Protocol of the Session on April 29, 2004

Die Einbeziehung der Richterinnen und Richter auf Probe in das Richterwahlverfahren bietet sicherlich ein Mehr an demokratischer Legitimation, aber ich fürchte, diese zusätzliche Aufgabe würde der Richterwahlausschuss mit seinem ja auch begrenzten Zeitbudget nicht verkraften. Ich möchte nicht riskieren, dass Stellen länger unbesetzt bleiben, weil der Richterwahlausschuss mit der Auswahl des Nachwuchses nicht hinterherkommt. Nach meiner persönlichen Rückfrage im Justizministerium ist mir versichert worden, dass bei der Ernennung der Richter auf Probe der Hauptrichterrat und selbstverständlich die Gleichstellungsbeauftragte eine Rolle spielen

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wie sind die denn demokratisch legitimiert?)

und dass in einem ständigen Prozess Nachwuchs hineingeholt wird, sodass der Richterwahlausschuss eine permanente Aufgabe hätte. Ich glaube, das würden wir nicht schaffen, obwohl das ein schwaches Argument ist; das möchte ich zugeben. Damit können wir uns in der Ausschussberatung beschäftigen.

Und noch etwas ist in Ihrem Antrag außerordentlich bemerkenswert, Herr Kubicki: Sie wollen bei der Besetzung von Präsidentinnen- und Präsidenten- und Vizepräsidenten- und Vizepräsidentenämtern die vorgesehene Berücksichtigung von weiblichen Kandidaten abschaffen. Zurzeit sollen von drei Kandidaten einer weiblich sein. Dies ist sowieso nur als Sollbestimmung vorgesehen - also eine schwache Formulierung -, ein Hintertürchen ist zurzeit also für den Fall der Fälle sowieso schon vorhanden.

Aber auch diese relativ weiche Formulierung wollen Sie streichen. Das kann ich überhaupt nicht verstehen. Das ist auch für Ihre Partei eine unangemessen rückwärtsgewandte Politik, die Sie da fordern.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Quatsch!)

Es ist inzwischen so weit gediehen, dass bei den R1Stellen für Richterinnen und Richter 47 % von Frauen besetzt sind. Das ist ein gutes Ergebnis. Dies wissen wir aus der Antwort auf Ihre Große Anfrage zur Jus

(Irene Fröhlich)

tiz. Dies muss weitergeführt werden. Ich halte es für eine zeitgemäße und vernünftige Rechtsprechung in diesem Lande für außerordentlich wichtig, dass in diesen Ämtern Frauen und Männer gleichermaßen repräsentiert sind. Daran möchte ich nicht rütteln.

(Beifall des Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dies muss sich natürlich auch bis in die Beförderungs- und Repräsentationsämter hinein fortsetzen. Das wollen Sie torpedieren. Dass die Frauenförderung von der CDU als optische Maßnahme und als Symbolismus betrachtet wird, sind wir mittlerweile gewohnt. Wir sind aber sehr erstaunt darüber, solche Vorschläge nun auch von der FDP zu hören. Daher würde ich von Ihnen gern erfahren, aufgrund welcher Erfahrungen Sie selbst diese Miniquote als so hinderlich ansehen, dass Sie sie streichen möchten, oder meinen, sie streichen zu müssen. Darüber können wir uns im Ausschuss noch unterhalten. Selbstverständlich wird der Gesetzentwurf an den Ausschuss überwiesen. Ich finde es spannend, die Debatte dort noch einmal zu führen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Klaus-Peter Puls [SPD])

Ich erteile Frau Abgeordneter Hinrichsen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag der FDP-Fraktion zur Änderung der Landesverfassung und des landeseigenen Richtergesetzes ist eine Altauflage. Bereits im September 1995 wurde im Landtag über genau diesen Antrag diskutiert.

Dem Grundgedanken des Entwurfs können wir uns meiner Ansicht nach anschließen: Ein Zurückdrängen der parteipolitischen Einflussnahme auf die Richterwahl, ein stärkeres Gewicht für diejenigen, die die Qualifikation der Bewerberinnen und Bewerber beurteilen können, ein Einbinden derjenigen, die für die Effizienz und Funktionsfähigkeit der Gerichte verantwortlich sind. Dazu gehört auch die Einbeziehung des Richterwahlausschusses bei Neueinstellungen.

In den Zeitungen wurde vor nicht allzu langer Zeit erneut heftig über die mögliche Besetzung von Stellen im Bereich der Richterschaft diskutiert, da nach Ansicht der Zeitungen und anderer die Besetzung nur durch parteipolitische Handelsabkommen bestimmt wurde. Dies erfolgte sinngemäß nach dem Motto: Gib du mir die Bestimmung über einen Posten als Präsi

dent, dann darf ich bestimmen, wer für eine andere Stelle zu wählen ist. Diese Art von Verhandlungen ist des öfteren bei der Besetzung von Präsidentenstellen und Ähnlichem in der Presse kolportiert worden. Dies dient nach meiner Ansicht weder dem Ansehen der Justiz noch den tatsächlich gewählten Personen als guter Einstieg in ihre Arbeit.

