Protocol of the Session on September 23, 2004

Sie fordern im Übrigen immer wieder: Wir haben zu viele Verordnungen und müssen in diesem Bereich kräftig ausmisten.

(Beifall bei der FDP)

Das konnte man in letzter Zeit sehr oft lesen. Umso mehr überrascht ein so unqualifizierter Antrag.

Es ist zutreffend - das streitet niemand ab -, dass die schleswig-holsteinische Binnenfischerei ein Problem mit Fraßschäden durch Kormorane hat. Für die Binnenfischer ist das jedoch nur ein Problem von vielen und schon gar nicht ursächlich für ihre schlechte wirtschaftliche Situation.

(Beifall bei SPD und FDP)

Die strukturellen Probleme der Binnenfischerei haben ihre Gründe im Wesentlichen in einem veränderten Verbraucherverhalten und in zunehmender Konkurrenz.

Wir haben uns Gedanken zur Überwindung der Krise der Binnenfischerei zu machen, wenn wir das Problem ernst nehmen wollen. Die SPD tut dies. Der Arbeitskreis für ländliche Räume hat vor kurzem einen Besuch am Selenter See gemacht und sich ernsthaft und konkret mit dem Problem befasst.

Wir verweigern uns einer Diskussion um Lösungsansätze nicht, wenn es um sachlich fundierte Vorschläge geht. Wenn man allerdings meint, wir holen einfach

ein paar Vögel vom Himmel und damit werde das Problem gelöst, dann erreicht das diese Qualität bei weitem nicht. Sie selbst, Frau Todsen-Reese, haben den Kormoran nicht nur in den „Lübecker Nachrichten“, sondern eben auch in Ihrer Rede als „plietsch“ bezeichnet. Mit diesem Antrag zeigen Sie, dass der Vogel Ihnen offensichtlich weit überlegen ist.

(Beifall bei der SPD - Heiterkeit)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte mit dem Thema jetzt einmal etwas sachlicher umgehen. Die Vergrämung von Kormoranen durch Abschuss ist bereits heute möglich, und zwar auf Antrag bei jeder unteren Naturschutzbehörde; das wissen Sie alle. Diese Möglichkeit jetzt auch auf die Schutzgebiete auszuweiten, wie es Ihr Antrag vorsieht, ist alles andere als durchdacht, geschweige denn intelligent. Es ist bereits ein klarer Verstoß gegen europäisches Recht, in Schutzgebieten ein solches Jagdrecht einzuräumen. Das ist schlichtweg nicht möglich.

Der Antrag ist rechtlich aber auch im Einzelnen so nicht haltbar. Er ist in wesentlichen Teilen inhaltlich unbestimmt und würde schon deshalb einer rechtlichen Überprüfung nicht standhalten.

Auf den Punkt gebracht, steht eigentlich nur eines in dem Antrag: Feuer frei! Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann es wahrlich nicht sein.

Zudem bestehen erhebliche Zweifel, ob die Methode des Antrags auch erfolgreich sein würde. Zahlreiche Expertisen belegen, dass Vergrämungsabschüsse Kormorane nur kurzfristig von Gewässern abhalten. Zudem wird die Methode des Reduktionsabschusses als ineffektiv angesehen.

Im Weiteren bezweifeln wir die Notwendigkeit der Maßnahme. Wir haben schon seit längerer Zeit in Schleswig-Holstein einen Rückgang der Kormoranpopulation zu verzeichnen. Das hängt auch mit dem Populationsdruck innerhalb der Kormorankolonien zusammen, der eine natürliche Regulation des Bestandes zur Folge hat. Eine weitere Verschärfung des Fischfraßproblems durch Kormorane ist also nicht zu erwarten. Es besteht somit gar keine Notwendigkeit für diesen Antrag.

