Die Ministerpräsidenten Stoiber und Steinbrück - es ist das Vorrecht des Parlaments, Ross und Reiter zu nennen - haben in das verfassungsmäßig auferlegte staatsferne Verfahren eingegriffen. Sie haben gedroht, sie würden gar keiner Erhöhung zustimmen.
(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: In einer Zeit, in der alle sparen müssen, kann das auch ein bisschen für den öffentlich-rechtlichen Rund- funk gelten!)
Ministerpräsident Stoiber hat kürzlich in München wiederum Nullrunden zum Ziel für die Zukunft erklärt. Beide Regierungschefs, Herr Dr. Klug, vertreten seit längerem mit Nachdruck die Interessen der in ihren Ländern angesiedelten privaten Rundfunkunternehmen der SAT 1-Gruppe und der RTL-Gruppe. Sie wollen den Einfluss der öffentlich-rechtlichen Sender einschränken, damit die Privaten bessere Marktchancen haben. Das trifft unsere Interessen im Norden. Es betrifft die Qualität von Fernsehen, es betrifft unsere kulturelle Landschaft, es betrifft Arbeitsplätze im Norden.
Wenn darüber diskutiert wird, ob sich der NDR künftig ein eigenes Orchester, die Filmförderung, die Beteilung am Schleswig-Holsteinischen Musikfestival und an den Nordischen Filmtagen noch leisten solle, dann muss man gegensteuern. In Bayern wird derzeit ein Orchester aufgelöst.
Sparmaßnahmen sind nicht folgenlos. Sparmaßnahmen führen auch in der Politik dazu, dass die freiwilligen Leistungen als Erstes Gefahr laufen, eingespart zu werden. Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk - das ist zu befürchten - wird dies nicht anders sein.
Ich will noch einmal verdeutlichen, dass unsere Gebührenmittel nicht nur für Programme und nicht nur für Kultur, sondern zum Beispiel auch für die Einführung von DVB-T eingesetzt worden sind. Ohne die
sen Einsatz und auch den Einsatz aller Beteiligten - der ULR, der Regierung und aller anderen - hätten wir heute in Schleswig-Holstein kein fast flächendeckendes DVB-T. Dann hätten wir auch nicht unsere gewisse Vorreiterstellung gegenüber dem Süden; das sah vor zwei Jahren übrigens noch ganz anders aus.
Wir werden diesem schlechten Staatsvertrag zustimmen - mit der Faust in der Tasche. Denn täten wir es nicht, hätte Ministerpräsident Stoiber praktisch sein Ziel erreicht und der Schaden für das öffentlichrechtliche Fernsehen wäre nur noch größer.
Ich empfinde es schon als ein starkes Stück, dass einige Ministerpräsidenten Druck auf die Sender ausüben, da diese darüber nachdenken, das Verfahren, in das die Regierungschefs selbst verfassungswidrig eingegriffen haben, verfassungsgerichtlich prüfen lassen zu wollen und sagen: Wenn ihr das macht, dann gibt es keine Gebührenerhöhung. So kann der Umgang von Staat mit Medien nicht laufen.
(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Martin Kayenburg [CDU]: So kann der Umgang von Medien mit dem Parlament auch nicht lau- fen!)
- Herr Kayenburg, Sie sind auch in Bremen gewesen und Ihre Rede verwundert mich hinsichtlich dessen, was dort beschlossen worden ist. Sie reden dort anders als hier.
Die Parlamente erwarten, dass alle Länderchefs ein staatsfernes und rechtlich einwandfreies Verfahren beachten, das Rundfunkfreiheit und Programmautonomie zweifelsfrei sichert.
Herr Kayenburg, weshalb bedarf es einer solchen Aufforderung, wenn es in der Vergangenheit keinen Verstoß gegeben hätte? - Das ist doch unlogisch und das wissen Sie auch.
Es gibt eine breite Übereinstimmung in der Kritik über die Parteigrenzen hinweg und es ist eigentlich schade, dass Sie das aus welchen Gründen auch immer hier infrage stellen.
Aber nach der Ratifizierung des Staatsvertrages steht folgende Frage ganz oben auf der Tagesordnung: Welche Fernseh- und Rundfunklandschaft, welche journalistische Qualität wollen und werden wir in
Zukunft in Deutschland haben? - Völlig klar ist: Wenn alle den Groschen dreimal umdrehen, kann es keine Insel der Seligen geben. Auch Rundfunk und Fernsehen müssen sparen und insbesondere die Öffentlich-Rechtlichen müssen ihr einzigartiges Profil schärfen, das sie ganz klar vom Privatfernsehen unterscheidbar macht.
Es ist schwer vorstellbar - da jetzt schon 21 Cent aus sozialen Gründen als zu viel erscheinen, Herr Kayenburg -, dass einer Erhöhung um 1,50 € die Zustimmung gegeben würde.
Herr Kayenburg, alle Ihre Zwischenrufe machen deutlich, dass Sie eigentlich am liebsten nur die Interessen der Privaten erfüllen würden, weil es für die Privaten gut wäre, wenn sich die ÖffentlichRechtlichen aus dem Werbemarkt zurückzögen.
