Protocol of the Session on January 24, 2001

- Herr Plüschau, es wäre ganz sinnvoll, wenn Sie auch bei den anderen Sachen etwas besser zugehört hätten als beim englischen Text. Aber ich bedanke ich mich für den Beifall.

(Dr. Christel Happach-Kasan)

Als Fazit will ich festhalten: Hinweise auf BSE sind von Regierungen in Deutschland nicht ernst genommen worden, notwendige Kontrollen wurden nicht durchgeführt.

Vor diesem Hintergrund hat die F.D.P. ihren Berichtsantrag zur Kontrolle der Lebens- und Futtermittel in Schleswig-Holstein gestellt. Niemand kann Lebensmitteln ansehen, ob giftige Zutaten verwendet wurden oder bakterielle Verunreinigungen vorhanden sind. Deshalb brauchen wir Lebensmittelkontrollen; Sie gehören zu den wichtigen staatlichen Maßnahmen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher vertrauen auf die Lebensmittel, die ihnen an der Ladentheke angeboten werden.

Der Umweltminister dieses Landes hat schon vorab erklärt, dass Lebensmittel teilweise Sondermüll seien.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Unglaublich!)

Das ist in der grünen Szene ein gern gepflegtes Klischee. Wenn das so ist, Herr Minister, werden Sie und Ihr Vorgänger zur Verantwortung gezogen. Es liegt in der Verantwortung des jeweiligen Umweltministers, durch Kontrollen dafür zu sorgen, dass die Lebensmittel, die bei uns auf den Tisch kommen, in Ordnung sind.

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU)

Von Ihnen, Herr Minister, wird verantwortliches Regierungshandeln erwartet, nicht Verbalradikalismus gegen Ihnen verhasste Berufsgruppen. Im Übrigen, Herr Minister: Sie sind auch für Sondermüll verantwortlich.

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU)

Was hilft den Verbraucherinnen und Verbrauchern Ihre Charakterisierung der Lebensmittel als Sondermüll? - So viel wie Ihre sonstige Politik - nämlich nichts.

Mein Kollege Peter Jensen-Nissen hat aufgezeigt, dass die Futtermittelkontrollen in diesem Land äußerst lasch gehandhabt wurden. Anders gesagt: Futtermittelkontrollen waren Rot-Grün kaum eine müde Mark wert.

(Zuruf von der CDU: So ist es!)

Bei Mängeln trifft es ja nur die Landwirtschaft!

Nicht einmal das bereits seit 1994 bestehende Verbot der Verfütterung von Tiermehl an Wiederkäuer wurde überwacht, obwohl doch das Verbot der Verfütterung von Tiermehl zu Ihren Glaubenskenntnissen gehört. Verbote werden von Rot-Grün immer wieder gefor

dert, die erforderlichen Mittel für die zur Umsetzung von Verboten notwendigen Kontrollen stellt Rot-Grün jedoch nicht bereit. Rot-Grüner Schnickschnack hat immer Vorrang. Damit wird der immer wieder laut werdende Ruf nach Verboten als wirkungsloser Reflex entlarvt.

Die Bewältigung der durch das Auftreten von BSE in deutschen Rinderbeständen eingetretenen Krise in der Land- und Ernährungswirtschaft verlangt ein zielstrebiges und vorrangig auf die Bewältigung der Krise ausgerichtetes Management.

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU)

Gerade Schleswig-Holstein kann sich auch vor dem Hintergrund der finanziellen Lage des Landes nichts anderes leisten. Mein Kollege Kubicki hat das gerade erst in einer Presseerklärung dargestellt. Die Landesregierung scheint das nicht weiter zu besorgen. Jeglicher ideologische Schnickschnack hat zur Folge, dass die Menschen im Land verstärkt den Eindruck gewinnen, die Politik kümmere sich nur um ihre ideologischen Grabenkämpfe, aber nicht um die Sorgen und Nöte der Menschen im Land.

Die Gesundheit der Menschen muss gewährleistet sein, das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher in unsere Nahrungsmittel wieder hergestellt und die Existenz mittelständischer Betriebe gesichert werden. Arbeitslosigkeit und Insolvenzen in der Landund Ernährungswirtschaft sind für die betroffenen Menschen genauso schlimm wie in jedem anderen Wirtschaftsbereich. Da darf die Politik nicht mit einem Achselzucken zur Tagesordnung übergehen.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was wollen Sie denn nun ma- chen?)

