Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich stelle fest, dass es in diesem Hause einen relativ breiten Konsens gibt, den Ladenschluss zumindest in der Woche gänzlich freizugeben. Ich kann sagen, ich teile diesen Konsens nicht. Ob ich mich damit durchsetzen werde, weiß ich noch nicht, trotzdem werde ich Ihnen meine Vorstellungen darstellen, warum ich glaube, dass eine völlige Freigabe des Ladenschlusses für ein Flächenland wie SchleswigHolstein strukturpolitischer Unsinn ist. Eine völlige Aufhebung des Landesladenschlusses würde die angestrebten Ziele, nämlich die Stärkung des Einzelhandels, die Stärkung der Innenstädte sowie eine Verbesserung des Service für die Verbraucherinnen nicht erreichen. Vielmehr ist zu befürchten, dass we
nige Rund-um-Uhr-Supermärkte mit großem Parkplatz auf der grünen Wiese entstehen werden, während die kleinen Geschäfte und die Innenstädte einmal mehr die Leidtragenden werden.
Eine vollständige Aufhebung der Ladenschlusszeiten bedeutet für die Beschäftigten des Einzelhandels auch eine Verschlechterung ihrer arbeitszeitlichen Anforderungen. Aber ich teile durchaus die Meinung von Herrn Eichstädt, dass man das auch anders regeln kann. Geregelt werden sollte es. Trotzdem wird natürlich die Ausweitung der Öffnungszeiten im Einzelhandel dazu führen, dass Eventualität, rund um die Uhr im Einzelhandel an der Kasse zu sitzen, zunehmen wird. Das heißt, es wird natürlich auch für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf Verschlechterungen geben.
Aus meiner Sicht schlage ich folgende Neuregelung vor: Erst einmal bleibt der Sonn- und Feiertagsschutz bestehen. Darüber sind wir uns einig. Auch eine temporäre Öffnung an Adventssonntagen lehne ich ab. Die Gliederung der Woche in Sonn- und Werktag ist eine kulturelle Errungenschaft, die nicht weiter angegriffen werden sollte.
Anstatt allgemeiner Liberalisierung sollten wir gezielte Liberalisierung vornehmen, um strukturpolitische Ziele zu erreichen. Dazu gehört aus meiner Sicht erstens das Cityprivileg. Das Isensee-Gutachten vom Frühjahr 2003 im Auftrag des Bundesverbandes des deutschen Einzelhandels hat die Verfassungskonformität des Cityprivilegs bestätigt. Das ist die Position des Einzelhandels. Die Kommunen sollen gezielt städtische Einzelhandelsgebiete in den von der Landesplanung ausgewiesenen Ober- und Mittelzentren mit erweiterten Möglichkeiten für die Ladenöffnungszeiten ausweisen können. Die Festlegung der Ladenöffnungszeit erfolgt dann jeweils von den Geschäften, von den Läden in den jeweiligen Einkaufsgebieten selbst.
Zweitens die Tourismusregelung. Hier besteht Konsens. Es sollten vereinfachte Sonderregelungen für Kommunen mit starkem Tourismus eingeführt werden. Es gibt keinen Sinn, dass Geschäfte morgens zwei Stunden aufmachen, um Brötchen zu verkaufen, dann wieder eine Stunde zumachen und dann wieder eine Stunde aufmachen, um andere Waren zu verkaufen. Wir sollten eine saubere Regelung für den Tourismus bekommen, die wesentlich einfacher ist als die jetzige. Dort, wo die Hauptgeschäftstätigkeit am Wochenende, also auch am Sonntag, ist, wie dies in vie
len Urlaubsorten der Fall ist, sollte es ermöglicht werden, dass in den Einkaufszonen Geschäfte öffnen.
Drittens die „Tante-Emma-Läden“. Unter bestimmten Bedingungen sollte es in Wohngebieten und in Dörfern zur Versorgung der Bewohner mit Artikeln des täglichen Bedarfs eine grundsätzliche Freigabe beziehungsweise Ausnahme vom Ladenschluss für die gesamte Woche geben. Das kann man durch die Größe, aber auch durch die Art der Geschäfte - zum Beispiel kann es sich um einen Familienbetrieb handeln - regeln. Ich nenne ein Beispiel: Bei uns in Heikendorf gibt es einen kleinen Laden, der das Camping-Privileg hat. Er hat die ganze Woche geöffnet. Das Hauptgeschäft findet logischerweise am Wochenende statt, wenn die anderen Geschäfte geschlossen haben. Dieses Geschäft lebt von diesem Sonderprivileg. Diese Art von „Tante-Emma-Läden“ hat eine Qualität. Durch sie werden Arbeitsplätze geschaffen. Das ist eine gute Angelegenheit und das sollten wir fördern.
