Frau Aschmoneit-Lücke, dieses Zitat wärmt mein Herz auf. Ich glaube, es wärmt auch das Herz des Ministers. Ich werde gern dazu beitragen, dieses Zitat im Landtagswahlkampf in Schleswig-Holstein weiterzuverbreiten.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der SSW hatte sich am Anfang des Jahres gegen eine Ausbildungsplatzabgabe ausgesprochen, weil wir der Auffassung waren, dass dieses Instrument zu bürokratisch und zu ineffizient ist. Es wird auch der besonderen Ausbildungssituation in Schles
wig-Holstein nicht gerecht. Hier waren wir uns mit CDU, FDP und dem Wirtschaftsminister einig. Schleswig-Holstein war im Jahr 2003 das einzige Bundesland mit einem Zuwachs an Ausbildungsplätzen. Eine Ausbildungsplatzabgabe hätte sich auf die Bereitschaft des schleswig-holsteinischen Handwerks und die der Industrie, neue Arbeitsplätze zu schaffen, sehr negativ ausgewirkt. Deshalb sind auch wir besonders froh, dass es zu dieser großen konzertierten Aktion gekommen ist, durch die überdurchschnittlich viele Ausbildungsplätze geschaffen wurden. Wir sind uns wahrscheinlich alle einig darin, dass dies nur möglich war, weil man auf eine Ausbildungsplatzabgabe verzichtet hat.
Obwohl der Bundestag die Ausbildungsplatzabgabe eigentlich schon beschlossen hatte, ist diese glücklicherweise nicht in Kraft getreten, weil die Vernunft doch noch gesiegt hat. Die Bundesregierung und die Spitzen der Wirtschaft einigten sich in letzter Minute darauf, in einer gemeinsamen Anstrengung genügend Ausbildungsplätze zu schaffen. Jetzt ist es Zeit, auch hier in Schleswig-Holstein über den im Sommer geschlossenen Ausbildungspakt zwischen dem Bund und der Wirtschaft Bilanz zu ziehen.
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Die Ausbildungssituation der Jugendlichen liegt dem SSW sehr am Herzen. Es muss das Ziel aller Anstrengungen von Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften sein, ausreichend Ausbildungsplätze für alle anzubieten. Wir müssen eingestehen, dass dies in den letzten Jahren ein großes Problem war, trotz aller positiven Ergebnisse gerade auch hier in SchleswigHolstein. Seit vielen Jahren gibt es das Bündnis für Ausbildung in Schleswig-Holstein, bei dem die Wirtschaftsverbände, die Gewerkschaften und die Landesregierung an einem Strang ziehen. Aus Sicht des SSW hat sich dieses Bündnis bewährt. Wir begrüßen es daher, dass es auch in den nächsten Jahren weitergeführt wird.
Nun zu den Zahlen, die mir vorliegen. Der Bericht wurde eben mündlich gegeben. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer hat Anfang Dezember bekannt gegeben, dass zum 30. September 2004 in ihrem Bereich mit 322.759 neuen Ausbildungsverträgen ein Anstieg von 4,6 % im Verhältnis zum Vorjahr erreicht wurde. Auch für Schleswig-Holstein sieht das Ergebnis nicht schlecht aus. So konnten die drei Industrie- und Handelskammern des Landes einen Anstieg der neuen Ausbildungsverträge um 4,14 % auf 9.576 vermelden. Angesichts der schwierigen konjunkturellen Situation und des angespannten Ar
beitsmarktes ist das aus unserer Sicht ein nicht nur akzeptables, sondern ein wirklich gutes Ergebnis. Dazu hat nicht zuletzt das Sofortprogramm der Landesregierung für Ausbildung vom Anfang des Jahres beigetragen.
Nun ist aber nicht alles Gold, was glänzt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat ja nicht ganz Unrecht, wenn er trotz dieser positiven Zahlen darauf verweist, dass die Zahl der Jugendlichen, die sich in so genannten Warteschleifen befinden, weiter angestiegen ist. So gab es im vergangenen Schuljahr fast 500 Jugendliche mehr, die ein Ausbildungsvorbereitungsjahr absolvieren mussten. Auch die Zahl der Jugendlichen an den staatlichen Berufsfachschulen ist laut DGB weiter angestiegen. Das bedeutet, dass wir zwar einerseits die Zahl der Ausbildungsplätze tatsächlich steigern konnten, dass wir aber andererseits aufgrund der starken Geburtsjahrgänge trotzdem immer noch einen Bedarf an zusätzlichen Maßnahmen hatten. Das kann uns alle nicht zufrieden stellen.
