Wir müssen insbesondere im Hinblick auf die europapolitische Entwicklung den Blick nach vorn richten und nicht zurück. Dazu werde ich Ihnen ein paar Punkte sagen.
Es gibt aber auch formale Gründe, diesem Antrag nicht zuzustimmen. Wir als Parlament können erstens gar nicht über die Rednerliste einer solchen Konferenz entscheiden. Das tut nämlich die Konferenz selbst
Ich könnte mir vorstellen, dass wir dann, wenn alle Parlamente über eine solche Rednerliste entscheiden könnten, eine sehr attraktive Rednerliste hätten, aber wahrscheinlich eine Woche tagen würden und die Teilnehmerzahl sehr gering wäre. Das sollten wir nicht tun.
Zum Zweiten sage ich Folgendes. Der Bericht des Außenministers - so interessant er wäre - über die weiteren Planungen und Ideen der Bundesregierung in der Ostseekooperation sollte - darauf weise ich hin nach demokratischen Gepflogenheiten zunächst in den parlamentarischen Gremien im Bundestag vorgetragen werden und nicht auf einer internationalen Konferenz.
Lassen Sie mich einen Aspekt ansprechen, den ich für viel wichtiger halte. Ab Juni 2001 wird Russland den Vorsitz im Ostseerat innehaben. Ich sage: Dieser Wechsel in der Präsidentschaft bietet eine historische Chance.
(Beifall der Abgeordneten Gisela Böhrk [SPD] und Anke Spoorendonk [SSW] - Günther Hildebrand [F.D.P.]: Richtig!)
Ostseerat und Ostseeparlamentarierkonferenz sind nämlich die einzigen Institutionen, in denen EUMitglieder, Noch-Nichtmitglieder und Nichtmitglieder an einem Tisch sitzen und gleichberechtigt zu Wort kommen. Darin liegt übrigens einer der großen Vorteile unserer Ostseepolitik, die in dieser Frage weit über ihre regionale Bedeutung hinausreicht.
Wir in Schleswig-Holstein haben uns als Parlament und Regierung aktiv in beiden Gremien beteiligt und sollten deshalb nicht darum bitten, den deutschen Außenminister als Ex-Ostseeratsvorsitzenden zu hören dafür gibt es andere Gremien -, sondern wir sollten darum bitten, den russischen Außenminister zu hören. Denn die Menschen in der Ukraine, in Weißrussland und natürlich in Russland wollen eine gemeinsame Antwort von uns auf die Frage haben, wie wir mithelfen, dass die europäische Integration nicht an den neuen Beitrittsgrenzen aufhört.
Das gilt für die EU-Erweiterung und ihre ökonomischen Konsequenzen. Es geht darum, dass die neue Außengrenze keine Grenze zwischen Arm und Reich werden darf. Es geht darum, dass die NATOErweiterung bevorsteht. Wir brauchen auch hier eine neue Sicherheitspolitik, damit es nicht zu neuen Blockgrenzen kommt. Das gilt aber auch für die friedliche Regelung in kritischen Regionen. Ich nenne Kaliningrad und Sankt Petersburg. Deshalb muss dieser Dialog beginnen.
- Herr Kubicki, schon auf der vergangenen Parlamentarierkonferenz hat sich die russische Delegation darüber beschwert, dass sie nicht ernst genommen wird. Vor wenigen Tagen gab es eine große Tagung der EU in Moskau, wo wiederum gesagt wurde, es bestehe ein Monopolrecht der EU für die Gestaltung Europas. Wenn das der Fall ist, dass einer der großen europäi
schen Partner das Gefühl hat, dass er nicht mehr ernst genommen wird, dann ist das das Thema, über das wir reden müssen, nichts anderes.
An der Frage, wie wir mit Russland umgehen, wird sich die Zukunft des neuen Europas mit entscheiden, und zwar in den nächsten Jahren. Genau an dieser Stelle muss eine aktive Europapolitik ansetzen. Genau dort liegen die Chancen für unsere Ostseepolitik. Wir müssen die Politik der nördlichen Dimension umsetzen. Deshalb ist es richtig, dass das Thema Zivilgesellschaft in Greifswald auf der Tagesordnung steht. Das bietet den Einstieg in diesen Dialog.
Ich begrüße außerordentlich, dass Berlin endlich die Ostseepolitik entdeckt hat. Minister Fischer hat sich vor wenigen Tagen auf einer Ostseewirtschaftskonferenz klar und eindeutig für eine Stärkung des Ostseeraums ausgesprochen. Dort hat er übrigens auch die drei wichtigsten Punkte der deutschen Präsidentschaft im Ostseerat genannt: ökonomischer Fortschritt, Vernetzung der Hochschulen - also Einstieg in die Wissensgesellschaft - und Stärkung der Demokratie. Das sind drei Schwerpunkte, die wir - ausgehend von unserem Politikansatz - teilen können.
Berlin liegt eben auch politisch näher an der Ostsee als Bonn. Der deutsche Außenminister kann von unseren Erfahrungen profitieren. Dafür wollen wir werben. Wir wollen das zusammen mit der Regierung und im Europaausschuss tun. Dafür bedarf es aber nicht eines solchen Antrages. Soviel von Europa-Fischer (rot) über Europa-Fischer (grün).
