Protocol of the Session on April 30, 2004

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Behm.

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Der SPD-Vorsitzende Müntefering hat gesagt, er wolle erreichen, dass er für alle Ausbildungswilligen und Ausbildungsfähigen einen Ausbildungsplatz garantieren könne. Was bleibt für diejenigen übrig, die zu dem beklagenswerten Rest gehören? Alle von uns kennen Betriebe, die sagen, wir würden ja gern ausbilden, aber schickt uns bitte geeignete und ausbildungswillige Leute. Daran scheint es zu mangeln.

Die Lösung lautet: Das Ausbildungssystem muss um Komponenten erweitert werden, die Theorieschwachen einen niedrigschwelligen Abschluss ermöglichen. Arbeitgeber, Berufsverbände und auch die Gewerkschaften müssen hier endlich über ihren Schatten springen und solche Möglichkeiten eröffnen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Anderenfalls tolerieren wir, dass aus jedem Jahrgang, ich schätze einmal, 10 bis 15 % der Menschen durch den Rost fallen und sich letztlich nur über die „Stütze“, wie es allgemein genannt wird, und durch Schwarzarbeiter über Wasser halten können. Das müssen wir in diese Überlegungen einbeziehen.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Weitere Wortmeldungen? - Herr Kubicki, zur Geschäftsordnung? - Zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Kubicki das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben ein geschäftsordnungsmäßiges Problem, das darin besteht, dass SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen „Änderungsantrag“ zum Ursprungsantrag der FDP gestellt haben, der inhaltlich aber zum genauen Gegenteil von dem kommt, was die FDPFraktion eigentlich will, denn der Antrag der FDPFraktion lautet „Nein“, der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - ich mache es einmal kurz - lautet „Ja, aber“.

CDU und FDP haben vor der Sitzung gemeinsam beantragt, über den Antrag der FDP-Fraktion namentlich abstimmen zu lassen. Wir haben das beim Präsidium beantragt und ich habe vernommen, dass die Diskussion der Geschäftsführer darüber, wie verfahren werden soll, zu keinem sinnvollen Ergebnis geführt worden ist, weil die SPD-Fraktion darauf besteht, über den Änderungsantrag abzustimmen und dann über den FDP-Antrag in der geänderten Fassung abzustimmen. Das würde bedeuten, dass wir unter der Überschrift „FDP-Antrag“ zu einem „Ja, aber“ kämen, was für uns unzumutbar ist. Nun hat der Verfassungsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen 1997 erklärt, dass solche Änderungsanträge unzulässig sind, die den Gegenstand eines Antrages auswechseln. Wir wollen keine verfassungsrechtlichen Streitigkeiten in diesem Punkt, aber wir wollen dokumentieren - und das setzt ja Maßstäbe, Kollege Astrup, auch für künftige Zeiten -, dass wir uns nicht einem Verfahren beugen wollen, das darin besteht, dass unsere Intention ins Gegenteil verfälscht wird und unter unserem Namen inhaltlich etwas völlig Falsches transportiert wird.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich habe gesehen, der Kollege Astrup äußert sich noch. Sollte die Sozialdemokratie darauf bestehen, so zu verfahren, wie gegenüber den Geschäftsführern angekündigt, werden wir, Frau Präsidentin, unseren Antrag zurückziehen und damit sind dann die Änderungsanträge erledigt.

Zur Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Astrup das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Kubicki hat auf ein Manko in der Geschäftsordnung hingewiesen, das allgemein bekannt ist. Deshalb haben wir auch vor, über Änderungen der Geschäftsordnung zu verhandeln. An dieser konkreten Stelle sehe ich allerdings überhaupt kein Problem, Kollege Kubicki. Die Antragslage stellt sich folgendermaßen dar: Kollege Harms hat, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, in seinem ersten Redebeitrag beantragt, alles, was auf dem Tisch liegt, in den zuständigen Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Das heißt, er hat einen Antrag nach § 62 der Geschäftsordnung gestellt. Sie haben beim Präsidium einen Antrag nach § 63 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf namentliche Abstimmung gestellt. Da bekanntermaßen Geschäftsordnungsanträge, und ein solcher ist die Überweisung in einen Ausschuss, vorgehen, erledigt sich das Problem dadurch, dass wir mit Mehrheit eine Überweisung in den zuständigen Wirtschaftsausschuss beschließen werden.

