Protocol of the Session on November 16, 2000

Um zu zeigen, wie wichtig es ist, dass wir auch in Schleswig-Holstein endlich mit der Umsetzung dieses international akzeptierten Konzeptes beginnen, möchte ich gern noch einmal auf die Geschichte des Gender Mainstreaming eingehen. Sie macht nämlich deutlich, dass heute noch erhebliche Anstrengungen erforderlich sind.

Der Ansatz selbst begann sich bereits 1994 im Europarat zu entwickeln. Dieser setzte einen Ausschuss ein, der für Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Männern und Frauen zuständig war und gleichzeitig die Verpflichtung hatte, mit allen Ausschüssen zusammenzuarbeiten. In Schweden wurde bereits zum damaligen Zeitpunkt mit diesem Ansatz gearbeitet.

Das Konzept wurde dann durch die Pekinger Konferenz von der UNO selbst in die tägliche Arbeit aufgenommen. Das Gender Mainstreaming wurde obligatorischer Tagesordnungspunkt und der Generalsekretär unterliegt einer jährlichen Berichtspflicht.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW] und Jutta Schümann [SPD])

Das Thema kam in Europa bei der EU wieder neu auf die Tagesordnung, als 1997 eine Arbeitsgruppe der Europäischen Kommission ein Strategiepapier zur konkreten Umsetzung des Gender Mainstreaming entwickelte. Es wurden dann folgend ein Berichtswesen für alle Dienststellen eingeführt und jeweils hierfür Beauftragte ernannt.

Das EU-Parlament unterstützte dies und 1998 wurde durch die Kommission der erste Bericht vorgelegt. Die Kommission veröffentlicht seitdem jährlich einen Bericht, in dem der Umsetzungsstand und die konkreten Maßnahmen zum Gender Mainstreaming dargestellt werden.

Der Abschlussbericht im Rahmen des Europarates wurde durch die Arbeitsgruppe 1998 präsentiert. Seit diesem Zeitpunkt wird auch hier jährlich ein Bericht über die Gleichstellung der Geschlechter vorgelegt. Sodann erfolgten im Vertrag von Amsterdam 1998 in Artikel 2 und 3 die Rechtsgrundlagen hierfür. Die EU erhielt hier neue Befugnisse für die Verwirklichung der Gleichstellung unter Berücksichtigung der klassischen Förderpolitik und des Gender Mainstreaming. Diese beiden Instrumente stehen weiterhin nebeneinander.

In vielen Ländern sind Fortschritte seit der UNOWeltkonferenz in Peking eingetreten. Die gleiche Teilhabe von Frauen in der Gesellschaft wird inzwischen von vielen Ländern als Voraussetzung für eine tragbare wirtschaftliche, soziale und demokratische Entwicklung gesehen. Die Pekinger Konferenz setzte

(Silke Hinrichsen)

hierzu einen Anstoß auch im Aufbau von Methoden und Institutionen zur Förderung der Gleichstellung und es begann der Weg von der alleinigen Gewichtung aus der Frauenperspektive hin zu einer Geschlechterperspektive.

Sie sehen also, dass es allerhöchste Zeit war, als die Bundesrepublik erst 1999 begann, das Prinzip des Gender Mainstreaming als Querschnittsaufgabe anzuerkennen. Es wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt und diese tagte immerhin schon im Mai dieses Jahres. Die Bundesregierung hat also vor einem halben Jahr endlich begonnen, das umzusetzen, was 1995 in China beschlossen wurde.

In Schleswig- Holstein beginnen wir jetzt mit diesem Antrag,

(Beifall der Abgeordneten Jutta Schümann [SPD])

diese Aufgabe auch hier umzusetzen, als Ergänzung und Bereicherung der klassischen Gleichstellungspolitik. Es wird nach meiner Ansicht auch langsam Zeit.

(Beifall bei SSW und SPD)

Gender Mainstreaming muss in allen Köpfen eine Selbstverständlichkeit werden. Dazu ist der politische Wille erforderlich, der heute hoffentlich auch dokumentiert wird - aus den bisherigen Äußerungen konnte ich das schon entnehmen -,

(Jutta Schümann [SPD]: Die F.D.P. kriegen wir auch noch ins Boot! - Zuruf des Abgeord- neten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

und auch ein sichtbares Engagement aller Führungsebenen. Nur durch dieses breite Engagement lässt sich das ambitionierte Projekt Gender Mainstreaming umsetzen, es verlangt nämlich viel.

Voraussetzungen sind zum Beispiel, dass die Erhebung und die Auswertung von Daten künftig eindeutig geschlechterspezifisch erfolgen, da nur so eine ausreichende Grundlage für die Geschlechterpolitik besteht. Es muss auch eine umfassende Sach- und Fachkenntnis der Gleichstellung geben; diese sollte zum Wissensgebiet erklärt werden.

Auch ein Fortbildungsangebot für Führungskräfte muss es geben - und dies gilt wohl auch für uns als Abgeordnete.

Zukünftig sollte auch die Parität der Geschlechter als wesentlicher Aspekt beachtet werden.