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielen Dank für den Antrag, Kollege Behm, gibt er uns doch Gelegenheit, heute über die bisherigen Aktivitäten der deutschen Präsidentschaft im Ostseerat kritisch zu diskutieren. Wir unterstützen natürlich Ihre Forderung, dass der Bundesaußenminister bei der nächsten Ostseeparlamentarierkonferenz in Greifswald endlich einmal persönlich erscheint, um uns über seine Aktivitäten im Bereich der Ostseezusammenarbeit zu berichten.
Die Tatsache, dass Herr Fischer bei mehreren wichtigen Anlässen im Zusammenhang mit der Ostseekooperation bisher durch Abwesenheit glänzte, ist an sich schon erschreckend. Nachdem Deutschland bereits vor neun Monaten die Präsidentschaft im Ostseerat übernommen hat, erreicht die Ostseezusammenarbeit nun endlich auch die Bundeshauptstadt. Erfreulich wiederum ist, dass dieses mangelnde Engagement des Außenministers nicht nur bei CDU und F.D.P. auf Kritik stößt. Den „Lübecker Nachrichten“ können wir entnehmen, dass der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Ministerpräsidentin mit einer Gegenveranstaltung aktiv wurden.
Der Vorsitzende des DGB-Landesbezirks Nord, Peter Deutschland, äußerte sich im Gespräch mit den „Lübecker Nachrichten“ enttäuscht über Fischers Einsatz für die Ostseekooperation: „Da hätten wir schon ein bisschen mehr erwartet.“
Weiter heißt es, der Außenminister habe seinen Job als Vorsitzender des Ostseerates nur pflichtgemäß erfüllt. Selbst über diese kritische Betrachtung könnte man noch streiten. Aber ich glaube, statt Vergangenheitsbewältigung zu betreiben, sollten wir lieber nach vorn blicken. Ich bin sicher, Sie werden mir zustimmen, dass eine erfolgreiche Zukunft Schleswig-Holsteins in der Ostseeregion, eine positive Entwicklung der Ostseekooperation und verbindliche Vereinbarungen mit den Anrainerstaaten unverzichtbar sind. Ich denke, es müssen - auch im eigenen Land - die erforderlichen Schritte für die Schaffung von Standortbedingungen in Schleswig-Holstein eingeleitet werden, die unserem Land gute Chancen im Wettbewerb mit den anderen Ostseeanrainerstaaten eröffnen. Das ist insbesondere unter dem Aspekt der EU-Osterweiterung für unser Land von entscheidender Bedeutung.
Es müssen klare Handlungsrahmen entwickelt werden, um die Handelsbeziehungen schleswig-holsteinischer Unternehmen im Ostseeraum aktiv durch die Landesregierung zu fördern. Ebenso muss der Wissenschaftsund Forschungsaustausch mit den Anrainerstaaten aktiv durch die Landesregierung gefördert werden. Es müssen konkrete Maßnahmen verabredet werden, um die Zusammenarbeit im Ostseeraum zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität zu verbessern. Nicht zuletzt müssen der Jugendaustausch und die Förderung von Jugendreisen unterstützt und die kulturelle Zusammenarbeit vorangetrieben werden.
Sie können dabei mit unserer wohlwollenden Unterstützung rechnen. Leider müssen wir feststellen, dass die Ostseepolitik innerhalb der Landesregierung immer mehr an Gewicht verloren hat. Nachdem Björn Engholm während seiner Amtszeit ein sehr großes Engagement in diesem Bereich zeigte, das von Gerd Walter fortgeführt wurde, haben Sie, Frau Ministerpräsidentin, vor einem Jahr diese Aufgabe übernommen.
Seitdem ist deutlich festzustellen, dass der Bereich keine politische Priorität mehr genießt und von der Landesregierung in wichtigen Bereichen vernachlässigt wird.
Dies führt leider auch zu Frustration bei den zuständigen Mitarbeitern. Vorläufiger Tiefpunkt dieser Entwicklung ist der plötzliche Weggang des Abteilungsleiters Werner Kindsmüller, dem ich an dieser Stelle für die geleistete Arbeit herzlich danken möchte.
Man hat fast den Eindruck, in der Staatskanzlei wird Personalpolitik nach dem Motto betrieben: Der Letzte macht das Licht aus. Im Interesse Schleswig-Holsteins können wir nur hoffen, dass diese Lethargie bald überwunden wird und die Ostseepolitik bei der Landesregierung wieder den Stellenwert erhält, den sie verdient.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, Herr Kubicki, jetzt sind wir - was die Bedeutung der F.D.P. angeht - in der Frage der Außenpolitik von Herrn Genscher über Herrn Kinkel bei Herrn Behm angelangt. Leider ist dabei ein Grundsatz der deutschen Außenpolitik etwas „über den Jordan“ gegangen, nämlich das Problem, dass Sie mit Ihrem Antrag überhaupt nicht realisieren, dass wir internationale Konferenzen nicht mit dem kleinen politischen Hickhack von Landtagen oder Parteipolitik ausfüllen können. Das ist der Fehler in Ihrem Antrag.
Das ist doch albern. Was hier mit diesem Antrag realisiert wird, ist ein Nachkarten nach der Ostseeparlamentarierkonferenz. Der Kollege Fischer hat es völlig zu Recht gesagt: Ihr Antrag widerspricht diametral den Grundsätzen, nach denen internationale Konferenzen vorbereitet werden. Das ist kein guter parlamentarischer Stil.
Lieber Kollege Behm, ich schätze Sie sehr in Ihrer Arbeit. Ich will gar keinen Hehl daraus machen, dass das Verhalten der Bundesregierung bei der letzten Ostseeparlamentarierkonferenz hart zu kritisieren ist.