Um das Ganze zusammenzufassen: So sehr die Verbraucher eine Ausweitung der Regelung auch befürworten werden, es bleibt eine Illusion, dass damit die Konsumausgaben steigen. Warum sollten sie auch? Die Budgets der Familien bleiben gleich. Trotz der bisherigen Regelung einer werktäglichen Öffnung bis 20 Uhr hat sich eines gezeigt: Es gibt kaum ein Geschäft in Schleswig-Holstein, das bis 20 Uhr aufhat. Selbst die Geschäfte in der Kieler Innenstadt haben nur noch bis 19 Uhr geöffnet. Das heißt, die Vorstellung einer Rund-um-die-Uhr-Öffnung ist illusorisch, weil sie gar nicht das beinhaltet, was der Verbraucher will.
Viel besser wäre es, zu gezielten, qualitativen Regelungen zu kommen, wie ich sie vorgeschlagen habe, durch die die Versorgung der Bürger mit ihrem täglichen Bedarf tatsächlich rund um die Uhr ermöglicht würde und zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden könnten. Dies wäre für die Zentralorte in Schleswig-Holstein strukturpolitisch ein Gewinn. In den Ortschaften sollte es also Qualität und nicht die grüne Wiese geben. Ich glaube, die Menschen erwarten von uns, dass wir strukturpolitisch denken und dass wir keiner Welle der Liberalisierung hinterherlaufen, die letztlich niemandem einen Nutzen bringt.
Bei den vielen Fraktionen, die der Meinung sind, man sollte alles freigeben, hoffe ich, dass ich zumindest zum Nachdenken angeregt habe.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema Ladenöffnungszeiten wird in Deutschland immer wieder gern angeführt, wenn es darum geht, die Wirtschaft anzukurbeln, den Unternehmen mehr Handlungsspielraum einzuräumen und Arbeitsplätze zu sichern.
Aus diesem Grund haben wir seinerzeit - darüber ist auch schon geredet worden - den Antrag der CDU zur Liberalisierung des Ladenschlusses unterstützt, zumal wir gerade jetzt - das ist immer wieder in der öffentlichen Diskussion - die Binnenkonjunktur ankurbeln müssen.
Für uns ging es seinerzeit darum, für die Unternehmen die rechtlichen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Konsum leichter möglich ist. In der Öffnung der Ladenschlusszeiten sehen wir diese Möglichkeit durchaus. Wenn die Läden länger offen sind, entstehen mehr Möglichkeiten zum Konsum. Durch dieses Mehr an Möglichkeiten schaffen wir die Basis, Arbeitsplätze zu erhalten oder ihre Zahl sogar auszubauen. Mit der Annahme des heute vorliegenden Antrages wird es uns freistehen, die Rahmenbedingungen so zu ändern, dass wir so viel Gestaltungsspielraum wie notwendig erhalten.
Wir wissen, dass sich die Arbeitsverhältnisse heute dahin gehend verändert haben, dass eben nicht mehr nur von 8 bis 16 Uhr gearbeitet wird. Die Anforderungen an die Arbeitnehmer - auch bezogen auf die Arbeitszeiten - sind gestiegen. Arbeitnehmer müssen heute flexibler sein. Es ist auch nicht nachvollziehbar, dass angeführt wird, dass sich die erweiterten Arbeitszeiten oder der Schichtdienst nicht mit dem Familienleben vereinbaren lassen. Viele Millionen Arbeitnehmer machen bereits vor, dass das durchaus möglich ist. Für uns ist es aber wichtig, dass die notwendigen Rahmenbedingungen rechtlich verbindlich sind und Tarife zwischen den Tarifpartnern ausgehandelt werden, um unverhältnismäßige Arbeitszeiten auszuschließen. Dies hat aber nichts mit dem Ladenschlussgesetz zu tun.