Deshalb muss auch klar und deutlich gesagt werden: Trotz guter Ausbildungszahlen können wir seitens der Politik keine Entwarnung geben. Alle Beteiligten müssen sich daher auch in den nächsten Jahren sehr anstrengen, um allen Jugendlichen eine vernünftige Berufsperspektive zu geben.
In diesem Zusammenhang bleibt der SSW bei seiner langfristigen Forderung nach einer grundlegenden Reform des dualen Ausbildungssystems. Man muss sich überlegen, ob nicht kürzere, Modul aufgebaute Ausbildungsgänge mit flexiblen Ausbildungsangeboten wie beispielsweise in Dänemark zukunftsfähiger sind, weil sie auf neue Entwicklungen schnell reagieren können und auch den Jugendlichen passgenaue Ausbildungsverläufe bieten. Eine solche Reform des Ausbildungssystems wird sich aber nur in einem längeren Prozess verwirklichen lassen. Deshalb muss das Land kurzfristig seine Anstrengungen verstärken, um die Ausbildungsreife der Schülerinnen und Schüler in Schleswig-Holstein zu verbessern. Dazu fordert der SSW, dass die Schülerinnen und Schüler rechtzeitig auf das Berufsleben vorbereitet werden, unter anderem durch mehr Praktika in den Betrieben und eine grundsätzlich engere Zusammenarbeit zwischen Schulen und freier Wirtschaft. Der Kollege Schröder hat ja eben beschrieben, wie es laufen kann. Hier, meinen wir, sollten wir weitermachen.
In diesem Sinne hoffe ich, dass sich die Ausbildungssituation in den nächsten Jahren positiv gestaltet. Ich freue mich auf eine vernünftige Zusammenarbeit aller Träger und bedanke mich auch für die Zusammenarbeit in der Vergangenheit.
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Es ist auch kein Antrag gestellt worden. Der Tagesordnungspunkt ist damit erledigt.
Gestatten Sie mir zwischendurch eine weitere geschäftsleitende Bemerkung. Die Fraktionen haben sich weiterhin darauf verständigt, den Tagesordnungspunkt 48 ebenso wie den Tagesordnungspunkt 43 ohne Aussprache zu behandeln.
Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 15/3844 (neu)
Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Benker.
- Der Antragsteller ist der SSW. Dann werde ich selbstverständlich mit großer Freude zunächst dem Herrn Abgeordneten Harms das Wort erteilen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Vorschlag für eine Richtlinie der EU über die Dienstleistungen im Binnenmarkt zeigt wieder einmal, wie sehr europäische Regelungen unser Leben verändern könnten. Wird diese Richtlinie so, wie sie derzeit vorliegt, beschlossen, wird sie schwerwiegende Folgen für unsere kleineren und mittleren Unternehmen, die im Dienstleistungssektor tätig sein, haben und auch viele Arbeitsplätze in Gefahr bringen. Diese Richtlinie fällt aber nicht vom Himmel oder ist fremdbestimmt, sondern sie scheint der politische Wille der EU-Kommission und von einigen nationalen Regierungen zu sein. Über diese Richtlinie hat Anfang 2005 sowohl das EU-Parlament zu beraten als auch die Konferenz der Wirtschaftsminister zu entscheiden. Während sich in einigen anderen EU-Ländern schon Widerstand regt, sagt der Bundeskanzler, er wolle noch kritisch überlegen, und sein Wirtschaftsminister preist die Richtlinie als Schritt zu einer liberalen Wirtschaftsordnung innerhalb der EU, die den Wettbewerb stärke.
Worum geht es nun bei dieser Richtlinie? Einerseits geht es um viele einzelne Punkte, die jeder für sich die wirtschaftliche Entwicklung unserer Unternehmen beeinträchtigen können. Hierzu hat der Bundesrat aber auch schon eine umfangreiche Stellungnahme abgegeben. Andererseits spielen vor allem zwei Punkte eine wichtige Rolle. Am Bedenklichsten ist die Einführung des so genannten Herkunftslandprinzips bei Dienstleistungen im Ausland. Das heißt, dass ausländische Arbeitnehmer, die hier bei uns im Baugewerbe, in der Gesundheitsversorgung oder zum Beispiel auch in den sozialen Diensten für ihre ausländischen Firmen Aufträge ausführen, nach den Bedingungen ihres Heimatlandes tätig sein dürfen. Es gelten somit die Tarifbedingungen und die Arbeitsbedingungen des jeweiligen Heimatlandes des Arbeitnehmers und nicht die, die hierzulande üblich sind. Weiter soll dieses durch die Behörden des Herkunftslandes kontrolliert werden und nicht durch unsere Behörden.