Meiner Meinung nach muss es auch den Verantwortlichen bei den öffentlich-rechtlichen Sendern zu denken geben, dass in dieser sehr gefährlichen Auseinandersetzung die jüngeren Leute, die Kulturszene, die Politik insgesamt ziemlich still gewesen sind. Vielleicht hat es damit zu tun, dass die ÖffentlichRechtlichen ein bisschen zu viel auf die Massenakzeptanz und die Quote geschaut und geglaubt haben, dass man vielleicht auf die Jungen verzichten könne. Denn im Alter würden sie eh öffentlich-rechtlich gucken. Aber die Meinungsmacher sind eben die Jüngeren und das sollte den Öffentlich-Rechtlichen in Zukunft zu denken geben.
Die Debatte um die Zukunft des öffentlichrechtlichen Rundfunks wird mit dem Beschluss über den Staatsvertrag - und an einem Beschluss zweifele ich nicht - nicht zu Ende sein.
Ich sehe mit großer Sorge, dass in der Europäischen Kommission überlegt wird, unser Gebührenfinanzierungssystem insgesamt infrage zu stellen. Wir wissen, dass die Rundfunkgebühren den europäischen Wettbewerbshütern ein Dorn im Auge sind und dass sie sie als eine unzulässige Subvention betrachten.
Es ist nun einmal so, dass in den USA und in den meisten europäischen Ländern Fernsehen und Rundfunk überwiegend nichts anderes als eine Ware ist, mit der Werbung verkauft wird. Das Ziel dort ist nicht Meinungsbildung, nicht Information, nicht Unterhaltung, nicht Kultur und es gibt auch keinen demokratischen Auftrag. Das Ziel ist Rendite.
Das duale System von öffentlich-rechtlichem und privatem Fernsehen in Deutschland ist in Europa einzigartig
und Bestandteil einer gewachsenen Kultur. Es ist offen, ob man sich in Europa die Mühe macht, diese Besonderheiten zu berücksichtigen.
Es deutet meiner Meinung nach einiges darauf hin, dass unser System des dualen Rundfunks und Fernsehens an einem Scheideweg steht. Wenn wir nicht bei uns zu Hause in Deutschland, in Europa und auch bei den GATS-Verhandlungen aufpassen, dann wird die globalisierte Welt unser duales System umkrempeln und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk letztendlich in eine unbedeutende Rolle drängen.
Der Zwang zu einem passenden Umfeld für die Werbung wird auch die redaktionelle Freiheit beschränken. Qualitätsfernsehen, journalistische Genauigkeit -
- ich komme zum Schluss - und Recherche werden zum raren Gut, weil sie nicht rentabel sind. Das wird unsere Demokratie und unsere gewachsene Kultur verändern - nicht zum Guten.
Ich denke, dass wir in der Politik verhindern müssen, dass ein solcher Prozess quasi unbemerkt von der Öffentlichkeit stattfindet, weil das Medienthema zu sperrig ist. Wem nicht klar ist, worauf wir zusteuern, der sollte schon einmal intensiv im Ausland fernsehen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Weil ich Gebührenerhöhungen mag, mache ich einen Staatsvertrag, und wie es so Usus ist, soll das Parlament wohl auch diesmal den von der Landesregierung ausgehandelten Rundfunkstaatsvertrag abnicken, ohne dass großer Widerspruch aufkeimt. Die FDP-Fraktion macht dieses Spielchen nicht mit, und eigentlich dürften die anderen Fraktionen das auch nicht tun, liebe Gisela Böhrk. Darauf komme ich gleich noch einmal zurück. Wir stimmen einem Rundfunkstaatsvertrag nicht zu, der in keiner Weise die geplante Höhe der Gebührenerhöhung begründen kann, der eine weltweit einmalige Gebühr für Computer und Mobiltelefone einführt. Ist euch das eigentlich klar, dass hier eine neue Gebühr eingeführt werden soll für Computer und Mobiltelefone, die datenschutzrechtlich unzulässig ist?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Gebühren für die Inbetriebnahme von Rundfunkgeräten sollen künftig 88 Cent höher als bisher ausfallen. Das liegt zwar unter dem von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten vorgeschlagenen 1,09 Euro, aber warum gerade 88 Cent der neue Erhöhungsbetrag sein sollen, ist überhaupt nicht klar. Genau darauf haben aber die Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch. Es geht nicht, einfach einmal über den Daumen zu peilen, welchen Betrag die Gebührenzahler zusätzlich aufzubringen haben. Das muss man schon genauer erklären, dazu sind Sie verpflichtet.
Eines wird auch bei diesem Rundfunkstaatsvertrag wieder klar: Die Einsparpotenziale bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind noch nicht ausgeschöpft. Wenn die Gebührenerhöhung aber erst einmal vollzogen worden ist, wird es auch hier kein Zurück mehr geben, soviel steht fest.