Protocol of the Session on November 16, 2000

Das heißt, Euphorie ist angebracht; denn es geht um neue Chancen. Aber Technikfolgenabschätzung ist notwendig. Kontrollen und Überwachung müssen fallspezifisch sein, Frau Schmitz-Hübsch. Sie können nicht generelle Kontrollen durchführen und sagen: Da gibt es irgendwo Institute, die das machen.

Professor Jung, der nun wahrlich nicht im Ruf steht, ein Gegner der Gentechnologie zu sein, hat dazu Folgendes gesagt - Zitat! -: „Eine pauschale Bewertung gentechnischer Veränderungen ist unsinnig und wis

(Karl-Martin Hentschel)

senschaftlich unbegründet. Jede gentechnische Veränderung muss im Einzelfall bewertet werden.“

Das bedeutet, wir brauchen eine qualifizierte Technikfolgenabschätzung, eine qualifizierte Bewertung.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Sie findet längst statt!)

Sie muss jeweils überall dort stattfinden, wo Gentechnologien entwickelt und angewandt werden. Das heißt, Sie können nicht sagen: Wir fördern in SchleswigHolstein die Gentechnologie, aber die Technikfolgenabschätzung findet in Bayern statt. - So kann das nicht funktionieren.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Warum nicht?)

- Weil Sie überall dort eine Technikfolgenabschätzung brauchen, wo die Dinge praktiziert und angewandt werden. Die aktuellen Prozesse, die hier in SchleswigHolstein in der Wirtschaft realisiert werden, müssen auch in Schleswig-Holstein bewertet werden können.

Die Institutionalisierung dieser Angelegenheit ist notwendig. Warum? - Nehmen wir als Beispiel den Datenschutz. Die neue Informationstechnologie, die wir alle begrüßt haben - ich selbst natürlich sehr, da ich mein Leben lang in der Informationstechnologie tätig war -, ist auch eine Technologie, die mit gesellschaftlichen Risiken verbunden ist. Deswegen haben wir in allen Bundesländern - nicht nur in den SPD- oder von SPD und Grünen regierten Bundesländern - Datenschutzinstitutionen geschaffen, die eine Technikfolgenabschätzung gewährleisten und eine Überwachung der Produktionseinrichtungen, der Industrie sicherstellen.

Der Datenschutz ist meiner Ansicht nach ein gutes Beispiel, das auch als Vorbild für den Bereich Gentechnologie dienen kann. Wir werden auch im Bereich Gentechnologie zu institutionalisierten Einrichtungen kommen. Ich würde mich wundern, Frau SchmitzHübsch, wenn Sie fordern würden, das Landeszentrum für Datenschutz in Schleswig-Holstein mit der Begründung aufzuheben, dass Hamburg ja schon eines hat. Ich hielte das für absurd.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Mit Hamburg zusammenlegen!)

Wir brauchen im Bereich der Technikfolgenabschätzung selbstverständlich eine internationale Abstimmung. Es ist natürlich - wie immer - ein Standortfaktor im positiven und im negativen Sinne. Wir wissen, dass Kontrollen gegenüber der Wirtschaft durchaus ein Standortfaktor im negativen Sinne sein können. Deswegen muss man sie kritisch betrachten. Wir wissen aber auch, dass Kontrollen ein positiver Standortfaktor

sein können. Das Label, das das Landeszentrum für Datenschutz aus sicherheitstechnischen Gründen für schleswig-holsteinische Software-Produzenten vorgeschlagen hat, wird bereits überregional nachgefragt. Die Leute sagen, dass das ein Qualitätssiegel ist, das sich vermarkten lässt.

Im Bereich der Gentechnologie geht die Angelegenheit noch weiter; denn die Technikfolgenabschätzung im Bereich der Gentechnologie ist auch ein Standortfaktor insbesondere für die Landwirtschaft. Stellen Sie sich doch einmal vor, die BSE-Katastrophe wäre in England vermieden worden: Um wie viele Milliarden wäre England reicher und um wie viel ginge es der englischen Landwirtschaft besser!

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Wie ist denn BSE entstanden? Durch eine neue Technik?)

Wenn wir rechtzeitig verhindern, dass hier in Schleswig-Holstein Materialien in die Böden kommen und Materialien in den Genpool unserer landwirtschaftlich genutzten Tiere, dann vermeiden wir Folgen, die wir nicht wünschen - wie beispielsweise Probleme der Bodenverseuchung oder Krankheiten in Tieren. Wenn wir das rechtzeitig verhindern, sparen wir sicherlich Milliarden ein, und es lohnt sich deshalb auf alle Fälle - auch rein wirtschaftlich, ökonomisch -, eine rechtzeitige Technikfolgenabschätzung in SchleswigHolstein zu institutionalisieren.

