Protocol of the Session on May 27, 2004

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Kalinka, schauen Sie sich einmal an, wie viele Punkte sich jetzt aufgrund der HartzGesetzgebung ändern werden. Wir werden auch darauf reagieren müssen und auch in diesem Fall wird die Regierung ASH anpassen, weil es eben vernünftig ist, ein abgestimmtes Programm zu haben und nicht nur irgendetwas durchzuziehen.

Ich möchte noch einmal auf meine vorigen Ausführungen zurückkommen. - Es geht auch darum, dass die Menschen durch Arbeit in der Gesellschaft ankommen. Sie können Kultur miterleben, weil sie wieder im Arbeitsprozess sind und Kollegen haben. Das

ist wichtig. Von daher glaube ich, dass wir durchaus in der Lage sind, nachzuweisen, dass in SchleswigHolstein viel getan wird und viel getan worden ist; selbst im Kreis Plön ist mit der Beschäftigungsagentur Neuland viel erreicht worden, die auch durch Landesgeld mifinanziert worden ist.

(Werner Kalinka [CDU]: Wodurch mitfinan- ziert?)

Da sage ich schlicht und ergreifend: Wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, es finde nichts statt, dann dokumentiert das Ahnungslosigkeit. Der Antrag strotzt vor Ahnungslosigkeit und er gehört wirklich abgelehnt.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Im Moment sehe ich keine weiteren Kurzbeitragswünsche. Insofern darf ich für die Landesregierung der zuständigen Ministerin, Frau Dr. TrauernichtJordan, das Wort erteilen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst bedanke ich mich recht herzlich für die vielen sachdienlichen Ausführungen vieler Rednerinnen und Redner zur Sozialhilfe und zum Sozialhilferecht. Dies erlaubt mir, direkt auf den politischen Kern dieser Debatte zurückzukommen, den, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, Herr Kalinka angeheizt hat, weil er diesen Antrag mit der Ansage des CDU-Spitzenkandidaten zur Landtagswahl 2005, die Sozialhilfeausgaben in Schleswig-Holstein innerhalb von fünf Jahren um 25 % zu senken, in Zusammenhang gebracht hat.

Ich habe durchaus auch differenzierte Aussagen anderer CDU-Abgeordneten zu der Gesamtthematik wahrgenommen, aber wenn solch eine Form von Brandstifterei betrieben wird, muss es auch möglich sein, dass man sich politisch damit auseinander setzt, und das will ich tun.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Sie wollen die Sozialhilfeausgaben um 25 % senken. Wer in Ihr Papier schaut, stellt fest, dass darin ein Weg aufgezeigt wird; ich zitiere:

„Der Missbrauch von Leistungen spielt eine erhebliche Rolle.“

(Ministerin Dr. Brigitte Trauernicht-Jordan)

Meine Damen und Herren, das ist eine deutliche Botschaft. Der Faulenzer von nebenan, der es sich in der Hängematte bequem macht und die Sozialhilfe unrechtmäßig mitnimmt, ist das eigentliche politisch zu bearbeitende Problem.

Das ist ein politischer Irrweg, Herr Kalinka, und so charmant Ihr Angebot an mich war: Daraus wird nichts. Wir haben außerordentlich unterschiedliche politische Positionen. Zwischen uns liegen Welten und das werden Sie auch noch merken.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Sie haben für die erfolgreiche Bekämpfung von Sozialhilfemissbrauch das Hamburger Beispiel gebracht. Das ist ein gutes Beispiel, um deutlich zu machen, dass Sie hier etwas anders darstellen, als es in Wirklichkeit ist. Es geht um die Frage des Autobesitzes von Sozialhilfeempfängern.

Ungefähr 100.000 Sozialhilfeempfänger gibt es in Hamburg. 7.000 von ihnen fahren ein Fahrzeug und es ist durch Kontrollen festgestellt worden, dass 27 von ihnen dieses Fahrzeug unrechtmäßig fahren. Das sind 0,3 % der Auto fahrenden Sozialhilfeempfänger und ein Promilleanteil aller Sozialhilfeempfänger.

Meine Damen und Herren, die Zahl 27 liegt ziemlich nah an der 25. Aber 25 % Einsparungen erreichen Sie nicht durch diese 27 Sozialhilfeempfänger, die unrechtmäßig ein Auto besitzen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Lassen Sie also bitte diese diffamierenden Spitzen gegen Sozialhilfeempfänger.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Damit nicht genug. Sie üben auch harsche Kritik an den Kommunen. Zitat:

„Es gibt einen regelrechten Wettlauf nach dem Motto ‚Wer zahlt am meisten?’.“

Meine Damen und Herren, dass Kommunen derart abqualifiziert werden, habe ich in meiner politischen Laufbahn noch nicht erlebt.

Herr Kalinka, halten Sie es wirklich für klug, eine „strenge Auslegung“ zu fordern? - Das ist ein bemerkenswerter juristischer Begriff. Es geht um eine korrekte Ausführung und ich gehe davon aus, dass diese auch das Ziel der Kommunen selbst ist.