(Beifall bei SSW und FDP)

Deshalb ist der Ansatz des Antrags gut. Leider gilt das nicht für seine Ausführung. Auch 1995 war die Haltung des SSW zu diesem Gesetzentwurfs, der uns heute in unveränderter Form vorliegt, folgende: Wir werden ihn in dieser Form ablehnen. Die FDP hat aus der damaligen Diskussion nichts mitgenommen. Sie hat in ihrem Entwurf auch nicht den heute geänderten Bedingungen Rechnung getragen.

Der Antrag ist frauenfeindlich. Er kann nur aus der Feder eines Mannes stammen, denn nach dem jetzigen Gesetz müssen die Mitglieder jeweils zur Hälfte aus Frauen und Männern bestehen. Nach dem Gesetzentwurf, der uns jetzt vorliegt, soll nur darauf hingewirkt werden, dass im Ausschuss gleiche Anteile an Männern und Frauen beteiligt sind.

Weiter soll der Richterwahlausschuss nur noch zur Hälfte aus Landtagsabgeordneten bestehen. Dies ist vor dem Hintergrund des Grundgedanken des Zurückdrängens der parteipolitischen Einflussnahme verständlich.

Dieses Ziel wird aber durch die weitere Änderung im FDP-Antrag verfehlt. Der Richterwahlausschuss soll nur noch mit einfacher Mehrheit entscheiden können. Heute ist eine Entscheidung nur mit einer Zweidrittelmehrheit möglich. Eine Einschränkung auf die einfache Mehrheit wird deshalb nicht zum gewünschten Ziel führen.

Der vorgelegte Entwurf ist aus diesen Gründen bedenklich. Wir werden einer Ausschussüberweisung aber zustimmen. Es wäre schön gewesen, wenn die FDP nicht nur einfach wort- und inhaltsgetreu den alten Antrag übernommen hätte, sondern wenn sie aus der alten Debatte zumindest Erkenntnisse übernommen und in den Antrag eingebracht hätte.

(Beifall bei SSW und SPD)

Frau Ministerin Lütkes hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der FDP kommt, wenn man ihn nur auf der Basis von Zeitungslektüre betrachtet, bestechend einfach daher. Demokratie ist aber ein anstrengendes Geschäft. So einfach dürfen es sich der Verfassungsgesetzgeber und die Verfassungsgesetzgeberin nicht machen.

Auf der Basis der hier schon vorgetragenen Bedenken möchte ich zwei Aspekte erwähnen: Erstens. Zur vorgeschlagenen Stärkung des richterlichen Einflusses durch Einbindung der Gerichtspräsidenten und der Präsidialräte ist zu sagen, das geltende Recht vermeidet jede Form unzulässiger Kooptation, also der Selbstergänzung der Richterschaft. Wer den richterlichen Einfluss stärken will, muss sich mit diesem Problem auseinander setzen. Die Grenze der Unzulässigkeit mag durch den Gesetzentwurf der FDP noch nicht überschritten werden, denn er trägt dafür Sorge, dass eine einfache richterliche Mehrheit nicht möglich ist.

Allerdings meine ich, wie es hier auch schon gesagt worden ist, dass der Gesetzentwurf in eine falsche Richtung zielt, nämlich in die Richtung eines Verfahrens der richterlichen Selbstergänzung. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Präsidenten als unmittelbare Dienstvorgesetzte bereits nach geltendem Recht entscheidenden Einfluss auf die Auswahlentscheidungen des Richterwahlausschusses und des Ministeriums haben. Sie verfassen nach den vorgegebenen Richtlinien und nach der ständigen Rechtsprechung die maßgeblichen Beurteilungen, die aus Anlass einer jeden Bewerbung um eine Planstelle notwendig sind und erstellt werden. Herr Abgeordneter, dies wissen Sie.

Dieser Inhalt der Anlassbeurteilungen ist zu beachten. Für den Fall der Vernachlässigung - sei es durch den Ausschuss oder durch meine eigene anzuschließende Auswahlentscheidung - wird notwendigerweise der Rechtsweg eröffnet. Dies würde zum Erfolg einer Konkurrentenklage führen.

Auch die Präsidialräte haben die entsprechende vorgesehene Einflussnahme, die sie ausüben. Sie beeinflussen die Auswahlentscheidung mit. Sie haben die Möglichkeit zur differenzierten Stellungnahme, die sie auch nutzen. Insofern wird im Ergebnis, würde der Gesetzentwurf zum Gesetz, eine Doppelfunktion der Präsidenten und der Präsidialräte ins Gesetz geschrieben. Sie hätten Stimmrecht und wären zudem zuvor als Beurteiler tätig gewesen. Das ist eine unzu

lässige Doppelfunktion, die bei einer Auswahlentscheidung so nicht gegeben sein darf.