Der Antrag von SPD und Grünen „Eckpunkte für einen besseren Verbraucherschutz und eine gesunde Nahrungsmittelproduktion als Konsequenz aus der BSE-Krise“ enthält Positionen, denen die F.D.P. durchaus zustimmen kann, nicht aber dem Antrag insgesamt. Einige Formulierungen sind nicht überzeugend, werte Kollegen! Was bedeutet denn „Umkehr in der Nahrungsmittelproduktion“? Soll links herum statt rechts herum gepflügt werden? Es bleibt doch dabei, dass Kühe Kälber gebären und Milch geben. Oder wollen Sie das ändern? Ich weiß auch nicht, was Sie unter einer „Offensive im Bereich der Lebensmittelstandards“ verstehen. Das klingt sehr militärisch. Das Problem ist aber doch, dass die Landesregierung noch

(Dr. Christel Happach-Kasan)

nicht einmal die Umsetzung der bisherigen Standards sicherstellen kann.

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU)

Detaillierte Vorschriften, Leitlinien zur Landwirtschaft, Erlasse und so weiter und so fort - davon haben wir genug, und von kleinst strukturierten Anordnungen ebenfalls. Wir brauchen größer strukturierte Leitlinien statt derartig detaillierte und fehlinformierende Angaben, wie Sie sie in Ihrem Antrag gemacht haben.

Wir haben einen Alternativantrag vorgelegt, der Ihnen, wie ich hoffe, sofort zugehen wird. Darin gehen wir nicht ins Detail, sondern geben Leitlinien vor. Der Schutz der Verbraucher hat oberste Priorität. Wir brauchen eine artgerechte und „gläserne“ Tierhaltung. Das Gütezeichen der Landwirtschaftskammer muss weiter entwickelt werden. Denn anders als andere Bundesländer haben wir doch bereits ein bundesweit bekanntes Gütezeichen. Warum wollen wir es nicht nutzen, um für besonders sichere und vielfältig geprüfte Lebensmittel zu werben?

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU)

Die Lebensmittel- und Futtermittelkontrollen müssen intensiviert werden, denn es sind Defizite zutage getreten. Wir brauchen eine natur- und umweltverträgliche Landwirtschaft. Wir wollen eine Weiterentwicklung der EU-Agrarreform mit einer Grünlandprämie. Wir brauchen auch in Schleswig-Holstein BSEForschung. Nur dann haben wir schnell und umfassend Zugriff zu den aktuellsten Forschungsergebnissen anderer Einrichtungen.

(Beifall bei der F.D.P.)

Im Übrigen bringen die Institute der CAU wie der Fachhochschule glänzende Voraussetzungen für ein attraktives Forschungsprogramm mit. Warum wollen wir diese Kapazitäten nicht nutzen?

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU)

Aber, werte Kolleginnen und Kollegen auf der linken Seite, wir wollen den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit unserer Landwirtschaft.

(Zuruf von der SPD: Wollen wir auch!)

Denn sonst könnten alle gut gemeinten Maßnahmen dazu führen, dass wir unsere Lebensmittel importieren müssen, weil bei uns alle Produzenten Pleite gegangen sind.

Zum Entschließungsantrag der CDU bringt die Fraktion der F.D.P. ebenfalls einen Änderungsantrag

ein, der eingereicht ist und längst vorliegen müsste. Wir alle hoffen, dass entsprechend den Ankündigungen im Sommer ein Lebendtest auf BSE zur Verfügung stehen wird. Dies würde die Bekämpfung der Krankheit unendlich erleichtern. Noch ist das Zukunftsmusik, dennoch sollte festgelegt werden, dass der Staat die Übernahme der Gebühren für den Schnelltest nur bis zu diesem Zeitpunkt garantieren kann. Schließlich soll der Lebendtest - wenn er zur Verfügung steht - möglichst schnell und von allen Betrieben zur Sanierung der Rinderbestände genutzt werden. Wie die Anwendung des noch nicht vorhandenen Tests dann zu finanzieren ist, ist jetzt nicht zu entscheiden. Zurzeit haben wir wirklich andere Sorgen.

Die Entscheidung des Bundestages, das Verfüttern von Tiermehl total zu verbieten, musste die Landwirte unvorbereitet treffen. Dies hatte niemand erwartet. Daher gibt es Restbestände von Futtermitteln in den Betrieben. Futtermittel, die beim Einkauf legal waren, dürfen aufgrund der geänderten Rechtslage nunmehr nicht mehr verfüttert werden. Um das zu gewährleisten, sollten diese Futtermittel von den Behörden sichergestellt und ihre Beseitigung veranlasst werden, sofern das nicht bereits geschehen ist.