Weitere Wortmeldungen zur Geschäftsordnung liegen nicht vor. Wir treten in die Abstimmung ein. Ich möchte zunächst über Punkt 28, den Bericht, abstimmen lassen. Ich schlage vor, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen. Wer dem so zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen!

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 15/3329 sowie die Änderungsanträge Drucksachen 15/3369 und 15/3403. In der Tat liegt dem Präsidium der Antrag der Fraktionen von CDU und FDP auf namentliche Abstimmung vor. Noch einmal zur Abstimmung? - Herr Abgeordneter Maurus!

Frau Präsidentin, ich habe den Kollegen Astrup eben so verstanden, dass er die Anträge insgesamt an den Ausschuss überweisen möchte. Dieser Ausschussüberweisung würden wir zustimmen.

Herr Abgeordneter Maurus, wenn Sie mir 30 Sekunden länger zugehört hätten, hätte sich Ihre Wortmeldung erübrigt. Ich nehme zur Kenntnis, wie Sie abstimmen wollen. Ich werde zunächst abstimmen lassen über die Ausschussüberweisung. Wer die Änderungsanträge an die Ausschüsse überweisen

(Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau)

möchte, und zwar an den Wirtschaftsausschuss federführend, mitberatend Sozialausschuss

(Zurufe: Bildungsausschuss!)

und Bildungsausschuss, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dies ist einstimmig so beschlossen.

Ehe ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich unsere Besucher begrüßen, und zwar die Besuchergruppen der Käthe-Kollwitz-Schule, Kiel, und der Realschule aus Bad Bramstedt. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 37 auf:

Prüfung des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Schleswig-Holstein als Rechtsaufsichtsbehörde der AOK Schleswig-Holstein durch den Landesrechnungshof Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/3390

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kalinka.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon ein ziemlich einmaliger Vorgang, was wir seit Januar bezüglich der AOK Schleswig-Holstein gehört haben. Es ist eigentlich nur mit dem Wort „unbegreiflich“ zu beschreiben, dass ein sehr gut dotierter Vorstandsvorsitzender ein Darlehen in Höhe 235.000 € bekommen hat. 78 Beraterverträge sind von 1999 bis 2003 vergeben worden - die allermeisten nicht ordnungsgemäß.

Meine Damen und Herren, dies empfinde ich als eine Zumutung für die Versicherten, aber auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der AOK Schleswig-Holstein.

(Beifall bei der CDU)

Wir verzeichnen eine Reihe von Erstaunlichkeiten: Im Jahr 2000 erfährt die Spitze des Sozialministeriums, dass es einen Kredit an den damaligen AOKVorsitzenden gegeben hat. Wie wir im Jahr 2004 hören, sagt sie, das sei nicht in Ordnung. Aber sie sorgt nicht dafür, dass dieser Kredit zurückgezahlt werden muss. Es gibt - wir wie im Ausschuss gehört haben - noch nicht einmal Vermerke oder schriftliche Darlegungen und statt dessen wurden in den nächsten Jahren weitere Kredite vergeben.

Meine Damen und Herren, was ist das denn für eine Rechtsaufsicht eines Ministeriums, die nicht einmal dafür sorgen kann, einen sich nicht in Ordnung befindlichen Zustand abzustellen? Was soll man denn von der Wirksamkeit und von dem Durchgriff halten, wenn eine solche Vorgehensweise möglich ist?