Zentral ist auch, dass das Gender Mainstreaming eine Ergänzung der bisherigen Politik ist. Unabhängig vom umfangreichen Arbeitsprogramm bleibt die traditionelle Frauen- und Gleichstellungspolitik unverzicht

bar. Für die Umsetzung, über die uns zukünftig die Landesregierung berichten wird, müssen die Eckpunkte des Gender Mainstreaming festgehalten und direkt auf Schleswig-Holstein angewendet werden. Da insbesondere im Ausland, aber auch bei der EU schon große Erfahrungen mit diesen Eckpunkten gemacht wurden und eigentlich auch die Zielsetzung schon niedergelegt ist, gehen wir davon aus, dass dies mit einbezogen wird.

Einer der zentralen Punkte ist dabei - das lässt sich auch dem Ländervergleich im Papier des Bundesministeriums entnehmen -, dass die Ministerpräsidenten ein großes Engagement zeigen, um diesen Prozess in Gang zu setzen. Sie müssen klare Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten benennen.

(Beifall des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

Der Erfolg des Gender Mainstreaming hängt ganz entscheidend von der leitungsnahen Ansiedlung dieses Prozesses als Querschnittsaufgabe ab.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: In der Staats- kanzlei!)

Wichtig ist auch der Aufbau von Kontrollmechanismen. Ich möchte gern darauf hinweisen, dass es in anderen Ländern, insbesondere natürlich in skandinavischen Ländern, so ist, dass die Staatssekretärinnen in allen Ministerien für diesen Bereich zuständig sind, die Koordination läuft über die Gleichstellungsministerin, zuständig ist aber jeweils der Chef oder die Chefin der Regierung.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW] und Jutta Schümann [SPD])

Wichtig ist angesichts der vielen Handlungsfelder noch der Hinweis, dass es leider notwendig ist, dass hierfür auch Geld zur Verfügung gestellt wird, damit die Fortbildung, die Erhebung und auch der personelle Einsatz zu finanzieren sind.

(Beifall der Abgeordneten Lars Harms [SSW] und Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

Wir stehen also vor einer großen Herausforderung, die uns von der internationalen Gemeinschaft auferlegt ist und die ein gemeinsames Handeln aller in diesem Haus fordert. Es ist klar, dass das Umdenken aber auch Zeit kostet. Es geht bestimmt nicht so schnell, wie wir uns das manchmal wünschen.

Deshalb ist es gerade wichtig, erste Schritte einzuleiten und durch zeitliche Vorgaben wirklich einzelne

(Silke Hinrichsen)

Projekte innerhalb einer bestimmten Zeit durchzusetzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Wir brauchen hierzu aber ein solides Berichtswesen, um eine verlässliche Grundlage zu haben. Aus diesem Grund haben wir auch den Antrag gestellt, dass zweimal in der Legislaturperiode und nicht zweimal im Jahr - insoweit möchte ich Sie gern korrigieren, Frau Schwarz -

(Caroline Schwarz [CDU]: Das war Herr Kubicki! Das war ich nicht!)

- Aber gehört habe ich es nur von Ihnen.

(Caroline Schwarz [CDU]: Nein, nein!)

Das erwarten wir. Aber ich möchte gern darauf hinweisen, dass ich nun - bezogen auf den Bericht - nicht erwarte, dass ein großes Werk mit viel Papier beschrieben wird, sondern es liegt mir wirklich daran, dass kurz und prägnant vielleicht die ersten Projekte darin stehen und Hinweise darauf, wie man es umsetzen kann.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und vereinzelt bei der SPD sowie Bei- fall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [F.D.P.])

Wie gesagt, es ist wichtiger, dass das vielleicht auf einer Seite dargestellt wird, aber dass man sieht, dass etwas geschieht. Das halte ich für wesentlich besser.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Richtig!)

Ich bedanke mich, dass auch unser Antrag mit dem Antrag auf Ausschussüberweisung übernommen wurde.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.)

Ich erteile jetzt Frau Ministerin Lütkes das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach diesen Redebeiträgen muss ich leider mein Manuskript sehr zusammenstreichen; denn dankenswerterweise haben alle Rednerinnen und Redner bei ihrer Vorbereitung realisiert, dass der Begriff Gender Mainstreaming ein zu erklärender ist. Nun ist das hier ja sehr deutlich von Ihnen vorgetragen worden und deshalb habe ich einige Seiten meines Manuskriptes zur Seite getan; denn ich glaube, auch wenn die Debatte hier

bereits in Ansätzen zeigt, dass man es eigentlich auch heute noch nicht oft genug erklären kann, sollte ich das jetzt nicht zum sechsten Mal versuchen. Aber doch einige kurze Hinweise.

So ungern ich Ihnen widerspreche: Es ist heute nicht der Tag, an dem Schleswig-Holstein beginnt, sich mit dem Begriff des Gender Mainstreaming auseinander zu setzen. Wie Sie sich vielleicht denken können und wie ich gehofft hatte, dass Sie es wissen, hat sich das Frauenministerium, hat sich aber auch das gesamte Ministerium Justiz, Frauen, Jugend und Familie mit diesem Thema beschäftigt, aber nicht nur erst in dieser Zusammensetzung, sondern bereits in den vergangenen Legislaturperioden. Insofern können wir Ihnen versichern, dass wir der Berichtspflicht sehr gern nachkommen, ebenso gern auch in der von Ihnen formulierten kürzeren Form.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD sowie Beifall der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])