Im Klartext bedeutet dies, dass auf hiesigen Baustellen die Tarife und Bedingungen aus Polen oder Tschechien oder ab 2007 möglicherweise aus Rumänien gelten sollen. Unter diesen Bedingungen hat ein hiesiger Arbeitnehmer dann keine Chance mehr und ein Unternehmen kann sich dann oft nur noch retten, indem es seinen Sitz ins Ausland verlegt und dann seine Beschäftigen zu den dortigen Bedingungen einstellt. Uns droht somit ein gigantischer Sozialabbau, anstatt den Menschen in den neuen EU-Ländern die Chance zu geben, irgendwann unsere Standards erreichen zu können.
Wir haben diese Thematik schon einmal diskutiert, als wir seinerzeit das Tariftreuegesetz beraten haben. Damals bekamen wir sowohl von den Handwerksverbänden, anderen Branchenverbänden als auch Gewerkschaften Unterstützung für unser Tariftreuegesetz. Genau die gleichen Gruppen unterstützen uns nun wieder. Es ist also keine Frage der Ideologie oder der Seite, auf der man steht, ob man diese Richtlinie ablehnt, sondern nur eine Frage des gesunden Menschenverstandes.
Der zweite große Knackpunkt ist die Tatsache, dass die Richtlinie vorschreibt, dass alle rechtlichen Regelungen, die in den einzelnen Nationalstaaten erlassen werden, unter dem Vorbehalt der Genehmigung der EU stehen sollen. Sollte dies so beschlossen werden, würde sich ein Bürokratismus in der Rechtsetzung zwischen Ländern, Bund und EU ergeben, der ungeahnte Ausmaße erreichen würde. Außerdem stellt sich dann irgendwann auch die Frage, was man mit Bundesländern und Nationalstaaten noch will, wenn die letztendliche Entscheidungskompetenz oh
nehin nur noch bei der EU liegt. Mit einer solchen Regelung würde man das bewährte Prinzip aufgeben, nur die Rahmenbedingungen auf EU-Ebene vorzugeben und tiefere Regelungen den einzelnen Staaten zu überlassen. Wir wollen aber an dem bisherigen bewährten System festhalten.
Auch wir wollen Wettbewerb innerhalb der EU. Wir wollen aber, dass der Wettbewerb auf gleicher Augenhöhe unter den jeweils national gültigen Bedingungen stattfindet. Lohndumping und Sozialabbau lehnen wir ab. Die Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes macht nur dann Sinn, wenn man versucht, gemeinsam ein höheres Niveau zu erreichen. Wir brauchen ein soziales Europa. Nur dann kann man die Menschen für die europäische Idee überhaupt begeistern.
Der IG BAU-Chef Wiesehügel hat die EUDienstleistungsrichtlinie wie folgt charakterisiert: Der Ansatz der Richtlinie führe nicht zu besseren, sondern zu schlechteren Verhältnissen. Deshalb sei sie im Kern antieuropäisch und führe zu mehr Europafeindlichkeit. Genau das, meine ich, können wir uns nicht leisten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Bundesrat hat in erster Linie in seiner Stellungnahme zum Weißbuch und nicht zu der Richtlinie etwas ausgesagt, die am 13. Januar vorgelegt worden ist. Er hat gesagt, in dieser Form und zum jetzigen Zeitpunkt könne die Richtlinie nicht akzeptiert werden. Aber - das sei vorweg gesagt - Richtlinien sind notwendig und bieten auch viele Chancen. Wir müssen ständig am Ball bleiben, damit auch die richtige Richtlinie dabei herauskommt.
Die Mehrzahl der im Bundestag angehörten Verbandsvertreter hat sich allerdings in wesentlichen Punkten generell gegen die Richtlinie gestellt. Das halte ich für falsch. Aber auch bei formaler Betrachtung des Entstehungsganges ist vor 2006 mit einer derartigen Richtlinie nicht zu rechnen. Frühestens nach Inkrafttreten der Verfassung ist eine engere Fassung dieser Richtlinie zu erwarten.
entfallen mehr als 50 % des Inlandsproduktes auf nicht vom Staat erbrachte Dienstleistungen. Andere Quellen sprechen sogar von 70 %. Man sieht, wie stark und wichtig das ist. Richtig ist, dass diese Dienstleistungen lange Zeit Stiefkind der Wirtschaftspolitik in Europa waren. Auch das muss man sehen. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass wir uns damit beschäftigen, um den Zugang zur Lieferung von Dienstleistungen für alle Bürger und Unternehmen zu ermöglichen. Das gilt sowohl für den Export für unsere kleinen und mittelständischen Unternehmen als auch für den Import von Dienstleistungen für den Verbraucher schlechthin.