Ich finde es doppelt ungerecht, auf die Kommunen einzuschlagen, denn unter der CDU-geführten Bun

desregierung ist eine Massenarbeitslosigkeit entstanden, die letztlich als eine erdrückende finanzielle und soziale Last bei den Kommunen hängen geblieben ist.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zurufe von der CDU)

Auf diese Kommunen, die alles in ihrer Macht stehende tun, um die Sozialhilfeausgaben in den Griff zu bekommen, wird von der CDU auch noch eingeschlagen. Herr Abgeordneter Kalinka, ich hoffe, dass hier noch politische Korrekturen erfolgen.

Insgesamt komme ich zu der Bewertung, dass es hier eher um politische Brandstiftung als um die Ansage geht, die Sozialhilfeausgaben tatsächlich zu senken.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Zurufe von der CDU)

Hier sollen Vorurteile und Stammtischurteile bedient werden. Die so mitgeschürte Stimmung soll politisch auch gegen die Sozialdemokratie genutzt werden. Ich sage Ihnen: Damit kommen Sie nicht durch, das ist mit uns nicht zu machen!

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sozialhilfemissbrauch und Leistungserschleichung werden auch von der von SPD und den Grünen geführten Landesregierung konsequent verfolgt. Das entspricht unserem Selbstverständnis von Gerechtigkeit!

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Werner Kalinka [CDU]: Nichts anderes steht im Antrag!)

Generell braucht man für eine zukunftsorientierte Sozialhilfe und Einsparungen in diesem Bereich nicht mehr Kontrolleure, sondern weitere Innovationen. Ich will deutlich machen, wie das gehen kann: Aktivieren statt alimentieren ist das Grundprinzip, das erreicht werden soll, und zwar durch strukturelle Reformen, von denen ich jetzt einige ansprechen will:

Erstens. Soziale Gerechtigkeit schließt das Recht auf Arbeit ein. Deshalb ist von Ihnen, Herr Abgeordneter, zu Recht das Thema Arbeit statt Sozialhilfe angesprochen worden. Es geht darum, arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger mit dem Zukunftskonzept Hartz IV in Arbeit zu bringen. Diese politische Lösung wird von der CDU aber zurzeit blockiert. Selbstverständlich geht es uns darum, dass Hartz IV auf den Weg kommt. Deshalb fordere ich Sie auf: Schließen Sie sich dem Städtetag und dem Gemeindebund an, die

(Ministerin Dr. Brigitte Trauernicht-Jordan)

mit der Bundesagentur für Arbeit einen Weg gefunden haben!

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Selbstverständlich werden wir uns dafür einsetzen, dass es zu einer finanziellen Entlastung der Kommunen kommt, und zwar zu einer finanziellen Entlastung, die genau dazu genutzt wird, was Sie, Herr Abgeordneter Steincke, angesprochen haben. Das ist nämlich mein zweiter Punkt: Zu einer weiteren erforderlichen Innovation in der Sozialhilfe gehört auch, den vielen Sozialhilfe beziehenden Alleinerziehenden Ausbildung und Arbeit zu ermöglichen. Das bedeutet Ausbau der Kinderbetreuung und eine familienfreundliche Weiterentwicklung des Arbeitsmarktes. Hier sind wir uns einig. Drittens. Sozialhilfe und Innovationen bedeuten auch, die große Gruppe der Kinder aus der Sozialhilfe zu lösen. Mittelfristig geht es dabei um eine Grundsicherung für Kinder. Kurzfristig geht es darum, den Vorschlag für einen Kindergeldzuschlag beim Arbeitslosengeld II im Rahmen von Hartz IV zu unterstützen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Es ist gerade angesprochen worden: Sozialhilfe, das ist nicht nur das Auszahlen von Geld an diejenigen, die nicht arbeitsfähig und in Not sind. Weitaus mehr als die Hälfte der Sozialhilfeausgaben umfasst nicht die Hilfe zum Lebensunterhalt, sondern die Hilfe in besonderen Lebenslagen. Das ist zum Beispiel die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen. Das ist auch die Hilfe zur Pflege. Es geht also um Menschen mit Handicaps und um alte und pflegebedürftige Menschen.

Hier sind wiederum fachliche Entwicklungen zu forcieren, die dem Prinzip ambulant statt stationär Rechnung tragen. Der Einsatz der so genannten persönlichen Budgets, das Fallmanagement, passgenaue Hilfen oder Pauschalierung sind Stichworte, die in der Debatte auch schon gefallen sind. Diese weisen den Weg in die richtige Richtung. Damit kann es zu Sozialhilfeausgabensenkungen kommen, die allerdings auf strukturelle Reformen setzen, damit das politisch in die richtigen Bereiche hineinkommt. Es geht nicht um eine Kürzung um 25 % durch die Beseitigung von Missbrauch und erst recht nicht um eine Kürzung um 25 % dadurch, dass man alten, pflegebedürftigen und behinderten Menschen das Geld wegnimmt. Herr Kalinka, hier erwarte ich von Ihnen noch eine klare Aussage.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Werner Kalinka [CDU]: Das ist eine glatte Verdrehung!)

Im Rahmen eines Benchmarkingprozesses hat die Landesregierung seit 1998 genau diese Entwicklungen, die Sie einfordern, auf den Weg gebracht.

(Werner Kalinka [CDU]: Das ist niveaulos!)

Dies von der Landesregierung zu erwarten, heißt Eulen nach Athen zu tragen.

(Veronika Kolb [FDP]: Aber nicht in Schleswig-Holstein!)