Punkt eins: Ganz besonders wichtig ist mir das, was ich in den letzten dreieinhalb Jahren immer wieder in diesen Diskussionen gesagt habe. Ich würde mir so sehr wünschen, dass das endlich einmal Eingang in die Köpfe findet, und zwar auf allen Seiten, auch
wenn die Stigmatisierung des Sozialhilfebezuges immer wieder als politisches Instrument in Diskussionen hervorgehoben wird. Sozialhilfe ist kein staatliches Almosen!
Auf Sozialhilfe besteht ein Rechtsanspruch, den Sie aus Artikel 20 des Grundgesetzes herleiten können. Alle, die dieser Hilfe bedürfen, haben einen Rechtsanspruch darauf und sind keine alimentierten Almosenempfänger.
Punkt zwei: Wenn wir uns die Entwicklung in der Sozialhilfestatistik ganz genau ansehen, auch in der Sozialhilfestatistik von Schleswig-Holstein, so sind die Zahlen natürlich dramatisch. Die Frage ist aber: Herr Kalinka, unterscheiden Sie eigentlich beispielsweise diejenigen, die Hilfe zum allgemeinen Lebensunterhalt erhalten, und was machen Sie mit denen - die fehlen nämlich in Ihrem Antrag -, die ergänzende BSHG-Leistungen erhalten, die beispielsweise in Pflegeheimen untergebracht werden? Ich garantiere Ihnen: Dieser Anteil wird aufgrund der finanziellen Situation der Pflegeversicherung eher größer. Was wollen Sie eigentlich mit denen machen? Wollen Sie die auch benchmarken oder wollen Sie eine andere Pflegeversicherung bauen? Zu Letzterem lade ich Sie herzlich ein.
Punkt drei: Natürlich sind sich hier alle einig und beteuern das auch immer wieder, dass die Sozialhilfe keine lebenslange Lohnersatzfunktion übernehmen soll. Die Stichworte, die wir uns immer wieder gegenseitig erzählen - fördern und fordern, vorübergehende Hilfe zur Selbsthilfe oder aktivierende Hilfe -, sind wunderbar. Ich denke, da sind wir gar nicht weit auseinander. Ich bin fest davon überzeugt - das ist der zentrale Grund dafür, warum ich noch einmal hier nach vorne gegangen bin -, dass wir aufgrund der Situation am Arbeitsmarkt trotz all dieser Bekenntnisse und Beteuerungen in den nächsten 10 bis 20 Jahren Menschen haben werden, die ein Leben lang auf solche staatlichen Leistungen angewiesen sein werden. Wenn wir unseren Auftrag ernst nehmen, dann müssen wir alles daran setzen, diesen Menschen das Gefühl zu geben, dass sie trotzdem einen wertvollen Beitrag zu unserer Gesellschaft leisten.
Darüber sollten wir vielleicht mal in den entsprechenden Ausschüssen diskutieren, anstatt hier immer nur allgemeine Schlagworte wie gemeinnützige Arbeit oder so etwas in die Debatte hineinzuwerfen. Ich will, dass sich diese Menschen ernst genommen fühlen, und ich will, dass diese Menschen eine ordentliche Aufgabe haben, damit sie sich wohl fühlen und nicht ausgeschlossen fühlen.
Das Wort zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4der Geschäftsordnung erteile ich jetzt dem Herrn Kollegen Berndt Steincke.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte in dieser Frage nicht pauschalieren. Ich möchte auch nicht etwas über die Armutsgrenze sagen und die etwa verändern. Ich möchte auch nichts tun, was in die Richtung unsozial geht. Es ist alles richtig, was hier über die Rechtsansprüche gesagt wurde. Wir haben auch keinen Grund, uns die Sozialhilfeempfänger vorzunehmen und da besonders strenge Maßstäbe anzulegen.
Aber ich meine, es muss auch ein bisschen Raum für praktische Möglichkeiten sein. Da zu Recht angemahnt wurde, wo denn die praktischen Vorschläge hier im Parlament seien, möchte ich ein kleines bescheidenes praktisches Beispiel aus meiner Heimatstadt nennen.