Mit ihrem uns heute vorliegenden Antrag zielt die FDP nun darauf ab, den Ländern bei der Gestaltung des Ladenschlusses im Verhältnis zum Bund mehr Kompetenzen zuzuweisen. Dies ist das Ergebnis des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom Juni die
ses Jahres. Wenn wir keine rein bundesstaatliche Regelung für die Ladenöffnungszeiten wollen, dann muss die Bundesgesetzgebung so gestaltet werden, dass dies möglich wird. Dieses Ziel wird mit dem FDP-Antrag verfolgt. Angesichts der aktuellen Föderalismusdebatte, die in Deutschland geführt wird, muss man feststellen, dass durch diesen Antrag durchaus dazu beigetragen wird, die Länderkompetenzen zu stärken, indem man ihnen das Recht einräumt, eigene Regelungen über Ladenöffnungszeiten zu erlassen. Dieser Ansatz findet auch die Unterstützung des SSW.
Schleswig-Holstein hat die Chance, durch die Unterstützung dieser Bundesratsinitiative mehr Eigenverantwortung in diesem Bereich zu erlangen. Es steht uns frei, darüber hinaus immer noch auf regionale Besonderheiten Rücksicht zu nehmen. Ich nenne als Stichwort die Bäderregelung in den touristischen Hochburgen, die sich zu einem regionalen wirtschaftlichen Standortfaktor entwickelt hat. Gleiches gilt aber auch - das wird gern immer vergessen - für den Grenzhandel, der ebenso wie die Bäderregelung von Sonntagsöffnungszeiten abhängig ist. Dies kann bei uns aber nur dann funktionieren, wenn die entsprechenden Sonderregelungen für die Bäder und den Grenzhandel vom Land beibehalten und in einem kommenden Gesetz entsprechend abgesichert werden.
Diese Möglichkeiten bleiben für uns gewahrt, wenn Schleswig-Holstein den baden-württembergischen Antrag unterstützt. Deshalb sollten wir unserer Meinung nach die Chance ergreifen, die Ladenöffnungszeiten eigenverantwortlich zu regeln und zugunsten von Arbeitsplätzen und der wirtschaftlichen Entwicklung in unserem Land so viel wie möglich möglich machen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Anlass für diese Debatte ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bezüglich der Verfassungsbeschwerde des Kaufhof-Konzerns gegen die Ladenöffnungszeiten an Samstagen und Sonntagen. Deswegen sollten wir uns die Kernsätze des Urteils des Bundesverfassungsgerichts noch einmal vergegenwärtigen:
Erstens. Das grundsätzliche Verbot der Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
Ich denke, es ist wichtig, das zu bedenken, bevor wir diese Diskussion mit Blick auf Schleswig-Holstein im Einzelnen führen.
Für die Bewertung in unserer Debatte halte ich außerdem Folgendes für wichtig: Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, dass das gesetzgeberische Anliegen, also die Ladenöffnung überhaupt zu regeln, nur durch ein Gesetz gewährleistet wird. Bei einer Selbstregulierung durch Marktkräfte gäbe es keine vergleichbare Wirksamkeit in der Austarierung der Interessen zwischen Arbeitszeitverteilung und Wettbewerb. Das heißt: Wenn wir sehr plakativ von einer ersatzlosen Abschaffung des Ladenschlussgesetzes sprechen, gehen wir an dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vorbei.
Dieses Gericht hat festgestellt, dass durch den Gesetzgeber bislang ein breiter Gestaltungsspielraum bezüglich der geltenden Regelung nicht ausgeübt worden sei. Mit Blick auf das Verbot der Sonn- und Feiertagsöffnung sei festzustellen, dass dies gerechtfertigt sei, weil der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung durch Art. 140 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich geschützt seien. Die Institution des Sonn- und Feiertages selbst sei unmittelbar durch die Verfassung garantiert. Art und Ausmaß des Schutzes bedürften aber einer gesetzlichen Ausgestaltung. Ein Kernbestand an Sonn- und Feiertagsruhe sei unantastbar. Im Übrigen bestünde eine Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers.
Das ist mit Blick auf unsere bereits seit Jahrzehnten entwickelten Sonderregelungen - der Bäderreglung, der Grenzregelung sowie anderer Regelungen - nicht unerheblich. Wir sind hier sehr weit gekommen. Ich hoffe, dass diese sehr weit entwickelten Regelungen, die Schleswig-Holstein im Unterschied zu anderen Ländern bereits hat, im Einklang mit diesem Urteil des Bundesverfassungsgerichts stehen. Wir müssen hier sehr sensibel sein und möglicherweise auch einige Wünsche zurückschrauben, damit wir uns nicht selbst ein Bein stellen. Mit Blick auf SchleswigHolstein hat es eine ganz besondere Bedeutung, wie wir die Art und Weise an den Wochenenden regeln.
