Protocol of the Session on June 1, 2001

Wir können das Interesse der großen Parteien an der Beibehaltung des d’hondtschen Verfahrens nachvollziehen.

(Konrad Nabel [SPD]: Sehr gut!)

Jedoch scheint es für die großen Parteien an der Zeit

(Irene Fröhlich)

zu sein, sich einen Ruck zu geben und den Weg für dieses Mehr an Demokratie freizumachen.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Durch die Einführung des Kumulierens und Panaschierens in den Kommunen stünden den Wählerinnen und Wählern mehr Möglichkeiten zur Verfügung, ihr Wahlverhalten individueller zu gestalten.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sehr gut!)

Auch dies ist zweifelsohne ein Mehr an Demokratie, legt es doch die Entscheidung über die Zusammensetzung der Parlamente oder der Vertretungen in die Hände der Wählerinnen und Wähler und belässt sie nicht bei den Parteien. Das mag für manche Kandidatin und manchen Kandidaten bitter sein, aber es ist gerechter und es ist demokratischer.

Weiter ist die Forderung nach Abschaffung der FünfProzent-Hürde auf kommunaler Ebene genauso alt wie richtig. Die Grünen haben vergeblich versucht, diese Forderung in den Koalitionsvertrag aufzunehmen. Lange waren wir mit unserer Forderung allein. Nun sehen auch die Liberalen ein, dass die Umsetzung längst überfällig ist.

(Martin Kayenburg [CDU]: Ich würde ein Volksbegehren vorbereiten!)

Wir hoffen, dass wir mit diesen Forderungen nicht allein bleiben, sondern sich nach und nach immer mehr Persönlichkeit mehr hinzugesellen. Das Verfassungsgericht wird hier sicherlich kräftig Nachhilfe leisten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Darüber hinaus würde es unserer Demokratie besser zu Gesicht stehen, wenn die Volksvertretungen wieder zu einer visionären Politik zurückfänden und sich nicht - wie in der letzten Zeit immer häufiger - von der Judikative auf ein Reagieren beschränken ließen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sehr gut! Halten wir uns im Land einmal daran!)

Für uns stellen die Reform des kommunalen Wahlrechts und die bessere Einbeziehung der Einwohnerinnen und Einwohner in die Gestaltung ihrer Gemeinde wesentliche Fragen der anstehenden Kommunalrechtsreform dar. Insofern decken sich unsere Forderungen mit denen des FDP-Antrags.

Wir gehen jedoch über diesen hinaus. So scheint es überfällig, ein kommunales Abstimmungsrecht und Wahlrecht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich seit mindestens fünf Jahren legal in Deutschland aufhalten, vorzusehen.

(Beifall beim SSW)

Wir sagten das bereits in der Debatte zur Integration. Da war das auch eine Forderung der Liberalen. Die Sozialdemokraten teilen diese Ansicht auch.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Aber dafür brau- chen wir eine Verfassungsänderung!)

An dieser Stelle können wir also einen Schritt weiterkommen. Insofern sollte im Zusammenhang mit der Verabschiedung eines Einwanderungsgesetzes auch die hierfür erforderliche Grundgesetzänderung - im Bundestag natürlich - wieder thematisiert werden.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Das haben wir selbst auch angedacht!)

Anders wird es leider nicht gehen. Die Sozialdemokraten haben diese Erfahrung bereits gemacht.

Weiter halten wir es für grundsätzlich wichtig, die Durchführung von Volksbegehren für Bürgerinnen und Bürger zu erleichtern, um so die Gestaltungsmöglichkeiten der Einwohnerinnen und Einwohner zu verbessern und Elemente einer direkten Demokratie zu betonen. Unerlässlich ist hierfür selbstverständlich, dass die Einwohnerinnen und Einwohner überhaupt erst einmal darüber informiert werden, was auf kommunaler Ebene geplant ist beziehungsweise welche Entscheidungen überhaupt anstehen.

Daher fordern wir unter anderem umfassende Informationsmöglichkeiten für Einwohnerinnen und Einwohner und hoffen, dass die Diskussionen um die Wahl der kommunalen Vertretungen und um die Elemente einer direkten Demokratie nicht von der Debatte um die Wahl der Verwaltungsspitze verdrängt wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Mit der Reform des kommunalen Verfassungsrechts und des kommunalen Wahlrechts bietet sich uns hier im Haus die Möglichkeit, für die Einwohnerinnen und Einwohner mehr Mitgestaltungsmöglichkeiten, mehr Transparenz und mehr Demokratie zu schaffen.

