Protocol of the Session on May 9, 2001

Frau Todsen-Reese hat sehr klar herausgearbeitet, dass die Eingriffsausgleichsregelung Kernstück des Bundesnaturschutzgesetzes, Kernstück unseres Naturschutzes ist und sich als außerordentlich erfolgreiches Instrument erwiesen hat. Es ist das Instrument, mit dem ein jeder Eingriff in die Natur überprüft wird zum Ersten, ob er überhaupt notwendig ist, zum Zweiten, ob er ausgleichbar ist; wenn er notwendig ist, muss er ausgeglichen werden. Dadurch werden Mittel für Naturschutzmaßnahmen bereitgestellt.

Ich weigere mich, dies so zu interpretieren, als werde eine Küstenschutzmaßnahme dadurch unverhältnismäßig teuer.

(Beifall der Abgeordneten Herlich Marie Todsen-Reese [CDU])

Denken Sie bitte daran, dass bei allen anderen Maßnahmen - es wird Ausgleich gefordert, sei es sozialer Wohnungsbau, der Bau einer Schule, eines Kindergartens; Bauleitplanung und so weiter - immer Ausgleich gefordert wird. Nur so können wir in unserem dicht besiedelten Land dafür sorgen, dass wir für die kommenden Generationen eine erhaltenswerte Natur haben. Nur so können wir dies leisten. Deswegen sind wir als FDP nicht bereit, an diesem Kernstück des Landesnaturschutzgesetzes irgendetwas zu ändern.

(Beifall bei FDP, CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kollege Nabel hat zu Recht ausgeführt, dass allein das Streichen des Wortes „Küstenschutz“ aus der Positivliste des § 7 nicht dazu führt, dass es keine Ausgleichsmaßnahmen mehr gibt, sondern nur dazu, dass die beurteilende Behörde Einzelfalluntersuchungen anstellen muss. Dies bedeutet im Endeffekt erstens mehr Bürokratie, zweitens mehr Verwaltung und drittens eine unverantwortliche Zeitverzögerung. Angeblich wollen Sie doch gerade diese Zeitverzögerung verhindern. Nein, das kann es nicht sein.

Im Weiteren argumentieren Sie, man sollte es letztlich so wie mit der Landwirtschaftsklausel machen. Ich darf kurz daran erinnern, dass sich die Landwirtschaftsklausel in ihrer jetzigen Form zurzeit in der Diskussion befindet, weil es auch in der Landwirt

schaft bestimmte Maßnahmen gibt, die ein Eingriff sind.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wollen Sie mir wirklich sagen, dass zum Beispiel der Bau des Pellworm-Dammes kein Eingriff in die Natur sei? Soll ich das so verstehen? Ich habe da etwas andere Vorstellungen.

Ich darf im Übrigen daran erinnern - Sie haben dem Nationalparkgesetz zugestimmt -: Auch im Nationalparkgesetz gibt es bereits eine Aufzählung von Maßnahmen, die zugelassen sind. Vorlandsicherung, Vorlandgewinnung, Binnenentwässerung werden beispielsweise nicht eingeschränkt. Soweit es der Küstenschutz erfordert, bleiben die Schafgräsungen und die Klei- und Sandentnahme zulässig. Diese kleineren Maßnahmen sind also bereits zulässig. Auch dafür brauchen wir Ihre vorgeschlagene Änderung nicht.

Steigt man noch ein bisschen tiefer in die Betrachtung dieses Gesetzentwurfs ein, muss man feststellen, dass er, würde er Wirklichkeit, für die Region tatsächlich schädlich ist. Wir wissen, dass Baumaßnahmen des Küstenschutzes fast immer an auswärtige Firmen vergeben werden. Die Ausgleichsmaßnahmen dagegen, europäisch und national gefördert, werden gerade von den Firmen aus der Region durchgeführt. Damit gefährdet Ihr Ansatz und Ihr Gesetzentwurf Arbeitsplätze in der strukturschwachen Region an der Westküste. Das kann es nicht sein.