Wir hatten das Problem, dass wir sehr junge Sozialhilfeempfänger hatten, die seit vielen Jahren keine Arbeit hatten, die wir auch nicht in Arbeitsprojekte eingliedern konnten, weil sie noch nicht einmal die nötige Grundausbildung hatten. Dieser Zustand hielt mehrere Jahre an und wir haben gesagt, dass wir versuchen müssen, ihnen Arbeit zu vermitteln, und zwar gemeinnützige Arbeit über den Bauhof und die Stadtgärtnerei. Wir haben diese jungen Leute mit einem Arbeitsanleiter angeleitet, der sich darum kümmert, sie abzuholen und sie in die Arbeit einzuweisen. Wir haben sie mit einem Blaumann ausgestattet und haben diesen Arbeitsanleiter bezahlt. Und oh Wunder, in den ersten drei Monaten haben sich in der Stadt Heide 28 Sozialhilfeempfänger nicht mehr gemeldet - warum, lasse ich hier einmal offen.
Zweiter Punkt: Viele mittelständische Unternehmer haben die jungen Leute im Stadtgebiet arbeiten sehen.
Nach Auskunft der Stadt sind etwa 30 % dieser jungen Leute in reguläre Arbeit aufgenommen worden. Der Haken dabei ist nur, dass die Aufwendungen dieses Arbeitsanleiters, der ja bezahlt werden muss, allein von der Stadt bezahlt werden müssen, obwohl die Stadt 30 % der Sozialhilfekosten spart. Das Land freut sich, spart 39 %, und der Kreis freut sich, er spart 31 %. Und das, was die Stadt an Sozialhilfeleistungen weniger zahlt, weil weniger junge Leute bedürftig sind, muss sie wieder für die Arbeitsanleiter und für alles andere, was damit zusammenhängt, ausgeben.
Ich habe das Prinzip damals eingeführt. Meine Nachfolgerkollegen sagen, sie überlegen jetzt, dieses Prinzip aufzugeben. Es macht nur viel Arbeit und es gibt keinerlei Belohnung dafür. Land und Kreis reiben sich die Hände und die Stadt hat diesen ganzen Arbeitsaufwand allein zu tragen.
Meine Frage ist deshalb: Können wir es nicht gemeinschaftlich so regeln, dass sich beispielsweise an den Kosten für den Arbeitsanleiter auch das Land mit 39 % und der Kreis mit 31 % beteiligen? - Dann würde dieses Modell in ganz vielen Gemeinden umgesetzt werden können. Ich bitte, darüber im Ausschuss zumindest einmal nachzudenken.
Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Torsten Geerdts.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir unterhalten uns hier über die Frage, wieso die Quote der Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger in den einzelnen Bundesländern so unterschiedlich ist und weshalb wir hier in Schleswig-Holstein mit das Schlusslicht bilden. Darüber diskutieren wir in der Tat und ich finde, darüber müssen wir auch nachdenken.
Wir wollen alle gemeinsam - da gibt es Einigkeit -, dass wir für all diejenigen Sozialhilfe zahlen, die wirklich bedürftig sind, das heißt für diejenigen, die eben nicht arbeitsfähig sind. Da reden wir über ein Drittel der Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger in den Kreisen und kreisfreien Städten. Darum, lieber Wolfgang Baasch, sind eben nicht alle in der Behandlung gleich, sondern brauchen ein passgenaues Angebot und eine passgenaue Betreuung und Beratung. Wir haben unterschiedliche Erfolge auch in den Kreisen und kreisfreien Städten. Das hat Werner
Kalinka eben dargestellt. Ich finde, wir sollten uns einmal konkret ein Beispiel vor Augen führen, weil wir mit diesem Beispiel auf ein weiteres Problem hingeführt werden, das in nächster Zeit auch auf uns zukommen wird.