Bei der Zusammensetzung des Richterwahlausschusses sind die allgemeinen verfassungsrechtlichen Vorgaben zu beachten. Eine besondere Vorgabe ist das Gebot der demokratischen Legitimation. Dies ist bereits angesprochen worden. Insofern teile ich die eben geäußerten Bedenken gegen den Gesetzentwurf insbesondere in Bezug auf die vorgeschlagenen anwaltlichen Mitglieder und die Mitglieder und Mitgliederinnen der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie sollen ohne weitere demokratische Legitimation zur Mitentscheidung in diesen Ausschuss berufen werden.

Als zweiten Punkt möchte ich die Einstellung von Proberichterinnen und Proberichtern durch das Ministerium erwähnen. Herr Kubicki, Sie tragen vor, dass eine völlig unkontrollierte Vorauslese allein durch das Justizministerium untragbar sei. Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass bei der Auswahlentscheidung die Beteiligung des Hauptrichterrates sowie der Gleichstellungsbeauftragten aufgrund einer Selbstbindung des Ministeriums selbstverständlich ist. Insofern ist dies eine Entscheidung, die durchaus transparent ist und in der täglichen Arbeit Akzeptanz gewährleistet.

Ich möchte noch darauf hinweisen, dass die jungen Richterinnen und Richter, die wir einstellen, aber auch die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in der Praxis hervorragende Beurteilungen bekommen. Diese Beurteilungen liegen bei der Entscheidung über die Einstellung auf Lebenszeit und bei weiteren Auswahlentscheidungen vor. Ich glaube, im Richterwahlausschuss, dessen Vorsitzende ich ja bin, mit den entscheidenden Mitgliedern einig zu sein, dass diese Auswahl- und Einstellungsentscheidungen in keinem Einzelfall Anlass gegeben haben, die Praxis der ausführlichen Gespräche und Beteiligungen bei Einstellungen zu beanstanden. Wir haben Richterinnen und Richter, die hervorragende Arbeit leisten und im Richterwahlausschuss bestehen können.

Der Entwurf schraubt den hohen Grad der demokratischen Legitimation der Richterwahl zurück und fällt hinter das geltende schleswig-holsteinische hohe Legitimationsrecht zurück. Er ist aus meiner Sicht kein guter Vorschlag, sondern macht in einer der Gesamtjustiz nicht dienenden Weise die geltende Verfassungsreform von 1990 rückgängig.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und vereinzelt bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf der Fraktion der FDP an den Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Wir treten in die Mittagspause ein und werden nach der Mittagspause mit Tagesordnungspunkt 13 zur Änderung des Hochschulgesetzes beginnen. Ich wünsche Ihnen eine schöne Mittagspause!

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Unterbrechung: 13:10 bis 15:01 Uhr)

Die Sitzung ist wieder eröffnet. Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich die inzwischen auf der Tribüne eingetroffenen Gäste begrüßen. Es haben sich dort Mitglieder des Gesprächskreises ILEX aus Heidmoor sowie ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus der Ukraine mit ihren Begleitern eingefunden. - Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Hochschulgesetzes und des Hochschulzulassungsgesetzes

Gesetzentwurf der Fraktion der CDU Drucksache 15/3376

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Dann eröffne ich die Grundsatzberatung.

Ich erteile zunächst Herrn Abgeordneten de Jager das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den kommenden Wochen werden wir es hier im Landtag, in den Ausschüssen und in den Diskussionen in der Öffentlichkeit mit der Novellierung des Hochschulgesetzes zu tun haben. Es ist eines der letzten gesetzgeberischen Vorhaben, die in dieser Legislaturperiode noch zu bewerkstelligen sind und es ist definitiv das letzte in der Hochschulpolitik.

Bei der Beratung des Hochschulgesetzes werden wir auch Gelegenheit haben, einmal zu überprüfen, inwieweit die gesamten Diskussionen, die wir in den

vergangenen Wochen über die Zukunftsfähigkeit der Hochschulen, über die Wettbewerbsfähigkeit der Hochschulen, über Innovationsoffensive, über Elitenbildung und über Elitenförderung geführt haben, tatsächlich von den lichten Höhen der Talkshows auch in der Gesetzgebung des Landes Schleswig-Holstein Niederschlag finden. Dann wird es konkret. Es geht dann nicht mehr darum, Dinge einzufordern und Erwartungen zu formulieren, sondern dann geht es darum, für die Hochschulen des Landes SchleswigHolstein zu gucken, ob wir diese Dinge tatsächlich umsetzen. Wir werden sehen, ob durch die Diskussionen in den vergangenen Wochen bei der Landesregierung ein Lerneffekt in diesen Fragen eingetreten ist. Wir werden überprüfen können, ob die Hinwendung zu den Hochschulen bei der SPD und von Bundeskanzler Schröder am Ende eine reine PR-Aktion war oder auch Substanz hatte.