Ich darf hinzufügen: Auch für den Fremdenverkehr hat dies einen ähnlichen Effekt. Gerade Naturschutzmaßnahmen - Herr Nabel hat einige Beispiele aufgeführt, die ich nicht wiederholen will -, durch Ausgleich finanziert, bewirken, dass diese Regionen für den Naturschutz, aber auch für den Tourismus wertvoller wird. Die Menschen kommen nicht nach Dithmarschen, um zu sehen, wie der Kohl wächst. Sie wollen die dortige Landschaft erleben.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: So ist es! Sehr gut! Sehr richtig!)

Dazu haben auch Ausgleichsmaßnahmen viel beigetragen.

(Beifall bei der FDP, vereinzelt bei der CDU und des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

In der Bewertung teile ich die Stellungnahmen von SPD und CDU. Der Vorschlag des SSW ist offensichtlich unsinnig. Er bewirkt im Übrigen keine tatsächliche Änderung der Rechtslage. Damit unterscheiden Sie sich mit Ihrem Vorschlag von den beiden Vorschlägen, die die FDP-Fraktion in der vergangenen Legislaturperiode eingereicht hat. Diese hätten eine

(Dr. Christel Happach-Kasan)

Änderung der Rechtslage bewirkt und wären damit wirksam geworden, ohne mehr Bürokratie zu bedeuten und ohne zulasten von Arbeitsplätzen zu gehen.

Es bleibt also noch die Frage, warum uns der SSW mit dieser Initiative eigentlich behelligt. Der Kollege Nabel hat dazu schon einige Spekulationen geäußert. Denen will ich mich nicht anschließen. Wir werden sehen, welche der Spekulationen letztlich zutrifft.

Sie tun so, als nähmen Sie die Sorgen der Menschen an der Westküste ernst. Tatsächlich muss man sagen, Sie führen sie in die Irre.

Der Gesetzentwurf des SSW kündigt gleichzeitig die Zustimmung des SSW zum Landesnaturschutzgesetz auf.

(Lars Harms [SSW]: Nein!)

Der SSW verabschiedet sich damit von der von Karl Otto Meyer vorgegebenen Linie. Frau Spoorendonk, es reicht nicht, dass Sie Nein sagen. Wenn wir gemeinsam feststellen, dass die Eingriffsausgleichsregelung Kernpunkt der Naturschutzgebung in Deutschland ist, ist ein solcher Gesetzentwurf, wie Sie ihn eingereicht haben, eine Aufkündigung des Landesnaturschutzgesetzes und des Naturschutzes in Deutschland.

(Anke Spoorendonk [SSW]: Das ist nicht wahr! - Lars Harms [SSW]: Völliger Unsinn! - Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Während sich die Kritik von Karl Otto Meyer wesentlich gegen die Informationsgebote des Gesetzes richteten und damit Anstöße zu einer wirklichen Änderung der Informationspolitik gab, ist dieser Änderungsvorschlag des SSW eine bedeutungslose Marginalie mit ausschließlich populistischem Hintergrund.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Silke Hinrichsen?

Nein, im Augenblick nicht. - An den Paragraphen des Gesetzes jedoch, bei denen die Menschen im Land der Schuh drückt, wollen sie gar nichts ändern. Eigentlich ist aber jede Debatte über solche marginale Änderungen des Landesnaturschutzgesetzes überflüssig.

Die FDP hat gemeinsam mit der CDU gegen dieses Gesetz geklagt, weil es gegen die Verfassung verstößt. Ich will Ihnen aber gern noch einmal einige Stichpunkte ins Gedächtnis rufen, die auch Ihnen klar machen, dass das jetzige Landesnaturschutzgesetz in

seiner Gänze und nicht in diesem Punkt überarbeitet werden muss.

Gerade die Ausweisung von Vorrangflächen für den Naturschutz bei der Aufstellung von Landschaftplänen kann eine kalte Enteignung bedeuten und widerspricht damit der Verfassung. Entsprechende Beispiele gab es insbesondere auch im Landesteil Schleswig, ohne dass der SSW von seiner Zustimmung zum Landesnaturschutzgesetz abgerückt wäre oder auch nur den betroffenen Landwirten in irgendeiner Weise geholfen hätte.

Allein der damalige Kollege Dr. Hinz, SPD, räumte ein, dass das Gesetz novelliert werden müsse. Die Grünen haben dies verhindert. Die grüne Ideologie liegt Ihnen eben näher als die Durchsetzung rechtsstaatlicher Prinzipien.