Wir haben eine gute Vermittlungsquote im Bereich Neumünster/Kaltenkirchen. Dort gab es das so genannte MoZArt-Modell, eine partnerschaftlich zusammengelegte Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, wo man miteinander gearbeitet hat und wo es keine Bevormundung gab. Ich glaube, das ist das Grundproblem dessen, was wir zurzeit auf Bundesebene diskutieren, nämlich ein Hartz-Modell, wo die Kommune außen vor ist und die Bundesagentur für Arbeit bestimmt. An anderer Stelle funktioniert - -
- Frau Ministerin, das müssen Sie schon ertragen. Das gehört in Schleswig-Holstein auch dazu, dass wir Abgeordnete hier unsere Meinung sagen. Das möchte ich Ihnen eingangs gleich mitgeben.
MoZArt hat an diesen Stellen funktioniert. Und wir erwarten von Ihnen, Frau Ministerin, dass Sie sich im Bundesrat dafür einsetzen, dass wir die Erfolge, die wir mit MoZArt bei der Zusammenfügung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe haben, auch im Bundesgesetz wiederfinden, ansonsten werden wir mit dieser Initiative nämlich scheitern.
Der nächste Punkt, den ich ansprechen möchte: Wir brauchen nicht nur Arbeitsangebote für diejenigen, die wir zur Arbeit ermutigen wollen, wir brauchen auch Betreuungsangebote für die Familien mit Kindern. Darin sind wir uns wieder einig. Und auch da sagt Hartz: Ja, da wollen wir gern rangehen, da soll etwas passieren und die Mittel sollen eigentlich in der Finanzierung schon gleich mit drin sein. Frau Ministerin, kümmern Sie sich bitte darum, dass sie konkret in der Finanzierung mit drin sind, denn ansonsten wird auch der Punkt nicht funktionieren.
Wir haben also unterschiedliche Erfolge auf der kommunalen Ebene. Ich finde, wir sollten uns an den Punkten orientieren, an denen wir wirklich gut sind. Wir waren in Neumünster gut, wir waren in Kaltenkirchen gut. Sorgen Sie als neue Ministerin dafür, dass wir all das in das Bundesgesetz hineinbekommen, wo wir schon jetzt vorankommen.
Wir sind uns einig, jeder arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger soll möglichst in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden, damit er sein Selbstwertgefühl erhält oder wieder herstellen kann. Darum geht es uns.
Im Ländervergleich stehen wir insgesamt nicht gut dar. Es ist Ihr Job, in den nächsten neun Monaten dafür zu sorgen, dass wir da ein Stück weit besser werden. Den Rest machen wir dann ab nächstem Jahr.
Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich jetzt Frau Abgeordneter Helga Kleiner das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich zu einem einzigen Punkt hier zu Wort gemeldet, nämlich weil mir die ganze Richtung der Diskussion vonseiten der Regierungsfraktion nicht sehr angemessen erschien. Sie haben sich in einer Art und Weise gegenüber dem Kollegen Kalinka geäußert, von der ich finde, dass er sie nicht verdient hat.
Er hat es eigentlich auch nicht nötig, von mir verteidigt zu werden, er kann sich schon allein wehren.
Aber einen Punkt wollte ich hier auch noch gern zu dem Beitrag des Kollegen Dr. Garg ansprechen. Sie haben Herrn Kalinka mehr oder weniger deutlich unterstellt, dass er Sozialhilfe empfangende Heimbewohner möglicherweise so behandeln wolle, als könnten die vielleicht auch noch arbeiten. Ich kenne den Kollegen Kalinka wirklich gut genug, dass ich weiß, dass er nicht meint, dass man pflegebedürftige Heimbewohner zur Arbeit heranziehen sollte.
Auch in unserem Antrag steht - und diesen Antrag hat nicht Herr Kalinka allein zu verantworten, dahinter steht unsere Fraktion,
„Menschen mit Behinderungen, kranken oder nicht arbeitsfähigen Menschen ist Unterstützung zum Lebensunterhalt oder in Notlagen zu gewähren.“