Protocol of the Session on May 27, 2004

Vor diesem Hintergrund muss sich die Aufmerksamkeit von Wissenschaft und Politik stärker als bisher auf die Qualität der pädagogischen Angebote im Vorschulbereich richten und dies betrifft neben anderen Dingen, die hier anzusprechen sind, eben auch den Ausbildungsstand des Fachpersonals in den Kindertageseinrichtungen.

Mit der Einführung eines Hochschulstudiums im Bereich der Elementarpädagogik wird eine Entwicklung eingeleitet, die zu einer Angleichung der deutschen Verhältnisse an den europäischen Standard führt. Auch dies ist, wie ich denke, ein wichtiges Argument für unseren Vorschlag.

(Beifall bei der FDP und der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Innerhalb der EU ist es ja nur in Österreich und Deutschland so, dass die Ausbildung der Erzieherinnen weiterhin auf dem Fachschulniveau erfolgt. Alle anderen Staaten in der Europäischen Union haben in diesem Bereich eine Hochschulausbildung.

Das einzige weit und breit sichtbare Gegenargument, das man natürlich auch ansprechen muss, ist die Kostenfrage. Darauf möchte ich Folgendes erwidern.

Erstens. Wir werden uns in Deutschland künftig aus wohlerwogenen Gründen mehr Bildung leisten müssen. Das ist auch die Quintessenz aus der PISADebatte. Diese Investitionen in Bildung müssen schwerpunktmäßig im Elementar- und Primarbereich vorgenommen werden,

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Dr. Ekkehard Klug)

also dort, wo andernfalls kaum auszugleichende Defizite entstünden, die in der Folge dann viel teurer wären als ein gutes Bildungsangebot für die Kinder.

Zweitens. Die Einführung neuer Studienangebote hat überhaupt keine schlagartige Kostenlawine zur Folge. Es wird ja eine ganze Weile dauern, bis überhaupt Absolventen - und diese dann auch nur in kleiner Zahl - zur Verfügung stehen werden. Das heißt, es kommt hier nicht zu einer schlagartigen Kostenentwicklung für die Kitas.

Drittens. Herr Präsident, ich will jetzt kurz noch ein für mich sehr wichtiges Argument ansprechen. Angesichts der demographischen Entwicklung wird die Qualität der Bildungs- und Kinderbetreuungsangebote vor Ort immer mehr zu einem ganz wichtigen Standortfaktor. Auch das spricht dafür, dass wir die Qualitätsaspekte im Blick behalten. In Schleswig-Holstein haben die Universität Flensburg und die Fachhochschule Kiel Interesse, einen solchen Weg zu beschreiten. Wir sollten mit einem allgemeinen gefassten Landtagsbeschluss gewissermaßen auch der Regierung grünes Licht dafür geben, mit den beiden Hochschulen in das Gespräch über eine solche Konkretisierung einzutreten.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Höfs das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte über diesen Tagesordnungspunkt gern unter dem Gesichtspunkt der Verbesserung der gesamten Ausbildung für Erzieherinnen diskutieren, nicht nur speziell unter dem Gesichtspunkt der Hochschulausbildung im Bereich Elementarpädagogik. Unsere Kindertagesstätten haben einen eigenen Erziehungs- und Betreuungsauftrag und einen eigenständigen Bildungsauftrag. Das ist ganz klar. Nach unseren Erfahrungen bringen die pädagogischen Fachkräfte in den Kindertagesstätten auch gute Voraussetzungen mit, um die vielfältigen Anforderungen zu bewältigen. Aber auch gute Arbeit ist noch verbesserungsfähig. So sehe ich das in jedem Falle auch hier. Das hat im Wesentlichen etwas mit den geänderten gesellschaftlichen Bedingungen zu tun.