(Dr. Heiner Garg [F.D.P.]: Das ist ja richtig! Das wird nicht bestritten!)

Deshalb glaube ich, dass unser Antrag ein Antrag ist, der nicht nur der Verantwortung gegenüber diesen Problemen gerecht wird, sondern es ist auch ein Antrag, der dafür sorgt, die Bedenken der Menschen zu zerstreuen,

(Dr. Heiner Garg [F.D.P.]: Das gerade tut er nicht! - Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Nein, er schürt diese Bedenken! Das ist alles!)

und es ist auch ein Antrag, der der wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung dieses Landes nützt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Gentechnik ist ein weit umfassendes Feld.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Richtig!)

(Lars Harms)

Sie beschränkt sich nicht nur auf Bereiche wie Landwirtschaft, Medizin oder Umwelt; sie greift viel weiter in unsere Gesellschaft ein.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Guter Ein- stieg!)

Die Auswirkungen und Möglichkeiten der Gentechnik sind bisher nicht vollständig erforscht und abschätzbar.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Richtig!)

Dies hat auch der Abschlussbericht der Enquetekommission „Chancen und Risiken der Gentechnologie“ verdeutlicht,

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Richtig!)

obwohl man sich über zwei Jahre ausgiebig mit dem Thema beschäftigt hat.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Aber nicht geforscht!)

Daher ist es nur angemessen, sich verantwortungsvoll und sorgfältig mit diesem Thema auseinander zu setzen.

Der Abschlussbericht hat verdeutlicht, dass es nicht möglich war, zu einem von allen Parteien getragenen Bericht zu kommen.

(Dr. Heiner Garg [F.D.P.]: Sehr überra- schend!)

Dies spiegelt auch die unterschiedlichen Auffassungen und Haltungen zur Gentechnik in der Gesellschaft wider. Heute liegen uns drei Anträge zur Gentechnik vor, die diese unterschiedlichen Ansichten exemplarisch darstellen.

Der SSW kann den ersten Absatz des F.D.P.-Antrages inhaltlich durchaus nachvollziehen.

(Dr. Heiner Garg [F.D.P.]: Aha!)

Es ist Aufgabe der Politik, die Normen zu setzen, die im Bereich der Gentechnik gesetzt werden müssen. Wir wissen, dass die Gentechnik ein hohes wirtschaftliches Potenzial in sich birgt. Zurzeit gilt sie als einer der Wachstumsmärkte schlechthin. Daher wäre es für Schleswig-Holstein von Nachteil, wenn wir uns völlig von der Beschäftigung mit der Gentechnik verabschieden würden.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [F.D.P.])

Da geben wir Ihnen durchaus Recht. Es muss aber gewährleistet sein, dass die Gentechnik von der notwendigen Normenbildung und der Technologiefolgenabschätzung geleitet und begleitet wird.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Richtig!)

Nach der Auffassung des SSW geht der Antrag der F.D.P. ebenso wie der der CDU jedoch zu wenig auf die möglichen Risiken ein.

(Zurufe der Abgeordneten Brita Schmitz- Hübsch [CDU] und Dr. Heiner Garg [F.D.P.])

Er zeigt nicht auf, dass die Gentechnik nicht nur eine wirtschaftlich-technische, sondern auch eine gesellschaftliche Dimension hat. Es kann nicht angehen, dass der Markt hier allein die Richtung bestimmt.

(Dr. Heiner Garg [F.D.P.]: Wer will das denn?)

Vielmehr müssen auch gesundheitlich-biologische Fragen genauso vertieft aufgearbeitet werden wie die ethischen Fragen. Nur dann lassen sich die Konsequenzen in der Gesamtheit überblicken.

(Dr. Heiner Garg [F.D.P.]: Dazu gibt es eine Enquetekommission des Deutschen Bundes- tages!)

Die Politik setzt die Rahmenbedingungen für die Entwicklung des Landes. Hierzu zählt auch die Unterstützung einzelner Unternehmen oder Hochschulen im Bereich der Gentechnik. Davor gilt es allerdings, die ethischen Fragen und Probleme zu lösen. Solche Fragen und Probleme lassen sich nur in einem breiten Dialog zwischen Bevölkerung und Wissenschaft lösen.