(Demonstrativer Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Irgendwie haben sie es nicht verstanden: Grüne Ideologie ist besser als Rechtsstaat. Das finde ich ein starkes Stück! Sie wollen Rechtsstaatspartei sein? Ich glaube, da müssen Sie sich doch noch ein bisschen anstrengen. Gehen Sie doch einmal bei ordentlichen Juristen in die Lehre, würde ich sagen.

(Konrad Nabel [SPD]: Ironie erst ab der 9. Klasse! - Zuruf des Abgeordneten Dr. Ek- kehard Klug [FDP])

- Aber Rechtsstaatsnachhilfe ist teurer als IronieNachhilfe.

Es gibt eine ganze Reihe absurder Beispiele in diesem Gesetz: Nährstoffarmer Trockenrasen im Sinne von § 15a Landesnaturschutzgesetz kann durch diffusen Stickstoffeintrag in seinem charakteristischen Zustand verändert werden. Das Landesnaturschutzgesetz in seiner jetzigen Fassung erlaubt es, dass die untere Naturschutzbehörde Wiederherstellungs-, Ausgleichsund Ersatzmaßnahmen auf Kosten der Eigentümer von Dritten vornehmen lassen kann. Diese Zustandshaftung soll auch dann gelten, wenn die Eigentümer nicht Verursacher des ungenehmigten Eingriffs waren. Somit entsteht selbst dann eine Haftung der Eigentümer, wenn nachhaltige Veränderungen durch die Natur selbst verursacht wurden. Dies widerspricht den Grundsätzen des gesunden Menschenverstandes und es genügt auch nicht den Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts für die Zustandshaftung des Eigentümers aus Artikel 14 des Grundgesetzes.

Ich will aber nicht verschweigen, dass es in der Praxis der Umsetzung des Landesnaturschutzgesetzes in diesem Land Behörden gegeben hat, die sich sehr ange

(Dr. Christel Happach-Kasan)

strengt haben, einen verfassungskonformen Vollzug des Gesetzes zu erzielen, und die sich angestrengt haben, dass die Menschen in diesem Land mit dem Gesetz leben können. Eklatante Fehler und Schwächen des Gesetzes wurden so durch den Gesetzesvollzug ausgebügelt. Aber das darf kein Grund sein, ein schlechtes Gesetz zu behalten aus Angst vor der Kritik der Naturschutzverbände.

(Beifall bei der FDP)

Die kommende Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes wird die längst fällige Änderung des Landesnaturschutzgesetzes in vielen Punkten nach sich ziehen, aber sicherlich nicht in diese.

(Beifall bei der FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt Frau Abgeordneter Irene Fröhlich das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kenne ja Herrn Harms ein bisschen aus dem Kreistag in Husum. Deswegen muss ich nicht ganz so auf die Pauke hauen wie meine Vorrednerinnen und Vorredner.

Aber ich muss sagen, ich habe Ihnen noch nie mit so viel Aufmerksamkeit und innerer Zustimmung zugehört, Frau Todsen-Reese! Es hat mir sehr gut gefallen, was Sie gesagt haben und wie Sie geredet haben.

(Heiterkeit - Beifall bei der FDP)

Ich sage das, weil ich auch merkte, da kommt wirklich etwas aus dem Herzen und mit viel Sachkenntnis und viel Erfahrungshintergrund. Ich danke dafür.

Den Antrag der SSW-Fraktion, das Landesnaturschutzgesetz zu ändern, um damit festzuschreiben, dass die Änderung und sogar die Errichtung von Küstenschutzanlagen keinen Eingriff in Natur und Landschaft darstellen würde, befremdet mich schon allein deswegen, weil das offensichtlich der Realität widerspricht. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich will nicht die Notwendigkeit von Küstenschutz infrage stellen. Das wird uns ja leicht und gern unterstellt, aber das ist nicht Fall. Aber dass die Errichtung von Deichen kein Eingriff in die Natur sein soll, das kann wirklich kein Mensch unwidersprochen stehen lassen. Ich komme später noch zu Beispielen.

Es ist doch völlig eindeutig, Herr Harms, dass die heutige Küstenlinie, deren Verlauf durch die Eindeichungen im letzten Jahrtausend geprägt ist, nur noch einen letzten Rest von Marschsalzwiesen aufweist.