Wir hoffen, dass uns dies im Konsens gelingt. Die ersten Schritte aufeinander zu sind gemacht. Die ersten Schritte sind bekanntlich die schwersten. Sie gehen immerhin in die richtige Richtung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Hinrichsen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn es um das Wahlrecht geht, vermuten viele Bürgerinnen und Bürger, dass es den Fraktionen in erster Linie darum geht, die Interessen der Parteien zu vertreten. Damit haben sie wohl Recht. Meine Vorredner bestätigten das in ihren Wortbeiträgen. Genauso wird es in meinem Beitrag sein.

Wenn man den vorliegenden Antrag sieht, stellt man fest, dass der Antragsteller, also die FDP, wohl auch von dieser Rechtsänderung profitieren wird. Der Antrag beinhaltet aber mehr. Er bietet die Möglichkeit, über eine Reform des Wahlrechts nachzudenken, die mehr Demokratie bedeutet. Das ist angesichts der Legitimationsprobleme der Politik bestimmt ein hohes Gut.

Bisher haben die Bürgerinnen und Bürger zu den Kommunalwahlen eine Stimme, die sie für die Kandidatin oder den Kandidaten einer Partei vergeben können. Gewählt wird, wer in einem Wahlbezirk die Mehrheit der Stimmen bekommt. Im Übrigen kommen die Listenmitglieder einer Partei entsprechend ihres Listenplatzes in die Gemeindevertretung. Die Wahlberechtigten wählen also vorwiegend eine Partei. Die Parteien bestimmen, wer in der Vertretung persönlich sitzt.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Das ärgerte bisher so manche Bürgerin und so manchen Bürger. Denn wenn sie eine bestimmte Partei unterstützen wollen, müssen sie möglicherweise auch ihnen unsympathische oder inkompetent erscheinende Personen in Kauf nehmen. Dieses Problem ließe sich durch ein neues Wahlrecht beheben, bei dem die Wählerinnen und Wähler die Wahl zwischen mehreren Kandidaten einer Partei hätten. Diesen Ansatz begrüßen wir.

(Zuruf des Abgeordneten Peter Jensen-Nissen [CDU] - Weitere Zurufe - Unruhe)

- Also, ich bin in die Gemeindevertretung direkt gewählt worden.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Abgeordnete, meine Damen und Herren, lassen Sie uns doch die paar Minuten, die wir jetzt noch brauchen, noch konzentriert zuhören.

Vielen Dank, Herr Präsident! Ich habe den anderen auch zuzuhören versucht. Ich fände es nett, wenn Sie das jetzt umgekehrt auch machten.

(Vereinzelter Beifall bei SSW und SPD)

Die FDP schlägt vor, deshalb das Kumulieren und Panaschieren einzuführen. Das halten wir für keine gute Idee. Zum einen kann diese Form für die Wähler so anstrengend werden, dass sie sich lieber dafür entscheiden, einer Partei alle Stimmen zu geben - dann wären wir genauso weit. Zum anderen hält der SSW am Prinzip „ein Mensch, eine Stimme“ fest.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Herrn Dr. Garg?

Nein, leider nicht! Ich denke, ich komme mit meiner Redezeit sonst nicht aus.

Deshalb möchten wir erneut anregen, dass man sich das dänische Wahlrecht ein bisschen näher ansieht, dass diese Anforderungen miteinander vereint.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das musste doch einmal gesagt werden! - Weitere Zurufe)

Dort haben die Wählerinnen und Wähler nur eine einzige Stimme. Sie können sich aber dafür entscheiden, ob sie eine Partei oder eine Kandidatin oder einen Kandidaten wählen. Sie können außerdem innerhalb eines großen Wahlkreises auch für mehrere Kandidaten einer Partei stimmen. Dadurch erhalten sie die Chance, die von den Parteien aufgestellten Listen zu sprengen, ohne die schwer verständliche Regelung von höchstens drei Stimmen pro Person oder Ähnlichem. Wir möchten anregen, dass dieses Modell im Rahmen der Ausschussberatung mit in Betracht gezogen wird.

(Unruhe)

Die weiteren Vorschläge der FDP sehen wir zunächst mit Wohlwollen. Die Sitzvergabe nach HareNiemeyer und die Änderung der Fünf-Prozent-Klausel sind Maßnahmen, die zugunsten der kleineren Parteien wirken. Wir treten für die Absenkung der Sperrklausel ein. Ein Absenken ist schon deshalb in Erwägung zu ziehen, weil man aufgrund der Gemeindegrößen in Schleswig-Holstein in einigen Gemeinden mindestens - wie zum Beispiel in Koldenbüttel - 8,6 % der Stim

(Silke Hinrichsen)