Wenn wir dennoch ernsthaft über effektive Vergrämung von Kormoranen sprechen wollen, dann macht das nur Sinn, wenn fachlich anerkannte Methoden zur Reduktion der Kormoranbestände zur Debatte stehen. Mit diesem Antrag steht hier aber lediglich parlamentarische Zeitverschwendung zur Debatte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die CDU zeigt in ihrem Antrag, dass sie in ihrem Denken um die Lösung von Problemen offensichtlich im Wilden Westen

(Sandra Redmann)

stehen geblieben ist. Wir sagen: Es muss nicht immer gleich herumgeballert werden, um Probleme zu lösen. Wir sind hier im Parlament und nicht bei den „Rauchenden Colts“ und lehnen diesen Antrag deshalb selbstverständlich ab.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hildebrand das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! An den schwarzen Vögeln scheiden sich in diesem Land die Geister. - Mit diesen Worten hat bereits vor sieben Jahren meine Kollegin Dr. Christel HappachKasan ihren Beitrag zur Kormoranproblematik eingeleitet. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir feststellen: Bis heute hat sich daran nicht viel geändert.

Nach wie vor ist der Kormoran für die Binnenfischer ein Dorn im Auge und für viele Naturschützer ein Aushängeschild ihrer Macht. Entsprechend schlagen die Emotionen hohe Wellen. Den einen fehlen die Fische, den anderen der Nachweis, dass sie der Kormoran gefressen hat. So wird aus einer vergleichsweise sachlichen Frage, die die FDP zur Bestandsregelung des Kormorans einmal aufgeworfen und die viele Begleituntersuchungen nach sich gezogen hat, ein Schlagabtausch, der sowohl das naturschutzfachliche Problem überhöht als auch Probleme in der Bevölkerung ignoriert. Damit ist keinem geholfen.

Unser Ziel in dem jahrelangen Streit zwischen Fischern und Naturschützern ist es deshalb, sowohl für gesicherte Rahmenbedingungen für die Existenz der Binnen- und Küstenfischerei hierzulande zu sorgen, als auch für einen gesicherten Bestand an Kormoranen Sorge zu tragen. Leider wird bislang immer nur der einen oder der anderen Seite das Wort geredet. So hat sich die rot-grüne Landesregierung einerseits sehr schnell auf die Seite des Kormorans festgelegt, leider aber übersehen, dass sich durch die besondere Fürsorge des Naturschutzes sein Bestand schon lange so weit erholt hat, das es dieses Schutzes nicht mehr bedarf.

(Beifall der Abgeordneten Frauke Tengler [CDU])

Das ist gut so. Darauf darf der Naturschutz auch stolz sein. Nur, das ändert die Vorzeichen.

Andererseits hätte ich mir gewünscht, dass sich die CDU-Fraktion nicht bloß durch eine Abschuss- und Vergrämungsverordnung in Sachen Kormorane zu

Wort meldet, sondern diese auch begründet hätte. Auch als Handreichung für die Fischer hätte es der Verordnung gut zu Gesicht gestanden, wenn sie mit einer kurzen Begründung das Licht der Öffentlichkeit erblickt hätte.

(Beifall bei der FDP)

Schließlich ist der Verordnungsentwurf der niedersächsischen Verordnung nicht ganz unähnlich. In Niedersachsen ist bereits seit Oktober 2003 das Töten von Kormoranen zur Abwendung fischereiwirtschaftlicher Schäden und zum Schutz der heimischen Tierwelt durch Abschuss zugelassen. Die Erfahrungen, ob und wie sich diese Abschussmöglichkeit auf Fischerei und Kormoranbestände auswirken, wäre für uns interessant.

Aus dem Bericht des Umweltministers zur Kormoranproblematik wissen wir, dass durch Kormorane fischereiliche Schäden entstehen können. Das ist unbestritten. Ich zitiere aus diesem Bericht:

„So ist zum Beispiel bekannt, dass an Teichanlagen mit ihren geringen Wassertiefen und entsprechendem Besatz teils erhebliche Schäden durch Kormorane auftreten können, nahezu bis zum Totalausfall der Ernte. Im Bereich natürlicher Gewässer ist unumstritten, dass an kleinen Gewässern die Schäden relativ größer als an größeren Gewässern sind.“

So weit das Zitat aus diesem Bericht.