Die jetzige Form der Richtlinie würde den europäischen Wirtschaftsmarkt in eine reine Freihandelszone zurückwerfen. Das wollen wir nicht!
Die Einführung des Herkunftslandprinzip s - Herr Harms hat darauf hingewiesen - würde dazu führen, dass die Rechtssysteme des Herkunftslandes hier kontrolliert werden müssten. Das heißt zum Beispiel, wenn in einem Auftrag das Wort „prüfen" verwendet wird, kann es 20 verschiedene rechtliche Bedeutungen haben und in 25 Sprachen abgefasst sein. Wenn man den Auftrag erteilt, einen bestimmten Vorgang zu prüfen, was eine Dienstleistung ist, weiß niemand, was sich dahinter verbirgt, ob mit Röntgen, ohne Röntgen, mit Materialprobe, mit Aufbewahrung von Proben, mit Güteprüfung und so weiter, und ein anderer nur sagt: Ich habe darüber geguckt. Diese Bandbreite gehört mit zur Überprüfung. Eine solche Kontrolle würde einen Verwaltungsaufwand mit sich bringen, der nicht akzeptabel und vor allen Dingen den Markt unkontrollierbar machen würde. Betroffen wären in erster Linie die Verbraucher und die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die Dienstleistungen nachfragen. Ohne zusätzliche Prüfkosten sind Unternehmen dem Anbieter ausgeliefert. Immer geringerer Leistungsinhalt und Dumpingpreise wären die Folge.
Mit der Richtlinie in der jetzigen Form würde eine Annäherung beziehungsweise Harmonisierung der einzelstaatlichen Regelungen auf der Grundlage gemeinsamer Ziele, auch gemeinsamer Werte und auch eines gemeinsamen wenigstens vergleichbaren sozialen Hintergrunds unmöglich gemacht werden. Durch die Vielzahl der einzelstaatlichen Regelungen würde der Handel mit Dienstleistungen eher erschwert.
Wir Sozialdemokraten vertreten den Standpunkt, dass die Herstellung eines einheitlichen Binnenmarktes für Dienstleistungen nicht allein nach ökonomischen Kriterien erfolgen kann. Sozialer Schutz und Um
weltqualität gehören dabei genauso zu den Bedingungen wie überschaubare Leistungskriterien. Die Schutzstandards für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer - das hat Herr Harms ausgeführt - und die Kontrollmöglichkeiten bei der Arbeitnehmerentsendung im Baubereich müssen auf jeden Fall erhalten bleiben.
Branchenübergreifend geht es für uns auch um die gesetzlich geregelten Arbeitsbedingungen wie Arbeitszeitgesetz, bezahlter Mindesturlaub, Mindestarbeitsbedingungen, Gesundheitsschutz, Jugendschutz, Mutterschutz und so weiter. Die in den Mitgliedstaaten jeweils geltenden Standards im Bereich von Qualität, Sicherheit und sozialer Sicherung müssen daher ebenfalls mindestens erhalten werden und dürfen nicht auch noch geopfert werden. Dazu muss es entsprechende Ausnahmen vom Herkunftslandprinzip geben.
Der Wunsch nach freiem Zugang zu Dienstleistungen ist der einzige, aber auch der wichtigste Konsens, der aus den Stellungnahmen aller Angehörten bisher herauszulesen ist. Aus diesem Grund kann die Regierung nur aufgefordert werden, im Rahmen der Verhandlungen im Bundesrat dahin gehend tätig zu werden, dass Wertvorstellungen nicht der reinen Ökonomisierung geopfert werden.
Wir wollen mit unserem Beschluss heute die Auffassung des Bundesrates unterstützen, weil man ja der Meinung sein könnte, das sei alles gelaufen, es war ja im Bundesrat. Nein, wir wollen das unterstützen und können nur hoffen und wünschen, dass in der nächsten Legislaturperiode die offenen Fragen noch einmal aus der Sicht des Landes Schleswig-Holstein konkreter beleuchtet werden und bis zur Behandlung in diesem Hause eingefordert worden sind.