Herr Dr. Klug, Sie haben es schon angesprochen: Bei den Kindern sind heute die unterschiedlichsten Probleme festzustellen. Die Lebensbedingungen und andere Begleiterscheinungen sind für die Kinder heute

anders als noch vor einigen Jahren. Dies wird in den Kindertagesstätten deutlich. Ich denke hier insbesondere an die Sprachkompetenz der Kinder - es ist mir sehr wichtig, dass es in dieser Hinsicht eine Änderung gibt - und an die vielfältigen Bewegungsstörungen, die ebenfalls einen sehr wesentlichen Aspekt darstellen. Sie haben vorhin eine Zahl genannt, die mir überhaupt nicht behagt. Nach den Schuleingangsuntersuchungen der letzten Jahre weist jedes zehnte Kind Störungen auf, die im Endeffekt wirklich schulrelevant sind. Das ist ein in unterschiedlicher Hinsicht ganz wesentlicher Punkt, nicht speziell auf Sprachkompetenz oder Bewegung bezogen, sondern auch auf alle anderen Störungen. Jedes zehnte Kind bringt inzwischen Störungen mit. Die vorhandenen Defizite sind für die spätere Lernfähigkeit entscheidend.

Allein die zusätzliche Möglichkeit einer Hochschulausbildung für pädagogisches Personal in Kindertagesstätten wird sicher keine grundsätzliche Verbesserung der Arbeit in den Kindertagesstätten bringen. (Beifall bei der SPD)

Wir sehen das Hochschulstudium allein nicht als Gewähr für eine bessere Erziehung unserer Kinder. Es kann so auch nicht als einzige Maßnahme gewertet werden.

In den Kindertagesstätten finden wir bereits unterschiedliche Berufsfelder: Die Erzieher und Erzieherinnen, die sozialpädagogischen Assistenten und die Sozialpädagogen. Es gibt also in diesem Arbeitsfeld schon eine Fachhochschulausbildung.

Es ist jetzt vor allem an der Zeit, die bisherige Erzieherinnenausbildung zu verändern. Es geht darum, hier eine deutliche qualitative Verbesserung zu erbringen.

(Beifall bei der SPD)

Die müssen wir jetzt haben und es ist ganz wichtig, das jetzt zu machen. Lerninhalte sollten allerdings nicht nur in derAusbildung in den Fachschulen überprüft und verbessert werden, sondern auch die Lerninhalte an den Fachhochschulen für Sozialpädagogik könnten überdacht und überprüft werden. Es ist heute schon möglich, in diesem Bereich Elementarerziehung als Schwerpunkt zu wählen. Das kann zügig erweitert und verändert werden.

(Beifall der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD] und Jutta Schümann [SPD])

Es besteht auch jetzt schon die Möglichkeit, Sozialpädagoginnen für die Arbeit in Kindertagesstätten einzustellen.

Wir, der Facharbeitskreis der SPD-Landtagsfraktion, haben uns in den letzten Monaten intensiv mit der

(Astrid Höfs)

Situation der Ausbildung der Erzieherinnen befasst. Wir haben verschiedene Fachkräfte befragt und gehört und haben uns über die Situation dort informiert. Wir sind der Meinung, dass vorrangig die Ausbildung der Erzieherinnen qualitativ verbessert werden muss. Das kann schnell umgesetzt werden und das wird dann auch für die Kinder sichtbar zu einem schnellen Erfolg.

Ausbildung sollte in der EU möglichst vergleichbar sein. Der Meinung bin ich auch. Das sehe ich wie Sie. Allerdings sehe ich das vorrangig als einen Gewinn für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, nicht in erster Linie für die Kinder. Es geht darum, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen möglichst schnell einen Arbeitsplatz in einem EU-Land finden können, wenn sie eine vergleichbare Ausbildung haben. Das ist natürlich nur in zweiter Linie auch für die Kinder ein Gewinn, weil sie als zukünftige EUMenschen oder -Arbeitnehmer eine bessere Chance auf dem eigenen Arbeitsmarkt haben. Die Kinder haben also erst später einen Gewinn davon.

Ich verweise auf die Fachschule für Erzieherinnen in Neumünster, die eine sehr gute Erzieherinnenausbildung anbietet. Dort ist es inzwischen gang und gäbe, dass zum Beispiel ein Teil der Ausbildung im europäischen Ausland angeboten wird. Ich hebe hier auch die Bedeutung der Europaschulen hervor. Auch das besondere Engagement dieser Schulen ist hier zu betonen. Das halte ich für ausgesprochen wichtig.