Über den Umfang dieser Schäden und die Möglichkeiten, ihnen zu begegnen, scheiden sich aber die Geister. Genau da liegt das Problem.

Wir leben in einer Kulturlandschaft. Hier sind bisweilen Bestandsregulierungen verschiedener Tierarten erforderlich und werden im Einklang mit dem Naturschutz auch durchgeführt. Rehe, Wildschweine oder Füchse werden teilweise auch in Naturschutzgebieten bejagt. Eine Bestandsregulierung muss deshalb auch beim Kormoran möglich sein. Wenn sich dabei die bisherigen Regulierungsmaßnahmen durch Vergrämung, Kolonieverhinderung oder Eiaustausch als wenig erfolgreich erwiesen haben, muss auch ein Abschuss einzelner Vögel möglich sein.

(Zuruf von den BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Ist es auch!)

Die Voraussetzungen dafür müssen natürlich genau bestimmt sein. Über die Einzelheiten der Verordnung müssen wir deshalb im Ausschuss noch beraten.

Eben hat die Kollegin Redmann gerade gesagt, sie sei gegen die Verordnung und den Abschuss der Kormo

(Günther Hildebrand)

rane in bestimmten, abgegrenzten Bereichen. In diesem Zusammenhang möchte ich auf die „Ostholsteiner Zeitung“ vom 30. Juli Bezug nehmen. Da ist es der Kollege Poppendiecker - meines Wissens auch Mitglied Ihrer Fraktion -, der sich dafür einsetzt, dass tatsächlich Bestandsregulierungen durchgeführt werden sollen.

(Beifall bei der FDP - Gerhard Poppendie- cker [SPD]: Ein guter Mann!)

- Das ist ein guter Mann, auf jeden Fall. Deshalb kandidiert er auch nicht wieder. - Damit ist bewiesen, dass die Meinung innerhalb der SPD-Fraktion auch nicht so eindeutig ist.

Ich bin für Überweisung dieses Antrags in den Ausschuss und würde mich freuen, wenn sich das Haus dazu entschließen könnte.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Matthiessen.

Wenn ich meine Gitarre dabei hätte, Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, würde ich hier das Liedchen „Alle Jahre wieder, kommt die CDU, hier im Landtag nieder“ anstimmen. Kollegin Redmann, es ist keineswegs so, dass dieses Thema in einer Legislaturperiode wiederholt wird. Man kann sich sozusagen Jahr für Jahr darauf einstellen, solch eine Debatte führen zu müssen. Der Kollege Hildebrand hat schon darauf hingewiesen, zu welchen Zeitpunkten wir diese Debatte bereits geführt haben. Das ist der Evergreen, den unsere schwarzen Schwestern und Brüder regelmäßig gegen die schwarzen Vögel im Lande absingen. Vielleicht sollten Sie, Frau TodsenReese, und Ihre Fraktion sich einmal von einer anderen Warte aus mit dieser Vogelart befassen, die nicht umsonst den Namen Kormoran trägt. Das bedeutet nämlich „Meerrabe“ und lässt auf Klugheit und Umsicht schließen.

(Zuruf: Plietsch!)

Das haben Sie mit dem Wort „plietsch“ bezeichnet.

Dass der Kormoran sehr gut einzuschätzen weiß, wo er sicher ist und wo nicht, zeigen allerorten Beobachtungen von Vergrämungsaktionen. Beispielsweise zeigte sich in Baden-Württemberg - niedersächsische Ergebnisse liegen noch nicht vor -, dass sich große Brutkolonien bei Beschuss einfach in viele kleine auflösen. Das ist keine Erfolgsstrategie in Ihrem Sinn, Frau Todsen-Reese.

Die Notwendigkeit für Ihre Initiative besteht nicht. Nach meinen Informationen gehen die Kormoranbestände zurück. Zahlreiche Beobachtungen deuten darauf hin, dass der Kormoran sehr empfindlich auf den Seeadler reagiert. Glücklicherweise können wir einen nachhaltigen Anstieg der Population des Seeadlers in Schleswig-Holstein feststellen - auch Dank umfangreicher Schutzbemühungen von verschiedenen Seiten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)