Über die Frage, wie Rinderbestände zu behandeln sind, in denen ein BSE-krankes Tier nachgewiesen wurde, gibt es Diskussionen. Die einen fordern das Keulen des gesamten Bestandes, in dem BSE nachgewiesen wurde, die anderen das Keulen einer Kohorte, das heißt einer definierten Menge von Tieren, bei denen eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass ein weiteres Tier an BSE erkrankt ist. Beim zweiten BSEFall in Schleswig-Holstein hat die Landesregierung entschieden, dass der Herkunftsbestand des Tieres, nicht jedoch der Bestand, in dem sich das Tier zuletzt aufgehalten hat, zu keulen ist. Damit ist die Landesregierung der Hypothese gefolgt, die besagt, dass BSE nicht von Tier zu Tier übertragen wird. Dieser Entscheidung stimme ich zu; das habe ich auch im Ausschuss getan. Konsequent wäre es, in Zukunft analog zu verfahren und nur noch die Kohorte zu keulen. Das sind die Tiere, die mit dem erkrankten Tier in einem direkten Verwandtschaftsverhältnis stehen, und diejenigen, die in einem Zeitraum von einem Jahr vor der Geburt des Tieres bis ein Jahr danach geboren wurden. Diese Tiere haben voraussichtlich dieselben prioneninfizierten Futtermittel gefressen.

Die Erfahrungen in der Schweiz stützen eine solche Vorgehensweise. Dort wurde bis jetzt bei 365 Tieren BSE nachgewiesen. Bei 352 Tieren war dies der einzige Fund im Bestand. Nur in einem Bestand gab es drei Fälle. Zurzeit geht niemand - auch nicht die grüne Landwirtschaftsministerin - davon aus, dass die BSE

(Dr. Christel Happach-Kasan)

Erkrankungen in Deutschland britische Ausmaße annehmen werden. Dort gab es bis jetzt mehr als 180.000 an BSE erkrankte Tiere. Die Situation in Deutschland entspricht somit eher der in der Schweiz als der in Großbritannien. Daher ist das Schweizer Vorgehen als Vorbild geeignet.

Das Tierschutzgesetz schreibt uns vor, dass ein vernünftiger Grund zum Töten eines Tieres bestehen muss. Wenn für die Sicherheit der Nahrungsmittel das Töten einer Kohorte ausreichend ist, widerspricht es dem Tierschutzgesetz, den ganzen Bestand zu keulen.

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU)

Ich weiß, dass die Ansicht weit verbreitet ist, dass der Verbraucherschutz umso höher sei, je höher der Blutzoll ist, der gezahlt wird. Doch das ist falsch, denn die Tötung von gesunden Tieren hilft niemandem.

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU)

Die Erfahrungen in der Schweiz haben auch ergeben, dass nach einem BSE-Fall in einem bestimmten Bestand und nach der darauf folgenden Keulung einer Kohorte die Vermarktung von Milch und Fleisch des Restbestandes nur wenige Probleme bereitet hat. Allerdings wurde dies von einer umfassenden Aufklärung der Verbraucher begleitet. Das ist kein Selbstgänger. Aber sollen gesunde Tiere getötet werden, nur weil niemand eine ernsthafte Verbraucheraufklärung will?

Der zuständige Direktor der Abteilung für klinische Veterinärmedizin der Universität Bern, Prof. Marc Vandervelde, erklärte im „Ernährungsdienst“ vom 17. Januar 2001 auf die Frage nach der Übertragbarkeit des Schweizer Modells auf Deutschland:

„Das ist in erster Linie ein Imageproblem. Angesichts der in Deutschland besonders ausgeprägten Hysterie könnte es Probleme beim Absatz von Fleisch und Milch geben. Gesundheitliche Risiken bestehen nicht.“

Aufgabe der Politik ist es, die Vermeidung gesundheitlicher Risiken zu gewährleisten. Dafür ist die Kohortenlösung ausreichend.

Die beabsichtigte Herauskaufaktion der EU von 30 Monate alten Rindern soll der Land- und Ernährungswirtschaft helfen. Diese Hilfe ist bitter nötig. Schlachtreife, gesunde Bullen sind unverkäuflich, sie müssen weiter ernährt werden, ohne dass die Betriebe sie in absehbarer Zeit verkaufen können. Sie verursachen Kosten; eine Einnahme steht nicht zu erwarten. Selbst die besten Betriebe können dies nicht lange durchhalten.