ist das Interessante an der neuen Gesetzgebung, die wir haben.

Die Rendite aus dem Geschäft Wohnungsvermietung und -verwaltung ist vergleichsweise gering; hohe Renditen sind dagegen aus Verkäufen zu erzielen, vor allen Dingen, wenn man Wohnungen zu einem Fünftel ihres Verkehrswertes erwirbt und dann zu eben diesem Verkehrswert verkauft, nicht einzeln, sondern zum Verkehrswert der Anteile an der Kapitalgesellschaft, in der die Wohnungen gehalten werden.

Hierzu ein Zitat aus einem Artikel in der „Welt“ vom 4. März 2000 über den Vorstandsvorsitzendenden der WCM Immobilienund Beteiligungsgesellschaft, Dr. Lutz Ristow. Vielleicht lesen Sie das einmal nach, weil die Geschäftspraktiken der Immobilien-AGs alle identisch sind. Dort heißt es:

„Was will die WCM mit Wohnungen? - Der Wertehebel - so Ristow - liegt in den ehemals gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften. Mit der Abschaffung der Gemeinnützigkeit erhielten sie ein wertvolles Abschiedsgeschenk: Der Wert der Immobilien, die abgeschrieben damals vielleicht mit 200 DM pro Quadratmeter in den Büchern standen, konnte auf den Teilwert hochgeschrieben werden, Veräußerungserlöse sind daher bis zur Höhe des Teilwerts steuerfrei.“

Weiter heißt es wörtlich:

„Das eigentliche Geschäft... beginnt jedoch erst. Denn die knappen Haushaltskassen zwingen die öffentliche Hand zunehmend, sich von ihren Wohnungsbeständen zu trennen. Und die Unternehmensteuerreform eröffnet Immobilien-AGs neue Möglichkeiten, weil künftig Tochtergesellschaften steuerfrei veräußert werden können.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Immobilien-AGs übrigens von uns gar nicht bestritten - sind Wirtschaftsunternehmen und Wirtschaftsunternehmen sind

(Wolfgang Kubicki)

Werkzeuge, um Hindernisse auf dem Weg zum Gewinn zu überwinden. Sie glauben doch nicht etwa im Ernst, B&L würde auf die möglichen Erträge aus der Verwertung der LEG-Anteile verzichten, ja überhaupt verzichten können! So etwas können nur Leute glauben, die 1,1 Milliarden DM für 216 Millionen DM weggeben.

(Beifall bei FDP und CDU)

Angesichts der Dimension der Verfehlung des strategischen Ziels, den Ausverkauf der LEG-Wohnungen zu verhindern, fallen die anderen Ziele kaum mehr ins Gewicht. Deshalb komme ich jetzt zu meinem rationalen Begründungsversuch für das Versagen der Regierung beim LEG-Verkauf.

Im Haushaltsgesetz 2001 erhielt der Finanzminister die Ermächtigung, LEG-Anteile zu verkaufen; 210 Millionen DM Einnahmen stellte er schon vorsorglich in den Haushalt ein und die Insolvenzbilanz 2001 war damit schöngerechnet.