Der Prüfbericht 2002 sagt aus, es gebe eine Reihe von Verstößen gegen Vergabevorschriften. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätten die Alarmglocken auf der Spitze des Sozialministeriums klingeln müssen und spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte man sagen müssen: Diese Vorfälle müssen jetzt sehr energisch untersucht werden. - Nichts ist passiert, meine Damen und Herren, aber statt dessen werden im Jahr 2003 acht neue Beraterverträge abgeschlossen, die jetzt rückabgewickelt werden sollen, weil auch diese nicht ordnungsgemäß ausgeschrieben wurden. Was ist dies eigentlich für ein Zustand?

(Beifall bei CDU und FDP)

Wenn dem Prüfbericht die gebotene Beachtung beigemessen worden wäre, hätte Schaden vermieden werden können. Dies alles umschreibt der zuständige Sozialstaatssekretär im zuständigen Sozialausschuss mit den Worten: Unzulänglichkeiten wurden immer wieder einmal festgestellt. - Er fügt dann hinzu, es habe eine größere Anzahl formaler und rechtlicher Mängel gegeben. - Genaueres haben wir nicht erfahren. Genaueres haben wir erst anschließend durch die Presse und die Schlammschlacht, die sich einige Herren geliefert haben, erfahren.

Von schönen Reisen nach Amerika ist die Rede, Tagegelder sollen doppelt abgerechnet worden sein, für einen Berater soll es 1,5 Millionen € in einigen Jahren gegeben haben. Oder verbirgt sich dahinter, dass 20.000 € für eine Rahmenkonzeption der Kunstausstellung „AOK Open“ ausgegeben wurden? - Es ist sicherlich fragwürdig, ob dies der Aufgabenstellung der Vergabe von Mitteln einer Kasse entspricht. Oder ist es der rote Teppich beim Abend der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewesen?

(Arno Jahner [SPD]: Blauer Teppich!)

- Blau sei er gewesen, sagt Kollege Jahner.

Oder ist es ein üppig ausgestatteter parlamentarischer Abend gewesen? - Meine Damen und Herren, all dies sind Beispiele, die gänzlich nicht zur korrekten Vergabe von Mitteln einer Kasse erzählen.

Erst als im Januar politischer und öffentlicher Druck durch die Medien und durch uns als Opposition im Sozialausschuss erfolgte,

(Lachen bei der SPD)

(Werner Kalinka)

begann das Sozialministerium, sich um eine effektive Kontrolle zu bemühen.

Im Januar/Februar wurden bis zu sieben Prüfer ausgesandt, um in drei Wochen zu Ergebnissen zu kommen. Sie kamen auch zu Ergebnissen, die zwar nicht alles darlegen, was wir inzwischen wissen, aber sie recherchierten einiges. Wenn diese Sonderprüfung eher erfolgt wäre, meine Damen und Herren, wäre Schaden von der AOK Schleswig-Holstein abgewandt worden.

(Beifall bei CDU und FDP)

Die Opposition stellt Fragen im Sozialausschuss. Wir beschränken uns darauf, die Berichte abzuwarten. Wir diskutieren die Dinge. Und Sie werden bestätigen müssen, dass wir dies sehr gründlich, sehr sorgfältig und sehr genau tun.

Wir bekommen hinhaltende Antworten und zum Teil überhaupt keine Antworten. Bei einer Reihe von Fragen ist man uns die Antworten bis heute schuldig geblieben.

Ich möchte eine Frage nennen. Wir haben gefragt: Wie hoch war denn eigentlich der zweithöchste Kredit der AOK? - Bis heute wird uns die Antwort nicht dargelegt. Ich vermute: Der Vorstandsvorsitzende bekam einen Kredit von 235.000 € und der zweithöchste Kredit lag bei 2.000 € - wahrscheinlich für einen Mitarbeiter, der sich ein Auto kaufen wollte.

(Zurufe von der SPD: Woher wissen Sie das? Das sind reine Spekulationen!)

Genau diese Antworten sind im Ausschuss nicht gegeben worden.

(Zuruf von der SPD: Unerhört!)

- Herr Kollege, das war eine Vermutung, weil ich dreimal danach im Ausschuss gefragt habe, aber keine Antwort erhalten habe. Diese Frage ist von Bedeutung, wie man den Kredit an Herrn Buschmann einstufen kann.