Unter Berücksichtigung dieser Aussagen zur Sonn- und Feiertagsöffnung dürfen die Länder landesrechtliche Neuregelungen dazu vornehmen, wenn eine entsprechende bundesgesetzliche Ermächtigung
auf der Grundlage des Art. 125 a des Grundgesetzes geschaffen worden ist; Sie haben es bereits gesagt.
Spannend ist, dass aus dieser Rechtslage auch der Umkehrschluss folgt, dass es den Ländern bei Fortbestand der bundesrechtlichen Regelung verwehrt ist, einzelne Vorschriften zu erlassen. Das heißt, wir alle haben ein lebendiges Interesse daran, dass die landesrechtlichen Regelungsmöglichkeiten so schnell wie möglich geschaffen werden.
Welche konkreten nächsten Schritte hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Folge? Auch das ist für uns nicht unerheblich; denn nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil hat der Bundesgesetzgeber nun zu prüfen, ob eine bundeseinheitliche Regelung durch das Ladenschlussgesetz weiterhin sachgerecht ist. Es macht außerdem deutlich, dass es dabei um die Frage geht, ob es eine völlig Freigabe oder eine partielle Regelung gibt. Art und Umfang der Freigabe seien noch Gegenstand einer Abklärung auf Bundesebene. Vor diesem Hintergrund hat der Bundesarbeitsminister dieses Thema zum Gegenstand der Föderalismusdiskussion gemacht. Das ist richtig, weil die Verteilung der Regelungen zwischen Bund und Ländern sinnvollerweise auch in der Föderalismuskommission im Kontext der Gesamtdebatte abgeklärt wird.
Dadurch ergeben sich - nach den uns bekannten bundesgesetzlichen Verfahren - Gestaltungsspielräume für Schleswig-Holstein, die wir natürlich alle im Interesse unseres Landes, der Bürgerinnen und Bürger und der wirtschaftlichen Entwicklung dieses Landes nutzen wollen. Es ist nach breiter Diskussion mit allen Interessengruppen deutlich geworden, dass hier verschiedene Aspekte abzuwägen sind. Wie in der Vergangenheit wird die schleswig-holsteinische Landesregierung dies auch in Zukunft tun.
Wenn wir hier zu weitergehenden Öffnungen kommen, dann haben wir auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und als Mütter und Väter über die Konsequenzen für andere Politikfelder zu beraten. Hier sei das Stichwort der Vereinbarkeit von Familie und Beruf genannt. Es ist die Frage, wie wir uns Familienleben vorstellen und wie Alleinerziehende abends die Kinderbetreuung bewältigen. Es ist zu fragen, ob dies Folgen für die Öffnungszeiten von Kindertageseinrichtungen hat. Gehen wir davon aus, dass Männer die Kinderbetreuungen an Abenden zunehmend verlässlich übernehmen? All das gehört selbstverständlich in diese Debatte hinein.
Ich komme zum Schluss. - Ich gehe davon aus, dass wir alle die landesgesetzlichen Regelungsmöglichkeiten wollen. Ich gehe davon aus, dass wir sie im Interesse unseres Landes zügig nutzen werden. Ich erwarte eine lebhafte Diskussion über unseren Gesetzesvorschlag.
Zu einem Kurzbeitrag nach § 58 Abs. 2 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Garg das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es dauert keine drei Minuten. Punkt 1. Ich bedanke mich ausdrücklich beim Kollegen Eichstädt für seinen Redebeitrag. Ich gehe davon aus, dass das nicht Ihre Privatmeinung war, sondern dass das die Position der SPD-Landtagsfraktion ist. Davor habe ich allergrößten Respekt. Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass Sie dies so klar und völlig unmissverständlich vorgetragen haben.
Punkt 2. Ich teile die Auffassung des Kollegen Hentschel selbstverständlich nicht. Es ist aber sein gutes Recht, seine Auffassung hier vorzutragen. Ich denke, wir werden uns dann, wenn wir Landesregelungen kriegen, entsprechend mit den Positionen des Kollegen Hentschel auseinander setzen.
Punkt 3. Deshalb bin ich noch einmal nach vorn gegangen: Sehr geehrte Frau Ministerin, was Sie uns sagen wollten, habe ich überhaupt nicht verstanden. Glasklar war das, was der Vertreter der SPD-Fraktion hier vorgetragen hat. An Ihre Adresse möchte ich nur richten: Ihre Vorgängerin, Heide Moser, war bereits 1993 Lichtjahre weiter als Sie.