(Beifall bei der SPD)

Wir möchten den Gesamtaspekt dieses Themas mit Ihnen im Ausschuss gern diskutieren und den Antrag deshalb dorthin überweisen, damit die Maßnahmen, die jetzt erforderlich sind und sofort ein sichtbares Ergebnis zeigen, vorangebracht werden.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Joachim Behm [FDP])

Ich erteile der Frau Abgeordneten Eisenberg das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben hier heute offensichtlich eine etwas merkwürdige Allianz: eine Verbindung zwischen Grünen und FDP

(Beifall der Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP] und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

und möglicherweise auch eine Verbindung zwischen SPD und CDU.

(Beifall der Abgeordneten Jutta Schümann [SPD] - Zurufe)

Daher denke ich, dass wir zu irgendeinem Ergebnis kommen werden.

Der FDP-Antrag bezweckt neben der bisherigen Ausbildung der Erzieherinnen in einer Fachschule die Einführung einer Hochschulausbildung für Elementarpädagogik, um nach Auffassung der FDP die Ausbildung der Erzieherinnen stärker auf den auch von ihnen wahrzunehmenden Bildungsauftrag auszurichten und eine Angleichung an die europäische Entwicklung vorzunehmen. Damit zäumt die FDP unserer Auffassung nach das Pferd von hinten auf.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Die jetzige Ausbildungsordnung der staatlich anerkannten Erzieherinnen in der Fachschule entspricht dem im Kita-Gesetz von Schleswig-Holstein formulierten so genannten Bildungsauftrag der Kindertagesstätten, der in der Praxis allerdings aus unserer Sicht lediglich ein Betreuungsauftrag ist.

Die CDU ist der Auffassung, dass deshalb der Bildungsauftrag der Kindertagesstätten neu formuliert und mit anderen Schwerpunkten versehen werden muss, besonders hinsichtlich der Erlangung von Fähigkeiten und Fertigkeiten der Kinder, die heute in vielen Fällen den Kindern nicht mehr von den Eltern mitgegeben werden.

(Beifall)

Ich denke an die Entwicklung und Ausbildung von Grob- und Feinmotorik, an sprachliche und kommunikative sowie soziale Fähigkeiten, aber auch an eine bessere Vorbereitung der Kinder auf die Grundschule. Ein Teil dessen ist bereits in der Ausbildungsordnung für Erzieherinnen enthalten, allerdings sind die Schwerpunkte nach unserer Auffassung auch hinsichtlich eines neu zu formulierenden Bildungsauftrages zu verändern.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und SPD)

Ein vermehrter Anteil zur Erlangung diagnostischer Fähigkeiten zur Erkennung von Entwicklungsstörungen und Verhaltensstörungen ist in die Ausbildungsordnung der Erzieherinnen in den Fachschulen einzufügen.

Ob ein Hochschulstudium der Elementarpädagogik, also eine Vertheoretisierung und Akademisierung der Erzieherinnenausbildung mit der Eingangsvoraussetzung Abitur zur Qualitätsverbesserung der vorschuli

(Sylvia Eisenberg)

schen Erziehung in der Praxis beiträgt, wird zumindest von einem Teil der Beteiligten und Betroffenen bezweifelt. Ich teile diese Zweifel.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und SPD)

Die FDP begründet ihren Antrag auch mit einer Angleichung der Erzieherinnenausbildung an die europäischen Standards und hat sicher die skandinavischen Länder vor Augen. Aber der Vergleich hinkt. Die Fachschulen in Deutschland, die die Ausbildung für Erzieherinnen durchführen, sind Teil der beruflichen Schulen, die es in den skandinavischen Ländern leider so nicht gibt. Sie eröffnen in Deutschland gleichzeitig die Möglichkeit zu weiterführenden Abschlüssen, was es in anderen Ländern ebenfalls nicht gibt. Auch das sollte man nicht vergessen, Frau Spoorendonk, wenn man immer nach Skandinavien schaut.